Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.11.2012, Az.: 2 K 38/12
Streitwertberechnung i.R.d. Erreichens einer bindenden Feststellung eines negativen Gesamtbetrages der Einkünfte mit der Anfechtung des Einkommensteuerbescheides neben der Herabsetzung der Einkommensteuer auf Null für eine Verlustfeststellung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 21.11.2012
- Aktenzeichen
- 2 K 38/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 35319
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2012:1121.2K38.12.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 1 EStG
- § 11 EStG
- § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB
- § 266 Abs. 3 HGB
Fundstellen
- BB 2013, 560-561
- BBK 2013, 600
- EFG 2013, 595-598
- StuB 2013, 430
Amtlicher Leitsatz
Zur Streitwertberechnung, wenn mit der Anfechtung des Einkommensteuerbescheides neben der Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0 eine für eine Verlustfeststellung nach dem JStG 2010 bindende Feststellung eines negativen Gesamtbetrages der Einkünfte erreicht werden soll.
Tenor:
Der Streitwert für das Verfahren beträgt für die Zeit bis zur Teilerledigung des Rechtsstreits x+z € und für die Folgezeit .. €.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um die Bildung einer Rückstellung.
Die Kläger werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt gewerbliche Einkünfte als selbstständiger Versicherungsvertreter der H. AG. Ihm stehen insbesondere Provisionen für Neuabschlüsse sowie Provisionen für die Betreuung bereits bestehender Verträge zu.
Für die Provisionsabrechnung mit der H. AG sind nach den entsprechenden Vereinbarungen des Klägers mit dieser Versicherung die Allgemeinen Vertrags-Bestimmungen (AVB) für Repräsentanten der H. AG in der jeweils geltenden Fassung maßgeblich. Nach den im Streitjahr geltenden AVB erfolgt für vermittelte Versicherungsverträge nach einer Bewertungstafel eine Provisionserfassung als (Produktions-)Geldwert. Die Abrechnung der Geldwerte erfolgt monatlich, wobei sich die positiven Geldwerte aus Neuabschlüssen und Bestandbetreuungen um negative Geldwerte aus Storno vermindern und die H. AG in bestimmten Fällen berechtigt ist, die Geldwerte entsprechend der gezahlten Beiträge und der Stornohaftungszeit in Raten gutzuschreiben oder den Geldwert einem Rückstellungskonto zuzuführen.
Zur Stornohaftung heißt es in den Bedingungen, dass die Provision das Schicksal der Prämie teile und dem Versicherungsvertreter die Geldwerte vorschüssig in der Erwartung gut geschrieben würden, dass die zur Erfüllung der Stornohaftungszeit erforderlichen Prämien gezahlt würden. Geschehe dies nicht, würden die gutgeschriebenen Einheiten jeweils anteilig entsprechend der nicht gezahlten Beiträge zurückgerechnet. Die Stornohaftungszeiten betragen bei Lebensversicherungsverträgen 60 Monate, bei Unfall-, Sach-, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherungsverträgen grundsätzlich 2 Jahre, bei Kraftfahrzeug- und Krankenversicherungen grundsätzlich ein Jahr. Die Stornohaftung gilt auch für Betreuungs- und Superprovisionen sowie Leitungsvergütungen.
Des Weiteren ist ein sogenanntes Stornoreservekonto für mögliche Stornorückforderungen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Versicherungsvertreter und der H. AG geregelt. Die dort erfassten Beträge sind während des Vertragsverhältnisses nicht fällig und werden nicht verzinst. Der Kläger hat diesbezüglich einen Betrag von 60.000 € aus den von ihm in den ersten Jahren seiner Tätigkeit verdienten Provisionen als Stornoreserve nicht ausgezahlt bekommen.
Die in den Vorjahren geltende AVB wies weitgehend identische Regelungen unter gleicher Gliederung aus; allerdings betrug die Stornohaftungszeit für Lebensversicherungen nur 36 Monate.
Seit dem 1. Januar des Streitjahres ermittelt der Kläger seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich gemäß §§ 5 EStG, 141 AO.
Mit der Einkommensteuererklärung 2008 erklärte er ohne Beifügung eines Jahresabschlusses einen Jahresüberschuss von .. €. Die Kläger wurden mit dem angefochtenen Steuerbescheid erklärungsgemäß veranlagt.
Sie legten Einspruch gegen diesen Bescheid ein.
Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst im Hinblick auf das von den Klägern gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 vor dem erkennenden Senat geführte Klageverfahren 2 K 313/10. Mit Urteil vom 11. Mai 2011 wies der Senat die Klage ab, die darauf gerichtet war, die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich bereits ab dem 1. Januar 2007 nachträglich zuzulassen.
In der sodann am 11. August 2011 beim Beklagten (neu) eingereichten Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 2008 bildete der Kläger einen Passivposten für erhaltene Anzahlungen der H. AG in Höhe von 117.603,46 € und errechnete in der Übergangsgewinnermittlung von der Einnahme-Überschuss-Rechnung einen im Wesentlichen auf diesen Passivposten zurückzuführenden Übergangsverlust. Im Jahresabschluss auf den 31. Dezember 2008 erhöhte der Kläger diesen Passivposten auf 140.164,31 €. Den Jahresüberschuss des Streitjahres wies er wie in der Einkommensteuererklärung aus.
Ferner wies der Kläger sowohl in der Eröffnungsbilanz wie in dem Jahresabschluss des Streitjahres einen Aktivposten "Stornoreserve H. AG" als sonstigen Vermögensgegenstand in Höhe von 60.000 € und einen Passivposten "Rückstellungen - Vorschuss" beziehungsweise "Gewährleistung" in gleicher Höhe.
Mit Einspruchsbescheid vom 28. Februar 2012 wies der Beklagte den Einspruch zurück und erhöhte - nach vorherigem Verböserungshinweis - die Einkünfte des Klägers und die Einkommensteuer.
Er führte zur Begründung aus, dass der in der Eröffnungsbilanz gebildete Passivposten "erhaltene Anzahlungen" nicht anzuerkennen sei und ebenso wenig dessen Erhöhung um 22.560,85 €. Der Gewinn des Klägers aus seiner Versicherungsagentur betrage dementsprechend .. € (erklärter Jahresgewinn + Erhöhung des Passivpostens ./. verbleibender Übergangsverlust von 1.278 €). Der Kläger habe nach den maßgeblichen Vertragsvereinbarungen einen Anspruch auf Provision in Form von Geldwertgutschriften, wenn die vermittelten Anträge annahmefähig an die Hauptverwaltung weiter geleitet worden seien. Die Geldwerte würden in der Erwartung gut geschrieben, dass die zur Erfüllung der jeweiligen Stornohaftungszeit erforderlichen Beträge gezahlt werden. Mithin entstünden die Provisionsansprüche bereits in voller Höhe mit Weiterleitung der Anträge an die Hauptverwaltung und nicht erst ratierlich mit Zahlung der jeweiligen Prämien. Dem Risiko, dass ein Vertrag mangels Prämienzahlung storniert werde, sei bereits mit der Stornoreserve in Höhe von 60.000 € Rechnung getragen worden. Ein weitergehender Passivposten könne nicht gebildet werden.
Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren aus dem Einspruchsbescheid weiter und führen ergänzend aus, dass der Kläger auch eine Rückstellung für Gewährleistungen bzw. Stornohaftung in Höhe von 60.000 € bilden müsse, weil seine Stornohaftungszeit auch für andere Vergütungen gelte. Hierfür reichte wegen der Berechnungsmethode der schon um die Stornorückrechnungen gekürzten monatlichen Gutschriften an den Kläger die Passivierung der erhaltenen Provisionsvorschüsse als Anzahlungen nicht aus; diese betreffe nur das Neugeschäft. Der Betrag von 60.000 € betrage 13,68 % der vom Kläger in den letzten fünf Jahren vor dem Streitjahr erhaltenen verdienten und unverdienten Provisionen und sei angemessen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2008 in der Gestalt des Einspruchsbescheides dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb ./. 54.933 € betragen.
Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 15. November 2012 verpflichtet, die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb gegenüber dem Einspruchsbescheid um 80.164,31 € auf 4.953,69 € zu mindern und beantragt,
die weitergehende Klage abzuweisen.
Er ist nunmehr der Auffassung, dass in Höhe des Passivpostens "Stornoreserve" in Höhe von 60.000 € eine (weitergehende) Gewinnminderung nicht in Betracht komme. Das Stornoreservekonto diene der Versicherung als Absicherung ihrer Ansprüche aus möglichen Vertragsstornierungen. Falls alle vom Kläger vermittelten Verträge zum 31. Dezember 2008 storniert werden würden, hätte sie (Rückforderungs-)Ansprüche gegen den Kläger in Höhe von 140.164,31 €, die sie über das Stornoreservekonto in Höhe von 60.000 € abgesichert habe, falls das Vertragsverhältnis zwischen Kläger und Versicherung gekündigt werden solle. Mithin habe sie lediglich (weitere) Ansprüche gegen ihn in Höhe von 80.164,31 € beziehungsweise der Kläger habe lediglich das Risiko, in dieser Höhe noch in Anspruch genommen zu werden. Daher könne eine Passivierung nur in dieser Höhe erfolgen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet und den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt, nachdem sich der Beklagte zur Änderung des angefochtenen Steuerbescheides verpflichtet hat.
Entscheidungsgründe
I.
Nachdem sich der Beklagte verpflichtet hat, den angefochtenen Steuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung teilweise zu Gunsten der Kläger abzuändern und die Beteiligten insoweit den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, hat der Senat nur noch über die weitergehende Klage zu entscheiden.
Diese ist nicht begründet. Über die vom Beklagten zugesagte Änderung hinaus ist der angefochtene Einkommensteuerbescheid in der Fassung des Einspruchsbescheides im Ergebnis nicht zu beanstanden und verletzt insoweit die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
1. Die vom Kläger monatlich erhaltenen Zahlungen sind nur insoweit als steuerpflichtige Gewinne zu erfassen, als sie am Abschlussstichtag nach Maßgabe der gemäß § 5 Abs. 1 EStG auch steuerlich maßgeblichen Regelung des § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs. HGB bereits realisiert sind. Eine Realisierung ist dann gegeben, wenn der Kläger nach dem Vertragsverhältnis mit der H. AG einen praktisch nicht mehr entziehbaren Anspruch auf Provisionszahlung erlangt hat. Soweit beziehungsweise solange diese Zahlungen der H. AG nur als Vorschüsse auf künftige Provisionsansprüche anzusehen sind, mit deren Entstehung noch nicht sicher gerechnet werden kann, kommt eine Erfassung der Zahlungen als realisierten Gewinn noch nicht in Betracht. Solche Vorschüsse sind vielmehr als "erhaltene Anzahlungen" nach § 266 Abs. 3 Abschn. C.3 HGB zu passivieren (vgl. zu dieser Abgrenzung BFH-Urteil vom 17. März 2010, X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033ff.; BFH-Beschluss vom 13. Februar 2008, BFH/NV 2008, 947; n. rkr. Urteil des FG Münster vom 21. Dezember 2011, 9 K 3802/08, EFG 2012, 1286ff.; Hoffmann in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, Rn. 1082ff. zu §§ 4,5; Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 31. Aufl., Rz. 270, Stichwort Provisionen" zu § 5).
Aus den für das Vertragsverhältnis des Klägers mit der H. AG maßgeblichen AVB ergibt sich - wovon inzwischen auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - eindeutig, dass er für von ihm neu vermittelte Versicherungsverträge zunächst - sogar schon vor Zahlung der ersten Prämie durch den Versicherungsnehmer - einen bloßen Provisionsvorschuss in der Erwartung vollständiger Prämienzahlungen erhält, weil die Provision das Schicksal der Prämie teilt.
Sicher verdient hat er diese, als Produktionsgeldwerte bezeichneten, Vorschusszahlungen erst, wenn der Versicherungsnehmer in der sogenannten Stornohaftungszeit, die bis zu fünf Jahre beträgt, alle Prämien gezahlt hat. Soweit die Prämienzahlungen in dieser Zeit nicht vollständig erfolgen, geht dem Kläger nach der vorgenannten AVB-Regelung die bereits vorschüssig ausgezahlte Provision zeitanteilig (ratierlich) verloren. Dementsprechend hat der Kläger - der Höhe nach unstreitig - die von der H. AG erhaltenen Zahlungen pro rata temporis auf bereits sicher verdiente Provisionen und noch nicht verdiente Vorschüsse aufgeteilt.
Mithin sind weder die in der Übergangsgewinnermittlung angesetzte Abgrenzung für erhaltene Anzahlungen in Höhe von 117.603,46 € noch die Erhöhung des entsprechenden Passivpostens "erhaltene Anzahlungen" in der Schlussbilanz des Streitjahres um 22.560,85 € auf 140.164,31 € als steuerpflichtiger Gewinn des Streitjahres zu erfassen.
2. Dennoch ist im Ergebnis entsprechend der Verpflichtungserklärung des Beklagten nur von einer Minderung des Gewinns des Klägers gegenüber dem angefochtenen Bescheid um 80.164,31 € auszugehen und daher die weitergehende Klage abzuweisen.
Die vom Kläger in der Anfangsbilanz gebildete und in der Schlussbilanz fortgeführte Rückstellung für Gewährleistung beziehungsweise "Vorschuss" in Höhe von 60.000 € ist nicht anzuerkennen. In dieser Höhe ist daher der Gewinn gegenüber dem angefochtenen Bescheid, in dem diese Rückstellung berücksichtigt worden war, zu erhöhen.
a) Bei der vom Kläger gebildeten Rückstellung soll es sich offenbar um eine Verbindlichkeitsrückstellung handeln. Eine solche gewinnmindernde Rückstellung kann nach §§ 249 Abs. 1 HGB, 5 EStG nur für bis zum Abschlussstichtag betrieblich veranlasste, aber dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse (Außen-)Verbindlichkeiten gebildet werden. Des Weiteren muss bis zum Abschlussstichtag eine wirtschaftliche Belastung eingetreten sein (vgl. Weber-Grellet, a. a. O., Rz. 361; Konzikowski/Schubert in: Beck'scher Bilanzkommentar, 8. Aufl. 2012, § 249 HGB, Rz. 24/34; Görs in: Haufe Praxishandbuch der Buchführung und Bilanzierung, Ziff. 3/187 - Rückstellungen).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Soweit der Kläger darauf abstellt, dass die Stornohaftungszeit auch für andere Vergütungen als Abschlussprovisionen gelte, ist richtig, dass ihm nicht nur Abschlussprovisionen nach dem vorgenannten AVB-Regelungen vorschüssig ausgezahlt werden, sondern auch Bestands- oder Betreuungsprovisionen sowie Leitungsvergütungen und Superprovisionen, worunter Provisionsanteile aus Vermittlungsgeschäften von ihm unterstellten Untervermittlern zu verstehen sein dürften.
Hieraus folgt aber nicht, dass der Kläger für das Risiko, auch solche Vergütungen zurückzahlen zu müssen, eine Rückstellung bilden könnte. Auch diese Vergütungen sind wie die Abschlussprovisionen Teil der positiven Geldwerte, die ihm monatlich gewährt werden und - wie unter 1) ausgeführt - nur ratierlich über die Stornohaftungszeit als realisierte Gewinne anzusehen ist. Wie bei den Abschlussprovisionen ist der Kläger daher auch bei den anderen Vergütungen durch die Stornohaftung allein wirtschaftlich nicht belastet; ihm droht insoweit nur die Gefahr, die noch nicht verdienten und daher noch nicht als steuerpflichtigen Gewinn erfassten Vorschüsse zurückzahlen zu müssen.
Hieraus folgt auch, dass der passive Bilanzposten "erhaltene Anzahlungen" entgegen der Darstellung des Klägers nicht zu gering berechnet ist. Dieser Posten ist durch eine reine Aktiv-Passivmehrung (Buchungssatz Bank an erhaltene Anzahlungen) nur in der tatsächlichen Höhe zu bilden, in der dem Kläger Provisionsvorschüsse zugeflossen sind (vgl. Kozikowski/Schubert, a. a. O., Rz. 94 zu § 253; G. Krüger in: Haufe Praxishandbuch der Buchführung und Bilanzierung, Ziff. 3/13 - Anzahlungen). Zudem ist dieser Posten sodann nur in der Höhe gewinnwirksam ratierlich aufzulösen, in der der Kläger tatsächlich einen unentziehbaren Anspruch auf Provisionen erlangt hat.
Es mag sein, dass der Kläger durch die von der H. AG monatlich vorgenommenen Verrechnungen der neuen Provisionsvorschüsse mit den Rückforderungen nach Vertragskündigungen Schwierigkeiten hat, die Höhe der tatsächlich verdienten Provisionen sicher zu ermitteln, insbesondere bei Zahlungen für Bestands- und Superprovisionen oder Leitungsvergütungen. Das rechtfertigt aber nicht die Bildung einer - der Höhe nach mit dem krummen, nicht näher erläuterten, Wert von 13,83% der erhaltenen Auszahlungen der letzten fünf Jahre kaum nachvollziehbaren - zusätzlichen gewinnmindernden Verbindlichkeits-Rückstellung.
Vielmehr stünde dann die Richtigkeit der - unstreitigen - Berechnung der ratierlichen Gewinnrealisierungen durch den Kläger in Frage. Dieser Frage hat der Senat aber schon wegen der Teilerledigung des Rechtsstreits nicht weiter nachzugehen.
b) Die vom Kläger gebildete Rückstellung lässt sich auch nicht im Hinblick auf die gesonderte Regelung des Stornoreservekontos rechtfertigen.
Auch bei der - zeitlich noch ungewissen - Beendigung des (aktiven) Versicherungsvertretervertragsverhältnisses des Klägers mit der H. AG hat er im Hinblick auf die AVB erhaltene Provisionsvorschüsse noch nicht beziehungsweise nicht im vollen Umfang verdient. Wenn vom Kläger vor der Beendigung des Versicherungsvertretervertrages noch vermittelte Verträge während seiner bis zu fünfjährigen, über die Beendigung des Versicherungsvertretervertrages hinaus laufenden, Stornohaftungszeit storniert werden, kann die H. AG weiterhin ausgezahlte Vorschüsse von ihm zurückfordern. Ein ausgeschiedener Versicherungsvertreter wird insoweit nicht besser gestellt, als ein noch aktiv tätiger Vertreter. Diese Rückforderungsansprüche können aber dann - anders als gegenwärtig im laufenden Vertragsverhältnis - nicht mehr durch Verrechnung mit Ansprüchen auf Vorschüsse aus neu vermittelten Verträgen erfüllt werden. Der Kläger müsste vielmehr die ihm auf die auf die entsprechenden Vermittlungen bereits gezahlten Vorschüsse zurückzahlen.
aa) Diesem künftigen Risiko ist er, wie auch der Beklagte im Schriftsatz vom 8. November 2012 exemplarisch skizziert hat, beziehungsweise zur Vermeidung etwaiger Zahlungsschwierigkeiten des Klägers wirtschaftlich die H. AG, durch das gebildete Stornoreservekonto enthoben. Gebildet worden ist dieses Konto durch Abzüge von dem ihn in der Vergangenheit (ersten Jahren des Versicherungsvertreterverhältnisses) zustehenden Vorschuss- und Provisionszahlungen.
Hieraus folgt, dass die vom Kläger diesbezüglich auf der Aktivseite der Anfangsbilanz gebildete Position "sonstiger Vermögensgegenstand" weitgehend zutreffend ist. Bei dem Stornoreservekonto handelt es sich jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtung um eine von ihm erbrachte Sicherheitsleistung. Durch Abzug von ihm per se zustehenden, eigentlich schon auszuzahlenden, Provisionszahlungen hat sich die H. AG für das künftige Risiko, vom Kläger nach Beendigung des Vertragsverhältnisses für Vorschussrückforderungen oder andere aus diesem Verhältnis gegen ihn bestehenden Ansprüche keine Zahlungen erhalten zu können, abgesichert (vgl. zur Funktionsweise eines solchen Stornoreservekontos OLG Düsseldorf, Urteil v. 19. Januar 1990, 16 U 97/89, BB 1990, 1086).
Diese Form der Absicherung ist vergleichbar mit der von einem Mieter für Ansprüche des Vermieters auf Schadensersatz für Schäden an der Mietsache oder vertragswidrig unterlassene Renovierungsarbeiten bei Beendigung des Mietverhältnisses zu stellenden Sicherheitsleistung (Kaution) oder der von einem Getränkehändler gegenüber dem Abfüller für die Sicherung des Anspruchs der Rückgabe von Leergut geleisteten Zahlungen. Zu einer solchen Sicherheitsleistung ist bilanzrechtlich anerkannt, dass sie als sonstiger Vermögensgegenstand (bei Zugehörigkeit zum Umlaufvermögen) oder bei Zugehörigkeit zum Aktivvermögen - was hier wegen der unbefristeten Laufzeit des Versicherungsvertretervertrages anzunehmen sein dürfte - als sonstige Ausleihung (§ 266 Abs. 2 Abschn. A III Nr. 6 HGB) zu aktiveren ist (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 2009, I R 36/07, BStBl. II 2010, 232; Ellrott/Roscher in: Beck'scher Bilanzkommentar, § 247 HGB, Rz. 124 a. E. und 825; s. a. Hoffmann in: Beck'scher Bilanzkommentar, § 247 HGB, Rz. 1499, Stichwort Kautionen; Schäfer in: Haufe Praxishandbuch der Buchführung und Bilanzierung, Ziff. 3/316 - Kautionen).
In der Bilanz des Versicherungsunternehmens sind dementsprechend die auf dem Stornoreservekonto erfassten Beträge spiegelbildlich als Fremdmittel (Dauerschulden) zu passivieren (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 24. Oktober 1985 II 168/83, EFG 1986, 397 und Urteil des FG München vom 9. November 2010, 6 K 2523/08, EFG 2011, 825; s. a. Hoffmann, a. a. O.).
bb) Dieser bilanzielle Aktivposten kann aber nicht durch einen korrespondierenden Passivposten einer Rückstellung für "Gewährleistung" oder "Vorschuss" neutralisiert werden.
Für eine Mietkaution ist - entsprechend der bereits dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur Bildung von Rückstellungen - anerkannt, dass insoweit eine Gewinnminderung erst bei tatsächlicher Inanspruchnahme beziehungsweise deren konkreter Gefahr zu berücksichtigen ist.
Für das Stornoreservekonto gilt nichts anders. Dass der hierauf erfasste Betrag weder fällig noch verzinslich ist, ist ohne Bedeutung. Für die Realisierung einer Forderung kommt es allein darauf an, ob die Forderung dem Kaufmann praktisch sicher zusteht (s. o.g. BFH-Urteile vom 6. Oktober 2009 und vom 17. März 2010). Das ist hier - wie bei anderen Sicherheitsleistungen - der Fall. Die Stornoreserve ist aus einbehaltenen Provisionen des Klägers gebildet worden und wird ihm nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der H. AG und Ablauf der (nachlaufenden) Stornohaftungszeiten ausgezahlt werden, soweit es in dieser Zeit - also zukünftig und nicht schon im Streitjahr oder zuvor - nicht zu Stornierungen von vom Kläger zuvor vermittelten Versicherungsverträgen kommt, bei denen er nach dem unter 1) dargestellten Abrechnungs- und Auszahlungssystem der H. AG seinen bereits vorschüssig ausgezahlten Provisionsanspruch noch nicht (vollständig) verdient hat.
An diesem Befund ändert auch die in dem vorgenannten BFH-Urteil vom 6. Oktober 2009 ausgesprochene Gewinnneutralität in der Bilanz eines Getränkehändlers nichts. Diese folgt nicht aus der Bildung eines den Aktivposten für die geleisteten Sicherheitszahlungen an den Abfüller neutralisierenden Passivpostens sondern aus dem Umstand, dass der Getränkehändler - regelmäßig in gleicher Höhe - als Verbindlichkeiten zu passivierende Zahlungen ("Pfandgelder") seiner Kunden erhält.
Mithin wird eine Gewinnminderung - sei es durch Wertberichtigung des gebildeten Aktivposten "Stornoreservekonto" oder Passiervierung einer Verbindlichkeit beziehungsweise Rückstellung für Rückforderungsansprüche - erst dann und nur insoweit in Betracht kommen, als der Kläger nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses mit der H. AG konkret damit rechnen muss, dass ihm der Betrag auf dem Stornoreservekonto (jedenfalls teilweise) durch Verrechnung mit Ansprüchen der H. AG nicht mehr ausgezahlt werden wird und er dennoch die bereits ausgezahlten Provisionsvorschüsse (ratierlich) als Gewinne versteuert oder sich die Verrechnung nicht auf die Rückforderung von Provisionsvorschüssen sondern auf andere Ansprüche der H. AG bezieht.
Erst und nur dann droht dem Kläger eine gewinnmindernd zu berücksichtigende Inanspruchnahme aus der (einbehaltenen) Sicherheitsleistung (vgl. auch hierzu v.g. BFH-Urteil vom 6. Oktober 2009). Im laufenden Vertragsverhältnis wird der auf dem Stornoreservekonto erfasste Betrag nicht geschmälert.
cc) Der Kläger hat den auf dem Stornoreservekonto erfassten Betrag auch im Streitjahr zu versteuern. Eine vorherige Besteuerung ist nicht erfolgt; der Kläger hat zuvor seinen Gewinn nach der Einnahme-Überschussrechnung erzielt, die auf dem Zuflussprinzip des § 11 EStG beruht. Da der auf dem Reservekonto erfasste Betrag durch Einbehalt von (Provisions-)Auszahlungszahlungsansprüchen gebildet worden ist, ist es zu einem Zufluss beim Kläger nicht gekommen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12. November 1997, XI R 30/97, BStBl. II 1998, 252). Dieser Betrag wäre bei fortbestehender Einnahme-Überschuss-Rechnung aber zum Zeitpunkt seiner Auszahlung zu versteuern gewesen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S. 1 FGO unter Berücksichtigung der kostenrechtlichen Auswirkungen der Teilerledigung des Rechtsstreits vor der heutigen Senatsentscheidung und des Umstandes, dass die Kläger bei vollem Obsiegen nicht nur eine Steuerfestsetzung auf 0 € erreicht hätten.
Durch die begehrte Feststellung eines Verlusts aus Gewerbebetrieb wäre der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger im Streitjahr negativ geworden, dem nach § 10d Abs. 4 S. 4 EStG n. F. inhaltliche Bindungswirkung für ein entsprechende Feststellungsverfahren zugekommen wäre. Die Kläger hätten so nach § 10d Abs. 1 EStG Anspruch auf einen Verlustrücktrag in das Vorjahr mit nicht unerheblicher Steuerminderung erlangt.
Eine anderweitige Kostenentscheidung zum Nachteil der Kläger nach § 137 FGO kam entgegen dem Antrag des Beklagten nicht in Betracht.
Zwar sind die für das Streitjahr maßgeblichen AVB erst im Klageverfahren vorgelegt worden. Die vor dem Streitjahr gültigen AVB, unter deren Auswertung die Einspruchsentscheidung ergangen ist, sind jedoch - mit Ausnahme der Länge der Stornohaftung bei Lebensversicherungsverträgen - in den maßgeblichen Ausführungen inhaltsgleich mit den neuen AVB. Mithin beruht die Entscheidung des Senats bzw. die Teilerledigung des Rechtsstreits nicht im Sinne des § 137 S. 1 FGO auf Tatsachen, die die Kläger hätten früher geltend machen können. Zudem hatten die Kläger auf die verlängerte Stornohaftungszeit schon im Vorverfahren hingewiesen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 151 Abs. 3 FGO, 708 Nr. 10 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 FGO) liegen nicht vor.