Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.02.2006, Az.: 9 OA 404/05

Streitwert eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens von drittbetroffenen Nachbarn gegen Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.02.2006
Aktenzeichen
9 OA 404/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 31829
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2006:0206.9OA404.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 29.08.2005 - AZ: 2 B 37/05

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2006, 653-654 (Volltext mit amtl. LS)
  • NordÖR 2006, 198 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Streitwert bei einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren von Nachbarn gegen Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage.

Gründe

1

Für das von den Antragstellern als Nachbarn betriebene vorläufige Rechtsschutzverfahren gegen die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage (Typ Enercon E 48, 800 KW Nennleistung, Gesamthöhe 99,6 m) in einer Entfernung von 780 m zu dem in ihrem Eigentum stehenden Hausgrundstück hat das Verwaltungsgericht Lüneburg mit dem angegriffenen Beschluss den Streitwert auf 7.500,-- EUR festgesetzt. Die dagegen von den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen aus eigenem Kosteninteresse im eigenen Namen gegen die Festsetzung des Streitwerts erhobene Beschwerde mit dem Ziel, den Streitwert auf 30.000,-- EUR anzuheben, ist zulässig (§§ 32 Abs. 2 S. 1 RVG, 68 Abs. 1 GKG), aber nicht begründet.

2

Das von den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen unter Hinweis auf den Beschluss des 7. Senats des Nds. OVG ( 7 OA 181/05) angeführte Argument, jeder der Antragsteller mache jeweils die Verletzung eigener Rechte geltend, was zu einem Streitwert im Hauptsachverfahren von 30.000,-- EUR (2 x 15.000,-- EUR) führen müsse, greift nicht durch. Der vom Senat in ständiger Rechtsprechung angewandte Streitwertkatalog in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004,1327 = DVBl. 2004, 1525) und der Streitwertkatalog der Bausenate des Nds. OVG (NdsVBl. 2002, 192 = NordÖR 2002, 197) enthalten für Klagen von drittbetroffenen Nachbarn auf dem Gebiet des Baurechts den Vorschlag, den Streitwert bei Klagen nach dem Betrag der konkreten Wertminderung des Grundstücks zu bemessen. Danach wäre für das Hauptsacheverfahren ein Wert von 15.000,-- EUR für die Beeinträchtigung des Wohnhauses der Antragsteller nicht zu beanstanden. Eine Erhöhung im Hinblick auf die von den Antragstellern jeweils geltend gemachte Lärmbeeinträchtigung ist dagegen nicht vorzunehmen (a. A. Nds. OVG Beschluss des 7. Senats vom 2. November 2005 - 7 OA 181/05 -), weil die von den Antragstellern befürchtete Lärmbeeinträchtigung vollständig bereits unter dem Gesichtspunkt der Wertminderung des Grundstücks in die Bemessung des Streitwerts einfließt. Die Belastung durch Lärm beeinträchtigt die eigentumsrechtlich geschützte Grundstücksnutzung schon weit unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsgefahr für die Personen, die sich dort aufhalten. Bis zu dieser Schwelle sind die Lärmimmissionen hier als Nachteil für das Eigentum den Fallgruppen des Streitwertkatalogs zugeordnet (OVG Hamburg, Beschluss vom 2.11.1998 - Bf III 43/96 - NVwZ-RR 1999, 700). Ob sich unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes ein Vorbringen, der Lärm der Windenergieanlage stelle eine Gefahr für die Gesundheit dar, streitwerterhöhend auswirken kann (vgl. dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 2.11.199 a. a. O.), mag hier dahinstehen, denn dem Vorbringen der Antragsteller ist nicht zu entnehmen, dass eine begründete Gefahr bestehen könnte, dass der geltend gemachte Lärm die Schwelle einer Gesundheitsgefahr überschreitet. Der auf die Eigentumsbeeinträchtigung bezogene Streitwert für das etwaige Hauptsacheverfahren in Höhe von 15.000, -- EUR ist nur einfach anzusetzen. Die Antragsteller haben die Baugenehmigung als Miteigentümer des betroffenen Nachbargrundstücks angefochten. Eine Zusammenrechnung scheidet aus, wenn mehrere Kläger eine Maßnahme als Rechtsgemeinschaft angreifen (Streitwertkatalog Nr. 1.1.3).

3

Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen ist die vom Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes vorgenommene Halbierung des von ihm angenommenen Streitwerts in der Hauptsache (15.000,-- EUR) nicht zu bemängeln. Auch insoweit folgt der Senat dem Beschluss des 7. Senats vom 2. November 2005 (7 OA 181/05) nicht. Nach ständiger Praxis nimmt der Senat in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Baugenehmigungsverfahren regelmäßig in Anlehnung an die zitierten Streitwertkataloge (Nr. 18 b der Streitwertannahmen der Bausenate des Nds. OVG und Nr. 1.5 Streitwertkatalog 2004) eine Halbierung des Streitwerts im Verfahren zur Hauptsache an (vgl. Beschluss vom 21.11.2005 - 9 OA 333/05 - m. w. N.). Von dieser Praxis abzuweichen, sieht der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keinen Anlass und schließt sich der Rechtsprechung des 1. Senats an, der in seinem Beschluss vom 24. Januar 2006 - 1 OA 10/06 - diesbezüglich wie folgt ausgeführt hat:

"Ständiger Rechtsprechung der mit Baurecht befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts entspricht es dabei, in Eilverfahren den Streitwert regelmäßig zu halbieren (vgl. Nr. 18 lit. b der regelmäßigen Streitwertannahmen des 1. und 9. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts für Verfahren, die nach dem 1.1.2002 anhängig geworden sind, NdsVBl. 2002, 192 = NordÖR 2002, 197). Dahinter steckt die Erwägung, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Regelfall die Hauptsache nicht vorweggenommen wird, d.h. die Entscheidung nur vorläufigen Charakter hat. Diesem verringerten Rechtsschutz ist schon bei der Bemessung des Streitwerts Rechnung zu tragen (vgl. Zimmer/Schmidt, Der Streitwert im Verwaltungs- und Finanzprozess, Rdnrn. 41 und 351). Das drückt sich auch in § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG aus. Durch den für erforderlich gehaltenen besonderen Verweis auf die für das Hauptsacheverfahren geltenden Regelungen bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Streitwert auch/gerade für Eilverfahren das besondere Interesse ausdrücken soll, das der Antragsteller mit einer Antragsstattgabe zu erreichen sucht. Dieses ist, wie ausgeführt, im Regelfall - und so auch hier - geringer als das Ergebnis, das er in einem Hauptsacheverfahren zu erzielen vermag. Dass der Gesetzgeber daneben für Eilverfahren eine geringere Anzahl von Gebühren festgesetzt hat (vgl. 5.2 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG), ändert daran nichts. Damit soll - auch - berücksichtigt werden, dass in Eilverfahren der Arbeitsaufwand in der Regel geringer ausfällt als in Hauptsacheverfahren."