Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.11.2013, Az.: L 3 KA 92/11
Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung; Nachweis von Praxisbesonderheiten durch den Vertragsarzt; Rechtswidrigkeit des Regressbescheides
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.11.2013
- Aktenzeichen
- L 3 KA 92/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 53617
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2013:1127.L3KA92.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 13.04.2011 - AZ: S 65 KA 32/08
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs. 1 SGB X
- § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V
- § 106 Abs. 5a SGB V
Redaktioneller Leitsatz
1. Der Vortrag zu Praxisbesonderheiten - hier: im Verfahren der Richtgrößenprüfung - obliegt dem Vertragsarzt in jedem Fall selbst.
2. Er kann bei Rechtsbehelfen etwa gegen einen Regressbescheid nicht damit gehört werden, die Entscheidung sei rechtswidrig, weil sie keine nähere Begründung zu Praxisbesonderheiten erkennen lasse, die er selbst nicht vorgebracht hat.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. April 2011 geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 3.024,- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Richtgrößenregresses.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung in E. teil. 2001 verordnete er Arznei- und Verbandmittel iHv 1.570.956,49 DM (brutto) und überschritt damit die fachgruppenbezogene Richtgröße um 52,09 vH.
Im Anschluss setzte der Prüfungsausschuss Niedersachsen gegen den Kläger einen Richtgrößenregress iHv 92.893,32 DM fest. Dabei berücksichtigte der Ausschuss Praxisbesonderheiten des Klägers iHv 127.854,85 DM und weitere Abzüge iHv 38.828,54 DM (Bescheid vom 9. Dezember 2005).
Auf Widerspruch des Klägers setzte der beklagte Beschwerdeausschuss den Richtgrößenregress demgegenüber iHv 5.913,81 DM fest. Dafür bereinigte der Beklagte zunächst die Daten der verwandten Einzelverordnungsstatistik iHv 43.898,93 DM (wegen fehlerhaft enthaltenen Hilfsmittelverordnungen, nicht dem Datensatzformat entsprechenden Datensätzen, Verordnungen aus dem Jahr 2000). Ferner stufte er freiwillig versicherte Patienten, die die Altersgrenze von 65 Jahren überschritten hatten und bisher als "Mitglieder" (M) bzw "Familienangehörige" (F) geführt worden waren, als "Rentner" (R) ein; dies führte zu einem zusätzlichen Differenzbetrag zugunsten des Klägers iHv 36.704,64 DM. Außerdem erkannte der Beklagte weitere Praxisbesonderheiten des Klägers iHv 54.853,17 DM (laut Anl 1 des Bescheids) an (nach den Anl 3.1 und 3.2 der Richtgrößenvereinbarung (RGV), wegen der Verordnung von Anti-Parkinsonmitteln und Anti-Depressiva, drei Patienten mit einem besonderen Versorgungsbedarf). Weitere Besonderheiten seien aber nicht ersichtlich (Bescheid vom 5. Februar 2008).
Der Kläger hat am 8. Februar 2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Die Richtgrößenprüfung sei in mehrfacher Hinsicht formell rechtswidrig (ua treuwidrig späte Einleitung des Prüfverfahrens, zu späte Veröffentlichung der Richtgrößen für 2001, falsche Ermittlung der Richtgröße für 2001, Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs). Zudem seien die der Richtgrößenprüfung zugrunde gelegten Verordnungsdaten in hohem Maße fehlerhaft. Ferner habe der Beklagte die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten intransparent gehandhabt und die im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Praxisbesonderheiten nur unzureichend berücksichtigt.
Das SG hat mit Urteil vom 13. April 2011 den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2008 (unter Benennung des Beschlussdatums vom 27. November 2007) aufgehoben und ihn verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zunächst sei der Bescheid mangels einer ausreichenden Begründung iS von § 35 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rechtswidrig. Der Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, weshalb er nur drei der insgesamt 89 vom Kläger benannten Patienten mit einem besonderen Versorgungsbedarf als Praxisbesonderheit anerkannt habe. Anhand der Ausführungen in dem Bescheid bleibe unklar, welcher Patient mit welchen Verordnungen noch als "normal" bzw als "schwer" angesehen werde. Da sich die Vertragsärzte aber gegen die mit Richtgrößenregressen verbundenen Eingriffe im Wesentlichen nur durch die Darlegung von Praxisbesonderheiten wehren könnten, sei zu verlangen, dass zumindest ein sachgerechter, plausibler und nachvollziehbarer Grund für die Festlegung der Grenze zur Praxisbesonderheit im Regressbescheid dargelegt (oder später nachgeschoben) werde. Ferner habe der Beklagte die vom Kläger bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragene Rüge, die aufgelisteten Pharmazentralnummern mit dem Eintrag "4E+08" etc seien mangelhaft, sowie die substantiiert geltend gemachte Sonderbelastung durch mehr zuzahlungsbefreite Patienten nicht hinreichend berücksichtigt. Hinsichtlich der weiteren vom Kläger in formeller und materiell-rechtlicher Hinsicht geltend gemachten Einwendungen sei der Bescheid des Beklagten aber nicht zu beanstanden.
Gegen dieses Urteil (zugestellt am 30. Juni 2011) wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung vom 14. Juli 2011. Entgegen der Auffassung des SG habe er sich ausreichend mit den vom Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Praxisbesonderheiten auseinandergesetzt. Soweit einzelne Praxisbesonderheiten nicht berücksichtigt worden seien, habe der Kläger diese nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Schließlich seien die falschen Bezeichnungen von Pharmazentralnummern mit dem Eintrag "4E+08" etc darauf zurückzuführen, dass der vom Kläger beauftragte Dienstleister beim Öffnen der ihm überlassenen erweiterten Arzneimitteldatei nicht das vom Beklagten beigefügte Merkblatt beachtet habe. Es sei daher zu einem Exportfehler der in der Datei gespeicherten Daten gekommen, der im Verantwortungsbereich des Klägers liege und nicht dazu führen könne, dass der Beklagte zu einer Neubescheidung zu verpflichten sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. April 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
Das SG hat den Ausschuss zu Unrecht verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 9. Dezember 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Auf die Berufung des Beklagten war daher die Entscheidung des SG insoweit zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
1. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2008 zu Recht gegenüber dem Kläger einen Richtgrößenregress iHv 5.913,81 DM festgesetzt hat. Diese Entscheidung ist in der Berufung allerdings nur noch insoweit streitbefangen, als die im Urteil des SG vom 13. April 2011 enthaltene Verpflichtung zur Neubescheidung Vorgaben enthält, die für den Beklagten nachteilig sind. Denn das Urteil des SG ist nur vom Beklagten und zudem ausdrücklich unter diesem Aspekt mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten worden. Hingegen sind die im Urteil des SG ebenfalls enthaltenen Vorgaben, die für den Kläger nachteilig sind, mangels eines von ihm eingelegten Rechtsmittels nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Insoweit ist die Entscheidung rechtskräftig und damit nach § 141 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowohl für die Verfahrensbeteiligten als auch für den erkennenden Senat bindend (eingehend zur Differenzierung zwischen der Rechtskraft und der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Neubescheidungsurteilen Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 141 Nr 1 Rn 22 mwN).
2. Rechtsgrundlage für den Regressbescheid des Beklagten vom 5. Februar 2008 ist die Regelung in § 106 Abs 2 S 1 Nr 1, Abs 5a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ((SGB V), hier anzuwenden idF des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22. Dezember 1999 (GKVRefG 2000)). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung ua durch eine arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei der Überschreitung fachgruppenbezogener Richtgrößen gemäß § 84 SGB V (hier anzuwenden idF des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes vom 19. Dezember 1998 (GKV-SolG)) geprüft. Eine Überschreitung der Richtgrößen um mehr als 5 vH löst gemäß § 106 Abs 5a S 1 SGB V regelmäßig eine solche Wirtschaftlichkeitsprüfung aus.
3. In Hinblick auf die in diesem Berufungsverfahren beschränkte Überprüfungskompetenz des Senats lässt die streitbefangene Wirtschaftlichkeitsprüfung des Beklagten und der daraus resultierende Bescheid vom 5. Februar 2008 keine Rechtsfehler erkennen. Die Verwaltungsentscheidung leidet weder unter einem Begründungsmangel iSv § 35 SGB X (dazu a), noch sind vom Kläger geltend gemachte Rügen bzw Sonderbelastungen unzureichend berücksichtigt worden (dazu b).
a) Entgegen der Auffassung des SG ist die Verwaltungsentscheidung des Beklagten nicht wegen einer "unzureichenden Begründung" rechtswidrig.
(aa) Zwar muss jede behördliche Entscheidung im Interesse des effektiven Rechtsschutzes der davon Betroffenen eine Begründung enthalten (§ 35 SGB X). Daher ist es auch erforderlich, dass die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung in dem zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens ergehenden Bescheid derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - infolge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen der Gremien eingeschränkten - sozialgerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe im Einzelfall erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl hierzu ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 mwN). Die Anforderungen an die Darlegungen dürfen allerdings nicht überspannt werden, zumal sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 23). Die Ausführungen in einem Regressbescheid müssen lediglich erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten eines Arztes bewertet worden ist und auf welchen Erwägungen die getroffene Kürzungsmaßnahme beruht (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41). Insbesondere ist es zur Erfüllung der den Prüfgremien obliegenden Begründungspflicht nicht erforderlich, ausdrücklich auf vom Arzt geltend gemachte Praxisbesonderheiten einzugehen, für deren Vorliegen sich im Prüfverfahren keine konkreten Anhaltspunkte ergeben haben und zu denen keine substantiierten Ausführungen erfolgt sind (BSG SozR 3-1300 § 16 Nr 1; vgl hierzu auch Engelhard in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB V, Stand: November 2013, § 106 Rn 579 mwN).
(bb) Nach diesen Maßgaben ist die (hier: im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X nachgeholte) Begründung im Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2008 dafür, nur den Verordnungsbedarf von drei der vom Kläger geltend gemachten 89 Patienten als Praxisbesonderheit anzuerkennen, nicht zu beanstanden. So lässt der Bescheid erkennen, dass sich der Beklagte mit der vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Patienten-liste besonders verordnungsträchtiger Behandlungsfälle befasst und einen (wenn auch nur geringen) Teil der dadurch entstandenen Verordnungskosten vollständig aus dem Verordnungsvolumen des Klägers herausgerechnet hat. Im Übrigen hat der Ausschuss den Vortrag des Klägers rechtsfehlerfrei als nicht ausreichend substantiiert angesehen und daher den Verordnungsbedarf der übrigen 86 Patienten nicht als weitere Praxisbesonderheit berücksichtigt. Zwar kann der Umstand, dass eine Praxis im Vergleich mit anderen Arztpraxen derselben Facharztgruppe einen signifikant höheren Anteil besonders behandlungsbedürftiger und damit uU auch verordnungsträchtiger Patienten aufweist, eine Praxisbesonderheit darstellen. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass den Prüfgremien - wie hier - eine entsprechende Patientenliste vorgelegt wird. Weil schwierige Behandlungsfälle regelmäßig in jeder Arztpraxis anzutreffen sind, muss der betroffene Arzt vielmehr den besonderen Zuschnitt seiner Patienten beschreiben und plausibel machen, dass seine Praxis signifikant vom insoweit sonst üblichen Arztgruppendurchschnitt abweicht (stRspr; vgl hierzu ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 27 und Nr 49; zuletzt bestätigt ua durch BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2; vgl auch die zusammenfassenden Ausführungen von Clemens in: jurisPK - SGB V, 2. Aufl, § 106 Rn 156/157 mwN). Der Kläger hat hierzu aber weder im verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren substantiiert vorgetragen; auch ansonsten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Praxis des Klägers einen besonderen Zuschnitt bei der Behandlung besonders verordnungsträchtiger Patienten aufweist. Insoweit ist eine gesonderte Begründung des Beklagten iS von § 35 SGB X, weshalb er nur den Verordnungsbedarf von drei (und nicht den der übrigen 86) Patienten als Praxisbesonderheit anerkennt, auch nicht erforderlich gewesen.
(cc) Dabei teilt der Senat nicht die Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg (vgl hierzu Urteil vom 6. Juni 2012 - L 7 KA 99/09 - juris), wonach die Prüfgremien im Klageverfahren (generell) nicht mehr damit gehört werden könnten, das Vorbringen des geprüften Arztes sei unsubstantiiert gewesen, wenn sie auf der Grundlage des Vortrags im Verwaltungsverfahren bereits in eine Sachprüfung über das Vorliegen bestimmter Praxisbesonderheiten (hier: hinsichtlich des besonderen Verordnungsbedarfs von drei Patienten) eingestiegen seien. Dies kann nur in dem Umfang gelten, in dem die Prüfgremien tatsächlich auch Praxisbesonderheiten zugunsten eines geprüften Arztes anerkannt haben. Denn nur in Hinblick auf diese eigenständige Zwischenfeststellung im Rahmen des mehrstufigen Verfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind die Gerichte angesichts des Beurteilungs- und Ermessensspielraums der Prüfgremien an deren Verwaltungsentscheidung gebunden. Eine Bindung an die rechtliche (Vor-)Bewertung der Prüfgremien, der Vortrag eines geprüften Arztes zu seinen Praxisbesonderheiten sei substantiiert, würde dagegen der sich aus Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) ergebenden Pflicht der Gerichte widersprechen, die Sach- und Rechtslage selbst umfassend und vollständig zu prüfen, ohne an Tatsachenfeststellungen oder Wertungen der Verwaltung gebunden zu sein (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), BVerfGE 101, 106, 123 [BVerfG 27.10.1999 - 1 BvR 385/90] mwN).
Vorliegend hat der Beklagte als Praxisbesonderheit aber nur den Verordnungsbedarf einiger weniger Patienten des Klägers anerkannt. Diese Zwischenfeststellung bezieht sich weder auf den Verordnungsbedarf der Patienten, die der Kläger im Verwaltungsverfahren darüber hinaus aufgelistet hat, noch darauf, dass der Patientenzuschnitt in der Arztpraxis des Klägers signifikant von dem üblichen Arztgruppendurchschnitt abweicht. Daher kann sich aus dem (Teil-)Anerkenntnis des Beklagten hinsichtlich der vom Kläger insgesamt geltend gemachten Praxisbesonderheiten auch keine gesonderte Begründungspflicht (bezogen auf die vom SG zu Unrecht geforderte Abgrenzung zwischen "normalen" und "schweren" Patienten) iS von § 35 SGB X ergeben, wenn - wie hier - der Vortrag des Arztes zu den Praxisbesonderheiten seiner Arztpraxis über den von den Prüfgremien hinaus anerkannten Umfang erkennbar unsubstantiiert ist.
(dd) Vor diesem Hintergrund hält der Senat allerdings an seiner in den einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu den Richtgrößenprüfungen in Niedersachsen der Jahre 2001 bis 2003 vertretenen (vorläufigen) Auffassung - wonach sich die Prüfgremien auch dann noch auf die fehlende Substantiierung im Vortrag eines Arztes zu den von ihm geltend gemachten Praxisbesonderheiten berufen können, wenn sie diese ganz oder teilweise anerkannt haben (vgl hierzu ua LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. November 2012 - L 3 KA 75/12 B ER -) - in der Hauptsache nicht mehr fest. Maßgeblich ist hierfür die Überlegung, dass es in erster Linie den Krankenkassen (KKen) obliegt, die wegen mangelnder Substantiierung uU beurteilungsfehlerhaft durch die Prüfgremien erfolgte Anerkennung von Praxisbesonderheiten durch Rechtsmittel anzufechten (vgl hierzu ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 27). Soweit die KKen hierauf verzichten, ist die Verwaltungsentscheidung der Prüfgremien zumindest insoweit als bestandskräftig anzusehen und kann dann nicht mehr Streitgegenstand eines sozialgerichtlichen Überprüfungsverfahrens sein, in dem sich nur der von einem Richtgrößenregress betroffene Arzt gegen die aus seiner Sicht unzutreffende Quantifizierung von dem Grunde nach durch die Prüfgremien anerkannten Praxisbesonderheiten wehrt.
b) Unabhängig davon ist der Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2008 aber auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des SG hat der Beklagte die Rügen und Einwendungen des Klägers - soweit sie hier im Berufungsverfahren noch maßgeblich sind (die aufgelisteten Pharmazentralnummern mit dem Eintrag "4E+08" etc seien mangelhaft, höhere Belastung durch Zuzahlungsbefreiungen von Patienten) - rechtsfehlerfrei berücksichtigt.
aa) Mit dem Beklagten geht der Senat davon aus, dass die aus Sicht des Klägers mangelhaft gelisteten Pharmazentralnummern iHv 5.502,64 DM (Anl 2 zum Schriftsatz vom 13. August 2008) auf einen Bedienungsfehler des Arztes beim Öffnen der ihm überlassenen (und auf einer CD gespeicherten) Arzneimitteldatei zurückzuführen sind. Dafür spricht, dass sich die zur Gerichtsakte gereichte CD auf einem Gerichts-PC ohne Probleme öffnen und die darauf befindliche Arzneimitteldatei fehlerfrei - also ohne Zusätze wie "4E+08" - auslesen ließ. Zudem ist in zahlreichen Parallelverfahren vor dem Senat von keinem der dort klagenden Ärzte ein vergleichbarer Fehler in den den Richtgrößenprüfungen zugrunde liegenden Arzneimitteldateien geltend gemacht worden.
bb) Schließlich muss der Beklagte auch nicht mehr ermitteln, ob der Kläger durch die von ihm im Verwaltungsverfahren geltend gemachte Anzahl zuzahlungsbefreiter Patienten besonders belastet sein könnte. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber eine nicht (mehr) versicherten- bzw arztbezogene, sondern pauschalierte Berücksichtigung der Zuzahlungsbeträge erst zum 1. Januar 2008 eingeführt hat (vgl hierzu die Regelung in § 106 Abs 5c S 1 Hs 2 SGB V). Damit hat er erreichen wollen, dass Zuzahlungsbefreiungen von Patienten und Unterschiede beim Abschluss von Rabattverträgen zwischen den Krankenkassen zukünftig keinen Einfluss mehr auf die Höhe eines Richtgrößenregresses haben (vgl hierzu den Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG), BT-Drs 16/3100, S 138). Eine Verpflichtung des Beklagten, schon für das Jahr 2001 und damit deutlich vor Einführung der Vorgabe pauschalierter Abzugsbeträge die möglicherweise besondere Belastung eines Arztes durch eine im Vergleich mit anderen Ärzten hohe Anzahl zuzahlungsbefreiter Patienten im Rahmen eines Richtgrößenregresses zu berücksichtigen, ist nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 3 und § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm den §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und bemisst sich anhand der vom Beklagten geltend gemachten Regressforderung.