Amtsgericht Bad Iburg
Urt. v. 07.06.2021, Az.: 4 C 33/21 (1)

Bibliographie

Gericht
AG Bad Iburg
Datum
07.06.2021
Aktenzeichen
4 C 33/21 (1)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 72289
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
1. XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
2. XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kläger
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanwälte Kanzlei XXXXXXXXXXXXXXXXX,
Geschäftszeichen:
gegen
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Geschäftszeichen:
hat das Amtsgericht Bad Iburg im schriftlichen Verfahren gem. § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 17.05.2021 durch die Richterin XXXXX
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger bewohnen gemeinsam mit ihrer Tochter XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX eine Wohnung im Mehrparteienhaus unter der Anschrift XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX. Der Beklagte sowie die Eltern der Klägerin zu 1.) wohnen ebenfalls in diesem Mehrparteienwohnhaus.

Mit Schreiben vom 16.11.2020 forderten die Kläger durch ihre Prozessbevollmächtigten unter Fristsetzung bis zum 25.11.2020 den Beklagten erfolglos auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Die Kläger behaupten hierzu, als sich ihre Tochter am 07.11.2020 bei ihren Großeltern Frau XXXXXXXXX und Herrn XXXXXXXXX aufgehalten habe, und gegen 20:00 Uhr ein Kinderlied gesungen habe, habe der Beklagte plötzlich und unerwartet mit der Hand/Faust gegen die Wohnungstür geschlagen. Nachdem diese sodann durch die Großeltern des Kindes geöffnet wurde, habe er diese daraufhin lautstark aufgefordert, das Kind dazu zu bringen, ruhig zu sein.

Sie behaupten weiter, dass es am Morgen des 10.11.2020 gegen 7:30 Uhr zu einem ähnlichen Vorfall gekommen sei. Als die Klägerin zu 1.) gerade dabei gewesen sei, ihre Tochter für den bevorstehenden Tag anzukleiden, habe sich diese in einer für Kleinkinder üblichen Form "beschwert". Daraufhin habe der Beklagte erneut plötzlich von außen gegen die Wohnungstür gehämmert und die Klägerin zu 1.) lautstark dazu aufgefordert, "für Ruhe zu sorgen".

Die Kläger beantragen,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Kontakt zu den Klägern oder diesen nahestehenden Dritten, insbesondere den unter derselben Anschrift wohnenden Eltern der Klägerin zu 1.), Frau XXXXXXXXX sowie Herrn XXXXXXXXXX aufzunehmen in der widerrechtlichen Absicht, Beschwerde wegen des erlaubten Verhaltens des Kleinkindes der Kläger, Frau XXXXXXXXXXXX, vorzutragen,

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 171,68 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, sich lediglich einmal bei seinen Vermietern über Lärm im Treppenhaus, verursacht durch die Klägerin, beschwert zu haben.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Ein Unterlassungsanspruch ist weder nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, noch nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, §185 StGB ersichtlich.

1. Ein Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB besteht nicht, weil nach dem klägerischen Vortrag keine Beleidigung nach § 185 StGB oder anderweitiges strafbares Verhalten des Beklagten vorliegt.

Beleidigung i.S.d. § 185 StGB ist eine ehrverletzende Kundgabe eigener Nichtachtung oder Missachtung (NK-StGB/Rainer Zaczyk, 5. Aufl. 2017, StGB § 185 Rn. 2). Jemand bringt seine Missachtung, Nichtachtung oder Geringschätzung des Betroffenen zum Ausdruck, wenn er ihm Mängel unterstellt, die im Falle ihres Vorliegens seinen grds. uneingeschränkten Geltungswert und somit den daraus fließenden Achtungsanspruch minderten (BGHSt 36, 145 (148); MüKoStGB/Regge/Pegel Rn. 9).

Die bloße, wenn auch lautstarken- Aufforderung, für Ruhe zu sorgen bzw. das Kind dazu zu bringen ruhig zu sein, stellt jedoch aus objektiver Sicht keine Missachtung, Nichtachtung oder Geringschätzung der Kläger dar. Zunächst ist festzustellen, dass es sich nicht um eine formale Beleidigung im engeren Sinne handelt. Die Ansicht der Kläger, dass der Beklagte damit zum Ausdruck bringe, dass er die Kläger in Bezug auf die Erziehung ihres Kindes für unfähig halte, ist aus der Sicht des Gerichts nicht zu entnehmen, vielmehr abwegig. Aus objektiver Sicht bringt der Beklagte mit seiner Aufforderung zum Ausdruck, durch den Lärm des Kindes gestört zu sein. Dies steht dem Beklagten jedoch unabhängig von der Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Kinderlärms aus sozialadäquaten Gesichtspunkten zu. Ein Bezug zur Erziehungsfähigkeit der Kläger lässt sich aus der Sicht eines objektiven Betrachters nicht herstellen. Zumal der Beklagte - nach dem klägerischen Vortrag- auch die Großeltern des Kindes dazu aufforderte, für Ruhe zu sorgen. Dass die Kläger die Aufforderung des Beklagten subjektiv anders verstehen, führt nicht zur Annahme einer ehrverletzenden Kundgabe eigener Nicht- bzw. Missachtung.

Darüber hinaus, dürfte auch bei der Annahme, dass der Beklagte mit seiner Aufforderung Kritik an der Erziehung der Kläger übe, dies von der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt sein.

2. Ein Unterlassungsanspruch der Kläger gegenüber dem Beklagten nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB besteht ebenfalls nicht.

Eine Verletzung des grundsätzlich durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nicht ersichtlich. Zwar werden unter anderem Ehrverletzungen erfasst, auch soweit sie nicht dem Anwendungsbereich des § 823 Abs.?2 BGB i.V.m. §§?185 ff. StGB unterfallen. In Betracht kommen dabei Formalbeleidigungen, das Aufstellen und Verbreiten unwahrer Tatsachenbehauptungen oder herabsetzende Werturteile (NK-BGB/Christian Katzenmeier, 4. Aufl. 2021, BGB § 823 Rn. 223). Wie oben bereits erläutert, stellt die Aufforderung des Beklagten nach dem objektiven Empfängerhorizont jedoch keinerlei herabsetzendes Werturteil und damit ehrverletzende Kundgabe dar.

Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

II. Mangels Hauptforderung bestehen keine Nebenforderungen.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.