Amtsgericht Bad Iburg
Urt. v. 13.01.2021, Az.: 4 C 465/20 (4)
Bibliographie
- Gericht
- AG Bad Iburg
- Datum
- 13.01.2021
- Aktenzeichen
- 4 C 465/20 (4)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 72330
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
In dem Rechtsstreit
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX Geschäftszeichen:
gegen
1. XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
2. XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Beklagte
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanwältinnen und XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
hat das Amtsgericht Bad Iburg im schriftlichen Verfahren gem. § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 31.12.2020 durch den Richter am Amtsgericht XXXXXXXXXX für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Der Streitwert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Beseitigung eines Betonsockels in Anspruch.
Die Parteien sind Nachbarn in XXXX. Der Kläger ist Eigentümer des noch unbebauten Grundstücks XXXX die Beklagten sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks XXXXXXXXX. Im Zuge der Baumaßnahmen legten die Beklagten im Bereich der rechtsseitigen Grundstücksgrenze eine Einfahrt an. Nachdem die Beklagten ihr Grundstück auf ein höheres Niveau aufgeschüttet hatten, wurde zum ursprünglich höher gelegenen Grundstück des Klägers eine Betonmauer errichtet. Dazu gossen die Beklagten einen Betonsockel. Bei der Gründung der hergestellten Mauer und den insoweit notwendigen Betonarbeiten kam es dazu, dass Betonteile unterhalb der Oberfläche entlang der zur Garage führenden Einfahrt in das Grundstück des Klägers hinein gebaut wurden. Der Kläger forderte die Beklagten erfolglos zur Beseitigung auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.07.2020 wurden die Beklagten sodann angehalten, einen ordnungsgemäßen Zustand wiederherzustellen. Mit Schreiben vom 23.07.2020 lehnten die Beklagten dies jedoch ab. Ein Ortstermin Anfang September 2020 mit einem Sachverständigen anlässlich eines durch die Beklagten gegen den Kläger initiierten Parallelverfahrens wegen Beweissicherung (LG Osnabrück 7 OH 11/20) erbrachte keine Einigung der Parteien (Bl. 5 d. A.)
Der Kläger ist der Ansicht, die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens sei nicht erforderlich gewesen, da der Anspruch nicht auf eine der im Niedersächsischen Schlichtungsgesetz für die Streitschlichtung vorgesehenen Tatbestände gestützt werde und der Versuch einer Einigung bereits im Beisein des Sachverständigen gescheitert sei. Des Weiteren behauptet er, es habe weder eine Vereinbarung über die Errichtung der Betonmauer, noch eine von ihm erteilte Erlaubnis gegeben. Er behauptet, der Betonsockel, der auf einer Länge von ca. 22 m etwa 30 cm auf seinem Grundstück verlaufe, sei nicht versehentlich von den Beklagten über die Grundstücksgrenze gebaut worden, als sie Garage und Einfahrt anlegten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, den auf dem Grundstück des Klägers auf einer Länge von ca. 22,5 Metern entlang der Nordseite des Grundstückes der Beklagten XXXXXXXXXXX errichteten Betonsockel zu beseitigen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie halten die Durchführung eines vorherigen außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens nicht für entbehrlich. Die Beklagten behaupten weiter, es habe eine mündliche Vereinbarung mit dem Kläger gegeben, so dass die Grundstückseinfriedung bzw. -begrenzung entsprechend einschlägiger baurechtlicher und bauordnungsrechtlicher Vorschriften erfolgt sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
Es hätte vor Klageerhebung ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren gemäß § 1 des Niedersächsischen Schlichtungsgesetzes (NSchlG) durchgeführt werden müssen.
Unter § 1 NSchlG fallen dabei nicht nur unmittelbar aus den genannten Vorschriften folgende Ansprüche, sondern alle Ansprüche, für die diese Vorschriften im konkreten Fall von Bedeutung sind, sofern eine enge Verknüpfung mit einer nachbarrechtlichen Streitigkeit besteht (LG Bückeburg 1 S 40/12). Erfasst werden danach jedenfalls Duldungs-, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, die ihre Grundlage in den genannten nachbarrechtlichen Vorschriften, ggfs. i.V.m. § 1004 BGB haben (BGH NJW-RR 2005, 501 [BGH 22.10.2004 - V ZR 47/04]; OLG Hamm 5 U 177/11). So liegt der Fall auch hier. Bei den Parteien handelt es sich um Nachbarn i.S.d § 1 NNachbG. Die zu entscheidende Streitigkeit betrifft eine solche im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2b) NSchlG, da als Anspruchsgrundlage § 1004 BGB i. V. m. §§ 16, 28 NNachbG in Betracht kommt. Eine Streitigkeit über Ansprüche wegen im Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz geregelter Rechte ist gegeben, wenn dieses Gesetz Regelungen enthält, die für den Interessenkonflikt der Nachbarn im konkreten Fall von Bedeutung sind. Erst durch die Zusammenschau aller gesetzlicher Regelungen des Nachbarrechts, das sich als Bundesrecht aus §§ 906 ff. BGB und aus den landesrechtlichen Nachbargesetzen ergibt, werden Inhalt und Schranken der Eigentümerstellung bestimmt. In diesem Rahmen kann sich ein Nachbar gegen die Beeinträchtigungen durch ein Nachbargrundstück zur Wehr setzen (BGH VI ZR 336/03; BGH V ZR 47/04; OLG Saarbrücken 4 U 34/14). Obwohl der Kläger keinen direkten Anspruch aus den §§ 906, 910, 911, 923 BGB zur Begründung seiner Klage heranzieht, ist der vorliegende Rechtsstreit aus einem nachbarschaftlichen Konfliktverhältnis heraus entstanden. Soweit der Kläger Ansprüche in Hinblick auf die Beseitigung des Betonsockels geltend macht, handelt es sich bei dem Streit zwischen den Parteien um einen Anspruch wegen der im Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz geregelten Nachbarrechte i. S. d § 1 Abs. 2 Nr. 2b) NSchlG und zwar um einen Anspruch aus den §§ 16, 28 NNachbG. § 16 NNachbG normiert das Errichten einer Wand an der Grenze zweier Grundstücke (Grenzwand), während § 28 NNachG die Beschaffenheit einer Einfriedung vorschreibt. Die entlang der Einfahrt von den Beklagten errichtete Betonmauer ist eine Mauer zwischen zwei Grundstücken, die unter den nachbarrechtlichen Begriff der Einfriedung einzuordnen ist (sogenannte tote Einfriedung).
Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 5 NSchlG, wonach die obligatorische Streitschlichtung in den Fällen, in denen die Parteien einvernehmlich versucht haben, den Streit vor einer nach § 97 NJG anerkannten Gütestelle oder einer sonstigen Stelle, die außergerichtliche Streitbeilegung betreibt, beizulegen, greift nicht ein. Bei dem Sachverständigen handelt es sich nicht um eine anerkannte Gütestelle.
Dass nunmehr das Schiedsamt das Streitschlichtungsverfahren eröffnet hat, ist unerheblich, da der Einigungsversuch der Klageerhebung hätte vorausgehen müssen. Er kann nicht nach der Klageerhebung nachgeholt werden. Eine ohne den Einigungsversuch erhobene Klage ist als unzulässig abzuweisen (BGH, Urteil vom 23. November 2004 - VI ZR 336/03)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708, 711 ZPO.