Amtsgericht Bad Iburg
Beschl. v. 18.05.2021, Az.: 4 C 228/21 (4)
Bibliographie
- Gericht
- AG Bad Iburg
- Datum
- 18.05.2021
- Aktenzeichen
- 4 C 228/21 (4)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 72327
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
1. XXXX
2. XXXX
Antragsteller
Prozessbevollmächtigter zu 1, 2: Rechtsanwalt XXXX
gegen
XXXX
Antragsgegner
Prozessbevollmächtigte: XXXX
hat das Amtsgericht Bad Iburg am 18.05.2021 durch den Richter am Amtsgericht XXXX beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 06.05.2021 wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfügungsverfahrens.
- 3.
Der Streitwert wird auf 3000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Eigentümer der Liegenschaft XXXX in XXXX. Beim Einmessen der Außengestaltung der Liegenschaft im Jahre 2013 war den Antragstellern aufgefallen, dass eine Fläche von ca. 5 m2 nicht mehr zum Grundstück XXXX gehörte, sondern zur Freifläche der antragsgegnerischen Gemeinde. Die Antragsteller beabsichtigten, diese Fläche mit zu pflastern. Auf Anfrage teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 08.08.2013 mit, dass sie diesem Vorhaben positiv gegenüberstehe, sofern der Gemeinde keine Kosten entstünden. Die Antragsteller überpflasterten den Bereich daraufhin.
Die Antragsgegnerin erschließt derzeit ein neues Baugebiet im XXXX. Mit Schreiben vom 23.04.2021 verlangte die Antragsgegnerin Beseitigung des Überbaus und kündigte an, den Überbau ansonsten durch das Bauunternehmen selbst zu entfernen. Die Baumaßnahmen begännen in rund 3 Wochen. Mit Schriftsatz vom 11.05.2021 teilte die Antragsgegnerin mit, die Arbeiten frühestens am 19.05.2021 vorzunehmen.
Die Antragsteller behaupten, es sei zu befürchten, dass wegen der Abflüsse am unbefestigten Hang ohne die derzeit bestehende Grundstückseinfassung unvermeidlich Oberflächenwasser, Geröll, wenn nicht sogar Grundwasser auf den Hof und in das Haus Nummer XXXX einfließen werde. Außerdem werde kein ausreichender Sicherheitsabstand zwischen Terrasse, Haus und Haustür und den vorbeifahrenden Baufahrzeugen mehr eingehalten.
Die Antragsteller beantragen,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Überbau an der Grundstücksgrenze im Bereich der Hofeinfahrt der Antragsteller XXXX in XXXX, bestehend aus L-Steinen und Pflasterfläche, bis zum endgültigen Ausbau des dortigen öffentlichen Verkehrsraums weiterhin zu dulden und keine Rückbaumaßnahmen zu veranlassen.
II.
Der als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu behandelnde Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Es fehlt an einem Duldungs- und damit an einem Verfügungsanspruch:
1. Eine Duldungspflicht ergibt sich nicht aus § 1004 Abs. 2 i. V. m. § 912 BGB, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Es handelt sich nicht um ein Gebäude; außerdem erfolgte die Pflasterung "vorsätzlich".
2. Die Antragsteller können die Duldung auch nicht unter dem Aspekt einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung oder behördlichen Genehmigung verlangen. Die Antragsgegnerin hat zwar mit Schreiben vom 08.08.2013 den Antragsteller mitgeteilt, dass sie der Pflasterung "positiv gegenüber" stehe. Hierin kann indes kein dauerhafter Verzicht auf Beseitigung gesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine jederzeit widerrufliche Duldung. Da der Widerruf erklärt worden ist, besteht keine Duldungspflicht mehr.
3. Der Beseitigungsanspruch der Antragsgegnerin ist schließlich auch nicht nach § 275 Abs. 2 BGB wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen.
Bei der Beantwortung der Frage, ob der Schuldner dem Gläubiger mit Erfolg entgegenhalten kann, dass der zur Erfüllung des Anspruchs notwendige Aufwand in einem Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht, ist von dem "Inhalt des Schuldverhältnisses" auszugehen. Dies sind für die Ansprüche aus §§ 1004 Abs. 1, 985 BGB die Vorschriften des Sachenrechts und die aus diesen folgenden Wertungen.
Danach ist es in Ausnahmefällen zwar denkbar, dass der Aufwand zur Beseitigung einer Störung so sehr außer Verhältnis zu dem Interesse des Eigentümers an der Beseitigung steht, dass ein Beseitigungsanspruch nach den Geboten von Treu und Glauben nicht durchgesetzt werden kann (BGH, NZM 2010, 174 [BGH 23.10.2009 - V ZR 141/08], beck-online.) Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht erfüllt. Die Gefährdungslage durch Oberflächenwasser, Geröll oder Grundwasser sowie die Problematik eines Sicherheitsabstands zwischen Terrasse/Haus und Baufahrzeugen hätte auch ohne Pflasterung bestanden. In diesem Falle hätten die Antragsteller eine Lösung bereits im Jahr 2013 finden und die entsprechenden finanziellen Aufwendungen tätigen müssen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO