Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.02.2006, Az.: 12 LC 528/04
Anspruch auf Erstattung von Sozialhilfeleistungen; Bestimmung des örtlichen Trägers der Sozialhilfe; Begriff der Einrichtung; Erfordernis der neuen Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit beim Wechsel der Hilfeart von einer stationären Maßnahme zu einer ambulanten Betreuung; Zuständigkeitswechsel in dem Fall, dass ein Hilfeempfänger eine Einrichtung verlässt und dann Sozialhilfe braucht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.02.2006
- Aktenzeichen
- 12 LC 528/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 10835
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:0213.12LC528.04.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 4 BSHG
- § 100 BSHG
- § 103 BSHG
Fundstellen
- DVBl 2006, 856 (amtl. Leitsatz)
- ZfF 2007, 20
- ZfSH/SGB 2006, 148-151
Amtlicher Leitsatz
Bei der Bestimmung des örtlichen Trägers der Sozialhilfe einerseits und der Kostenerstattungspflicht zwischen den Trägern der Sozialhilfe andererseits gilt derselbe Begriff der "Einrichtung" (§ 97 Abs. 4 BSHG).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Sozialhilfeleistungen hat, die der Kläger Herrn S. K. in der Zeit vom 1. September 2000 bis zum 31. Juli 2002 erbracht hat.
Der am 6. Dezember 1976 geborene Herr S. K. ist gemäß den in den Akten enthaltenen fachlichen Stellungnahmen nicht nur vorübergehend wesentlich seelisch behindert. Er leidet an einer leichtgradigen Intelligenzminderung (Intelligenzquotient von 70) und einer Persönlichkeitsstörung mit im Vordergrund stehender emotionaler Instabilität.
Herr K. lebte bis zum 10. Juli 1994 im Zuständigkeitsbereich des beklagten Landkreises. Zum 11. Juli 1994 begab er sich in die vollstationäre Betreuung des Sozialpädagogischen Zentrums C. (im Folgenden: Zentrum), Wohngruppe D., ein Kinder- und Jugendheim. Der Beklagte als zuständiger örtlicher Träger der Jugendhilfe gewährte ihm fortan bis zum 31. August 2000 Eingliederungshilfe gemäß §§ 35 a, 41 SGB XIII. Ab dem 1. Februar 1998 mietete Herr K. eine Zwei-Zimmer-Wohnung in E. an, die ihm vom Zentrum vermittelt worden war. Gemäß einer Stellungnahme der Betreuerin Frau Z., die Angestellte des Zentrums ist, an das Jugendamt des Beklagten vom 7. Juli 1998 wurde dies von allen Beteiligten als Versuch gewertet, weil in Anbetracht der von Herrn K. in der Vergangenheit entwickelten großen Ängste, seine Wohngruppe zu verlassen, unklar gewesen sei, wie er mit der neuen Wohnsituation aufgrund seiner geringen Belastbarkeit zurecht kommen würde. Herr K. wurde weiterhin intensiv von den Mitarbeitern der Wohngruppe betreut. Während der ersten Monate hielt er sich auch noch häufig in der Wohngruppe auf, etwa zu gemeinsamen Mahlzeiten oder Freizeitaktivitäten oder zur Krisenintervention. Nach der genannten Stellungnahme wurde die vollstationäre Maßnahme ab dem 1. August 1998 in eine ambulante Maßnahme umgewandelt. Die arbeits- und zeitintensive Betreuung wurde fortgesetzt. Darüber hinaus stand Herrn K. weiterhin das freizeitpädagogische Angebot des Zentrums zur Verfügung, das seine Betreuerin mit ihm zu nutzen beabsichtigte. Frau Z. hielt eine sozialpädagogische Betreuung mit 10 Fachleistungsstunden für angemessen. Auch diese wurde vom Beklagten aus Mitteln der Jugendhilfe gewährt. Seit Anfang 1999 absolvierte Herr K. eine Ausbildung in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Die Lehrstelle hatte er in Zusammenarbeit mit seiner Betreuerin gefunden. Er brach die Ausbildung am 31. Juli 2000 erfolglos ab.
Der Träger der Einrichtung bescheinigte unter dem 9. Oktober 2000, dass Herr K. in der Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. August 2000 in seiner Einrichtung betreut worden sei.
Ab dem 1. September 2000 bezog Herr K. Hilfe zum Lebensunterhalt durch den Kläger. Dieser erbrachte in der Zeit vom 1. September 2000 bis zum 31. Juli 2002 unbestritten Leistungen in Höhe von insgesamt 8.882,91 EUR. Von diesem Betrag entfielen 2.292,53 EUR auf Wohngeld- und Mietzuschussleistungen.
Erstmals mit Schreiben vom 28. November 2000 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 103 BSHG für die gewährten Sozialhilfeleistungen geltend. Der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab.
Mit der am 26. August 2003 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und zur Begründung ausgeführt: Herr K. habe das Zentrum erst zum 1. September 2000 verlassen. In der Zeit vom 1. August 1998 bis zum 31. August 2000 sei er weiterhin vom Zentrum betreut worden, so dass eine ständige Überwachung seiner Person gewährleistet gewesen sei. Deshalb habe Herr K. seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht bereits am 1. August 1998 durch Umzug nach Morschen in seinen, des Klägers, Zuständigkeitsbereich verlagert.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.882,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat ausgeführt: Die stationäre Maßnahme für Herrn K. sei am 1. August 1998 in eine ambulante Maßnahme umgewandelt worden. Deshalb habe ab diesem Zeitpunkt ein ambulant betreutes selbstständiges Einzelwohnen mit der Folge vorgelegen, dass Herr K. seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt aus seinem Zuständigkeitsbereich in denjenigen des Klägers verlagert habe.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 10. November 2004 den Beklagten verpflichtet, dem Kläger für Herrn S. K. in der Zeit vom 1. September 2000 bis zum 31. Juli 2002 aufgewendete Sozialhilfekosten in Höhe von 6.590,39 EUR nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 26. August 2003 zu erstatten, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei nur teilweise begründet. Der Kläger habe gemäß § 103 Abs. 3 BSHG einen Anspruch gegen den Beklagten auf die geltend gemachte Erstattung der Herrn K. gewährten Sozialhilfeleistungen, nicht aber auf Erstattung auch der Wohngeld- und Mietzuschussleistungen. Erstattungsrechtliche Spezialregelungen etwa nach Jugendhilferecht stünden der Anwendbarkeit des § 103 Abs. 3 BSHG hier nicht entgegen.
Nach § 103 Abs. 3 BSHG habe der zuständige örtliche Träger der Sozialhilfe (hier der Kläger) gegen den Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Hilfeempfänger (hier Herr K.) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG gehabt habe (hier der Beklagte) einen Kostenerstattungsanspruch, wenn der Hilfeempfänger in den Fällen des § 97 Abs. 2 BSHG die Einrichtung verlasse und im Bereich des örtlichen Trägers, in dem die Einrichtung liege, innerhalb von einem Monat danach der Sozialhilfe bedürfe. Die Vorschrift diene ebenso wie § 97 Abs. 2 BSHG dem Schutz des Sozialhilfeträgers, in dessen Zuständigkeitsbereich sich Einrichtungen im Sinne der letztgenannten Vorschrift befänden (sogenannter Schutz der Anstaltsorte). Sie solle ihn vor übergroßen finanziellen Belastungen schützen, die durch Einrichtungen entstehen könnten, für die er nach der Grundregel des § 97 Abs. 1 BSHG sonst örtlich zuständig wäre. Zusätzlich regele § 103 Abs. 2 BSHG, dass als Aufenthalt in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung auch gelte, wenn jemand außerhalb der Einrichtung untergebracht werde, aber in ihrer Betreuung bleibe.
Die eigenständige Kostenerstattungsregel in § 103 Abs. 3 BSHG knüpfe an die Zuständigkeitsvorschrift des § 97 Abs. 2 BSHG an und verlängere den Schutz des Anstaltsortes auch bei offener Hilfe. Sie setze damit voraus, dass im Zeitpunkt des Verlassens der Einrichtung nicht der erstattungsberechtigte Sozialhilfeträger selbst, sondern derjenige des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers im Zeitpunkt von dessen Aufnahme in die Einrichtung leistungsverpflichtet gewesen sei. Da der Kläger Ansprüche ab dem 1. September 2000 geltend mache, lasse sich die - wegen der vorrangigen Gewährung von Jugendhilfe nur hypothetische - Zuständigkeit des Beklagten nach § 97 Abs. 2 BSHG nur bejahen, wenn sich Herr K. mindestens bis Ende Juli 2000 in einer Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift aufgehalten habe, weil sonst die Monatsfrist des § 103 Abs. 3 BSHG, binnen derer der Hilfeempfänger der Sozialhilfe bedürfe, abgelaufen wäre.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 103 Abs. 3 BSHG seien erfüllt, insbesondere liege ein Fall des § 97 Abs. 2 BSHG vor. Für die Frage, ob Herrn K. Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung gewährt worden sei (§ 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG), gebe § 97 Abs. 4 BSHG eine Auslegungshilfe. Danach seien Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen im Sinne des Absatzes 2 alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen oder der Erziehung dienten. Nach der engen Bestimmung des Begriffs der Einrichtung in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27.2.2002 - BVerwG 5 C 30.01 -, BVerwGE 116, 339 [BVerwG 27.06.2002 - 5 C 30/01]) setze die Annahme einer Einrichtung voraus, dass die Unterkunft des Hilfeempfängers der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers so zugeordnet sei, dass sie als Teil des Einrichtungsganzen anzusehen sei. Hiervon könne man für das betreute Wohnen des Herrn K. jedenfalls für die Zeit ab 1. August 1998 nicht mehr ausgehen. Da es im vorliegenden Fall aber um die Frage der Kostenerstattungspflicht nach Verlassen der Einrichtung gehe, sei die Sonderregelung des § 103 Abs. 2 BSHG heranzuziehen. Nach dieser gelte als Aufenthalt in einer Einrichtung unter anderem auch, wenn jemand außerhalb der Einrichtung untergebracht werde, aber in ihrer Betreuung bleibe. Das sei bei Herrn K. in der Zeit vom 1. August 1998 bis zum 31. August 2000 der Fall gewesen, da er auch nach Umzug in die eigene Wohnung in einer intensiven Betreuung durch das Zentrum geblieben sei. Damit sei der Anspruch des Klägers auf Erstattung der geltend gemachten, ab September 2000 im Anschluss an das Verlassen der Einrichtung durch Herrn K. gewährten Sozialhilfeleistungen begründet. Die Jahresfrist des § 111 SGB X für die Geltendmachung des Anspruchs habe der Kläger gewahrt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung. Er trägt vor: Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts könne der Begriff der Einrichtung nicht für die Zuständigkeitsregelungen des § 97 BSHG einerseits und die Kostenerstattungsregel des § 103 BSHG andererseits unterschiedlich bestimmt werden. Weder der Wortlaut noch die Gesetzessystematik der Vorschriften ließen dies zu. In Anwendung der von dem Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen näheren Bestimmung des Begriffs der Einrichtung habe Herr K. die Einrichtung bereits im Zeitpunkt des Wechsels von stationärer zu ambulanter Eingliederungshilfe am 1. August 1998 verlassen. Für die Gewährung weiterer Leistungen über den 31. August 2000 hinaus sei jedenfalls die Zuständigkeit des Klägers gemäß § 97 Abs. 1 i. V. m. § 99 BSHG gegeben und scheide eine Kostenerstattungspflicht für ihn, den Beklagten, aus. Im Übrigen spreche auch die mit dem Übergang zur ambulanten Betreuung verbundene erhebliche Reduzierung des Betreuungsaufwandes auf 10 Fachleistungsstunden pro Woche, täglich also durchschnittlich nur noch 86 Minuten, gegen eine weitere Betreuung in der Einrichtung, wie das Verwaltungsgericht angenommen habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 10. November 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringend der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO).
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihm die in der Zeit vom 1. September 2000 bis zum 31. Juli 2002 für Herrn S. K. aufgewendeten Sozialhilfekosten erstattet.
Rechtliche Grundlage für das Erstattungsbegehren des Klägers ist § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG. Dieser bestimmt: "Verlässt in den Fällen des § 97 Abs. 2 BSHG der Hilfeempfänger die Einrichtung und bedarf er im Bereich des örtlichen Trägers, in dem die Einrichtung liegt, innerhalb von einem Monat danach der Sozialhilfe, sind dem örtlichen Träger der Sozialhilfe die aufgewendeten Kosten von dem Träger der Sozialhilfe zu erstatten, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG hatte." Die Kostenerstattungsregelung nimmt somit Bezug auf die Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 97 BSHG. Danach ergeben sich im Fall des Herrn S. K. hier im Laufe der Zeit folgende wechselnde sozialhilferechtliche Zuständigkeiten - die hier zeitweilig gewährten Leistungen der Jugendhilfe sind bei der Bestimmung der sozialhilferechtlichen Zuständigkeiten bzw. Erstattungspflichten nicht zu berücksichtigen -:
In der Zeit bis zum 10. Juli 1994 lag die sozialhilferechtliche örtliche Zuständigkeit gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG bei dem Beklagten, da sich Herr K. dort aufhielt.
In der Zeit der vollstationären Betreuung des Herrn K. in dem Sozialpädagogischen Zentrum ab dem 11. Juli 1994 blieb gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG der Beklagte weiterhin örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe, da Herr K. in seinem Bereich seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung gehabt hatte.
Mit der Umwandlung der vollstationären Betreuung in eine ambulante Maßnahme ab dem 1. August 1998 hat Herr K. das Zentrum und damit die "Einrichtung" verlassen (dazu im Einzelnen nachstehend). Damit endete die örtliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 97 Abs. 2 BSHG und war nunmehr die örtliche Zuständigkeit des Klägers gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG gegeben.
Für die Zeit ab dem 1. September 2000, also nach dem Ende der Betreuung des Herrn K. durch das Zentrum, war ebenfalls nach § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG der Kläger für die Gewährung von Sozialhilfeleistungen örtlich zuständig.
Zum Zeitpunkt des Wechsels der Hilfeart von einer stationären Maßnahme zu einer ambulanten Betreuung ist die örtliche Zuständigkeit neu zu bestimmen. Der dann zuständige örtliche Träger der Sozialhilfe ergibt sich aus § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG. Eine irgendwie geartete Anwendung des § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG, der ein Fortbestehen einer bisherigen Zuständigkeit regelt, kommt nicht in Betracht. Denn wenn ein Sozialhilfeträger für eine stationäre Hilfe nach § 97 Abs. 2 BSHG zuständig geworden ist, endet eine zuvor bestehende Zuständigkeit nach § 97 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BSHG und kann deshalb nicht im Sinne von § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG "bestehen bleiben" (BVerwG, Urt. v. 27.6.2002 - BVerwG 5 C 30.01 -, BVerwGE 116, 339 [BVerwG 27.06.2002 - 5 C 30/01]). Da Herr K. mit dem Beginn der ambulanten Betreuung ab dem 1. August 1998 die "Einrichtung" verlassen hatte, ergibt sich für die weitere Zeit die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG.
Dass Herr K. zu dieser Zeit die "Einrichtung" nach § 97 Abs. 2 BSHG verlassen hat, steht außer Zweifel. Nach § 97 Abs. 4 BSHG sind Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen im Sinne des Absatzes 2 alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen oder der Erziehung dienen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 24.2.1994 - BVerwG 5 C 24.92 -, BVerwGE 95, 149) zu der ebenfalls in dem die Zuständigkeiten der Träger der Sozialhilfe bestimmenden Abschnitt 8 des BSHG enthaltenen Regelung der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers (§ 100 Abs. 1 BSHG) ist der Begriff der "Einrichtung" eng zu fassen. Eine "Einrichtung" setzt danach eine persönliche, sächliche und räumliche Bezogenheit voraus. Deshalb ist die Bindung dieses Begriffs an ein Gebäude oder überhaupt an das Räumliche unerlässlich. Damit ist allerdings nicht gemeint, dass die organisatorische Zusammenfassung sich auch in räumlicher Hinsicht gewissermaßen "unter einem Dach" befinden müsse. Der Einrichtungsbegriff ist vielmehr funktional zu verstehen. "Einrichtung" bedeutet danach einen für die Hilfe in einer besonderen Organisationsform unter verantwortlicher Leitung zusammengefassten Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist. Deshalb ist auch eine räumlich dezentrale Unterbringung von Organisationsteilen mit dem Begriff der Einrichtung vereinbar und steht dem selbst eine größere Entfernung zwischen Räumlichkeiten der Einrichtung und ihrer "Zentrale" nicht entgegen. Damit bei einer dezentralen Unterkunft betreuter Personen von Räumlichkeiten "der" Einrichtung gesprochen werden kann, genügt es, wenn die Unterkunft der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträger so zugeordnet ist, dass sie als Teil des Einrichtungsganzen anzusehen ist.
Der Senat hält ebenso wie das Verwaltungsgericht diese Voraussetzungen im Fall des Herrn K. für die Zeit ab dem 1. August 1998 nicht mehr für gegeben. Er hat selbständig eine eigene Wohnung angemietet. Dies ist zwar mit vorheriger Unterstützung des Sozialpädagogischen Zentrums geschehen. Die Wohnung stand aber in keinerlei rechtlichem oder organisatorischem Bezug zu dem Zentrum. Auch die Betreuung des Herrn K. selbst war mit den noch für notwendig gehaltenen 10 Fachleistungsstunden pro Woche erheblich reduziert worden, so dass auch insoweit von einer deutlichen Verselbstständigung gesprochen werden muss.
Anknüpfend an den Zuständigkeitswechsel in dem Fall, dass der Hilfeempfänger eine Einrichtung verlässt und dann Sozialhilfe braucht, begründet § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG einen - gemäß § 103 Abs. 3 Satz 3 2. Halbsatz BSHG auf höchstens zwei Jahre nach Verlassen der Einrichtung begrenzten - Kostenerstattungsanspruch des nunmehr zuständigen örtlichen Sozialhilfeträgers. § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG nimmt Bezug auf die "Fälle des § 97 Abs. 2" BSHG. Diese Verweisung spricht dafür, die in § 97 Abs. 2 BSHG anzuwendenden Kriterien für den Aufenthalt in einer "Einrichtung" bzw. deren Verlassen auch auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG zu übertragen. Aus § 103 Abs. 2 BSHG ergibt sich für den Bereich der Kostenerstattungsregelungen ein erweiterter Einrichtungsbegriff nicht. Nach § 103 Abs. 2 BSHG gilt als Aufenthalt in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung auch, wenn jemand außerhalb der Einrichtung untergebracht wird, aber in ihrer Betreuung bleibt, oder aus der Einrichtung beurlaubt wird. § 103 Abs. 2 BSHG ist im Zusammenhang zu sehen mit der Regelung des § 103 Abs. 1 BSHG, die die Kostenerstattung bei vorläufigem Eintreten eines Sozialhilfeträgers in Fällen des Streits über die örtliche Zuständigkeit betrifft. § 103 Abs. 2 BSHG schafft insoweit nicht einen gegenüber der Regelung des § 97 Abs. 2 BSHG erweiterten Einrichtungsbegriff. Er enthält vielmehr eine Fiktion der Fortdauer des Aufenthalts in einer Einrichtung für die Zeit, in der jemand außerhalb der Einrichtung untergebracht wird, aber in ihrer Betreuung bleibt - z.B. bei einer vorübergehenden Unterbringung in einem Krankenhaus - oder bei Beurlaubung aus der Einrichtung. Den genannten Fällen ist gemeinsam, dass jeweils von einer Fortdauer des stationären Betreuungsbedarfs und einer Rückkehr des Hilfebedürftigen in die Einrichtung ausgegangen wird (Schoch, in: Lehr- und Praxiskommentar - LPK-BSHG -, 6. Aufl. 2003, § 103, RdNr. 24). Inhalt des § 103 Abs. 2 BSHG ist deshalb eine zeitliche Regelung, d.h. die Fiktion eines Fortdauerns der Unterbringung in einer Einrichtung für Zeiten einer vorübergehenden Abwesenheit des Hilfeempfängers. Der Wechsel der Betreuungsform von einer stationären Betreuung zum ambulanten Wohnen wie im Fall des Herrn K. ab dem 1. August 1998 wird von § 103 Abs. 2 BSHG nicht erfasst.
Für dieses Verständnis des § 103 Abs. 2 BSHG lässt sich auch die Entwicklungsgeschichte des § 103 BSHG anführen. § 103 Abs. 2 BSHG ist seit In-Kraft-Treten des BSHG unverändert Bestandteil des § 103 BSHG. § 103 BSHG enthielt in seiner bis zum 31. Dezember 1993 gültig gewesenen Fassung folgenden Absatz 4: "Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen im Sinne der Absätze 1 bis 3 sind alle Einrichtungen, die der Pflege, Behandlung oder sonstigen in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen oder der Erziehung dienen." Daraus ergibt sich, dass § 103 Abs. 2 nicht eine erweiterte Definition des Einrichtungsbegriffs ist, da der Einrichtungsbegriff eben in § 103 Abs. 4 BSHG geregelt war. Durch Art. 7 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) sowie durch das 2. Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (2. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2374) sind u.a. auch die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit und die Kostenerstattung im BSHG geändert worden. Dazu gehörte die Schaffung des jetzt noch geltenden § 97 Abs. 2 BSHG, auf den § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG nunmehr Bezug nimmt. Ferner gehörte dazu die Verschiebung der Regelung des § 103 Abs. 4 BSHG in jetzt den im Wesentlichen wortgleichen § 97 Abs. 4 BSHG. Zweck der gesetzlichen Neuregelung war eine Vereinfachung sowohl der Zuständigkeitsregelungen als auch der Kostenerstattungsbestimmungen. Der Einrichtungsbegriff aus § 103 Abs. 4 BSHG in der damals geltenden Fassung wurde unverändert in die neue Zuständigkeitsregelung des § 97 BSHG eingefügt. Den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass damit einer Änderung der sachlichen Bedeutung des § 103 Abs. 2 BSHG, insbesondere eine Erweiterung des Einrichtungsbegriffs, beabsichtigt gewesen wären (BT-Drs. 12/4401 S. 84).
Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird schließlich dadurch bestätigt, dass sich nur bei Anwendung desselben Einrichtungsbegriffs in § 97 BSHG und § 103 BSHG dann, wenn der Hilfeempfänger die Einrichtung i. S. des § 97 Abs. 4 BSHG verlässt und damit ein Zuständigkeitswechsel entsprechend § 97 Abs. 1 S. 1 BSHG eintritt, auch unmittelbar anschließend ein Kostenerstattungsanspruch des nunmehr zuständig gewordenen Sozialhilfeträgers gegen den zuvor zuständig gewesenen Träger gemäß § 103 Abs. 3 BSHG ergibt. Wie der vorliegende Fall zeigt, würde bei Annahme eines weitergehenden Einrichtungsbegriffs für § 103 BSHG zwar mit dem Verlassen der Einrichtung i. S. des § 97 Abs. 4 BSHG durch den Hilfeempfänger ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit der Sozialhilfeträger entsprechend § 97 Abs. 1 S. 1 BSHG eintreten, ein Kostenerstattungsanspruch des neu zuständig gewordenen Sozialhilfeträgers ergäbe sich aber erst beim Ausscheiden des Hilfeempfängers aus der Einrichtung in irgendeinem weiteren Sinn, hier also etwa bei Beendigung des betreuten Wohnens. In der Zwischenzeit müsste der neu zuständig gewordene Träger die Kosten tragen (wenn nicht zufällig wie hier Leistungen der Jugendhilfe zu gewähren wären). Dieses Ergebnis wäre mit dem Strukturprinzip des Kostenerstattungsanspruchs nach § 103 Abs. 3 BSHG, den bei Zuständigkeitswechsel wegen Verlassens einer Einrichtung durch den Hilfeempfänger dann zuständig werdenden Sozialhilfeträger noch für einen begrenzten anschließenden Zeitraum von der Kostenlast freizustellen, nicht zu vereinbaren.
Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass § 103 Abs. 3 BSHG dem Kläger einen sozialhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruch nur für die Dauer von zwei Jahren, gerechnet ab dem Ausscheiden des Herrn K. aus der Betreuung in der Einrichtung zum 1. August 1998 geben kann. Dass der Zeitraum vom 1. August 1998 bis zum 31. August 2000 hier durch die Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe "überlagert" wurde, ändert daran nichts. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch für die Zeit ab dem 1. September 2000 steht dem Kläger nicht zu.