Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.02.2006, Az.: 9 LA 257/04

Rechtmäßigkeit der Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung einer Straße; Erdwall als Hinderungsgrund der Erreichbarkeit eines Grundstücks; Voraussetzungen für die Annahme eines Hinderungsgrundes für die Erhebung eines Erschließungsbeitrages

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.02.2006
Aktenzeichen
9 LA 257/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 32048
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2006:0221.9LA257.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 15.06.2004 - AZ: 1 A 102/03

Fundstelle

  • FStNds 2006, 362-364

Amtlicher Leitsatz

Erschließungsbeitrag für ein an einem (unbefahrbaren) Wohnweg gelegenes Grundstück - Erreichbarkeitsanforderungen.

Gründe

1

Die Beklagte zog den Kläger mit Bescheid vom 17. Februar 2003 zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 10.354,38 EUR für die erstmalige Herstellung der Rappstraße heran. Das der Heranziehung zugrunde liegende Grundstück des Klägers grenzt mit seiner nordwestlichen Grundstücksgrenze an die Bremer Straße; die südwestliche Grundstücksgrenze ist über einen von südwestlicher in nordöstlicher Richtung verlaufenden Weg, von dem nach Südosten auf die Rappstraße treffende Wohnwege abzweigen, mit der Rappstraße verbunden. Das Verwaltungsgericht hat die Heranziehung des Klägers mit Urteil vom 15. Juni 2004 im Wesentlichen unter Hinweis darauf für rechtmäßig erachtet, dass sein Grundstück, obwohl es von der Rappstraße wegen der dazwischen liegenden Wohnwege nicht mit Kraftfahrzeugen angefahren werden könne, über die unbefahrbaren Wohnwege durch die Rappstraße erschlossen sei. Die bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Sach- und Rechtslage erfordere nicht eine weitergehende als die von der Rappstraße aus gegebene Erreichbarkeit des Grundstücks des Klägers. Weder das Bauplanungsrecht noch das Bauordnungsrecht oder der Bebauungsplan erforderten ein "Herauffahrenkönnen" auf das nach dem Bebauungsplan in einem WA - Gebiet gelegene Grundstück des Klägers.

2

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der von ihm geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vorliegt.

3

Der Einwand des Klägers, sein Grundstück sei in tatsächlicher Hinsicht nicht von der Rappstraße her erreichbar, weil der auf seinem Grundstück befindliche "Geländesprung" von 5 m Höhe (gemeint ist ein Erdwall), der mit zumutbarem Aufwand nicht zu beseitigen sei, das ungehinderte Betreten seines Grundstücks sowie den Zugang zu einer unterstellten Wohnbebauung verhindere, greift nicht durch. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Lichtbilder ist ein niveaugleicher Zugang vom Fußweg auf das Grundstück des Klägers ohne weiteres möglich. Der einige Meter von der Grundstücksgrenze entfernt liegende Erdwall stellt sich nicht als eine natürliche Gegebenheit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29.04.1988 - 8 C 24/87 - BVerwGE 79, 283 = NVwZ 1988, 1134; Urteil vom 25.10.1996 - 8 C 21/95 - NVwZ 1998, 73 = KStZ 1998, 17 = DVBl 1997, 497) dar, die die Bebauung des Grundstücks des Klägers bzw. die fußläufige Erreichbarkeit aller Grundstücksteile und damit das Erschlossensein des gesamten Grundstücks von der Rappstraße her hindert. Denn weder dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren noch sonstigen Gesichtspunkten lässt sich nachvollziehbar entnehmen, dass es dem Kläger als Grundeigentümer nicht mit zumutbaren finanziellen Mitteln möglich ist, durch den Erdwall entstandene Erschwernisse für das Betretenkönnen, etwa durch Anlegung eines Treppenweges oder durch teilweises Entfernen des Erdwalls, zu beseitigen. Die vom Kläger gewählte Betrachtungsweise lässt außer acht, dass es der Kläger bei ihr selbst in der Hand hätte, durch bauliche Maßnahmen auf seinem Grundstück darüber zu befinden, ob er in den Genuss des von der Anlage vermittelten Erschließungsvorteils gelangt oder nicht. Ein solches Ergebnis ist mit dem Gebot einer vorteilsgerechten Verteilung des Erschließungsaufwands unvereinbar.

4

Auch die vom Kläger angeführte Festsetzung von Garagen im Bebauungsplan in einem Streifen über die gesamte Grundstücksbreite hindert die Erschließung des Grundstück des Klägers über die Rappstraße nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers schließt die festgesetzte Garagenbebauung weder die Zugänglichkeit von Teilen des Grundstücks aus, noch stellt sie insoweit ein nicht zu überwindendes und nicht ausräumbares Hindernis dar. Denn die Festsetzung als Fläche für Garagen erschöpft sich in der Regelungswirkung, dass allein auf dieser im Bebauungsplan bezeichneten Fläche eine oder mehrere Garagen gebaut werden dürfen, ohne dass ein Zwang zur durchgehenden Bebauung mit Garagen besteht. Von daher ist der Zugang auch zu dem entlang der Bremer Straße gelegenen Grundstücksteil trotz der bauplanerischen Festsetzungen ohne weiteres möglich. Weiter weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass sich aus der Festsetzung einer Teilfläche für Garagen gesteigerte Anforderungen an die Erreichbarkeit des Grundstücks nicht ableiten lassen. Mit der Gestattung von Garagen trifft der Bebauungsplan keine Aussage darüber, welche bebauungsrechtlichen Anforderungen an die Bebaubarkeit dieses Grundstücks mit baulichen (Haupt-) Anlagen zu stellen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.3.1991 - 8 C 59/89 - NVwZ 1991, 1090).

5

Die Erschließungsfunktion der Rappstraße kann der Kläger auch nicht mit Erfolg unter Hinweis auf eine 50 m übersteigende Entfernung zwischen dem möglichen Aufstellort eines Löschfahrzeugs und einem Brandort auf dem Grundstück verneinen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 21. Juli 2000 - 9 M 566/99 - (Nds. Rpfl. 2001, 93 = NVwZ-RR 2001, 53 [OVG Niedersachsen 21.07.2000 - 9 M 566/99]) hingewiesen. Danach ist zur metrischen Begrenzung der Erschließungsfunktion bei Wohnwegen auf eine Entfernung zwischen dem möglichen Standort für ein Feuerwehrfahrzeug und dem jeweiligen Grundstück von nicht mehr als 50 m abzustellen. Maßgeblich ist insoweit die nächstgelegene Grundstücksgrenze und nicht - wie der Kläger meint - die auf dem Grundstück vorhandene Bebauung. Dass die Stelle des Brandes überall auf dem Grundstück liegen kann, ist vom Senat bei der Festlegung des 50 m - Kriteriums bereits berücksichtigt worden. Gründe, die auf einem Grundstück dort konkret vorhandene Bebauung in Abweichung von dieser Rechtsprechung als Bezugsgröße für die Frage des Erschlossenseins eines Grundstücks heranzuziehen, sind dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.