Amtsgericht Bad Iburg
Urt. v. 15.12.2021, Az.: 4 C 360/21 (4)

Bibliographie

Gericht
AG Bad Iburg
Datum
15.12.2021
Aktenzeichen
4 C 360/21 (4)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 72295
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
XXXX
Kläger
Prozessbevollmächtigte: XXXX
gegen
1. XXXX
2. XXXX
Beklagte
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: XXXX
hat das Amtsgericht Bad Iburg auf die mündliche Verhandlung vom 26.11.2021 durch den Richter am Amtsgericht XXXX für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den auf dem Grundstück des Klägers auf einer Länge von ca. 22,5 m entlang der Nordseite des Grundstücks der Beklagten XXXX in XXXX errichteten Betonsockel zu beseitigen.

  2. 2.

    Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2000,00 € vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 3000 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien sind Eigentümer unmittelbar benachbarter Grundstücke an der Straße XXXX in XXXX. Auf dem Grundstück am XXXX haben die Beklagten ein Einfamilienhaus errichtet; das benachbarte Grundstück des Klägers mit Hausnummer X ist noch unbebaut.

Die Beklagten errichteten im Jahr 2018 im Bereich der Grundstücksgrenze eine Einfahrt sowie am Ende der Einfahrt eine Garage. Die Einfahrt ist zur Grenze hin mit Bordsteinen eingefasst. Diese sind zur Seite des Klägers hin mit einem Betonsockel befestigt. Dieser ragt teilweise in das Grundstück der Klägerseite hinein.

Mit Anwaltsschreiben vom 03.07.2020 forderte der Kläger die Beklagten auf, einen ordnungsgemäßen Zustand wiederherzustellen. Dies lehnten die Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 23.07.2022 ab.

Am 17.05.2021 fand ergebnislos ein Schiedsmannsverfahren statt.

Der Kläger behauptet, der Betonsockel verlaufe auf einer Länge von ca. 22 m etwa 30 cm auf dem klägerischen Grundstück. Die Beklagten hätten die Arbeiten offensichtlich zum Teil in den Nachtstunden durchgeführt, sodass der Kläger hiervon keine Kenntnis habe erlangen können.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den auf dem Grundstück des Klägers auf einer Länge von ca. 22,5 m entlang der Nordseite des Grundstücks der Beklagten XXXX errichteten Betonsockel zu beseitigen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, vor Errichtung der Grundstücksbegrenzung sei eine mündliche Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden. Hintergrund sei, dass der Kläger an sich aus nachbarschaftsrechtlicher Sicht verpflichtet gewesen sei, eine Einfriedung zu errichten. Dies hätten dann aber die Beklagten übernommen, im Gegenzug sollten keine wie auch immer gearteten Rechtsansprüche des Klägers bestehen. Im Übrigen habe der Kläger auch keinen Widerspruch erhoben.

Ohnehin seien allenfalls kleinere Betonteile geringfügig über der Grundstücksgrenze entstanden, und zwar unterhalb der Oberfläche.

Das Gericht hat das im Verfahren 7 OH 11/20 des Landgerichtes Osnabrück eingeholte Gutachten des Sachverständigen XXXX vom 17.03.2020 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Außerdem hat es Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26.11.2021 verwiesen. Die Akte 4 C 465/20 wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger kann von den Beklagten gem. § 1004 Abs. 1 BGB die Beseitigung des Überbaus im Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze in Form des Betonsockels des von den Beklagten errichteten Bordsteins verlangen.

Durch den von den Beklagten errichteten Betonsockel wird das Eigentum des Klägers beeinträchtigt. Der Betonsockel ragt in das Grundstück des Klägers hinein. Dies ist teilweise unstreitig, im Übrigen bewiesen: Die Inaugenscheinnahme hat ergeben, dass sich der Bordstein genau auf der Grundstücksgrenze befindet. Die Grenzmarkierung am Anfang des Grundstücks befindet sich exakt auf Höhe der dem klägerischen Grundstück zugewandten Kante des Bordsteins (Foto Seite 5 der Fotodokumentation des Sachverständigen XXXX, Blatt 59 der Akte). Des Weiteren bildet der Bordstein eine exakte Verlängerung der Garage, welche - allenfalls bis auf wenige Fingerbreit - genau auf der Grenze liegt. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass der gesamte Bordstein exakt die Grundstücksgrenze bildet. Hieraus ergibt sich wiederum, dass der gesamte jenseits des Bordsteins liegende Betonsockel sich auf dem Grundstück des Klägers befinden muss. Demgemäß geht auch der Sachverständige XXXX davon aus, dass der Betonsockel bis zu 18 cm in das Grundstück des Klägers hineinreicht (siehe Fotos Nummern 9 und 11, Seite 5 und 6 der Fotodokumentation des Sachverständigen XXXX, Blatt 59, 60 der Akte). Der auf den genannten Fotos zu erkennende Zustand hat sich im Ortstermin genauso bestätigt.

Für den Beseitigungsanspruch kommt es nicht auf die exakte Breite des Betonsockels an. Da feststeht, dass er sich auf dem Grundstück des Klägers befindet, ist er von den Beklagten zu entfernen, ohne dass in den Tenor aufzunehmen ist, an welcher Stelle der Grenze welche Betonbreite zu entfernen ist.

Auf eine Nutzungsbeeinträchtigung des Grundstücks für die Kläger kommt es im Übrigen nicht an, da die bloße Errichtung des Betonsockels auf fremdem Grundstück bereits eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellt.

Als sog. Störer sind die Beklagten daher zur Beseitigung dieser Eigentumsbeeinträchtigung verpflichtet.

Dieser Beseitigungsanspruch ist auch nicht gem. § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Der Kläger ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Duldung des beeinträchtigenden Zustandes verpflichtet:

Eine Duldungspflicht gem. § 912 Abs. 1 BGB scheitert bereits daran, dass es sich bei dem von den Beklagten errichteten Kantenstein um kein Gebäude im Sinne des § 912 Abs. 1 BGB handelt. Demzufolge ist diese Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang nicht anwendbar, weswegen es dahinstehen kann, ob und gegebenenfalls wann ein Widerspruch im Sinne des § 912 BGB durch die Kläger erfolgt ist. Hinzu kommt, dass der Überbau ohnehin grob fahrlässig, wenn nicht vorsätzlich erfolgte.

Des Weiteren hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Einwilligung zu der vorliegenden Grundstücksbeeinträchtigung erteilt. Die Beklagten konnten keinen Beweis für eine entsprechende Absprache antreten. Ohnehin ergibt sich noch nicht einmal aus der Parteianhörung des Beklagten zu 1 eine dahingehende Vereinbarung: Er hat nur bestätigt, dass darüber gesprochen worden sein soll, dass die Beklagtenseite die Einfriedung machen sollte. Er hat ausdrücklich erklärt, über die genaue Form der Einfriedung sei gar nicht gesprochen worden. Ein allgemeines Gespräch über die Einfriedung kann aber nicht als Einwilligung in einen Überbau ausgelegt werden. Der Beklagte zu 1 hat nicht bestätigt, dass überhaupt über den Betonsockel gesprochen worden ist.

Schließlich ergibt sich eine Pflicht der Kläger zur Duldung der vorliegenden Eigentumsbeeinträchtigung auch nicht aus § 242 BGB. Aus dem bloßen Zeitablauf kann nicht auf ein treuwidriges Verhalten geschlossen werden. Auch im Übrigen hat der Kläger keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, der jetzt dem Beseitigungsanspruch entgegenstehen könnte. Da er nicht zum sofortigen Widerspruch nach § 912 Abs. 1 BGB verpflichtet war, bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass bloßes Schweigen nicht als Zustimmung gewertet werden kann.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO.