Amtsgericht Bad Iburg
Urt. v. 25.06.2021, Az.: 4 C 489/20 (1)

Bibliographie

Gericht
AG Bad Iburg
Datum
25.06.2021
Aktenzeichen
4 C 489/20 (1)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 72331
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
XXXX
Kläger und Widerbeklagter
Prozessbevollmächtigte: XXXX
gegen
XXXX
Beklagter und Widerkläger
Prozessbevollmächtigte: XXXX
hat das Amtsgericht Bad Iburg auf die mündliche Verhandlung vom 01.06.2021 durch die Richterin XXXX für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Beseitigung von Überhang. Der Beklagte begehrt von dem Kläger Unterlassung des Ableitens von Oberflächenwasser auf sein Grundstück.

Das bebaute Grundstück des Klägers im unbeplanten Außenbereich grenzt an das Waldgrundstück des Beklagten. Der Wald war bereits vorhanden, als der Kläger das Grundstück bebaute und ist mehr als 60 Jahre alt. Im Abstand von circa ein bis zwei Metern zu einer Mauer des Klägers befindet sich auf dem Waldgrundstück des Beklagten eine Vielzahl von Bäumen.

Mit Schreiben vom 07.07.2020 forderte der Kläger den Beklagten durch seine Prozessbevollmächtigten erfolglos unter Fristsetzung bis zum 24.07.2020 auf, Überhang durch die Äste der Bäume zu entfernen.

Der Kläger behauptet, die Äste der Bäume würden die Grundstücksgrenze auf sein Grundstück überragen. Die Grundstücksgrenze befinde sich entlang der dort befindlichen Mauer. Die Bäume würden aufgrund ihres Alters durch Stürme und Schneefall eine ernstzunehmende Gefahr darstellen.

Er beantragt daher,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, den Überhang der im Abstand von bis zu 2 Metern zur Grundstücksgrenze mit dem Kläger auf seinem Grundstück gepflanzten Bäume bis zur Grundstücksgrenze zurückzuschneiden und höchstens auf dieser Höhe zu halten,

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 480,12 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt er,

den Kläger zu verurteilen, es zu unterlassen, Oberflächenwasser auf das Grundstück des Beklagten durch ein Rohr abzuleiten.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, im rückwärtigen Bereich seines Grundstücks leite der Kläger Oberflächenwasser bzw. Traufwasser auf das Waldgrundstück durch Wasserrohre mit einer Fallhöhe von einem Meter ab. Durch die Ableitung des Oberflächenwassers werde die obere Bodenschicht des Waldes abgespült.

In Bezug auf die Klageforderung erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung und behauptet, der vorliegende Zustand bestehe bereits länger als 25 Jahre. Im Übrigen bestehe keine Beeinträchtigung.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Örtlichkeit. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Ortstermins vom 01.06.2021 (Bl. 70-72 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage und die Widerklage sind zulässig aber unbegründet.

I. Die Klage ist nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens gemäß §§ 15a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO i.V.m. § 1 NSchlG zulässig. Die Widerklage ist auch ohne Durchführung des Schlichtungsverfahrens zulässig, weil die zitierten Bestimmungen gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 NSchlG gerade keine Anwendung auf die Widerklage finden. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage und der Widerklage liegen vor.

II. Die Klage war abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Entfernung von Überhang gemäß §§ 1004 Abs. 1, 910 Abs. 1 BGB.

Danach kann der durch den Überwuchs beeinträchtigte Eigentümer einen Beseitigungsanspruch geltend machen. Wobei entsprechend § 910 Abs. 2 BGB nicht jeder Überhang eine Beeinträchtigung darstellt (BeckOK BGB/Fritzsche, 58. Ed. 1.5.2021 Rn. 12, BGB § 910 Rn. 12). Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Überhang die Benutzung des Grundstücks objektiv nicht beeinträchtigt. Bei der Frage, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, ist ein objektiver Maßstab anzulegen, der insbesondere durch normative Gesichtspunkte beeinflusst wird (Elzer in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 910 BGB, Rn. 2, m.w.N.). Subjektive Empfindlichkeiten sind unerheblich (Karlsruhe MDR 2014, 893 [OLG Karlsruhe 27.05.2014 - 12 U 168/13]; Köln NJW-RR 1997, 656 [OLG Köln 22.05.1996 - 11 U 6/96]).

Nach Auffassung des Gerichts fehlt es jedoch an der erforderlichen Beeinträchtigung des Klägers. Die allgemeine, jedem Baum innewohnende Gefahr, bei orkanartigen Stürmen umzustürzen, rechtfertigt den Anspruch auf Beseitigung bzw. Rückschnitt eines Baumes jedenfalls dann noch nicht, wenn der äußerlich vitale Baum keine Merkmale zeigt, die auf ein gesteigertes Risiko hindeuten (OLG Saarbrücken, Urteil v. 11.01.2007 - 8 U 77/06-19).

Mithin hat der Kläger im Ortstermin selbst angegeben, dass bei den starken Schneefällen im Februar 2021 keinerlei Äste in seinen Gartenteil gefallen seien. Der Zustand der Bäume dürfte circa 3 1/2 Monate später noch unverändert sein. Danach hat sich die klägerseits behauptete Gefahr nicht realisiert und ein gesteigertes Risiko ist nicht zu erkennen. Es handelt sich lediglich um ein subjektives Empfinden des Klägers.

Darüber hinaus ist nach Ansicht des Gerichts für das Vorliegen einer Beeinträchtigung auch die Struktur des Gebiets (städtisch/ländlich) von Bedeutung (vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, 58. Ed. 1.5.2021 Rn. 8, BGB § 910 Rn. 8, m.w.N.). Es handelt sich jedoch gerade um ein Grundstück im unbeplanten Außenbereich, welches bereits bei seiner Bebauung unmittelbar an das Waldgrundstück grenzte. Die allgemeine Gefahr umstürzender Bäume und abstürzender Äste war somit zum Zeitpunkt der Bebauung bereits erkennbar und entspricht gerade der Struktur des Gebiets und des konkreten Grundstücks.

Dementsprechend war über eine Verjährung des Anspruchs nicht mehr zu entscheiden, obwohl diese aufgrund des Alters und der Höhe der Bäume nicht ganz fernliegend sein dürfte.

II. Mangels Hauptforderung bestehen keine Nebenforderungen.

III. Die Widerklage war abzuweisen. Der Beklagte hat gegen den Kläger weder aus §§1004 Abs.1 BGB i.V.m. § 906 BGB, noch aus §§ 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 45 NNachbG einen Anspruch auf Unterlassung der Ableitung des Oberflächenwassers auf sein Grundstück.

1. Zum einen zählt der Wasserzufluss als sogenannte Grobimmission nicht zu den Immissionen i.S.d. § 906 Abs.1 BGB (vgl. BGH NJW 1984,2207 [BGH 02.03.1984 - V ZR 54/83]).

2. Zum anderen liegt keine erforderliche Beeinträchtigung des Grundstücks des Beklagten vor. Auch der Anspruch nach §§ 1004 Abs .1 BGB i.V.m. §45 NNachbG bedarf insoweit einer Einschränkung, als nicht jeder vermehrte, das heißt über natürliche Gegebenheiten hinausgehende Zufluss relevant ist. Er muss vielmehr zu einer Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks führen (vgl. BGH, Urteil v. 12.06.2015 - V ZR 168/14). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Im Rahmen des Ortstermins konnte festgestellt werden, dass sich im unteren Teil der Mauer zum Wald hin zwei Rohe befinden, aus welchen das Traufwasser von der Garage bzw. dem Gartenhaus abgeleitet werden und in den Wald fließen.

Das Rohr im Bereich des Gartenhauses war aufgrund des Bewuchses nicht zu sehen. Ebenso war das Abspülen der oberen Bodenschicht dort nicht zu sehen. Bei dem Rohr im Bereich der Garage war lediglich eine kleine Stelle zu erkennen, an welcher ein Teil der Bodenschicht derart abgespült war, dass die Fließrichtung des Wassers zu erkennen war. Eine Beeinträchtigung des Waldes bzw. des Waldgrundstückes konnte durch das Gericht jedoch nicht festgestellt werden. Objektiv waren auch hier keinerlei Hinweise ersichtlich, aufgrund derer man eine Schädigung des Waldes bzw. der Bäume durch den Wasserabfluss annehmen könnte.

IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Kostenentscheidung ist ein Streitwert der Klage in Höhe von 1.500,00 € und der Widerklage in Höhe von 500,00 € zugrunde gelegt worden.