Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 15.12.2016, Az.: 19 UF 134/16

Zulässigkeit der Befristung eines Unterhaltstitels zu Gunsten einer minderjährigen Kindes; Zulässigkeit eines Abänderungsverlangens

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.12.2016
Aktenzeichen
19 UF 134/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 38355
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Osterholz-Scharmbeck - 21.06.2016 - AZ: 2 F 205/16

Amtlicher Leitsatz

Nur dem anspruchsberechtigten minderjährigen Kind steht nach der gesetzlichen Regelung in § 1612a BGB das Wahlrecht zwischen einem dynamischen oder statischen Unterhaltstitel, der nicht auf die Zeit bis zu dessen Volljährigkeit zu befristen ist, zu.

Das minderjährige Kind kann die Abänderung einer gleichwohl befristeten Jugendamtsurkunde nach den Grundsätzen des § 239 FamFG verlangen, auch wenn sich dadurch der Zahlbetrag nach der aktuellen Altersstufe nicht ändert.

Dem Abänderungsbegehren steht nicht entgegen, dass das Kind infolge seiner Schwerbehinderung und dadurch bedingten Erwerbsunfähigkeit mit Erreichen der Volljährigkeit voraussichtlich bedarfsdeckende Leistungen der Grundsicherung i.S.v. § 41 ff. SGB XII sowie Hilfen zu Pflege nach §§ 61 SGB XII wird beanspruchen können.

Tenor:

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osterholz-Scharmbeck vom 21. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Dem Antragsteller wird ratenlose Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., ..., zur Verteidigung gegen die Beschwerde des Antragsgegners bewilligt.

Gründe

I.

Der am ... 2007 geborene Antragsteller ist aus der - rechtskräftig geschiedenen - Ehe seiner Mutter mit dem Antragsgegner hervorgegangen. Der Antragsteller ist schwerbehindert und in allen Bezügen pflegebedürftig.

Die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Am ... Dezember 2015 hat der Antragsgegner bei dem Jugendamt des Landkreises ... eine Urkunde (Urk.Reg.-Nr. ...) errichten lassen und sich darin zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 110 % des Mindestunterhalts verpflichtet. Diese Verpflichtung hat der Antragsgegner in der Urkunde auf die Zeit bis zum Tag vor dem 18. Geburtstag des Antragsgegners, den ... 2025, befristen lassen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller, der die Höhe des anerkannten Unterhalts nicht in Zweifel zieht, die Abänderung der Jugendamtsurkunde dahingehend, dass die Unterhaltspflicht des Antragsgegners ohne Befristung tituliert wird. Der Antragsgegner hat sich demgegenüber darauf berufen, dass der Antragsteller mit seiner Volljährigkeit infolge seiner Schwerbehinderung und seiner (unstreitigen) Erwerbsunfähigkeit Anspruch auf Grundsicherungsleistungen habe, die neben dem Kindergeld auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen seien.

Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss die Jugendamtsurkunde antragsgemäß dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner "ab dem 3. Mai 2016 an den Antragsteller Unterhalt in Höhe von 110 % des jeweiligen Mindestunterhalts nach den Altersstufen abzüglich des hälftigen gesetzlichen Kindergeldes für ein Kind zu leisten" hat. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf einen dynamisierten und nicht auf die Zeit bis zur Volljährigkeit befristeten Unterhaltstitel.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, dass der vom Antragsteller begehrte Kindesunterhalt tituliert sei, sodass es sich in der Sache nicht um eine Abänderung, sondern um einen Leistungsantrag für die Zeit ab dem 18. Lebensjahr, d.h. ab dem ... 2025, handelt. Darüber hinaus fehle es wegen des weit in der Zukunft liegenden Zeitraums am Rechtsschutzbedürfnis. Die für ein unbefristetes Anerkenntnis in der Rechtsprechung angeführte Begründung, dass mit der Volljährigkeit bei fortgesetzter Schul- oder Berufsausbildung keine wesentliche Veränderung der Bedürftigkeit eintrete, könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, zumal er den geschuldeten Unterhalt ohne gerichtliche Auseinandersetzung stets pünktlich und regelmäßig gezahlt habe. Vielmehr ändere sich im vorliegenden Ausnahmefall der Unterhaltsanspruch ab Volljährigkeit wegen der dann geltenden Berechnungsmodalitäten grundlegend.

II.

Der zulässigen, insbes. form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde bleibt in der Sache der Erfolg versagt.

Der Antragsteller hat Anspruch auf die Titulierung des ihm zustehenden Kindesunterhalts in einem dynamischen und nicht befristeten Unterhaltstitel.

1. Der Antragsteller ist unstreitig gemäß § 1601 BGB unterhaltsberechtigt. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs, die sich gemäß § 1610 BGB nach dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils bemisst, steht mit 110 % des Mindestunterhalts zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit.

2. Aus § 1612a Abs. 1 Satz 1 BGB folgt, dass das minderjährige Kind den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen kann. Neben der dadurch eröffneten Möglichkeit, einen dynamischen - weil am Mindestunterhalt sowie an den Altersgruppen des § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB orientierten - Unterhalt geltend zu machen, kann das unterhaltsberechtigte Kind seinen Anspruch auch auf einen konkret bemessenen und damit statischen Betrag ausrichten. Nach der gesetzlichen Regelung steht allein dem anspruchsberechtigten Kind das Wahlrecht zwischen einem dynamischen oder statischen Unterhaltstitel zu (vgl. Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1612a Rn. 15; Palandt/Brudermüller, BGB, 75. Aufl., § 1612a Rn. 3 ff.; Eschenbruch/Schümann/Menne/Schmidt/Kohne, Der Unterhaltsprozess, 6. Aufl., Kap. 2 Rn. 207; FA-FamR/Müting, 5. Aufl., § 1612a Rn. 20; Wendl/Dose/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 9 Rn. 358).

Allein über einen dynamischen Unterhaltstitel nimmt das Kind an der Weiterentwicklung des am Existenzminimum orientierten Kindesunterhalts unmittelbar teil, ohne seine weitergehenden Rechte gesondert geltend machen zu müssen. Auf dieses Wahlrecht kann der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht mittelbar dadurch Einfluss nehmen, dass dieser einen statischen Festbetrag anerkennt. Denn für diesen Fall ist allgemein anerkannt, dass ein Abänderungsbegehren des Kindes allein darauf gerichtet werden kann, dass der in der vollstreckbaren Urkunde anerkannte Unterhalt nach einem Prozentsatz des Mindestunterhalts dynamisiert wird, auch wenn sich dadurch der Zahlbetrag nach der aktuellen Altersstufe nicht ändert (vgl. OLG Dresden FamRZ 2011, 1407; Wendl/Dose/Schmitz, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 10 Rn. 275).

3. Vor diesem Hintergrund kann das minderjährige Kind den unterhaltspflichtigen Elternteil zur Erstellung einer vollstreckbaren Urkunde über einen dynamisierten Unterhaltstitel auffordern. Da dem Verwandtenunterhalt - anders als bei Ehegatten durch die Unterscheidung zwischen Trennungs- und nachehelichen Unterhalt - eine Differenzierung zwischen dem Unterhalt für minderjährige und volljährige Kinder dem Grunde nach fremd ist, ist der Anspruch des Kindes auch auf einen unbefristeten Unterhaltstitel gerichtet (vgl. OLG Hamm FamRZ 2011, 1407 [LS] = FamRB 2011, 344; FA-FamR/Müting, a.a.O., § 1612a Rn. 22).

Einer Begrenzung bis zur Volljährigkeit steht die Einheitlichkeit des Unterhaltsrechtsverhältnisses zwischen dem Elternteil und dem Kind entgegen. Auch wenn mit der Volljährigkeit eines Kindes zahlreiche Besonderheiten für den Unterhaltsanspruch einhergehen, besteht zwischen dem Unterhalt des minderjährigen und des volljährigen Kindes Anspruchsidentität (vgl. BGH FamRZ 2006, 99, 100; 1983, 582; Eschenbruch/Schürmann/Menne/Schwonberg, a.a.O., Kap. 2 Rn. 682). Dies tritt u.a. bei einem durch Mahnung oder Auskunftsverlangen zur Zeit der Minderjährigkeit begründeten Verzug zutage. Der Unterhaltsanspruch gründet in § 1601 BGB auf der Verwandtschaft. Da eine Altersgrenze gesetzlich nicht normiert ist, führt die Vollendung des 18. Lebensjahres zu keiner Änderung des Unterhaltsrechtsverhältnisses. Aus diesem Grund ist auch in einer gerichtlichen Entscheidung der dynamisierte oder statische Kindesunterhalt nicht auf die Zeit bis zur Volljährigkeit zu begrenzen (vgl. OLG Hamm FamRZ 2012, 993; OLG Saarbrücken FamRZ 2007, 1829; Wendl/Dose/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 360 a.E. bezeichnet eine andere Tenorierung "angesichts der Rechtslage (als) fehlerhaft").

Die Begrenzung eines Unterhaltstitels auf die Zeit der Minderjährigkeit des Kindes folgt auch nicht aus § 1612a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BGB, soweit dort der Mindestunterhalt in der dritten Altersstufe ab dem 13. Lebensjahr geregelt ist. Dass diese dritte Altersstufe die Zeit bis zum Erreichen der Volljährigkeit erfasst, hat für die Frage, ob ein Unterhaltstitel über die Minderjährigkeit hinaus Wirkung entfaltet, keine Bedeutung. Auch kann hieraus nicht im Umkehrschluss auf einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, wie aus § 244 FamFG folgt. Es entspricht auch nicht den Erfahrungen des Senats, dass nach Auffassung des Antragsgegners im Schriftsatz vom 29. November 2016 eine "durchaus gängige Praxis" bestehe, Kindesunterhaltstitel auf die Zeit bis zur Volljährigkeit zu beschränken. Soweit Graba (NZFam 2014, 6, 9) allgemein für die Befristung von Unterhaltstiteln sowohl im Ehegatten- wie im Verwandtenunterhalt unter Hinweis darauf plädiert, dass ein unbefristeter Vollstreckungstitel über das Ziel hinausschieße, weil dem Unterhaltsberechtigten eine lebenslange Vollstreckungsmöglichkeit in die Hand gegeben werde, verkennt er die dargestellte Gesetzessystematik und daraus folgende Risikoverteilung zwischen dem unterhaltsberechtigten minderjährigen Kind und dem barunterhaltspflichtigen Elternteil für ein evtl. mit Volljährigkeit erforderliches Abänderungsverfahren (§ 239 FamFG).

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners geht es nicht darum, dass der Antragsteller Unterhalt von 110 % des Mindestunterhalts über seine Volljährigkeit hinaus beantragen müsste. Vielmehr besteht ein während der Minderjährigkeit errichteter, nicht befristeter Unterhaltstitel in Höhe des zuletzt geschuldeten Betrages darüber hinaus fort, bis in einem Abänderungsverfahren über die Höhe des Unterhaltsanspruchs erneut entschieden wird.

Auch der vollstreckungsrechtlichen Regelung in § 244 FamFG liegt die Einheitlichkeit des Unterhaltsanspruchs zugrunde. Danach kann dem Kind nicht entgegen gehalten werden, dass die Minderjährigkeit nicht mehr besteht, wenn der Unterhalt nach Maßgabe des § 1612a BGB tituliert wurde und Zahlungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres zu gewähren sind. Gerade diese Vorschrift macht deutlich, dass die Volljährigkeit auf den errichteten dynamischen Unterhaltstitel keinen Einfluss hat (vgl. OLG München FamRZ 2015, 1815; Schulte-Bunert/Weinreich/Klein, a.a.O., § 244 Rn. 2; Keidel/Giers, FamFG, 18. Aufl., § 244 Rn. 4). Der Bundesgerichtshof (FamRZ 2005, 2066, 2067) hat unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung hervorgehoben, dass das minderjährige Kind - im Gegensatz zu dem den früheren Regelunterhalt nach § 1615l BGB a.F. festsetzenden und bis zur Volljährigkeit befristeten Beschluss - mit der Einführung des § 1612a BGB in die Lage versetzt wird, den Unterhalt über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus geltend zu machen und einen unbefristet tenorierten Titel erlangen zu können. Ob die vollstreckungsrechtliche Vorschrift des § 244 FamFG auch auf einen nicht dynamisierten Unterhaltstitel anwendbar ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 2006, 48; FA-Komm/Müting, a.a.O., § 1612a Rn. 22; a.A. Prütting/Helms/Bömelburg, FamFG, 3. Aufl., § 244 Rn. 5), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

4. Vor diesem Hintergrund greifen die mit der Beschwerdebegründung angeführten Aspekte nicht durch.

a) Das Amtsgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass im vorliegenden Verfahren keine doppelte Titulierung des Anspruchs erfolgt, sondern die bestehende Urkunde abgeändert wird. Auch die fortdauernde Wirkung einer einseitig errichteten und befristeten Unterhaltsurkunde ist im Abänderungsverfahren geltend zu machen und stellt kein (erstmaliges) Leistungsbegehren für den bisher nicht erfassten Unterhaltszeitraum dar. Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers entfällt vorliegend nicht deswegen, weil der Antragsgegner bisher den Unterhalt pünktlich und regelmäßig ohne gerichtliche Auseinandersetzung gezahlt hat. Ebenso wenig kann dem jetzt ...-jährigen Antragsteller ein Interesse an der Titulierung des unbefristeten Unterhaltstitels ab seiner Volljährigkeit abgesprochen werden, wie der Antragsgegner im Schriftsatz vom 29. November 2016 meint.

b) Auch die schwere Behinderung des Antragstellers rechtfertigt keine Befristung des Anspruchs bis zum 20. Dezember 2025, wie das Amtsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat. Welche Ansprüche dem jetzt ...-jährigen Antragsteller ab seiner Volljährigkeit über das Kindergeld hinaus zustehen werden, lässt sich nicht vorhersehen. Dieses Prognoserisiko trägt nach der gesetzlichen Regelung der barunterhaltspflichtige Elternteil, weil primär der Lebensbedarf des Kindes sicherzustellen ist.

c) Bereits im Hinblick auf diese tatsächlichen Unsicherheiten ist auch keine Entscheidung dazu erforderlich, ob und in welchem Umfang der Lebensbedarf des Antragstellers mit seiner Volljährigkeit durch andere Leistungen gesichert sein wird.

Voraussichtlich wird der Antragsteller aufgrund seiner Schwerbehinderung Leistungen der Grundsicherung i.S.v. § 41 ff. SGB XII sowie Hilfen zu Pflege nach §§ 61 SGB XII beanspruchen können.

Infolge der Heranziehungsgrenze des § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB XII von Einkünften über 100.000 €, auf die der Antragsgegner bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 29. März 2016 hingewiesen hat, sind Grundsicherungsleistungen nicht subsidiär und wirken daher bedarfsdeckend (Palandt/Brudermüller, BGB, 75. Aufl., § 1361 Rn. 24k; FA-FamR/Diehl, 10. Aufl., 14. Kap. Rn. 148). Allerdings werden im Rahmen der Bewilligungsentscheidung tatsächlich erfolgte Unterhaltsleistungen als Einkommen des erwerbsunfähigen Kindes unabhängig davon behandelt, ob diese freiwillig erfolgt sind oder aufgrund eines Unterhaltstitels erbracht werden (vgl. BGH FamRZ 2007, 1158). Wird eine bisher nicht titulierte Unterhaltszahlung eingestellt, können Einkünfte bei der Bewilligung nicht mehr berücksichtigt werden.

Im Hinblick auf die vorgenannte Heranziehungsgrenze ist es nicht gerechtfertigt, eine titulierte Unterhaltsverpflichtung anders zu behandeln als die Einstellung bisher freiwillig erbrachter Unterhaltszahlungen. Denn auch bei einem bestehenden Unterhaltstitel muss der durch die Einkommensgrenze des § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB XII gezogene Schutz für die unterhaltspflichtigen Eltern oder Kinder Wirkung entfalten können (vgl. Scholz FamRZ 2007, 1160 f.; Eschenbruch/Schürmann/Menne/Schwonberg, a.a.O., Kap. 2 Rn. 982). Besteht zum Zeitpunkt der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung ein titulierter Unterhaltsanspruch des Kindes, können die Eltern ihr Kind gleichwohl auf die Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen verweisen, den titulierten Unterhalt unter Vorbehalt oder als Darlehen gewähren und zugleich ein Abänderungsverfahren einleiten (so Scholz Anm. FamRZ 2007, 1160 f.; hierzu auch BGH FamRZ 2007, 1158, 1159). In diesem kann der unterhaltspflichtige Antragsgegner im Hinblick auf die bedarfsdeckenden Leistungen einerseits sowie die geänderten Berechnungsmodalitäten andererseits die Einstellung einer etwaig vom Antragsteller eingeleiteten Zwangsvollstreckung beantragen, die im Hinblick auf diese Rechtslage auch geboten erscheint.

Schließlich übersieht der Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung, dass auch die Höhe des Unterhaltsbedarfs des Antragstellers nicht ansatzweise abzusehen ist. Der Antragsgegner und die Mutter des Antragstellers werden ab Volljährigkeit für den Bedarf ihres Sohnes aufzukommen haben, soweit dieser nicht durch dessen Einkommen gedeckt ist. Der Bedarf eines behinderten Kindes bestimmt sich indes nicht nach den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle aus den gemeinsamen Einkünften seiner Eltern, sondern erfolgt einzelfallbezogen nach den individuellen Bedürfnissen und dadurch entstehenden Kosten (vgl. Wendl/Dose/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 534; Eschenbruch/Schürmann/Menne/Schwonberg, a.a.O., Kap. 2 Rn. 827 ff.). Ob dieser aus Elementar- und Mehrbedarf bestehende Anspruch, der gegenwärtig nicht zu beziffern ist, bei Volljährigkeit durch vorrangige bzw. nicht subsidiäre Sozialleistungen gedeckt wird, ist ebenso wenig vorhersehbar. Neben die Leistungen der Grundsicherung können dann Ansprüche auf Hilfe zur Pflege gemäß § 61 ff. SGB XII treten, die den zusätzlichen Bedarf im Fall einer stationären Unterbringung oder der häuslichen Pflege erfassen (vgl. Schürmann, Sozialrecht für die familienrechtliche Praxis, Rn. 1094 ff.) Der Unterhaltsregress wird insoweit - nach bisheriger Rechtslage - durch § 94 Abs. 2 SGB XII gegenüber Eltern behinderter Kinder bei Hilfen zur Pflege auf 26 € sowie bei Hilfen zum Lebensunterhalt auf 20 € begrenzt (zur Entwicklung dieser Beträge Schürmann, a.a.O., Rn. 1247; ab Januar 2016: 32,08 € sowie 24,68 €). Danach kann bei der Prognose - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - nicht davon ausgegangen werden, dass der Bedarf des Antragstellers mit einem Festbetrag von derzeit 735 € zu bemessen ist, auf den das volle Kindergeld sowie weitere Sozialleistungen anzurechnen sein werden.

Schließlich kann auf Seiten des Antragsgegners das ihm für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende Einkommen für die Zeit ab Volljährigkeit nicht ansatzweise prognostiziert werden.

Vor diesem Hintergrund findet die vom Antragsgegner mit der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung, dass "nach seiner konkret anhand der tatsächlichen unbestrittenen Verhältnisse betreffenden Prognose klar ist, dass er ab der Volljährigkeit keinen Unterhalt mehr schuldet," im geltenden Recht keine Grundlage.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO. Den Verfahrenswert hat der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 27. Oktober 2016 auf bis zu 5.000 € festgesetzt.

IV.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners besteht für den vorliegenden Ausnahmefall keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache oder zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 70 Abs. 1 und 2 FamFG). Hierfür bietet auch die vom Antragsgegner angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Haftung des Jugendamts (FamRZ 2014, 290) keine Grundlage.