Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 04.11.2013, Az.: L 2 R 352/13

Gesetzliche Rentenversicherung; Alterversorgung; Mütterrente aufgrund Erziehungszeit für vor 1992 geborene Kinder; Verfassungsmäßigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
04.11.2013
Aktenzeichen
L 2 R 352/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 51358
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2013:1104.L2R352.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - AZ: S 1 R 147/13

Fundstelle

  • DStR 2014, 12

Redaktioneller Leitsatz

1. Es gibt aktuell (Entscheidungszeitpunkt November 2013) für eine weitergehende Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten keine gesetzliche Grundlage.

2. Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass der Deutsche Bundestag bisher den betroffenen Müttern von vor 1992 geborenen Kindern keinen Anspruch auf die Berücksichtigung einer mehr als zwölfmonatigen Erziehungszeit einräumt.

2. Das dürfte den Lebenszeit über erbrachten Gesamtbeitrag einer Mutter zur Rentenversicherung jedoch nur unzureichend widerspiegeln.

4. Die Kindererziehung hat gerade bestandsichernde Bedeutung für das System der Altersversorgung im Sinne des sog. Generationenvertrages.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die am 13. Oktober 1951 geborene Klägerin begehrt eine weitergehende Berücksichtigung von rentenrechtlichen Kinderziehungszeiten für die Erziehung ihrer beiden Kinder, und zwar für den am 21. November 1971 geborenen Sohn H. und für den am 31. Mai 1974 geborenen Sohn I ... Mit Vormerkungsbescheid vom 25. September 2012 stellte die Beklagte die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegenden Daten im Versicherungsverlauf der Klägerin verbindlich fest. Dabei berücksichtigte sie zu ihren Gunsten in Anwendung des § 249 Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 56 SGB VI Kinderziehungszeiten jeweils vom 1. Dezember 1971 bis zum 30. November 1972 und vom 1. Juni 1974 bis zum 31. Mai 1975. Den nachfolgenden Antrag der Klägerin auf eine weitergehende Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in dem (für Geburten ab Januar 1992) in § 56 SGB VI vorgesehenen dreijährigen Umfang lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013 unter Hinweis auf die gesetzliche Vorgaben in § 249 SGB VI ab. Die dagegen am 15. Februar 2013 erhobene Klage hat das Sozialgericht Hannover mit Gerichtsbescheid vom 1. August 2013, der Klägerin zugestellt am 5. August 2013, abgewiesen. Nach der gesetzlichen Vorgabe des § 249 Abs. 1 SGB VI ende die Kinderziehungszeit bei vor 1992 geborenen Kindern zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes. Mit der am 5. September 2013 eingelegten Berufung macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die unterschiedliche Bemessung der Kindererziehungszeiten in Abhängigkeit von dem Geburtsdatum des Kindes gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben verstoße. Sie beantragt ausgehend von den für ab 1992 geborene Kinder maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben des § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB VI sinngemäß, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 1. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013 aufzuheben und 2. die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Vormerkungsbescheides vom 25. September 2012 Kinderziehungszeiten zu ihren Gunsten auch für die Zeiträume vom 1. Dezember 1972 bis zum 31. Mai 1974 und vom 1. Juni 1975 bis zum 30. November 1977 vorzumerken. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die zulässige Berufung entscheidet der Senat mit dem von beiden Beteiligten erklärten Einverständnis (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 26. September 2013 und Schriftsatz der Beklagten vom 23. September 2013) ohne mündliche Verhandlung. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vormerkung weiterer als der bereits im Bescheid vom 25. September 2012 erfassten Kindererziehungszeiten (vgl. zum Folgenden auch bereits Senatsurteil vom 25. Juli 2007 - L 2 R 241/07 - Juris). Für ihre 1971 und 1974 geborenen beiden Söhne hat die Beklagte bereits im Vormerkungsbescheid vom 25. September 2012 zugunsten der Klägerin entsprechend der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI jeweils eine zwölfmonatige Erziehungszeit als Beitragszeit berücksichtigt. Für eine weitergehende Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Zwar sieht § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VI inzwischen im Grundsatz die rentenrechtliche Berücksichtigung einer dreijährigen Erziehungszeit vor; der Zusammenhang mit der Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI macht aber deutlich, dass eine dreijährige Kindererziehungszeit nur bei solchen Kindern anzurechnen ist, die erst in den Jahren ab 1992 geboren worden sind. Die Verfassung verleiht den betroffenen Müttern von vor dem 1. Januar 1992 geborenen Kindern und damit auch der Klägerin keinen aktuell durchsetzbaren Anspruch auf die Berücksichtigung einer mehr als zwölfmonatigen Erziehungszeit. Dementsprechend sieht der Senat auch keinen Anlass, eine Entscheidung des BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG zur geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des § 249 Abs. 1 SGB VI einzuholen. Allerdings ist der Klägerin zuzugestehen, dass die Berücksichtigung einer jeweils nur zwölfmonatigen Erziehungszeit für ihre beiden Söhne bei der Rentenberechnung den von ihr im Laufe ihres Lebens erbrachten Gesamtbeitrag zur Rentenversicherung nur unzureichend widerspiegelt. Die Kindererziehung hat bestandssichernde Bedeutung für das System der Altersversorgung (vgl. dazu und zum Folgenden: BVerfG, U. v. 7. Juli 1992, aaO.). Die als Generationenvertrag ausgestaltete Rentenversicherung lässt sich ohne die nachrückende Generation nicht aufrechterhalten. Diese bringt die Mittel für die Alterssicherung der jetzt erwerbstätigen Generation auf. Ohne nachrückende Generation hätte sie zwar Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt, könnte aber keine Leistungen aus der Rentenversicherung erwarten. Dabei kann angesichts der Breitenwirkung der Rentenversicherung vernachlässigt werden, dass nicht jedes Kind später zum Beitragszahler wird. Die bisherige Ausgestaltung des Sozialleistungsrechts führt im Ergebnis zu einer Benachteiligung der Familie, namentlich der Familie mit mehreren Kindern (BVerfG, aaO.). Die Familie, in der ein Elternteil zugunsten der Kindererziehung aus dem Erwerbsleben ausscheidet, nimmt im Vergleich zu Kinderlosen nicht nur Einkommenseinbußen hin, sie muss das gesunkene Einkommen vielmehr auch auf mehrere Köpfe verteilen. Letzteres gilt natürlich auch für Familien, in denen beide Elternteile arbeiten, zumal wenn ein (in der Praxis oft erheblicher) Teil des verfügbaren Einkommens zur Begleichung von Kinderbetreuungskosten aufgewandt werden muss. Wenn die Kinder in das Erwerbsleben eingetreten sind und durch ihre Beiträge die Alterssicherung der Elterngeneration mittragen, haben die Eltern, soweit sie aufgrund der Kinderziehung jedenfalls zeitweise ihre Erwerbstätigkeit eingeschränkt oder gar aufgegeben haben, selbst eine geringere Rente zu erwarten. Auch wenn sich angesichts zahlreicher staatlicher Unterstützungsmaßnahmen für die Familien namentlich in Form von Kindergeld- und Elterngeldzahlungen, Fürsorgeleistungen für bedürftige Familien, beitragsfreier Mitversicherung des nicht erwerbstätigen Ehegatten und der Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung und von Witwer- bzw. Witwenrentenansprüchen in der gesetzlichen Rentenversicherung das Gesamtbild nur schwerlich dahingehend einordnen lässt, dass Kindererziehung jedenfalls im Kern als "Privatsache" gelte (so allerdings BVerfG, aaO.), so bleibt doch eine spezifische - typischerweise mit steigender Kinderzahl zunehmende - Benachteiligung der Familien. Ungeachtet der staatlichen Unterstützungsleistungen ist ein erheblicher Teil der Aufwendungen für die Kinderziehung in finanzieller und zeitlicher Hinsicht ohne Ausgleich von den Eltern zu erbringen. Sie werden in dieser Hinsicht einseitig belastet, obwohl von der heranwachsenden Generation naturgemäß nicht nur diese, sondern die gesamte Bevölkerung - keineswegs nur im Hinblick auf die Altersvorsorge - profitiert. Bezeichnenderweise hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 12. März 1996 (E 94, 241) entscheidend auf den in der Kindererziehung liegenden Wert für die Allgemeinheit und für die Rentenversicherung abgestellt. Rentenrechtlich wirkt sich diese Benachteiligung umso schwerwiegender aus, als auch heute noch - vermehrt allerdings in früheren Jahrzehnten - typischerweise die bei den Eltern verbleibenden Lasten der Kindererziehung auch in der Form bewältigt werden, dass jedenfalls vorübergehend ein Elternteil aus dem Erwerbsleben ausscheidet. In solchen - im Sinne eines vorübergehenden Ausscheidens weiterhin typischen - Fällen geht mit der erziehungsbedingten Übernahme von Sonderlasten für die betroffenen Eltern ein zusätzlicher rentenrechtlicher Nachteil in dem Sinne einher, dass diese für die entsprechenden Ausfallzeiten keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet und dementsprechend nur eine geringere Rente zu erwarten haben. Angesichts der bestandssichernden Bedeutung der Kindererziehung hat das BVerfG (aaO.) den Gesetzgeber verpflichtet angesehen, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen. Soweit sich die Benachteiligung gerade in der Alterssicherung der kindererziehenden Familienmitglieder niederschlägt, ist der erforderliche Ausgleich vornehmlich durch rentenrechtliche Regelungen zu bewirken. Dies bedeutet allerdings keine generelle Gleichsetzung von Kindererziehungs- und sonstigen Beitragszeiten. Kindererziehung und Beitragszahlung sind nach der ausdrücklichen Feststellung des BVerfG gerade angesichts des die Rentenversicherung prägenden Umlageverfahrens nicht gleichartig. Auch wenn keine Gleichsetzung geboten ist, so verlangt das BVerfG (aaO.) doch eine ausreichende Berücksichtigung des Beitrags der Eltern für den Fortbestand der Rentenversicherung in Form der Kindererziehung. Es verweist in diesem Zusammenhang zunächst auf den "nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen" des Gesetzgebers, nimmt aber im Ergebnis eine Prüfung der Angemessenheit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen vor. Diese Prüfung führt nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu dem Ergebnis, dass jedenfalls längerfristig gesehen auch die in § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VI (für ab 1992 geborene Kinder) vorgesehene dreijährige Kindererziehungszeit den Sonderlasten der Eltern nur unzureichend Rechnung trägt. Im Ergebnis sieht das BVerfG in der langfristigen Perspektive eine Pflicht des Gesetzgebers zu einer weiteren Ausweitung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten über die mit dem RRG 1992 eingeführte Regelung des § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VI hinaus. Ob dieser Ansatz im Ergebnis bedeutet, dass die derzeitige Regelung des § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VI (und damit ggfs. auch die für den vorliegenden Fall einschlägige Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI) wegen eines Verstoßes gegen den im Licht des Art. 6 Abs. 1 GG zu interpretierenden Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist oder ob das BVerfG auf eine unabhängig von einer konkreten Grundrechtsverletzung der Verfassung zu entnehmende dem Gesetzgeber obliegende von ihm auch als "Schutzauftrag" bezeichnete Rechtsfortbildungspflicht abgestellt hat, lassen die Gründe des Urteils vom 7. Juli 1992 letztlich offen. Das BVerfG hat einerseits darauf abgestellt, dass es an einem zureichenden Grund für die Benachteiligung der Familien fehle. Andererseits hat es auch festgehalten, dass diese Feststellung nicht zu einer verfassungsrechtlichen Beanstandung der ihm zur Prüfung unterbreiteten Regelungen des geltenden Rentenrechts führe, sondern nur eine Verpflichtung des Gesetzgebers begründe, die Benachteiligung in weiterem Umfang als bisher schrittweise abzubauen. Unabhängig von Einzelheiten der verfassungsrechtlichen Herleitung hat das BVerfG dem Gesetzgeber aber einen langjährigen Umsetzungszeitraum verbunden mit der Befugnis zugebilligt, den Abbau der beschriebenen Benachteiligungen stufenweise zu vollziehen. Das BVerfG (aaO.) hat ausdrücklich betont, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unzulässig beschränkt würde, wenn es ihm verwehrt wäre, eine derartig komplexe Reform wie die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen, um den Regelungsaufwand sowie die finanziellen Folgen zu begrenzen und sich für Erfahrungen, die im Zuge der Reform gewonnen werden, offen zu halten. Nur mit dieser Maßgabe hat das BVerfG den Gesetzgeber für verpflichtet angesehen, sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung "der Familie" tatsächlich verringert. Dabei hat das BVerfG nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe unter der Kollektivbezeichnung "die Familie" die Gesamtheit der Personen verstanden, die gegenwärtig oder in der Vergangenheit Kinder erziehen bzw. erzogen haben. Vor dem Hintergrund, dass das BVerfG sich ausdrücklich für eine schrittweise Lösung ausgesprochen hat, und mangels anderslautender Einschränkungen ist die zitierte Aufforderung dahingehend zu verstehen, dass ein die Benachteiligung "der Familie" mindernder Reformschritt auch darin bestehen kann, dass nur ein Teil der betroffenen Eltern entlastet wird, mögen auch andere ebenfalls benachteiligte Eltern von dem einzelnen Reformschritt nicht persönlich profitieren. Dies gilt umso mehr, als das BVerfG auch in seinem Urteil vom 7. Juli 1992 die Zulässigkeit von Stichtagsregelungen hervorgehoben hat. Hiervon ausgehend sind in dem Zeitraum seit Erlass des Urteils vom 7. Juli 1992 mehrere gesetzgeberische Reformschritte zu verzeichnen, die dazu geführt haben, dass die Benachteiligung "der Familie" effektiv vermindert worden ist. Zu nennen sind insbesondere folgende gesetzgeberische Maßnahmen: - Seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 werden für Eltern, die ihre (im Sinne der §§ 14, 15 SGB XI) pflegebedürftigen Kinder betreuen, nach Maßgabe der §§ 44 SGB XI, 3, 166 SGB VI (wie auch für sonstige Pflegepersonen im Sinne des § 19 SGB XI) Rentenversicherungsbeiträge entrichtet. - Durch die zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Neufassung des § 71 Abs. 3 SGB VI werden im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung besser bewertet; einen spürbaren Vorteil aus dieser Neuregelung ziehen allerdings nur solche Eltern, die in größerem Umfang über beitragsfreie bzw. beitragsgeminderte Zeiten im Sinne des § 54 Abs. 3 und 4 SGB VI verfügen. - In Ausführung des Beschlusses des BVerfG vom 12. März 1996 (- 1 BvR 609/90 und 692/90 - E 94, 241) sind durch die zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Neufassung des § 70 Abs. 2 SGB VI die Bewertungen der Kindererziehungszeiten verbessert worden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2002 wurde - allerdings nur für Erziehungszeiten ab 1992 - die Regelung des § 70 Abs. 3a SGB VI eingeführt, die unter den dort im einzelnen normierten Voraussetzungen die Anrechnung zusätzlicher Entgeltpunkte für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorsieht. Auch wenn für viele der betroffenen Eltern nicht alle der vorstehend erläuterten Reformschritte mit einem persönlichen Vorteil verbunden sind, so belegen sie jedoch gerade in ihrer Gesamtheit das prinzipielle Bemühen des Gesetzgebers zur Umsetzung des erläuterten Verfassungsauftrages. Auch wenn dieser damit nach Maßgabe des Urteils des BVerfG vom 7. Juli 1992 noch nicht erledigt ist, kann dem Gesetzgeber bislang keine pflichtwidrige Verzögerung bei der Auftragserledigung vorgeworfen werden. Im Übrigen zeichnet sich auch gerade die aktuelle rechtspolitische Diskussion dadurch aus, dass Vorschläge zu einer rentenrechtlich besseren Bewertung der Erziehungszeiten bei vor 1992 geborenen Kindern erörtert werden. Der Erste Senat des BVerfG hat in seinem Urteil vom 7. Juli 1992 bewusst davon abgesehen, dem Gesetzgeber konkrete zeitliche Vorgaben für die Umsetzung des Verfassungsauftrages zu erteilen. Es hat insbesondere auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass die von ihm festgestellte Benachteiligung der Familien nur für eine bestimmte Zeit noch hinnehmbar sei. Der Auftrag an den Gesetzgeber ist damit im Vergleich zu anderen verfassungsgerichtlichen Entscheidungen als eher zurückhaltend formuliert zu werten. Letzterem Gesichtspunkt kommt umso größere Bedeutung zu, als der Erste Senat des BVerfG nur wenige Wochen vor dem Erlass des vorliegend zu bewertenden Urteils vom 7. Juli 1992 in einem Beschluss vom 24. Juni 1992 (1 BvR 459, 467/87 - E 86, 369) bezogen auf einen anderen - ebenfalls zurückhaltend formulierten - Regelungsauftrag an den Gesetzgeber ausdrücklich festgehalten hat, dass auch nach 12 Jahren die dem Gesetzgeber zur Auftragserfüllung zur Verfügung stehende Zeit noch nicht abgelaufen war. Hiervon ausgehend ist bezogen auf den vorliegenden Zusammenhang die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehende Zeit auch heute - rund 20 Jahre nach Erlass des Urteils vom 7. Juli 1992 - noch nicht als abgelaufen anzusehen. Für eine solche Annahme ist umso weniger Raum, als der Gesetzgeber zwischenzeitlich bereits wiederholt, wie dargelegt, einzelne Reformschritte zum Abbau der Benachteiligung der Familien eingeleitet hat (und weitere Maßnahmen rechtspolitisch diskutiert werden). Auch kommt entscheidende Bedeutung dem vom BVerfG in seinem Urteil ausdrücklich hervorgehobenen Umstand zu, dass die letztlich anzustrebende Gesamtregelung einen hohen Regelungsaufwand in verschiedenen Rechtsgebieten und beträchtliche finanzielle Mittel erfordern wird. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 - E 99, 2169). In dieser Entscheidung hat das BVerfG allerdings hervorgehoben, dass der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren habe (einschränkend ohnehin BVerfG, B.v. 19. August 2011 - 1 BvL 15/11 - FamRZ 2011, 1645). Er habe dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden. Der Staat müsse auch Voraussetzungen schaffen, dass die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führe. Rentenrechtliche Schlussfolgerungen hat das BVerfG in diesem Beschluss vom 10. November 1998 jedoch aus diesem Ansatz nicht gezogen. Bei dieser Sachlage ist nur ergänzend auf Folgendes hinzuweisen: Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 7. Juli 1992 auch ausdrücklich hervorgehoben, dass es dem Gesetzgeber durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt ist, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunkts muss sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren. Auch darf der Gesetzgeber nach Einschätzung des BVerfG berücksichtigen, inwieweit die Rentenversicherungsträger überhaupt personell in der Lage sind, erforderlichenfalls auch eine große Zahl von bereits abgeschlossenen Rentenvorgängen wieder aufzugreifen, um eine Rentenneuberechnung unter (weitergehender) Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten durchzuführen. Zudem hat das BVerfG in seiner o.g. Entscheidung den Gesetzgeber auch dazu berechtigt angesehen, sich mit auf den Rentenzugang beschränkten Regelung zu begnügen, wenn eine Einbeziehung der Bestandsrentner mit besonders großem finanziellen Aufwand verbunden wäre. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).