Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 14.11.2013, Az.: L 10 VE 8/12

Beschädigtenversorgung; Feststellung einer Verschlimmerung der Schädigungsfolge "posttraumatische Belastungsstörung" einer Mutter nach Ermordung der Tochter

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
14.11.2013
Aktenzeichen
L 10 VE 8/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 51361
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2013:1114.L10VE8.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 30.11.2011 - AZ: S 42 VG 23/09

Redaktioneller Leitsatz

1. Als Schädigungsfolge kommt auch eine posttraumatische Belastungsstörung von Familenangehörigenr, Partnern, Eltern etc. in Betracht, wenn diese Erkrankung kausal durch den Erhalt der Todesnachricht oder von Informationen über die näheren Umstände des Todes des nebenstehenden Verbrechensopfers verursacht wurde.

2. Nicht als wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung ist es anzusehen, wenn die - derart mittelbar geschädigte - Person mit den Ermittlungstätigkeiten der zuständigen Behörden unzufrieden ist und hierüber Hass und Wut empfindet.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 30. November 2011 aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beschädigtenrente nach dem OEG.

Die 1975 geborene Tochter (H.) der Klägerin wurde im August 1995 in I./J. Opfer eines Tötungsverbrechens; die Täterschaft konnte bisher nicht geklärt werden. Sicher ist, dass der Vater am 28. August 1995 seine damals 19jährige Tochter blutüberströmt auf dem Trockenboden, gleich neben ihrem Zimmer fand. H. hatte einen Hanfstrick um den Hals und hing an einem Holzpfosten. Die K. Mordkommission rekonstruierte damals die Tat: H. wurde in ihrem Zimmer mit einem Messer verletzt, der Täter schlug sie danach mit einem schweren Eisenhaken. Danach brachte er das Opfer durch einen Durchbruch auf den Trockenboden und legte ihm die Schlinge um den Hals. Nach dem Ergebnis des vorläufigen Obduktionsgutachtens fanden sich 27 Stich-Schnittverletzungen am gesamten Körper, vier stumpfe und fünf kantige Gewalteinwirkungen im Bereich des Kopfes sowie die Strangulation des Halses. Der Tod war in Kombination eines sehr starken Blutverlustes, einer schweren Schädelhirnverletzung und einer Strangulation des Halses eingetreten. Ein zunächst auch gegen die Klägerin eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Auf den im April 1996 gestellten Antrag der Klägerin auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Januar 2001 eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge an. Zugleich bewilligte er für die Zeit ab April 2000 Beschädigtenversorgung nach einer MdE gemäß § 30 Abs. 1, 2 BVG von 30 v.H ... Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2002 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Braunschweig (S 12 VG 37/02). In der mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2005 schlossen die Beteiligten vor dem Sozialgericht folgenden Vergleich: "Der Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin Entschädigung nach einer MdE um 40 v.H. ab August 1995 bis Januar 1998 und nach einer MdE um 30 v.H. ab Februar 1998 zu gewähren."

Mit Ausführungsbescheid vom 28. Juli 2005 setzte der Beklagte diesen Vergleich um.

Im September 2007 stellte die Klägerin einen Verschlimmerungsantrag unter Vorlage eines ärztlichen Attestes des Dr. L. vom 4. September 2007. Danach sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch Hinzutreten massiver Schlafstörungen, Herzschwäche, gastritischer Beschwerden, Panikattacken, Angstzuständen und Verlustängsten eingetreten. Der Beklagte veranlasste eine erneute Begutachtung der Klägerin durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M ... Dieser gelangte unter dem 13. März 2008 zu der Einschätzung, dass die Schädigungsfolge posttraumatische Belastungsstörung fortbestehe und eine Verschlimmerung eingetreten sei. Der GdS liege bei 40 v.H. Wie schon in den Vorgutachten beschrieben, sei das Trauma der Ermordung der Tochter das zentrale Thema der Klägerin. Diese widme ihre gesamte Energie der Aufklärung dieser Straftat, auch die seit dem Jahr 2000 durchgeführte ambulante Psychotherapie habe nicht zu einer Bewältigung oder besseren Distanzierung im Umgang mit dem Geschehen geführt. Nach wie vor werde das gesamte Leben der Klägerin von dem Ereignis bestimmt. Es bestehe ein Zustand des ständigen Wiedererlebens des traumatischen Erlebnisses. Zeitweilig würden auslösende Orte vermieden. In den letzten Monaten habe sich die Klägerin durch die Verfolgung der Wiederaufnahme des Verfahrens konfrontativ mit dem Tatort auseinander gesetzt. Durch die Einschaltung eines berühmten Gutachters und durch das Interesse der Medien seien neue Hoffnungen und Erwartungen geweckt worden, die in den letzten Monaten zu einer Zunahme der schon früher beschriebenen Symptome geführt hätten.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2008 lehnte der Beklagte die Neufeststellung des GdS im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass eine schädigungsbedingte Verschlimmerung des psychischen Leidens nicht eingetreten sei. Dem Gutachten sei zu entnehmen, dass die Klägerin kämpferisch eigene Kräfte mobilisiere, um die Ermittlungen der Polizei voranzutreiben. Die Klägerin habe aufgrund der Erfahrungen mit den Behörden auf den Gutachter verbittert, enttäuscht aber keinesfalls resigniert gewirkt. Auch habe sie in Erwägung gezogen, sich aus Protest mit Handschellen in N. anzuketten und die Bild-Zeitung einzuschalten. Aus dem Gutachten lasse sich weder ein Rückzugsverhalten noch eine erhöhte Depressivität erkennen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2009 zurück.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Braunschweig erhoben und höhere Beschädigtenrente begehrt. Sie hat geltend gemacht, dass der Beklagte außer Acht lasse, dass sie, die Klägerin, ihr durch die Todesnachricht erlebtes Trauma in den vergangenen Jahren überhaupt nicht habe verarbeiten können. Der Mörder ihrer Tochter laufe noch immer frei herum. Dieser Umstand sei ursächlich dafür, dass ihre seelischen Wunden nicht heilen könnten, sondern immer wieder aufreißen würden. Wenn der Beklagte meine, in den von ihr angedachten Aktivitäten (Anketten mit Handschellen in N. und Einschaltung der Bild-Zeitung) komme eine erhöhte Lebensenergie zum Ausdruck, so handele es sich hierbei um eine Fehlinterpretation der bei ihr vorliegenden Symptomatik. In dem genannten Bemühen komme vielmehr ihre andauernde und bis zum heutigen Tage aus dem Tatgeschehen resultierende Verzweiflung zum Ausdruck. Das Trauma der Ermordung ihrer Tochter sei bis heute das zentrale Thema mit der Folge, dass ihre sozialen Kontakte weitgehend aufgehoben seien und sich auf ein kleines Feld beschränkten.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. L. beigezogen und ein nervenärztliches Gutachten der Sachverständigen Dr. O. vom 11. April 2011 veranlasst. Diese hat im Wesentlichen eine posttraumatische Belastungsstörung mit Übergang zur posttraumatischen Verbitterung bzw. anhaltende Wesensänderung nach Extrembelastung diagnostiziert und ist zu der Einschätzung gelangt, dass die Verbitterungsstörung bzw. anhaltende Wesensänderung überwiegend durch die Geschehnisse infolge der Tatermittlungen bedingt sei, aber auch auf zusätzlichen Belastungen gesundheitlicher und wirtschaftlicher Art sowie möglicherweise auch beginnenden kognitiven Beeinträchtigungen beruhten. Der GdS betrage 40. Die Abweichung zu den Vorgutachten sei dadurch begründet, dass eine Verschärfung der posttraumatischen Störung durch die Ereignisse in dem Jahr 2009 hervorgerufen worden sei.

Auf dieses Gutachten gestützt hat das Sozialgericht mit Urteil vom 30. November 2011 den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 6. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2009 verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab dem 1. September 2007 Beschädigtengrundrente nach einer MdE/einem GdS von 40 zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass jedenfalls ab September 2007 der MdE bzw. GdS mit 40 zu bewerten sei. Vorliegend bedinge die posttraumatische Belastungsstörung eine MdE/einen GdS von 40. Dies habe die Sachverständige Dr. O. in ihrem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt. Die Verschlimmerung des Gesundheitszustandes sei auch als schädigungsbedingt anzusehen. Im Ausgangspunkt zutreffend weise der Beklagte darauf hin, dass die Verschärfung der Symptome im Zusammenhang mit der Nichtaufklärung der Tat und der für die Klägerin unbefriedigenden Arbeit der Ermittlungsbehörden stehe. Hieraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Verschlimmerung schädigungsunabhängig sei. Denn die genannten Belastungen hingen ihrerseits auf das Engste mit der Gewalttat und der Schädigung der Klägerin zusammen; die Nichtaufklärung einer Straftat und die Arbeit der Ermittlungsbehörden stelle sich gerade deswegen als erhebliche Belastung für die Klägerin dar, weil es sich um das Tötungsverbrechen, dem die Tochter zum Opfer gefallen sei und das zur Entstehung einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt habe, handele. Hinsichtlich des Zeitpunktes der anzunehmenden Verschlimmerung seien die Ausführungen des Dr. M. maßgeblich.

Gegen das ihm am 11. Januar 2012 zugestellte Urteil wendet sich die am 3. Februar 2012 beim Sozialgericht eingegangene Berufung des Beklagten. Er meint, dass das Sozialgericht nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass die Klägerin als sogenanntes Sekundäropfer in den Schutzbereich des OEG einbezogen worden sei, weil sie infolge der Überbringung der Nachricht vom gewaltsamen Tod ihrer Tochter einen Schockschaden erlitten habe. Nach der Rechtsprechung des BSG gälten für diesen Personenkreis besondere Maßstäbe. Folglich könne eine wesentliche Änderung i.S. der von dem Gutachter und der Sachverständigen dokumentierten Verschlimmerung der posttraumatischen Belastungsstörung nur dann als schädigungsbedingt anerkannt werden, wenn für die Verschlimmerung dieser Störung die Einwirkungen des Schockschadens noch wesentliche Bedingung i.S. der versorgungsrechtlichen Kausalitätslehre seien. Gerade dies ergebe sich aus den vorliegenden Gutachten jedoch nicht. Danach sei vielmehr davon auszugehen, dass die festgestellte Verschlimmerung im Zusammenhang mit der Nichtaufklärung der Straftat bzw. der unbefriedigenden Arbeit der Ermittlungsbehörden stünde. Diese Ausführungen würden eindeutig belegen, dass andere Belastungen wesentlich bestimmend für die festgestellten Verschlimmerungen seien und nicht die Auswirkungen des versorgungsrechtlich geschützten Schockschadens.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 30. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 30. November 2011 zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten und der Gerichtsakte des Sozialgerichts Braunschweig (Az: S 12 VG 37/02) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Sie ist auch begründet. Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin keinen Anspruch auf höhere Beschädigtenrente. Der ablehnende Bescheid vom 6. Mai 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2009 ist rechtmäßig, weil der Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, den bestandskräftigen Bescheid vom 28. Juli 2005 abzuändern. Die bei der Klägerin vorliegende Schädigungsfolge bedingt seit September 2007 keinen GdS von mehr als 30. Dementsprechend ist das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben.

Die von der Klägerin begehrte Feststellung einer Verschlimmerung der Schädigungsfolge "posttraumatische Belastungsstörung" gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X kommt nicht in Betracht. Diese Norm ermöglicht die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine derartige Änderung kann auch in der Verschlechterung oder Verbesserung anerkannter Schädigungsfolgen oder dem Hinzutreten neuer Schädigungsfolgen liegen. Allerdings ist eine wesentliche schädigungsbedingte Änderung der posttraumatischen Belastungsstörung der Klägerin i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegenüber dem Zustand, der im Juli 2005 vorgelegen hat, nicht zu erkennen.

Voraussetzung für die Feststellung von Schädigungsfolgen bzw. der Verschlimmerung von Schädigungsfolgen gemäß § 1 OEG ist, dass die Klägerin an Gesundheitsstörungen leidet, die rechtlich wesentlich durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff verursacht worden sind. Dies setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2002, Az.: B 9 VG 7/01 R, SozR 3-3800 § 1 Nr. 23) eine unmittelbare Schädigung des Opfers voraus, was grundsätzlich einen engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zwischen dem Schädigungstatbestand und der schädigenden Einwirkung ohne örtliche und zeitliche Zwischenglieder bedingt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 7. November 1979, Az.: 9 RVg 1/78, SozR 3800 § 1 Nr. 1) kann als unmittelbare Schädigung auch ein gesundheitlicher Schaden angesehen werden, der durch den Erhalt der Nachricht über einen vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff verursacht worden ist (sog. Schockschaden). Dies setzt voraus, dass die psychischen Auswirkungen einer schweren Gewalttat auf das Sekundäropfer als mit der Gewalttat so unmittelbar verbunden betrachtet werden können, dass beide - die Gewalttat und die Auswirkungen auf das Sekundäropfer - eine natürliche Einheit bilden. Zu den Schockschäden gehören aber nicht solche psychischen Beeinträchtigungen von nahen Familienangehörigen, die aufgrund der veränderten Lebensumstände infolge der Schädigung des Primäropfers eingetreten sind (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Dezember 1997, Az.: 9 BVg 5/97). Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die posttraumatische Belastungsstörung der Klägerin weder gegenwärtig noch in der Zeit seit September 2007 eine länger als sechs Monate (§ 1 OEG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG) andauernde Verschlimmerung erfahren hat, die ursächlich durch den Erhalt der Todesnachricht oder womöglich der Informationen über die näheren Umstände der zum Tode führenden Gewalttat bedingt ist oder war.

Als Schädigungsfolgen bzw. deren Verschlimmerung sind dabei nur solche nachgewiesenen Gesundheitsstörungen anzuerkennen, die wenigstens mit Wahrscheinlichkeit durch das schädigende Ereignis verursacht worden sind. Wahrscheinlichkeit in dem genannten Sinn liegt vor, wenn nach geltender medizinischer Lehrmeinung mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht. Ursache einer Gesundheitsstörung sind in dem hier erheblichen Sinn diejenigen Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben zu dem Eintritt bzw. der Verschlimmerung einer Gesundheitsstörung mehrere Bedingungen beigetragen, so sind nur diejenigen Ursache im Rechtssinn, die von ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Schadens wenigstens den anderen Bedingungen gleichwertig sind. Kommt dagegen einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist er allein Ursache im Rechtssinn (Theorie der rechtlich wesentlichen Bedingung, vgl. Rohr/Strässer/Dahm, Kommentar zum BVG, Anm. 10 zu § 1).

Bei der Klägerin liegt die bereits als Schädigungsfolge festgestellte posttraumatische Belastungsstörung vor, die sich nach der Einschätzung des Gutachters Dr. M. sowie der Sachverständigen Dr. O. nach dem Jahr 2005 verschlimmert hat. Die Verschlimmerung dieser Erkrankung ist jedoch nicht in dem vorgenannten Sinn durch den Erhalt der Todesnachricht oder der Informationen über die näheren Umstände des Todes der Tochter verursacht worden. Fest steht nach den Ausführungen des Gutachters sowie der Sachverständigen, dass die Verschlimmerung vielmehr eingetreten ist, weil die Klägerin mit den Ermittlungstätigkeiten der zuständigen Behörden unzufrieden ist und hierüber Hass und Wut empfindet. So hat der Gutachter Dr. M. unter dem 13. März 2008 herausgearbeitet, dass es der Klägerin z.Zt. "beschissen" gehe, die Situation sei unerträglich. Im Herbst 2007 habe sie den bekannten Forensiker P. aus Q. eingeschaltet und diesen beauftragt, sich des Falles noch einmal anzunehmen. Dieser habe inzwischen auch festgestellt, dass Fehler bei der Ermittlung gemacht worden seien, das sei eine große Schlamperei, die Aktenlage sei eine Schande, was inzwischen auch schon durch die Medien gehe. Sie - die Klägerin habe im Februar 2007 gegen den damals ermittelnden Staatsanwalt sowie die Beamten Strafanzeige gestellt. Ihre eigenen ersten Gedanken und Vermutungen hätten sich inzwischen als richtig erwiesen, man hätte den Täter damals fassen müssen. Offizielle Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gebe es nicht, die Klägerin habe einen privaten Auftrag erteilt; immer wieder habe es Schwierigkeiten von Seiten der Behörden gegeben und Verzögerungen, sie fühle sich manchmal "verarscht". Mittlerweile habe sie aber große Hoffnung auf die Festnahme des Täters nach Durchführung des Gutachtens. Weiter hat der Gutachter festgehalten, dass die Klägerin eine unbändige Wut gegenüber den Behörden geäußert habe; sie habe schon einmal überlegt, sich mit Handschellen in N. anzuketten und die Bild-Zeitung herbeizurufen. Sie beschäftige sich ständig mit der Tatgeschichte, seit der Einschaltung des Gutachters sei alles wieder hochgekommen. Sie habe Ängste, dass die Sache schief gehe, dass noch alles versaut werde, dass es nicht zum Abschluss komme. Auf keinen Fall folge sie dem Rat, die Geschichte endlich ruhen zu lassen. Sie habe ein Versprechen am Grabe ihrer Tochter abgegeben, das wolle sie unbedingt halten.

Vergleichbar hierzu hat die Sachverständige Dr. O. im April 2011 geschildert, dass die größte Angst der Klägerin sei, dass der Täter nicht überführt und keine Anklage erhoben werde. Sie habe immer weiter recherchiert und 2009 seien die Ermittlungen wegen neuer Erkenntnisse wieder aufgenommen und ein Mann in Untersuchungshaft genommen worden. Dieser sei aber schon drei Monate später wieder vom Haftrichter entlassen worden, wodurch ihr Rechtsempfinden noch einmal aufs Tiefste verletzt worden sei. Besonders problematisch sei dabei, dass dieser Mann mit seiner Frau und seinem Sohn nur wenige Straßen entfernt wohne. Anfang 2010 sei sie diesem Mann unvermutet begegnet und sei voll Wut und Hass gewesen; seitdem meide sie diese Straße zu bestimmten Zeiten. Letztlich kämpfe sie um irgendwas, um einen letzten Strohhalm, dass ihr doch noch Gerechtigkeit widerfahre. Es sei nicht in Ordnung, dass der Täter weiterlebe und andere leiden. Den Kampf um Gerechtigkeit habe sie nie aufgegeben, sei aber durch thematische und visuelle Trigger Rückerinnerungen und Alpträumen weiter ausgeliefert, insbesondere seit der Wiederaufnahme der Ermittlungen im Jahr 2009. Die Sachverständige Dr. O. schließt ihre Ausführungen mit der schlüssigen Feststellung, dass die Verschärfung der posttraumatischen Störung durch die Ereignisse im Jahr 2009 hervorgerufen worden seien.

Ist also eine Verschlimmerung der posttraumatischen Belastungsstörung im Jahr 2007 seit der Einschaltung des Gutachters/Forensikers durch die Klägerin (Annahme des Gutachters Dr. M.), bzw. im Jahr 2009 durch die Wiederaufnahme des Verfahrens und vorübergehende Inhaftierung des vermeidlichen Täters (Annahme der Sachverständigen Dr. O.) eingetreten, so wird damit deutlich, dass die Verschlimmerung der Erkrankung jedenfalls nicht durch den Erhalt der Todesnachricht oder der Informationen über die näheren Umstände des Todes verursacht worden ist.

Der Senat muss sich deshalb nicht mit den Fragen befassen, ob die Ermittlungen zu dem Tötungsdelikt tatsächlich schlecht geführt wurden und der Klägerin deswegen Unrecht widerfahren ist. Denn die bei der Klägerin eingetretene Verschlimmerung der posttraumatischen Belastungsstörung ist selbst für diesen Fall lediglich als Reaktion auf ihre Lebenssituation aufzufassen. Die Verschlimmerung ist damit zwar letztlich Folge der Gewalttat, steht aber i.S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Beschluss vom 17. Dezember 1997, aaO.) unmittelbar nicht mit der Gewalttat, sondern mit den aufgrund der Gewalttat veränderten Lebensumständen in Zusammenhang.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG.