Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 27.05.2020, Az.: 6 A 383/15
Berufsunfähigkeitsrente
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 27.05.2020
- Aktenzeichen
- 6 A 383/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 24433
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2020:0527.6A383.15.00
[Tatbestand]
Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente.
Der am G. geborene Kläger war seit dem 23.06.1981 als Angestellter in einer öffentlichen Apotheke tätig. Seit dem 01.07.1984 ist er Mitglied der Beklagten. Am 16.09.1985 eröffnete der Kläger als selbstständiger Apotheker eine Apotheke in H. ("I. -Apotheke"), die er 2007 veräußerte.
Seit 1998 befindet sich der Kläger in orthopädischer Behandlung. In der fachärztlichen Bescheinigung vom 11.07.2007 führte Dr. J. K., Facharzt für Orthopädie aus, dass der Kläger aufgrund von degenerativen Veränderungen in der Wirbelsäule für schwerere körperliche Arbeiten und Belastungen nicht mehr einsetzbar sei, ohne dass die Gefahr weiterer Schädigungen bestehe.
Unter dem 26.06.2007 informierte der Kläger die Beklagte über sein "Beschäftigungsende" zum 30.06.2007. Mit Schreiben vom 29.09.2008 meldete der Kläger mit Wirkung zum 01.07.2008 eine Beschäftigung im Umfang von vier Stunden zweiwöchentlich als approbierter Mitarbeiter beziehungsweise Apotheker mit Berufserlaubnis bei einer Apotheke in L. an. Die Tätigkeit stellte er mit Ablauf des 31.10.2010 ein.
Mit Antrag vom 17.04.2009 beantragte der Kläger die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente. Er leide an einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Depression, an Schlafstörungen, chronischen Rücken- und Nackenschmerzen, starken Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Erschöpfung und Schmerzen. Es sei ihm nicht mehr möglich, den Apothekerberuf auszuüben. Er gebe daher seine gesamte pharmazeutische Tätigkeit auf. Im Folgenden reichte er diverse ärztliche Unterlagen ein.
Der von der Beklagten beauftragte Facharzt für Orthopädie Dr. M. kam in seinem Gutachten vom 25.06.2009 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger Gesundheitsstörungen festzustellen seien, die zu Einschränkungen der Leistungsfähigkeit auch im Beruf als Apotheker führten. Der Kläger leide seit mehr als zehn Jahren an Beschwerden der Stütz- und Bewegungsorgane (vornehmlich der Stammwirbelsäule), die sich nach einem Sturz im Jahre 2002 verschlimmert hätten, insbesondere im Bereich des hinteren Nackens. Aus orthopädischer Sicht resultierten aufgrund der strukturellen Veränderungen Einschränkungen für das Heben und Tragen ständig mittelschwerer und schwerer Lasten, für die Einnahme körperlicher Zwangshaltungen und belasteter Rumpf-Beuge-Haltungen, für ausschließlich stehende, gehende und sitzende Tätigkeiten sowie für Tätigkeiten unter Kälte- und Nässeexpositionen. Aufgrund der zeitweilig auftretenden Beschwerdehaftigkeit im Bereich der Kniegelenke sowie der Neigung zur Entwicklung schmerzhafter Archillessehnenreizungen resultiere prinzipiell eine Einschränkung für das Heben und Tragen ständig mittelschwerer und schwerer Lasten sowie für gehäufte Arbeiten im Knien oder Hocken, auf Leitern und Gerüsten und auf unebenen Böden. Ausgehend von einem chronisch-rezidivierenden Zervikalsyndrom (Beschwerden, die von der Halswirbelsäule - HWS - ausgehen) resultiere eine Einschränkung für das Heben und Tragen ständig mittelschwerer und schwerer Lasten sowie für gehäufte Tätigkeit in Armvorhalte- und gehäufte Überkopfarbeiten. Darüber hinausgehende Leistungseinschränkungen ließen sich jedoch nicht begründen. Aus orthopädischer Sicht seien die Einschränkungen nicht derartig ausgeprägt, dass eine völlige Aufhebung und somit Berufsunfähigkeit für den Beruf als Apotheker attestiert werden könne. Auch unter Berücksichtigung der Anforderungen der Arbeitswelt lasse sich ein umsetzbares positives Leistungsbild formulieren. Die bisher ausgeübte Tätigkeit als selbstständiger Apotheker könne aus orthopädischer Sicht halbtags ausgeübt werden. In anderen pharmazeutischen Berufsbereichen - zum Beispiel aufsichtsführend, administrativ oder auch beratend - könne ohne Schaden für die Gesundheit eine ganztägige Tätigkeit zugemutet werden.
Die von der Beklagten ebenfalls beauftragte Dr. N. O., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Forensische Psychiatrie, Fachärztin für Neurologie, diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 09.11.2009 eine Aufmerksamkeitsstörung, teilremittiert, mit im Vordergrund affektiv-depressiven Symptomen. Eine Berufsunfähigkeit als Apotheker läge beim Kläger aber nicht vor. Er sei aus psychiatrischer Sicht bei konsequenter psychopharmakologischer und eventuell ergänzender antidepressiver Behandlung in Kombination mit einer konsequenten regelmäßigen Psychotherapie in der Lage, als Apotheker zu arbeiten. Bei effektiv kombinierter Behandlung sei davon auszugehen, dass er als Apotheker arbeiten könne. Pharmazeutische Tätigkeiten könne er sowohl in der bisherigen Tätigkeit als auch in anderen pharmazeutischen Berufsbereichen ganztags verrichten.
Der Verwaltungsausschuss der Beklagten lehnte den Antrag des Klägers in seiner Sitzung am 30.11.2009 ab. Mit Bescheid vom 28.01.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sowohl im orthopädischen als auch im psychiatrischen Fachgutachten werde eine Berufsunfähigkeit verneint. Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage wies das Gericht mit Urteil vom 08.04.2011 (6 A 163/10) ab. Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 08.08.2012 (8 LA 102/11) zurück.
Mit Wirkung vom 01.05.2011 stellte das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie bei dem Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest. Die Entscheidung wurde auf die Funktionsbeeinträchtigungen seelisches Leiden, somatoforme Schmerzstörung, Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, degeneratives Wirbelsäulenleiden, Tinnitus und Bluthochdruck gestützt. Mit Wirkung vom 01.08.2014 wurde bei dem Kläger ein Grad der Behinderung von 60 festgestellt. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden eine Depression, chronische Schmerzstörung mit einem Einzel-GdB von 50 und ein degeneratives Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 30 angegeben.
Der Kläger befand sich vom 03.08.2011 bis zum 28.09.2011 in stationärer Behandlung in der P. Klinik, Universitäre Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Q.. Im Entlassungsbericht vom 27.09.2011 diagnostizierte Prof. Dr. R. eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode (F 33.2), eine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F 98.9), eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach psychischer Erkrankung (ICD 10 F 62.1) und einen arteriellen Hypertonus.
Mit Schreiben vom 26.06.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Neufeststellung der Berufsunfähigkeitsrente nach § 35 der Alterssicherungsordnung der Apothekerversorgung Niedersachsen (ASO). Er sei jedenfalls seit April 2011 berufsunfähig. Bei ihm sei die Verdachtsdiagnose einer chronisch behandlungsbedürftigen Depression gestellt worden. Nach dem Klinikaufenthalt habe sich die medikamentöse Therapie wegen seines Bluthochdrucks schwierig gestaltet. Nach der Feststellung eines Conn-Syndroms habe sein Blutdruck besser eingestellt werden können. In letzter Zeit habe sich die chronische Schmerzproblematik verschlechtert. Der Kläger verwies auf einen Bericht von S. K. vom 13.06.2012, die den Verdacht auf Morbus Forestier äußerte. Konzentrationsprobleme, die Gegenstand des Klageverfahrens gewesen seien, hielten auch unter der medikamentösen Behandlung weiter mit unverminderter Stärke an.
Mit Schreiben vom 29.10.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Korrektur von Leistungsentscheidungen nicht möglich sei. Das Schreiben des Klägers werde als neuer Antrag gewertet.
Die Beklagte holte in der Folgezeit ein unfallchirurgisches Gutachten vom 13.06.2013 bei Dr. T. und Dr. U. sowie ein psychiatrisches Gutachten vom 25.09.2013 bei Dr. V. ein. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass eine Berufsunfähigkeit beim Kläger nicht vorliege. Zwar seien schwere körperliche Arbeiten vom Kläger nicht mehr leistbar, insbesondere solche Tätigkeiten, die mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten oder mit Tätigkeiten in Zwangshaltungen oder vorbeugenden Haltungen verbunden seien. Allerdings könne er eine vollschichtige Tätigkeit als Apotheker mit Wechsel zwischen sitzen, gehen und stehen unter Einschluss von bis zu mittelschweren körperlichen Arbeiten durchführen, solange keine vorbeugende Haltung oder Zwangshaltung eingenommen würde. Aus neurologischer-psychiatrischer Sicht sei eine selbständige Tätigkeit als Apotheker nicht mehr möglich, der Kläger könne aber einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis nachgehen, bei der nur geringe Leistungseinschränkungen bestünden.
Unter dem 28.12.2012 erklärte der Kläger, an dem Antrag nach § 35 ASO festhalten zu wollen. Hilfsweise solle sein Antrag als neuer Erstantrag geprüft werden. Die neuen Befunde ließen gerade auch rückwirkend den Schluss zu, dass die Berufsunfähigkeit des Klägers bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten sei. Daran würden die gerichtlichen Entscheidungen nichts ändern. Es lägen neue Erkenntnisse vor, die von den Gerichten nicht berücksichtigt worden seien. So seien insbesondere weitere Diagnosen hinzugekommen: Tinnitus, Hyperaldosteronismus ohne Hypokaliämie, therapieresistenter Bluthochdruck, das metabolische Syndrom und ein Vitamin-D-Mangel. Mit Befundbericht bereits vom 07.07.2012 diagnostizierte Dr. W. Morbus Forestier (M 48.1). In der Zeit vom 27.12.2012 bis zum 06.03.2013 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der E. X.. Im Abschlussbericht vom 08.03.2013 wurde eine rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode (F 33.1), ein Aufmerksamkeitsdefizit (F 98.8), eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F 45.41) und verschiedene somatische Diagnosen festgestellt. Der Kläger wurde arbeitsunfähig entlassen. Am 03.07.2013 begab er sich in ambulante Behandlung. Im Entlassungsbericht vom 04.07.2013 diagnostizierte Dr. Y. beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1).
Am 27.01.2014 gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit, sich zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrages zu äußern. Hiervon machte der Kläger Gebrauch und legte diverse medizinische Unterlagen vor. Seit Mai 2013 befinde er sich in psychologischer Behandlung bei der Diplom Psychologin Z., die in ihrem Gutachten vom 16.09.2013 eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung des vorwiegend unaufmerksamen Typus (F 98.8) bei reaktiv ängstlich-depressiver Verstimmung auf im Kontext eines offensichtlich erheblichen Paarkonflikts bei chronischen Rückenschmerzen und erheblicher Schlafstörungen diagnostizierte. Wie dieses würden auch die Gutachten etwa des Psychologischen Instituts der Universität AA. vom 21.01.2014 und von Prof. Dr. AB. eine Berufstätigkeit ausschließen.
Die Beklagte hörte Dr. V. sowie Dr. T. und Dr. U. zu der vom Kläger vorgebrachten Kritik an. Diese nahmen am 04.09.2014 und 25.09.2014 Stellung.
Der Verwaltungsausschuss der Beklagten beriet am 13.10.2014 und 01.12.2014 über den Antrag des Klägers. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente nach wie vor nicht vorlägen.
Mit Bescheid vom 23.01.2015 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente ab. Sie werte den Antrag des Klägers als neuen Antrag und nicht als einen Fall des § 35 ASO. Der Kläger sei mit der Maßgabe einverstanden gewesen, dass in dem einzuholenden Gutachten auch die Frage geklärt werde, seit wann die Berufsunfähigkeit vorliege, insbesondere ob diese bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung bestanden habe. Die daraufhin eingeholten Gutachten hätten die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente des Klägers verneint. Die vom Kläger vorgelegten Gutachten seien nicht geeignet, die von ihr eingeholten Gutachten substantiiert zu entkräften. Sowohl Dr. V. und Prof. Dr. AB. als auch Dr. O. hätten beim Kläger ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom festgestellt. Lediglich in der sozialmedizinischen Prognose und in der Bewertung der Schwere der Depressionen gingen die Gutachten auseinander.
Hiergegen hat der Kläger am 24.02.2015 Klage erhoben.
Unter dem 29.03.2016 hat das Gericht den Beteiligten die Gelegenheit gegeben, sich zu einer Begutachtung durch das Gutachterinstitut AC. (AD.) in AE. zu äußern. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat unter dem 08.04.2016 und die Beklagte am 20.04.2016 mitgeteilt, dass Eiverständnis mit der Beauftragung des AD. bestehe. Mit Beschluss vom 26.04.2016 hat das Gericht Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des AD. zu der Frage erhoben worden, welche Krankheiten der Kläger gegenwärtig hat und ob diese dazu führen, dass er infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Apothekerberufs unfähig ist. Darüber hinaus ist Beweis zu der Frage erhoben worden, welche Krankheiten der Kläger nach Aktenlage am 01.06.2012 hatte und ob diese zu diesem Zeitpunkt dazu führten, dass er infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Apothekerberufs unfähig war.
Den Antrag des Klägers,
den Beweisbeschluss dahingehend verändern, ebenfalls zu der Frage Stellung zu nehmen,
welche Krankheiten der Kläger nach Aktenlage am 01.04.2009 hatte, hat das Gericht am 06.06.2016 durch die Berichterstatterin abgelehnt. Anlass für eine Abänderung des Beweisbeschlusses werde nicht gesehen, weil über den früheren Zeitraum bereits rechtskräftig entschieden worden sei.
Im psychiatrisch-nervenärztlichen Gutachten vom 05.09.2016 haben die Sachverständige zusammenfassend im Wesentlichen ausgeführt, dass beim Kläger seit Ende der neunziger Jahre eine Dysthymia (F 34.1) vorliege. Bei der Dysthymia handele es sich um eine chronische depressive Verstimmung, die nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden gegenwärtig nicht die Kriterien für eine leichte oder mittelgradige rezidivierende depressive Störung erfülle. Die Beschwerden des Klägers seien aber nicht geeignet, eine Berufsunfähigkeit zu begründen. Ihm sei es möglich, als angestellter Apotheker tätig zu sein. Die bei der Dysthymia vorherrschende Antriebs- und Lustlosigkeit im Alltag sei bei zumutbarer Willensanstrengung überwindbar. Im Bereich der Aufmerksamkeitsleistungen hätten sich zwar Beeinträchtigungen gezeigt, das Ausmaß der kognitiven Funktionsbeeinträchtigungen sei aber als diskret zu beurteilen, alltags- oder berufsrelevante Beeinträchtigung seien daraus nicht abzuleiten. Zu den hierauf erfolgten Einwendungen des Klägers haben die Sachverständigen am 05.04.1017, am 09.11.2017 und am 15.01.2018 ergänzend Stellung genommen.
Den Antrag des Klägers vom 15.05.2017 auf Ablehnung des AD. und von Prof. Dr. AF. und Dr. AG. wegen der Besorgnis der Befangenheit hat die Kammer mit Beschluss vom 13.07.2018 zurückgewiesen. Die hiergegen vom Kläger erhobene Beschwerde hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 03.12.2018 (8 OB 69/18) zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:
Mit seinem Antrag vom 26.06.2012 habe er einen Antrag nach § 35 ASO gestellt, an dem er festhalte. Eine nachträgliche Korrektur von Leistungsentscheidungen sei danach möglich. Dem Wortlaut und auch dem "Telos" sei nicht zu entnehmen, dass eine Überprüfung nur dann möglich sei, wenn der ursprüngliche Bescheid keiner verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterzogen worden sei. Er habe mit der Beklagten lediglich darin übereingestimmt, dass ein Gutachten zu der Frage einzuholen sei, ob und ab wann eine Berufsunfähigkeit bei ihm vorgelegen habe. Eine Entscheidung über § 35 habe solange zurückstehen sollen. Dass § 35 ASO inzwischen gestrichen worden sei, ändere nichts. Es bestünden Zweifel, ob die Streichung, ohne Übergangsregelung und ohne einen Ausgleich, mit der Eigentumsgarantie vereinbar sei. Mit der Streichung gehe ein Totalverlust von Rentenansprüchen einher.
Das Urteil des Gerichts vom 08.04.2011 (6 A 163/10) stehe einer Entscheidung nicht im Weg. Das Gericht habe allein über den Antrag vom 20.04.2009 entschieden. Die vorliegende Klage weise einen abweichenden Streitgegenstand auf, weil nunmehr über den Antrag vom 26.06.2012 mit Blick auf § 35 ASO zu entscheiden sei. Die Voraussetzungen von § 35 ASO lägen vor, weil in der Zwischenzeit medizinische Unterlagen vorliegen würden, die eine Berufsunfähigkeit schon zu dem Zeitpunkt belegten, die vom Ursprungsbescheid der Beklagten erfasst werde. Nach dem Urteil des Gerichts vom 08.04.2011 habe sich eine wesentliche Änderung der Befundverhältnisse ergeben. Schon ab Antragstellung habe ein ganzes Bündel schwerer Erkrankungen vorgelegen, die einer erfolgreichen Behandlung nur sehr eingeschränkt zugänglich gewesen seien. Trotz intensiver Therapien gebe es keine Besserung. Der Kläger verweist auf die von ihm vorgelegten ärztlichen Gutachten, insbesondere auf das sozialmedizinische Gutachten von Dr. AH. vom 31.01.2017.
Eine satzungsgemäße Berufsunfähigkeit liege auch dann vor, wenn theoretisch ein Leistungsvermögen bestehe, dass eine unbedeutende Resterwerbstätigkeit zulasse. In den Erläuterungen der Beklagten zu § 17 ASO stehe, dass eine lediglich unbedeutende Resterwerbsfähigkeit unbeachtlich sei. Dass er nach der ersten Antragstellung noch in einem zeitlich sehr geringen Umfang von acht Stunden im Monat als Apotheker tätig gewesen sei, stehe der Leistungsgewährung ab Rentenantragstellung nicht entgegen. Insoweit liege bestenfalls eine unbedeutende Resterwerbsfähigkeit vor. Hinzu komme, dass er sogar diese Resterwerbstätigkeit habe einstellen müssen, weil er den Herausforderungen auch einer solch geringen Tätigkeit nicht mehr gewachsen gewesen sei.
Bei ihm seien folgende Erkrankungen diagnostiziert worden: Chronische Depression mit mittelschwerem bis schwerem Verlauf, ADHS unaufmerksamer Typ, posttraumatische Belastungsstörung mit atypischem Verlauf, chronisches Schmerzsyndrom, Arthrose HWS und BWS, Zustand nach Morbus Scheuermann, Morbus Forestier, Tinnitus, Bluthochdruck, Conn Syndrom, Diabetes Typ 2 und Niereninsuffizienz. Zusätzlich bestehe bei ihm eine Patelladysplasie, eine retropateralle Schädigung des Kniegelenkknorpels dritten Grades, ein Horizontalriss des Innenmeniskushinterhorns und ein Riss der Quadrizepssehne, die zu starken Schmerzen führten. Der Kläger macht zu seinen Erkrankungen vertiefte Ausführungen und verweist auf die von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen sowie auf das Gutachten von Dr. AH..
Wegen Bluthochdrucks sei er seit 2002 in Behandlung. Da die medikamentöse Therapie zunächst unzureichend gewesen sei, sei es zu einer Kontraindikation für Ritalin gekommen, sodass die Therapie habe abgebrochen werden müssen. Außerdem habe die unzureichende Behandlung zu einer chronischen Niereninsuffizienz (Stadium 2-3) und einem Fundus hypertonicus 1° am Auge geführt. 2012 sei ein sogenanntes Conn-Syndrom bei ihm festgestellt worden. Wegen des zusätzlichen Stresses sei es zu weiteren Blutdruckerhöhungen gekommen. Viele Dinge seien unerledigt geblieben. Damit sei eine zunehmende psychische Belastung einhergegangen, die immer stärker werdende Rückenschmerzen und Schlafstörungen ausgelöst habe. Die Versagungsängste hätten bei ihm zugenommen, was seine Depression verstärkt habe. Seine Überforderung habe letztlich zur Schließung seiner Apotheke geführt. Die dadurch erhoffte Entlastung sei aber nicht eingetreten, weil durch private Umstände neue Belastungen hinzugekommen seien, wobei er nicht mehr die Möglichkeit gehabt habe, diese durch seine Arbeit zu kompensieren. Der Versuch, als angestellter Apotheker zu arbeiten, sei misslungen. Die Koordination seiner Arbeit und seinen Behandlungen habe ihn überfordert.
Das ADHS in der Unterform des unaufmerksamen Typs habe Prof. AI. 2001 festgestellt, was im Mai 2013 von der Diplom Psychologin Z. bestätigt worden sei. Auch die 2014 von Prof. AJ. beschriebene PTBS infolge von Misshandlungen in der Kindheit bestätige die Verhaltensauffälligkeiten und die Diagnose. Schon in seiner Kindheit seien bei ihm verschiedene Ängste und Störungen festgestellt worden. Die psychischen Belastungsfaktoren könnten auch nach einem Zeitablauf dazu führen, dass die Fähigkeit einer pharmazeutischen Berufstätigkeit nachzugehen, entfalle. Dies gelte insbesondere dann, wenn - wie bei ihm - noch weitere Erkrankungen hinzukämen. Die Beurteilung der Tauglichkeit bei ADHS durch die Bundeswehr (Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 23.02.2012 und Anlage 3.2 der Zentralen Dienstvorschrift 46/1 der Bundeswehr) bestätige seine Auffassung. Wenn schon einem Bewerber bei der Bundeswehr die Tauglichkeit im Falle eines ADHS abgesprochen werde, könne nichts anderes für die Tätigkeit eines Apothekers gelten. Wegen seiner schweren Erkrankungen bestehe mit Blick auf die Gesundheits- und Medikamentenversorgung der Bevölkerung ein hohes Risiko einer Fremd- und Eigengefährdung.
Seit 1996 befinde sich der Kläger wegen Depression in Behandlung. Der große Leidensdruck habe zu wiederholten psychotherapeutischen Behandlungen geführt. Während die Therapie zunächst gute Erfolge gebracht habe, sei es ab 2002 zu einer Reaktivierung alter Kindheitstraumata gekommen, woraufhin die Depression zugenommen habe. Seine Kindheitstraumata seien durch den Tod seiner Mutter 2011 zusätzlich aktiviert worden. Sie hätten sogar zu stationären Behandlungen geführt. Die Schwere seiner Depression sei 2011 von Prof. Dr. R. festgestellt worden; 2013 habe Dr. Y. eine Depression, mittelschwerer Episode, diagnostiziert. In den Jahren 2013 bis 2015 sei die Depression in einer schweren, chronifizierten Verlaufsform festgestellt worden. Die begleitenden Symptome wie Schmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und eine große Antriebsschwäche hätten sich derart verstärkt, dass er nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Leistungseinschränkungen zu kompensieren. Dies schließe jedwede (pharmazeutische) Tätigkeit aus.
Die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sei erstmals 2011 diagnostiziert worden. Diesbezüglich und hinsichtlich der Depression verweist der Kläger auf das Gutachten von Dr. AH. vom 31.01.2017 im Zuge eines sozialgerichtlichen Verfahrens zum Grad der Schwerbehinderung des Klägers.
Der von der Diplom Psychologin Z. festgestellte Verdacht einer PTBS sei von mehreren Ärzten (Dr. Y., Psychologisches Institut der Universität AA., Prof. Dr. AK.) bestätigt worden. Die Überlappung der Symptomatik bei der PTBS, Depression und bei ADHS erkläre die späte Diagnosestellung. Die PTBS erkläre zudem, warum es ihm trotz intensiver verhaltenstherapeutische und pharmakologischer Therapie nicht gelungen sei, die chronifizierte Depression zurückzuführen. Die psychotherapeutischen Therapien hätten an seinen Traumata gerührt, was zu einer Traumafolgestörung geführt habe. Dies habe zusätzlich destabilisierend und depressionsfördernd gewirkt. Er habe sich sodann in Behandlung bei Dr. AL. begeben.
Seine Rückenschmerzen seien seit der Musterung dokumentiert. Der dort festgestellte Morbus Scheuermann habe zu einem Verwendungsausschluss für Lasten über 20 kg geführt. Wegen seiner Arthrose und einer Paratendinosis subachillea befinde er sich seit 1998 in orthopädischer Behandlung. 2007 habe Dr. K. chronifizierte Schmerzen bestätigt. Diese Diagnose sei 2011 durch Prof. Dr. R. bestätigt und zusätzlich in Zusammenhang mit der Depression gebracht worden.
Die Beklagte übersehe nicht nur die Auswirkungen der bei ihm festgestellten Erkrankungen, sondern verkenne auch die sich gegenseitig verstärkenden in der Behandlung einschränkenden Erkrankungen. So würden sich die Medikamente teilweise ungünstig auf seine anderen Erkrankungen auswirken. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Nierenschädigung. Die von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen bestätigten ein sehr schweres und schwer therapierbar Krankheitsbild. ADHS und Morbus Forestier seien nicht heilbar, die Depression und die Schmerzstörung seien inzwischen chronifiziert und weitgehend therapieresistent. Auch die Traumafolgestörung sei nur schwer therapierbar. Die beiden Krankenhausaufenthalte hätten zu keiner nennenswerten Verbesserung seiner psychischen Erkrankungen geführt.
Auch bei der Feststellung der Schwerbehinderung werde dauerhaft von einer schweren psychischen Störung ausgegangen. Seine psychische Belastbarkeit sei stark eingeschränkt, weil das Zusammenspiel der verschiedenen Erkrankungen zu starken Konzentrationsstörungen geführt habe. Für jedwede pharmazeutische Tätigkeit sei unbedingt eine Konzentration- und Umstellungsfähigkeit erforderlich. Diese sei bei ihm - trotz der Therapie der ADHS mit Ritalin - nahezu völlig entfallen. Auch sein Anpassungsvermögen, eine andere Tätigkeit als Apotheker ausüben zu können, sei entfallen. In pharmazeutischen Tätigkeiten habe er Verantwortung für Personen, die Gesundheit der Kunden oder der Menschen, die Medikamente nutzten. Er müsse in der Lage sein, komplexe Arbeitsvorgänge zu überwachen und zu steuern. Dies sei ihm aber nicht mehr möglich. Wegen der Abänderbarkeit, Unaufmerksamkeit und seinen Konzentrationsschwierigkeiten sei die Unfallgefahr stark erhöht. Aufgrund des Morbus Forestier bestehe zudem ein besonderes und schweres Unfallrisiko.
Aufgrund der Versteifung in der Wirbelsäule, der chronischen Schmerzen und Muskelverkürzungen bestünden erhebliche Einschränkungen seiner Beweglichkeit bei Zwangshaltungen, insbesondere beim Bücken und Tragen. Besserungsaussichten gebe es nicht. Der Morbus Scheuermann heile nicht aus, sondern hinterlasse irreversible Schäden an seiner Wirbelsäule. Die Bandscheiben wiesen eine schwere Schädigung auf. In der Folge komme es zu einer Fehlstatik, Wirbelsäulenverkrümmung und einer vorzeitigen Degeneration der Wirbelsäule. Dies werde durch eine versteifte Brustwirbelsäule verstärkt. Folge seien schwere Schmerzzustände, die wegen der internistischen Grunderkrankung nicht hinreichend behandelt werden könnten. Das Heben von Lasten und längeres Sitzen falle ihm schwer. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die von der Beklagten eingeholten Gutachten die chronische Schmerzstörung nicht berücksichtigten, obwohl Prof. Dr. AB. in seinem Gutachten entsprechende Feststellungen getroffen habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Kläger berufsunfähig sei.
Die von der Beklagten eingeholten Gutachten seien nicht geeignet, als Nachweis für seine Berufsunfähigkeit zu dienen. Sie seien mangelhaft und nicht verwertbar. Dies gelte bereits für das Gutachten von Dr. O., zu dem der Kläger ausführlich vorträgt. Dr. M. beschreibe zwar im Wesentlichen zutreffend die auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Funktionseinschränkungen. Er gehe aber den Hinweisen auf das Vorliegen eines Morbus Bechterew beziehungsweise Morbus Forestier nicht nach. Hierzu sei er aber verpflichtet gewesen. Vor allem begründe er nicht, warum die von ihm festgestellten Einschränkungen zwar der selbstständigen Tätigkeit entgegenstünden, nicht aber einer anderen Tätigkeit in einem Beschäftigungsverhältnis.
Auch das orthopädische Gutachten von Dr. T. und Dr. U. stütze die Entscheidung der Beklagten nicht. Obwohl die Messergebnisse deutliche Bewegungseinschränkungen erwarten ließen, zweifelten die Gutachter daran. Sie würden übersehen, dass es für die Leistungsbeurteilung irrelevant sei, ob der Kläger in der Brust- und Lendenwirbelsäule beweglich sei. Allein auf eine vermeintlich fehlende Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule abzustellen, genüge nicht. Röntgenbilder belegten, dass es in der Brust- und Lendenwirbelsäule zu Versteifungen gekommen sei. Wegen verkürzter Oberschenkelmuskulatur fehle es zudem an einer ausreichenden Hüftbeweglichkeit. Die Gutachten würden nicht zur Kenntnis nehmen, dass die komplette Versteifung der Brustwirbelsäule zu starken funktionellen Einschränkungen führe. Die Vorbefunde belegten fortschreitende Bewegungseinschränkungen. Gleichwohl werde behauptet, die Funktionseinschränkungen des "Achsorganes" (Wirbelsäule) seien unklaren Ausmaßes. Zudem werde übersehen, dass am Untersuchungstag auch im Nackenbereich Muskelverspannungen vorhanden gewesen seien, was Dr. V. bestätige. Diese erklärten die teilweisen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule.
Den orthopädischen Gutachten fehle außerdem die erforderliche Verschlüsselung der Erkrankungen nach ICD 10, was zur Nichtverwendbarkeit der Gutachten führe. Die orthopädischen Gutachter wären im Übrigen gehalten gewesen, Feststellungen zum Umfang der Funktionseinschränkungen zu treffen, die die Wirbelsäule betreffen. Das Unterlassen solcher Feststellungen weise auf eine mangelnde Sorgfalt hin. Dies gelte auch, soweit die Gutachter nicht auf die Diagnose der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychiatrischen Faktoren eingegangen seien. Diese seine Leistungsfähigkeit erheblich einschränkende Störung manifestiere sich gerade auf orthopädischem Fachgebiet im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die Gutachter hätten untersuchen müssen, ob die radiologischen Befunde diese Diagnose für die somatischen Faktoren gerechtfertigt erscheinen lasse. Zudem wären Ausführungen dazu wünschenswert gewesen, was im Hinblick auf die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychiatrischen Faktoren folge. Denn bei ihm sei eine chronische Niereninsuffizienz festgestellt worden. Sei die Behandlung der Schmerzstörung wegen der Niereninsuffizienz nicht oder nur eingeschränkt möglich, sei dies ein Umstand, der bei der Beurteilung der Leistungseinschränkung in besonderem Maße zu beachten sei. Sei die Schmerzstörung nicht zu behandeln, schränke sie die Leistungsfähigkeit im besonderem Maße ein. Ausführungen dazu mache Dr. AM. in seinem Befundbericht vom 20.07.2015.
Dr. V. benenne die Unterlagen, die bei der Gutachtenerstellung vorgelegen hätten, nicht. Vorbefunde seien falsch und unvollständig wiedergegeben worden. Die Zuverlässigkeit seiner Diagnose F 90.0 sei nicht gewährleistet, da die Kriterien nach ICD 10 zur Begründung der Diagnose nicht genannt worden seien und auf testpsychologische Hilfen verzichtet worden sei. Dagegen hätten verschiedene Ärzte eine ADHS als F 98.8 diagnostiziert. Ebenso unzuverlässig sei die Erstellung der Diagnose bei der Depression. Dr. V. verwende die falsche Ziffer F 32, statt 33. Die Einstufung als F 32 hätte er näher begründen müssen. Er lasse die Kodierung unberücksichtigt, die unbefristet zu einem Grad der Behinderung von 50 geführt habe. Zwei lange stationäre Aufenthalte belegten die Schwere seiner Erkrankung. Dr. V. ziehe in seine Überlegungen nicht mit ein, dass eine engmaschige Behandlung der Depression nicht zu einer Verbesserung geführt habe. AN. übersehe außerdem, dass die typischen, die Beweglichkeit der Wirbelsäule beschreibenden Indizes eine starke pathologische Einschränkung der Wirbelsäulen-Beweglichkeit dokumentierten. Dr. V. behaupte, dass beim Kläger eine vitale Verstimmung nicht erkennbar sei, was aber Voraussetzung für einen schweren Krankheitsverlauf bei Depressionen sei. Ohne eine solche Verstimmung erfolge aber keine Krankenhauseinweisung und bezahle auch keine Krankenkasse einen mehrwöchigen Klinikaufenthalt. Eine vitale Verstimmung sei auch deswegen anzunehmen, weil am Untersuchungstag sein Schwiegervater gestorben sei. Die Feststellung, dass eine wesentliche Veränderung aus psychiatrischer Sicht nicht begründbar, zumindest aber nicht wesentlich sei, sei widersprüchlich. Denn in dem zitierten Entlassungsbericht seien verschiedene Störungen diagnostiziert und der Kläger als arbeitsunfähig entlassen worden. Auch die allgemeinen Ausführungen von Dr. V. zur PTBS und ADHS überzeugten nicht. Auf die chronische Schmerzstörung gehe er nicht ein. Einen Zusammenhang zwischen der frühkindlichen Traumatisierung und der Chronifizierung der Depression verneine Dr. V. ebenfalls zu Unrecht. Die Therapeuten, die den Kläger seit langem behandelten, hätten einen solchen Zusammenhang erkannt. Die verordneten Therapien, etwa die Kombination von ambulanter Psychotherapie und antidepressiven Medikamenten bei Depression und Ritalin bei ADHS seien - anders als Dr. V. - meine, nur bei schweren Verlaufsformen dieser Erkrankungen indiziert. Hierauf gehe Dr. V. nicht ein. Dass eine Änderung des Gesundheitszustandes - nach der nur wenige Monate zurückliegenden Krankenhausentlassung - nicht habe festgestellt werden können, sei widersprüchlich. AN. führe ebenfalls aus, dass sich die häuslichen Belastungsfaktoren erheblich vergrößert hätten. In dieser Zeit sei sein Schwiegervater im Haushalt der Familie gepflegt worden, wobei zwischenzeitlich Palliativpflege erforderlich gewesen sei. Dr. V. beschreibe zwar eine weiterbestehende starke ADHS-Symptomatik, verkenne aber, dass diese Erkrankung auf die pharmazeutische Tätigkeit des Klägers schon durchgeschlagen habe. Der Kläger verweist auf die aufsichtsrechtlichen Feststellungen in den Vorbefunden (unter anderem der AO., der AP. und von Dr. AQ.). Auf das chronische Schmerzsyndrom gehe Dr. V. nicht ein.
Zum gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten nimmt der Kläger ebenfalls ausführlich Stellung. Das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. AF. und Dr. AG. sei aus mehreren Gründen, zu denen der Kläger einzeln ausführt, nicht verwertbar. Insbesondere erhebt der Kläger Einwände gegen das vom Gericht beauftragte Gutachteninstitut AD. sowie die Art und Weise der Durchführung der Begutachtung.
Unerklärbar sei, dass ein vom Kläger im Fragebogen angebrachtes Fragezeichen in der vom Gericht übersandten Kopie des Fragebogens fehle. Beim Ausfüllen des Fragebogens habe er zunächst eine Frage nicht verstanden und deshalb dort ein Fragezeichen vermerkt. Erst nach Erläuterung von Dr. AG. habe er die Frage sodann beantwortet. Ferner werde bei den Fragen Nummern 63 und 67 im Fragebogen nur nach "dem Drang" gefragt, ohne weiter zu erläutern, unter welchem Drang der Proband in den vergangenen sieben Tagen gelitten haben soll. Der Kläger habe bei der Untersuchung nur Fragen beantwortet, deren Sinn er verstanden habe. Daher sei davon auszugehen, dass am Untersuchungstag unter den Nummern 63 und 67 vollständige Fragen vorhanden gewesen seien. Diese Unstimmigkeiten seien aufzuklären, insbesondere, ob der dem Gericht vorgelegte Fragebogen manipuliert worden sei.
Der Kläger hat mehrfach schriftlich die Herausgabe von Originalunterlagen seiner Untersuchung durch die Sachverständigen beantragt. Sollten nur noch digitalisierte Fassungen vorliegen, so würde dies einen Verstoß gegen § 55b Absatz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) darstellen. Denn die besagten Dokumente seien als Teil des Gutachtens anzusehen. Wenn das Gericht bei elektronischer Führung Originaldokumente mindestens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aufzubewahren habe, könne für Sachverständige nichts Anderes gelten. Bei einem Verstoß seien die auf Grundlage der Unterlagen getroffenen Feststellungen nicht verwertbar. Ein Abgleich der Kopien mit dem Original-Fragebogen ergebe, dass diese nicht übereinstimmten. Damit könne der Fragebogen nicht als Beweismittel verwendet werden.
Die Aussagen von Prof. Dr. AF. zum TOVA-Test seien falsch. So behaupte er auf Seite 65 und 66 des Gutachtens, dass der fehlende objektive Nachweis eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms in TOVA unvereinbar sei mit der entsprechenden Diagnose. Der Entwickler dieses Tests, Prof. Dr. AR., bestätige aber in seiner E-Mail vom 25.09.2016, dass auch durch einen unauffälligen TOVA-Test die Diagnose ADHS nicht ausgeschlossen werden könne.
Die Untersuchungen seien auch durch die vom Kläger eingenommenen Medikamente beeinflusst worden, ohne dass der Sachverständige dies bei seinen Überlegungen berücksichtigt habe. Auch kleine Dosen könnten therapeutisch wirksam sein. Dies belege die Aussage von Prof. Dr. AR. in seine E-Mail vom 25.09.2016. Außerdem sei im Protokoll ein falscher Zeitpunkt der Probeentnahme dokumentiert, nämlich 0:00 Uhr. Weder habe die Begutachtung zu diesem Zeitpunkt stattgefunden noch sei dem Kläger zu dieser Uhrzeit Blut abgenommen worden. Diesem Umstand schenke der Sachverständige keine Bedeutung. Schon deshalb sei die Blutspiegelbestimmung wertlos.
Durch die Blutspiegelmessung von Methyphenidat könne auch keine Unterdosierung festgestellt werden. Medikamentenspiegel im Blut ließen keine Rückschlüsse zur klinischen Wirksamkeit des Medikaments zu. Auch hierzu hätte sich der Sachverständige äußern müssen. Insbesondere hätte erläutert werden müssen, warum angegeben sei, dass die Proben um Mitternacht entnommen worden seien. Es müsse davon ausgegangen werden, dass beide psychoaktiven Medikamente nicht ausgeschieden gewesen seien und damit die Testergebnisse beeinflusst haben. Die gegenteilige Aussage des Sachverständigen sei daher falsch. Verordnet werde das Medikament beim Kläger nämlich (retard) in einer Darreichungsform, die die Wirkstoffe verzögert freigebe und nicht nur zum Zeitpunkt der Einnahme beziehungsweise der Verstoffwechselung. Die Annahme des Sachverständigen, ein Blutspiegel von 2 ng/ml sei plausibel, sei daher falsch. Vielmehr sei über den Wirkzeitraum ein Wert von +/- 4ng/ml zu erwarten gewesen. Dass im Laborbericht der Wert der Ritalinsäure innerhalb der Referenzwerte liege, zeige, dass möglicherweise nicht mit der nötigen Sorgfalt bei der Untersuchung vorgegangen worden sei. Es stehe nicht fest, ob das Blut des Klägers in der gebotenen Art und Weise behandelt worden sei. Der Wirkstoff Methylphenidat sei bei Raumtemperatur instabil. Die Laborleitlinie fordere, dass für eine valide Messung das Probenmaterial sofort nach der Blutabnahme zentrifugiert und tiefgefroren werden müsse, um die Probe zu stabilisieren. Vorliegend sei nicht dokumentiert, ob die Probe tiefgefroren gelagert und transportiert worden sei. Ferner fehlten Feststellungen dazu, welche Fragestellung das Labor überhaupt zu klären gehabt habe, welches Testkit verwendet worden sei, wann, wo und durch wen die Untersuchung im Labor vorgenommen worden sei. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen entbehre daher jeder Grundlage, zumal auch bei den Referenzwerten keine Anpassung an die Dosierung der untersuchten Medikamente vorgenommen worden sei.
Außerdem fehlen der Blutspiegelbestimmung von Methylphenidat die in der Laborleitlinie angegebenen Referenzwerte für Methylphenidat in retardierter Form. Methylphenidat in unretardierter Form habe der Kläger aber nicht eingenommen. Die Deutung des Blutspiegels von Methylphenidat und die angeführten Vergleichswerte seien ebenfalls falsch. Nach einer Fachinformation zu diesem Medikament könne bei Medikinet adult 20 mg nur eine maximale Plasmakonzentration von 6,4 ng/ml erreicht werden. Mit 2 ng/ml (= 2 ?g/l) werde ein wirksamer Blutspiegel nachgewiesen. Für die Zulassung von Medikinet adult 20 mg sei ein Wirksamkeitsnachweis erforderlich gewesen. Der bei dieser Dosierung maximal erreichbaren Blutspiegel liege unter 2 ng/ml. Die Annahme des Sachverständigen, dass Medikament sei nicht wirksam sei daher falsch.
Das Gutachten von Prof. Dr. AS., Prof. Dr. AT. und Dr. AU. vom 21.08.2017 belege, dass die Medikamente mit den Wirkstoffen Methylphenidat und Mirtazapin zum Zeitpunkt der Probenentnahme und auch Stunden danach - anders als der Sachverständige meine - nicht weitestgehend ausgeschieden gewesen seien. Die im Laborbefund niedergelegten Messwerte könnten wegen einer unzureichenden Dokumentation nicht nachvollzogen werden. Die Labor- und Referenzwerte könnten keine Aussagen zum therapeutischen Wirksamkeit und Angemessenheit einer Arzneimitteltherapie im Einzelfall machen. Der Sachverständige bestreite zu Unrecht einen Einfluss der nachgewiesenen Wirksamkeit der Wirkstoffe auf die durchgeführten neuropsychologischen Tests. Zudem habe der Sachverständige versäumt, darauf aufmerksam zu machen, dass die testpsychologischen Ergebnisse durch die eingenommenen Medikamente beeinflusst worden sein könnten und deshalb auch die neuropsychologischen Feststellungen nicht Grundlage einer zuverlässigen Leistungsbeurteilung sein könnten.
Es sei unberücksichtigt geblieben, dass die Testergebnisse der Aufmerksamkeitstests durch die Medikamente, die der Kläger einnehmen müsse (Mirtazapin, Methylphenidat), beeinflusst worden seien. So beschreibe Prof. AR. auch einen Einfluss von niedrigen Dosen von Methylphenidat auf die adulte ADHS. Daher sei der Aussagewert des Tests sehr eingeschränkt.
Auch die Umschulung der Händigkeit habe das Testergebnis beeinflussen können, nämlich dann, wenn die nicht dominierende Hand beim Test benutzt worden sei. Im Testprotokoll habe daher angegeben werden müssen, mit welcher Hand der Kläger den Test durchgeführt haben. Solche Erläuterungen würden sich im Gutachten nicht finden. Der Aussagewert der Tests sei deshalb zumindest erheblich eingeschränkt.
Außerdem lägen Dokumentationsmängel vor, sodass die Testergebnisse nicht verwertbar seien. Es sei versäumt worden, das bei der Untersuchung mittels eines Computers verwendete Betriebssystem zu dokumentieren. Es sei allgemein bekannt, dass aufgrund von Softwareproblemen ein Teil der Tests für bestimmte Betriebssysteme nicht freigegeben sei. Der Kläger erinnere sich daran, dass einige Anwendungen der am Computer durchgeführten Tests auffällig langsam gewesen seien. Zudem sei eine englische Programmversion benutzt worden, obwohl es eine deutsche Version gebe.
Es hätte ebenfalls zumindest erwähnt werden müssen, dass der Anamnesebogen bei der Gutachtenerstellung vorgelegen habe. Der Bezug sei wichtig, weil er zeige, dass die Angaben des Klägers im Fragebogen in einem deutlichen Widerspruch zu Angaben stünden, die der Kläger bei der Anamneseerhebung gemacht haben soll, aber tatsächlich nicht gemacht habe, da die entsprechenden Tatsachen so nicht richtig seien. Dies gelte zum Beispiel für die auf Seite 55 des Gutachtens beschriebene Aussage zum Umfang und zur Intensität der depressiven Beschwerden seit 2011 und für Angaben des Klägers zu aktuellen Beschwerden auf Seite 9 des Fragebogens. Die Angaben des Klägers im Fragebogen stützten die Vermutung des Gutachters auf Seite 59 des Gutachtens, dass im Falle einer schweren depressiven Episode im Jahr 2011 die zuvor unterdosierte Mirtazapinmedikation von 15 mg auf 30 mg zu erhöhen sei.
Der Sachverständige Prof. Dr. AF. führe auf Seite 51 aus, dass bei ausgeprägteren depressiven Episoden häufig das somatische Syndrom vorliege. Hierbei übersehe er, dass Prof. Dr. R. 2011 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert habe, die später mehrfach bestätigt worden sei.
Entgegen den Feststellungen auf Seite 45 des Gutachtens ("Spontanes Gangbild: unauffällig") sei der Kläger aufgrund von Knieschmerzen als Folge eines Risses des Innenmeniskus, eines Risses der Quadrizepssehne und von Knorpelschäden an der Kniescheibe bis zum Knochen und einem entzündlichen Erguss auch nicht ohne Einschränkungen gehfähig. Hierzu habe er auch Angaben im Anamnesefragebogen gemacht. Am Untersuchungstag habe der Kläger auch gehumpelt. Da die Schmerzen sich verstärkt hätten, sei bald nach der Untersuchung bei dem Sachverständigen lokal Kortison ins Knie verabreicht worden. Das Gangbild könne auch deshalb nicht unauffällig gewesen sein, weil das Gutachten auf Seite 34 eine Arthrose (Kniegelenk rechts) vermerkt habe. Angesichts des objektivierbaren Befundes seien erhebliche Knieschmerzen glaubhaft gemacht worden. Ganz offensichtlich habe auch kein Aggravationsverhalten vorgelegen. Ansonsten wäre der oben genannte Befund nicht so ausführlich im Gutachten dargestellt worden.
Trotz der vielen Vorbefunde fehle eine körperliche Befunderhebung im Gutachten. Eine solche sei aber notwendig gewesen, um die Wechselwirkungen der somatischen Erkrankungen mit den psychischen Erkrankungen bei der Leistungsbeurteilung berücksichtigen zu können. Dies ergebe sich aus den Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung.
Das Gutachten könne auch deshalb nicht verwertet werden, weil es offensichtlich nicht der Beweisfrage beantworte. Zur Feststellung, welche Krankheiten nach Aktenlage am 01.06.2012 dokumentiert worden seien, hätte es gehört, die vorliegenden medizinischen Befunde und Gutachten auszuwerten. Gerade das Gutachten von Prof. Dr. AB. zeige, wie wichtig die Wechselwirkungen der vielen psychiatrischen und somatischen Erkrankungen bei der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit seien. Dies habe Prof. Dr. AF. nicht getan. Insgesamt stellten sich seine Feststellungen als derart lückenhaft und nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend dar, dass die daraus gezogenen Schlüsse nicht zutreffen können. Dies gelte auch unter Einbeziehung der Laborberichte und Testprotokolle. Nach wie vor fehlten Unterlagen, es seien Dokumentationspflichten verletzt und falsche Leitlinien herangezogen worden.
Soweit Prof. Dr. AF. seit den neunziger Jahren nur von einem sehr leichten chronischen depressiven Beschwerdebild im Sinne einer Dystymia ausgehe, sonstige kognitive Einschränkungen nicht objektiviert werden könnten, sei dies falsch. Es liege vielmehr eine schwere psychiatrische Erkrankung beim Kläger vor.
In Bezug auf die Aufmerksamkeitsstörung (ADHS, adult) könne der gerichtliche Sachverständige diese nur verneinen, da er die Genese der Erkrankung verwechselte. Bei der Erkrankung handele es sich nicht um eine Erkrankung aus dem neurologischen, sondern aus dem psychiatrischen Formenkreis. Er nehme an, dass psychologische Untersuchungen für die Diagnose entscheidend sein könnten. Die insoweit auf Seite 6 des Gutachtens zitierte Leitlinie beziehe sich jedoch auf neurologische Erkrankungen. In der Leitlinie sei ausdrücklich betont, dass sich diese nicht auf psychiatrische Erkrankungen beziehe. Der gerichtliche Sachverständige sei dafür bekannt, dass er von angeblich wissenschaftlichen Standards ausgehe, die überhaupt nicht existierten. Der Kläger verweist insoweit auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Benin vom 21.09.2016 (28 Ca 18157/14). Die vom Sachverständigen durchgeführten Aufmerksamkeitstests seien nicht geeignet, das Vorliegen einer ADHS zu belegen oder auszuschließen. Auch ein unauffälliges Testergebnis könne diese nicht ausschließen. Zudem führten sie auch zu falsch negativen Ergebnissen. Es sei unumgänglich, eine klinische Diagnose zu stellen, wie es die Leitlinie "ADHS bei Erwachsenen" fordere. Der Sachverständige habe solche Feststellungen nicht getroffen, Prof. Dr. AI. und die Diplom Psychologin Z. dagegen schon. Soweit der Sachverständige auf Seite 26 der zweiten ergänzenden Stellungnahme ausführe, dass die von Prof. Dr. AI. erhobenen Befunde keine Aufmerksamkeitsstörung belegten, da die von ihm testpsychologisch durchgeführte Aufmerksamkeitsprüfung unauffällig gewesen sei, habe er den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht berücksichtigt. Die Ausführungen des Sachverständigen seien nicht nachprüfbar. Scheinbar vertrete er eine Außenseitermeinung. Dies zeige auch die Stellungnahme von Prof. AR. zum TOVA-Test. Bei ADHS sei es nämlich nicht wie bei neurologischen Aufmerksamkeitsstörungen, dass kognitive Fähigkeiten dauerhaft eingeschränkt seien. Wie stark die ADHS-Erkrankung den Kläger in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit tatsächlich beeinträchtige, ergebe sich aus einem internen Vermerk Apothekenbehörde. Eine Beeinträchtigung kognitiver Funktionen bei neurologischen Tests sei keine zwingende Voraussetzung für die Diagnosestellung ADHS, wie dies der Sachverständige behaupte. Die Äußerung zur Aussagekraft von Testverfahren seitens des Sachverständigen stamme aus einer neurologischen Leitlinie, die sich ausschließlich auf Krankheiten beziehe, bei denen dauerhafte kognitive Defizite bestünden, was der Sachverständige verschweige. Anders sei das bei der Leitlinie bei ADHS bei Erwachsenen. Dr. AG. stütze sich auf die Leitlinie "Sturm et al., Diagnostik und Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen bei neurologischen Erkrankungen". Damit könne nur geklärt werden, ob eine schwere neurologische Erkrankung vorliege, die zu einer Aufmerksamkeitsstörung führen. Durch das Gutachten sei also nur der Nachweis erbracht worden, dass keine neurologische Erkrankung mit Aufmerksamkeitsstörung vorliege. Kein Nachweis durch wissenschaftliche Studien sei aber dazu erbracht, welche Testergebnisse eine leichte, mittlere oder schwere Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit belegten.
In einer öffentlichen Urkunde werde durch eine obere Bundesbehörde verbindlich festgelegt, wie eine ADHS-Diagnose zu erfolgen habe, nämlich anhand der Kriterien nach DSN IV und ICD-10. Sie basiere auf einer vollständigen Anamnese und Untersuchung des Patienten. Dort ebenfalls aufgeführte Untersuchungsmethoden hätte der Sachverständige nicht oder nur unvollständig durchgeführt. Weiter seien die vom Sachverständigen veranlassten Testverfahren in der öffentlichen Urkunde nicht genannt. Dort werde außerdem erklärt, dass es kein Test gebe, der ADHS sicher nachweisen könne. Da es sich um eine öffentliche Urkunde handele, müsse der Sachverständige den Gegenbeweis antreten, dass es einen solchen Test gebe. Eine leitliniengerechte Vorgehensweise bei ADHS beschreibe auch die Charité Berlin, die standardisierte Interviews durchführe. Prof. Dr. AF. habe keine dieser Untersuchungen durchgeführt. Dass Grundschulzeugnisse bei der Diagnostik von ADHS bei Erwachsenen keinerlei Relevanz besäßen, stelle eine Außenseitermeinung dar. Auf die Dienstvorschrift 46/1 der Bundeswehr zur ADHS-Erkrankung gehe der Sachverständige ebenfalls nicht ein. Anders als der Sachverständige auf Seite 37 des Gutachtens ausführe, gebe es Brückensymptome, die sich unter anderem aus dem Gutachten der Universität AV., des Gutachtens von Dr. V. und den Entlassungsberichten ergeben würden.
Im Übrigen unterlasse der Sachverständige die Differenzialdiagnose, die gerade beim Vorliegen mehrerer Erkrankungen, die gleiche oder ähnliche Symptome zeigten, besonders schwierig sei. Daher sei die Erhebung der Familienanamnese besonders wichtig. Genetische Faktoren könnten entscheidende Krankheitsursachen darstellen. Dies belege auch die Familiengeschichte des Klägers. Beide Kinder des Klägers seien bis zur Pubertät wegen einer Aufmerksamkeitsstörung in ärztlicher Behandlung gewesen und aufgrund dieser Erkrankung auch wehruntauglich. Es sei daher besonders wichtig gewesen zu ermitteln, wie sich die Krankheit beim Kläger im Beruf, in der Schule oder im Privatleben auswirkten oder ausgewirkt hätten. Mit Blick auf oftmals verzerrte Eigenwahrnehmungen seien fremdanamnestische Befunde besonders aufschlussreich und daher zwingend zu berücksichtigen (zum Beispiel: Grundschulzeugnis, Aktennotiz der Bezirksregierung AW., Feststellungen bei der Betriebsprüfung).
Anders als der gerichtliche Sachverständige meint, sei die Diagnose der Aufmerksamkeitsstörung nicht nur als gesichert anzusehen, sondern schränke auch seine Leistungsfähigkeit maßgeblich ein. Dies hätten nicht nur Prof. Dr. AI. und die Diplom Psychologin Z. belegt, sondern auch der Gutachter Dr. V. bestätigt, in dem trotz Pharmakotherapie weiterhin deutliche Symptome von ADHS vorhanden seien.
Der Sachverständige behaupte, dass alle psychiatrischen Diagnosen der letzten 20 Jahre falsch gewesen seien und unterstelle unter anderem, dass renommierte Ärzte und Professoren nicht in der Lage gewesen sein sollen, eine Dysthymia von einer Depression zu unterscheiden. Belege hierfür liefere der Sachverständige nicht. Seine Argumentation sei widersprüchlich. Einerseits behauptete er, dass die Diagnosestellung nur lückenhaft begründet worden und deshalb nicht nachvollziehbar sei. Andererseits komme er gerade aufgrund dieser lückenhaften Dokumentation zu dem Ergebnis, dass nur eine Dysthymia vorliege. Im Falle lückenhafter Dokumentation fordere die Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, dass entweder der Gutachter um Erweiterungen seines Gutachterauftrages bitte oder die Angemessenheit früherer Diagnosen als "nicht beurteilbar" beschreibe. Daher überzeuge auch die Kritik des Sachverständigen an der Diagnose "schwere depressive Episode" durch Prof. Dr. R. nicht. Letzterer sei erfahrener Kliniker, der den Kläger viel länger begleitet habe als der Sachverständige. Zudem stelle die Diagnose einer Depression einen seiner Forschungsschwerpunkte dar.
Anders als der Sachverständige meint, sei das Medikament Mirtazapin nicht unterdosiert verordnet worden. Mit 15 mg Mirtazapin seien zunächst seine Schlafstörungen therapiert worden. Später sei die Dosierung auf 30 mg erhöht worden. Da sich keine ausreichende Wirkung in Bezug auf die Depression gezeigt habe, sei anstatt der Dosiserhöhung zusätzlich Methylphenidat verabreicht worden. Diese Entscheidung nachvollziehbar und medizinisch begründet. Wegen der QT-Zeitverlängerung sei eine Dosissteigerung von Mirtazapin nicht indiziert und sei nur einmal in einer Krisensituation (auf 45 mg) vorgenommen worden. Der Kläger verweist auf seinen zweiten Aufenthalt in der E., während dessen der Chefarzt persönlich nachts ein Suizidrisiko beim Kläger abgeklärt habe. Bei einer Dysthymia sei ein solches Vorgehen nicht erforderlich gewesen.
Im Entlassungsbericht sei im Übrigen dokumentiert worden, dass die Diagnose Depression bei der Eingangsuntersuchung überprüft worden sei. Der Sachverständige könne nicht belegen, dass keine Überprüfung stattgefunden habe. Dass die Diagnose Depression unter stationären Bedingungen, bei der er über Wochen unter ständiger Beobachtung vieler gut ausgebildeter Therapeuten gestanden habe, nicht valide sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Insbesondere der Therapieverlauf ergebe sich aus seiner Krankenakte. Bei Zweifeln an den Feststellungen wäre der Sachverständige gehalten gewesen, Einblick in die Patientenakte zu nehmen. Zudem hätte er etwaige Verschlechterungen des Gesundheitszustandes des Klägers während der stationären Behandlung bei seiner Anamneseerhebung erfragen können.
Dass der Sachverständige aus dem weitgehenden Fehlen von Verhaltensbeobachtungen Arztbriefen und Entlassungsberichten schließe, dass psychiatrische Diagnosen nicht auf Verhaltensbeobachtungen gestützt worden seien, sei reine Spekulation. Ein Arzt- oder Krankenhausentlassungsbericht sei ein Transferdokument, welches kurz und klar die weiterbehandelnden Ärzte über Therapieverlauf und Diagnosen informieren solle. Eine Dokumentation von einzelnen Verhaltensbeobachtungen sei wegen der abstrahierenden Befunddarstellung unüblich. Im Übrigen enthalte der Entlassungsbericht der F. Verhaltensbeobachtungen, die der Diagnose einer Dysthymia entgegenstünden.
Nach dem Entlassungsbericht der AP. habe eine mittelschwere Episode einer Depression vorgelegen, nach der behandelnden Therapeutin zum Zeitpunkt der Begutachtung eine schwere Episode, nach dem Gutachter Dr. V. eine leichte Episode und der Sachverständige wolle sogar nur eine Dysthymia festgestellt haben. Bei einer derart unterschiedlichen Interpretation der Befunde und Verhaltensbeobachtungen sei es unbedingt erforderlich, zu prüfen, ob die Diagnosestellung leitlinienkonform erfolgt sei. Bei der Depression als eine klinische Diagnose sei es zwingend erforderlich, alle Symptome und Beschwerden aktiv zu erfragen, die auf eine depressive Störung hindeuten könnten. Dies gelte besonders für Gutachter, die nur einmalig die Gelegenheit hätten, sich ein persönliches Bild von dem Patienten zu machen. Weder der Sachverständige noch Dr. V. oder Dr. O. hätten alle relevanten Symptome und Beschwerden aktiv erfragt. Darlegungen, welche bestimmte Haupt- und Nebensymptome sowie Symptome für ihre Diagnosefindung relevant gewesen seien und welche sie nicht gefunden hätten, würden fehlen.
Chronisch somatische Erkrankungen könnten mitursächlich für eine Depression sein. Erstere stellten ein großes Chronifizierungsrisiko für Depressionen dar. Dies belege auch der Krankheit- und Therapieverlauf der Erkrankung des Klägers. Bei der Diagnosestellung hätte ebenfalls berücksichtigt werden müssen, dass bei vielen chronischen somatischen Erkrankungen gehäuft depressive Symptome auftreten oder die somatische Erkrankung durch die damit verbundenen Beeinträchtigungen zu depressiven Symptomen führe. Beim Kläger würden mehrere somatische Erkrankungen vorliegen. Eine notwendige körperliche Untersuchung durch den Sachverständigen habe nicht stattgefunden, noch nicht einmal eine Blutdruckmessung oder eine Blutzuckerbestimmung. Dies wäre aber leitliniengerecht gewesen.
Der Sachverständige gebe den Krankheitsverlauf falsch wieder. Er behaupte, dass nach Auskunft des Klägers dessen Stimmungslage über mehrere Jahre gleichgeblieben sei. Derartige Aussagen habe der Kläger nicht getätigt. Der Kläger erinnere sich auch nicht falsch. Der Sachverständige könne das Gegenteil nicht beweisen. Vielmehr sei es so, dass er in dem Anamnesebogen Angaben zum Erfolg der EMDR-Therapie gemacht habe. Dr. AL. dokumentiere zudem, dass sich nach Belastungssituationen die Stimmung des Klägers verändere. Obwohl die entsprechenden medizinischen Befunde dem Sachverständigen vorgelegen hätten, seien sie nicht dokumentiert und erkennbar auch nicht berücksichtigt worden.
Die Erfolge, die durch die Konfrontation in der Traumatherapie bei der Depression erreicht worden seien, stützten die Diagnose einer PTBS. Eine retrospektive Diagnosestellung bei einer psychiatrischen Erkrankung sei immer schwierig. Dies gelte insbesondere im Falle der PTBS, weil viele Symptome auch bei der Depression und ADHS vorkommen könnten. Die auf Feststellung und Behandlung der PTBS spezialisierte Klinik in AA. habe beim Kläger eine PTBS festgestellt. Alte traumatische Erfahrungen könnten auch nach langer Zeit noch reaktiviert werden. Durch die seit Ende 2014 durchgeführte Traumatherapie sei es erstmals seit 2011 gelungen, den Kläger zu stabilisieren. Der Kläger sei jetzt in der Lage, regelmäßig die erforderlichen Therapien durchzuführen.
Soweit der Sachverständige behaupte, der Kläger habe Begeisterung bei der Schilderung privater Vermietertätigkeiten gezeigt, sei dies unzutreffend. Eine solche Begeisterung habe er auch nicht verspürt, weil er wegen der Vermietertätigkeit viele frustrierende Erfahrungen gemacht habe. Ebenfalls unzutreffend sei, dass er 2-3 Tage mit der Immobilienverwaltung beschäftigt sei. Richtig sei vielmehr, dass er hierauf 8-10 Stunden pro Woche verwende. Dabei sei dem Gutachter bekannt gewesen, dass der Kläger sich bei starken Schmerzen mehrfach täglich hinlege. Die für die Existenzsicherung erforderlichen Arbeiten würden unter Schonbedingungen ausgeführt werden. Im Übrigen entspreche die Tätigkeit der Immobilienverwaltung in keiner Weise der komplexen Tätigkeit eines Apothekers.
Die Behauptung des Sachverständigen, die erste Episode der Depression trete im Allgemeinen im fünften Lebensjahrzehnt auf, könne nicht ungeprüft übernommen werden. Denn der Sachverständige belege seine Ausführungen mit einer Fundstelle, nämlich der nicht geeigneten Leitlinie zu neurologisch bedingten Aufmerksamkeitsstörungen. Nach anderer Ansicht liege der Zeitpunkt der ersten Erkrankung bei 50 % der Patienten vor dem 32. Lebensjahr.
Außerdem sei die Behauptung des Sachverständigen, der Kläger stelle seine Beschwerden übertrieben dar, zurückzuweisen. Nach Auffassung der Sachverständigen sollten die erhöhten Werte auf den Skalen Depressivität und Zwanghaftigkeit im Fragebogen SCL-90-S die übertriebene Klagsamkeit des Klägers objektivieren. Für die Nachvollziehbarkeit müsse geprüft werden, ob dieser Test überhaupt geeignet sei, die "Klagsamkeit" zu objektivieren. Insoweit würden Quellenangaben zu diesem Test fehlen. In dem vom Sachverständigen vor der Untersuchung übergebenen Anamnesefragebogen seien die aktuellen Beschwerden sachlich und sehr detailliert vorgetragen worden. Einige der dort geschilderten Beschwerden seien auch während der Untersuchung erfragt worden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den geschilderten Beschwerden gebe es nicht. Der Kläger habe seinen Vortrag zur chronischen Schmerzstörung auch nicht unplausibel ausgeweitet und Beschwerden nicht verschoben. Die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung sei bereits 2011 erstmals festgestellt worden.
Gegen das Aggravationsverhalten spreche auch, dass im Green Wood Memory Test (ein Beschwerdevaldierungstest) keine Hinweise auf negative Antwortverzerrungen gefunden worden seien. Der Sachverständige hätte nähere Ausführungen zu diesem Test machen müssen. So erläutere er nicht, warum er nur den Messwert "IR" ausgewertet habe (und nicht "DR" und "CNS"), und, warum er die anderen Messergebnisse nicht für das Gutachten dokumentiert habe. Dies sei insbesondere deshalb nicht nachvollziehbar, weil ohne diese Messwerte die Auswertung von Vergleichsgruppen nicht hätte erfolgen können. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum er die Ergebnisse der Vergleichsgruppe mit schwerer Depression nicht mit den Ergebnissen des Klägers verglichen habe, obwohl der Kläger offensichtlich die gleichen Werte wie diese Kontrollgruppe gehabt habe. Letzteres bleibe im Gutachten auch unerwähnt.
Das Sachverständigengutachten sei auch deshalb nicht verwertbar, weil lediglich eine Begutachtung von Prof. Dr. AF., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, erfolgt sei. Untersuchungen aus anderer fachärztlicher Sicht, insbesondere aus Sicht der Orthopädie, seien nicht erfolgt. Der Sachverständige wäre gehalten gewesen, entsprechende Fachärzte herbeizuziehen. Auch die ergänzende Stellungnahme vom 05.04.2017 beantworte die Beweisfrage, die Nachfragen des Gerichts vom 16.12.2016 und die des Klägers vom 14.12.2016 unzureichend. Von 37 Nachfragen des Klägers habe der Sachverständige gerademal 5 beantwortet.
Dem Umstand, dass auch in der ergänzenden Stellungnahme vom 05.04.2017 behauptet werde, es sei keine Besserung der Depression durch die traumaspezifische Behandlung eingetreten, stünden die Angaben des Klägers im Anamnesebogen und in Anamnesegespräch sowie die Stellungnahme von Dr. AL. vom 11.07.2016 entgegen. Dass sich die Depression erst durch die traumaspezifische Behandlung gebessert habe, stütze die Annahme des Vorliegens einer Traumafolgestörung.
Im Übrigen gehe der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.04.2017 nur auf einige Erkrankungen des Klägers ein. Eine vollständige Wiedergabe der Erkrankungen fehle.
Mangelhaft sei das Sachverständigengutachten auch mit Blick auf die chronischen Schmerzen. Solche würden sich nicht nur aus den Vorbefunden ergeben, sondern auch aus den Angaben des Klägers im Anamnesefragebogen. Dies hätte Anlass geben müssen, die Ursache der Schmerzstörung weiter aufzuklären. Soweit der Sachverständige darlege, der Kläger habe im Arztgespräch nicht deutlich genug die Schmerzzustände thematisiert, verweist der Kläger auf das Gedächtnisprotokoll zur Begutachtung. Prof. Dr. AF. habe ihn abgeblockt, wenn er die Gründe für die Diagnose einer Traumafolgestörung und die Auswirkungen von Schmerzen im Alltag habe erläutern wollen. Im Übrigen müsse die Diagnose in Betracht gezogen werden, wenn die Kriterien nach ICD 10 erfüllt seien. Auf eine Thematisierung des Schmerzes komme es insoweit nicht an, insbesondere gebe es kein solches ICD-Kriterium.
Soweit der Sachverständige weiter angebe, im Beschwerdevortrag des Klägers hätten Schmerzen nicht im Vordergrund gestanden, sondern psychische Beschwerden, sei dem entgegenzuhalten, dass in ICD 10 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Ursachen als psychiatrische Diagnose unter F 45.41 klassifiziert sei. Auch im Bescheid zur Schwerbeschädigung sei ein Grad der Behinderung für psychische Erkrankungen 50 wegen Depression und chronischer Schmerzstörung festgestellt worden. Eine Schwerpunktverschiebung auf andere Krankheitsfelder habe daher nicht stattgefunden, weil die chronische Schmerzstörung wie auch die Depression, ADHS und PTBS zu den psychischen Erkrankungen zählten.
Der Sachverständige erwecke den Eindruck, bei ihm lägen keine Schmerzen vor. Dies ergebe sich daraus, dass er keine Schmerzmittel eingenommen habe. Hierbei lasse der Sachverständige unberücksichtigt, dass eine Schmerztherapie vom Rheumatologischen Dr. AX. wegen der damit verbundenen zu hohen Risiken hinsichtlich der Niereninsuffizienz, Diabetes, grenzwertige QT-Zeiten und Co-Medikation abgelehnt worden sei. Stattdessen finde eine Schmerztherapie mit wöchentlichen Funktionsstreaming, wöchentlicher Physiotherapie und dem Erlernen von Entspannungstechniken statt. Dies sei dem Sachverständigen bekannt gewesen. Gleichwohl bleibe der Sachverhalt im Gutachten unerwähnt. Seine Diabetes-Erkrankung werde ebenfalls nicht berücksichtigt.
Auf Seite 31 des Gutachtens behaupte der Sachverständige, mittelgradige depressive Episoden, die viele Jahre andauerten, gäbe es nicht. Dies entspreche nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Nach der S3-Leitlinie/NVL Unipolare Depression verliefen depressive Störungen individuell variabel. Bei einer depressiven Episode von mehr als zwei Jahren ohne Besserung spreche man von einer chronisch depressiven Episode. Außerdem könnten alle Formen depressiver Episoden chronifizieren. Die Behauptung des Sachverständigen werde nicht belegt. Auch die Angabe "hauptsächlich im höheren Lebensalter" auf Seite 26 des Gutachtens in Bezug auf das Anhalten einer Depression sei nicht leitliniengerecht, sondern eine unbelegte Hinzufügung. In der zweiten ergänzenden Stellungnahme behauptete der Sachverständige nunmehr das Gegenteil, ohne zu begründen, warum er nun eine der S3-Leitlinie widersprechende Behauptungen aufstelle.
Auch in der zweiten ergänzenden Stellungnahme gelinge es dem Sachverständigen nicht, seine Feststellungen nachvollziehbar zu belegen. Er gehe auf die Kritik zum Stand der medizinischen Wissenschaft nicht ein, stelle Tatsachen wiederum falsch dar, zitiere Befunde unvollständig und fehlerhaft und berücksichtige Befunde nicht, die den eigenen Feststellungen widersprechen würden. Auf offensichtliche Widersprüche und Mängel in Vorbefunden mache er nicht aufmerksam. Dies erfülle nicht die Mindeststandards an ein medizinisches Sachverständigengutachten (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 14.01.2005 - 2 BvR 983/04 -).
Die Angaben des Klägers im Anamnesefragebogen zu seinen Schmerzen und die im Gutachten auf Seite 41 erwähnten starken Rückenschmerzen stünden einer pharmazeutischen Tätigkeit entgegen. Warum diese Angaben nicht von den medizinischen Diagnosen aus den Vorbefunden getragen sein sollten und eine pharmazeutischen Tätigkeit möglich sein sollte, erklärt der Sachverständige nicht. Es sei auch nicht erkennbar, dass sich der Sachverständige mit dem speziellen Berufsbild des Apothekers auseinandergesetzt habe. Der Sachverständige stelle in Abrede, dass der Kläger unter Schmerzen leide. Damit umgehe er Ausführungen zu den wichtigen Wechselwirkungen zwischen der Depression und den Schmerzen des Klägers.
Die Aussage, dass der Kläger aktive Bewegungen der Halswirbelsäule in Schmerzen vermieden habe, finde sich nicht im Gutachten von Dr. AY. und Dr. U.. Die Neutral-0-Methode belege nur eine geringfügige Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Eindeutig pathologisch seien dagegen die Werte der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule. Da Dr. U. keine Messwerte dokumentiert habe, sei der Bewegungsumfang der Halswirbelsäule im Liegen bei einer passiven Bewegung nicht nachvollziehbar. Hierauf hätte der Sachverständige hinweisen müssen.
Die von Prof. Dr. AB. festgestellten erheblichen Schmerzzustände mit entsprechenden Bewegungseinschränkungen beruhten auf den Feststellungen im Gutachten von Dr. T. und Dr. U.. Der Sachverständige versuche den Eindruck zu erwecken, der Kläger mache Schmerzen geltend, die keine körperlichen Ursachen hätten. Die vorhandenen Versteifungen würden sogar verschleiert. Weder Dr. T. und Dr. U. noch der gerichtliche Sachverständige erklärten den festgestellten Morbus Forestier laienverständlich in ihren Gutachten. Nur mit derartigen Erläuterungen und den Normwerten des Messbogens nach der Neutral-0-Methode sei es dem Gericht möglich, sich ein Bild von den Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zu machen. Das Gutachten von Dr. T. und Dr. U. sei auch deshalb fehlerhaft, weil es wichtige Tatsachen nicht vollständig und klar darlege, Normwerten fehlten und Diagnosen nicht laienverständlich erläutert. Dies hätte der Sachverständige erkennen und das Gericht darauf hinweisen müssen. Da dies fehlt, sei die Aussage auf Seite 44 der zweiten ergänzenden Stellungnahme falsch.
Auch auf die erheblichen Mängel des Gutachtens von Dr. V. (keine wesentliche Veränderung bezüglich des aktuellen Gesundheitszustandes aus psychiatrischer Sicht, Quellenangaben fehlten, falsche und unvollkommene Sachverhaltsdarstellung, extreme private Belastungssituation nicht berücksichtigt, Widerspruch bezüglich beruflicher Leistungsfähigkeit) hätte der Sachverständige eingehen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei das Sachverständigengutachten auch deshalb nicht verwertbar.
Obwohl der Sachverständige eine Bluthochdrucktherapie erfasst habe, habe er eine Überprüfung des Blutdruckes unterlassen. Zudem habe er eine akute Knieschwellung übersehen. Einige neurologische Untersuchungen seien nicht reproduzierbar. Die Blutspiegelmessung sei unsachgemäß ausgeführt worden.
Die Diagnostik von Prof. Dr. AF. zur PTBS beschränke sich auf eine einzige Frage, nämlich, welches Trauma der Kläger erlebt habe. Bei der Antwort des Klägers hake er nicht nach und frage nicht aktiv relevante Kriterien ab. Hätte der Sachverständige dies getan, hätte der Kläger hierzu Angaben machen können.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Januar 2015 und des Bescheides vom 28. Januar 2010 zu verpflichten, ihm ab dem 1. April 2009 eine Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen,
hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Januar 2015 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Juni 2012 eine Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, dass die Klage mit Blick auf den Hauptantrag, eine Berufsunfähigkeitsrente bereits ab dem 01.04.2009 zu erhalten, unzulässig sei. Dies sei bereits Gegenstand des früheren verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gewesen. Zudem fehle dem Kläger das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Soweit er eine Neufeststellung nach § 35 ASO begehre, lägen die Voraussetzungen nicht vor. Die Ablehnung einer Berufsunfähigkeitsrente mit Bescheid vom 28.01.2010 sei zu Recht erfolgt. Dies habe das erkennende Gericht in seiner Entscheidung vom 08.04.2011 (6 A 163/10) bestätigt und festgestellt, dass der Kläger für die Zeit vor dem 01.11.2010 keinen Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente habe, weil er seine pharmazeutische Tätigkeit nicht eingestellt habe. Diese Entscheidung sei vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht bestätigt worden.
Daher habe sie den Antrag als neuen Antrag auf Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente ab Juni 2012 gewertet. Bei der Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente handele es sich um einen Dauerverwaltungsakt, weswegen die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit während des gesamten Rentenbezuges vorliegen müssten. Dabei liege eine Berufsunfähigkeit erst dann vor, wenn auch zumutbare Ausweichtätigkeiten vor dem Hintergrund des jeweiligen Gesundheitszustandes nicht mehr möglich seien. Bei dem Kläger sei dies weder seit dem 01.04.2009 noch seit dem 01.06.2012 der Fall. Eine unbedeutende Resterwerbsfähigkeit liege bei dem Kläger ebenfalls nicht vor. Die eingeholten Gutachten belegten, dass der Kläger ungeachtet seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch einer pharmazeutischen Tätigkeit nachgehen könne. Obgleich beide Gutachter eine depressive Erkrankung bestätigten, habe eine Chronifizierung der Depression mit einem mittelschweren bis schweren Verlauf nicht diagnostiziert werden können.
Die Kritik des Klägers an den Gutachten überzeuge nicht. Daher sehe sie keinen Anlass einer erneuten Begutachtung. Unzutreffend sei der Einwand, Dr. V. habe die emotionale Verstimmung beim Kläger pauschal negiert und bei seiner Begutachtung ignoriert. Dr. V. habe bei der Befunderhebung auch Auffälligkeiten im Hinblick auf die affektive Befindlichkeit und das Kommunikationsverhalten des Klägers festgestellt. Allerdings habe Dr. V. eine Beeinträchtigung der Antriebsfunktion in vitaler Tiefe nicht feststellen können. Aus seiner Sicht habe es keine Anzeichen einer durchgehenden psychomotorischen Hemmung oder Anhedonie im Sinne eines somatisch-depressiven Komplexes gegeben. Auch hinsichtlich dieses Befundes stimme Dr. V. mit Dr. O. überein. In seiner ergänzenden Stellungnahme im Rahmen des Anhörungsverfahren habe Dr. V. den attestierten Schweregrad der depressiven Erkrankung plausibel untermauert. Von einer depressiven Störung mit leichter Aktivitätsbeeinträchtigung sei dann auszugehen, wenn die wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens unter Einschluss der Berufstätigkeit ausgeübt werden können, allerdings oft auf einem eingeschränkten Niveau. Dagegen sei eine schwer ausgeprägt depressive Symptomatik mit einer Beeinträchtigung des quantitativen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbunden, wobei nicht einmal mehr eine regelmäßige Erwerbstätigkeit von drei Stunden möglich sei. Die Biografie des Klägers belege, dass er ungeachtet gewisser Störungen, seinen beruflichen Lebensweg konsequent und erfolgreich beschritten habe. Seine Apotheke habe er über knapp 22 Jahre erfolgreich geführt. Allein das schlechte Ergebnis der Besichtigung seiner Apotheke in 2004 belege nicht, dass er dauerhaft krankheitsbedingt Schwierigkeiten mit den organisatorischen Aufgaben der Apothekenführung gehabt habe.
Das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. V. entspreche dem Standard der heutigen psychiatrischen Gutachtenpraxis. Er stelle zunächst eine differenzierte psychisch-psychopathologischer Kundgebung dar. Er beschreibe das Querschnittsbild der seelischen Verfassung des Klägers ausführlich und setze Fremd- und Selbstbeurteilung miteinander in Bezug. Aus der zusammenfassenden Bewertung der Symptome und der Beobachtungen lasse sich die Diagnose nachvollziehbar ableiten. Der Gutachter greife dabei auf die international anerkannten Klassifikationssysteme zurück und habe sich sowohl mit den vom Kläger eingereichten ärztlichen Befunden und Gutachten als auch mit den Vorgutachten der Beklagten auseinandergesetzt. Im Rahmen der ergänzenden Stellungnahme im Anhörungsverfahren habe er sich zudem ausführlich mit der Diagnose PTBS und den zu Grunde liegenden Gutachten auseinandergesetzt.
Dass Dr. V. den Tod des Schwiegervaters des Klägers hinsichtlich der aus Sicht des Klägers einhergehenden größeren psychischen Belastung nicht hinreichend gewürdigt habe, sei nicht widersprüchlich. Obgleich der Gutachter diesem Umstand keine herausragende Bedeutung beigemessen habe, habe er in Übereinstimmung mit Dr. O. Auffälligkeiten des Klägers in Bezug auf seine affektive Befindlichkeit, seine erhöhte Erschöpfbarkeit und emotionale Belastungssituation festgestellt.
Dass es sich beim Kläger um einen psychisch schwer kranken Menschen handele, treffe nicht zu und habe im Übrigen auch Prof. Dr. AB. nicht festgestellt. Vielmehr habe er eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Unstreitig seien im Zusammenhang mit der ADHS-Störung depressive Symptome vorhanden. Streitig sei indessen der Grad der Schwereeinteilung der depressiven Erkrankung. Es stehe gerade nicht fest, dass der Kläger an einer rezidivierenden Depression mit schwerem bis mittelschweren Verlauf leide. Dies attestierten weder Dr. O. noch Dr. V.. Letzterer bescheinige vielmehr eine rezidiverend-depressive leichte Episode, die er in Anwendung der internationalen Klassifikationskriterien zutreffend mit F 32 verschlüsselt habe.
Die Ausführungen der Gutachter zur Schweregradeinteilung der depressiven Erkrankung überzeugten. Substantiierte Ausführungen für eine chronifizierte Depression im mittelschweren bis schweren Verlauf habe der Kläger nicht gemacht. Dies gelte insbesondere für die Ausführungen von Prof. Dr. AB.. Dessen Ergebnis, der Kläger sei absolut nicht in der Lage den verantwortungsvollen Beruf eines Apothekers auszufüllen, werde nicht nachvollziehbar hergeleitet. Soweit er beim Kläger erhebliche psychopathologischer Auffälligkeiten anhand objektiver Kriterien festgestellt haben wolle, bleibe er die Benennung dieser Kriterien schuldig.
Auch die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode von Dr. Y. in der Bescheinigung vom 04.07.2013 sei nicht überzeugend. Aufgrund des kurzen Untersuchungszeitraums habe eine depressive Symptomatik nicht aufgeklärt werden können, wie sich bereits aus der Bescheinigung selbst ergebe. Dass der Kläger nach einer etwa neunwöchigen psychosomatischen Krankenhausbehandlung Anfang März 2013 arbeitsunfähig aus der Klinik entlassen worden sei, sage nichts darüber aus, dass der Kläger im satzungsrechtlichen Sinne berufsunfähig sei. Die Beklagte macht zudem Ausführungen zur PTBS, Traumafolgestörung sowie zur ADHS.
Auch Dr. T. und Dr. U. hätten eine Berufsunfähigkeit nicht festgestellt. Die Gutachter hätten in der Muskulatur entlang der Wirbelsäule einen erhöhten Muskeltonus festgestellt. Die Verwachsungen im Bereich der Brustwirbelsäule seien typische Veränderungen infolge des Morbus Forestier. Die Bewertungen würden sich insoweit nicht in der Befunderhebung unterscheiden, sondern lediglich in den Schlussfolgerungen aus den körperlichen Beeinträchtigungen im Hinblick auf die Berufsunfähigkeit als Apotheker. Diese habe der Kläger bislang nicht substantiiert entkräftet. Schwere Lasten müsse der Kläger weder als selbstständiger Apotheker noch als angestellter Apotheker oder in anderen pharmazeutischen Berufsfeldern, der Verwaltung, der Industrie und anderorts, heben. Längeres Sitzen sei diesen Tätigkeitsfeldern ebenfalls nicht durchgängig immanent. Vielmehr könne zwischen gehen, stehen und sitzen gewechselt werden. Eine solche Abwechslung habe der Kläger vor allem in selbstständiger Stellung.
Soweit der Kläger den Gutachtern Dr. T. und Dr. U. mangelnde Sorgfalt vorwerfe, sei dies nicht nachvollziehbar. Auf Grundlage ihrer klinischen und radiologischen Untersuchung des Klägers sowie in Kenntnis der Vorgutachten hätten die Gutachter Morbus Forestier diagnostiziert. Die Funktionseinschränkungen seien aber nicht so gravierend, dass der Kläger seiner beruflichen Tätigkeit als Apotheker nicht mehr nachgehen könne. Dass sich die Gutachter nicht erkennbar mit dem orthopädischen Gutachten von Dr. M. auseinandergesetzt hätten, sei nicht zu beanstanden. Denn dies sei nicht Gegenstand des Gutachterauftrages gewesen. Dass sich die Gutachter weiter nicht mit den eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten mit Schmerzmitteln aufgrund der Niereninsuffizienz auseinandergesetzt hätten, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Aufgrund der vom Kläger bei der klinischen Untersuchung geschilderten Beschwerden habe sich eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Frage nicht aufgedrängt. Im Übrigen gebe es vielfältige Möglichkeiten der Schmerztherapie, die ungeachtet der Niereninsuffizienz auch auf den Kläger anwendbar seien. Die Gutachter Dr. T. und Dr. U. seien nicht auch auf psychiatrische Faktoren eingegangen, weil ihnen die parallele Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet bekannt gewesen sei. Zu Recht hätten sie sich auf ihre Fachkompetenz und den Gutachterauftrag beschränkt.
Ein Rückblick auf das nunmehr seit April 2009 anhaltende Verfahren bestätige, dass das Beschwerdebild vom Kläger zunehmend komplexer geschildert und Ärzte diverser Fachrichtungen aufgesucht wurden, um die behauptete Berufsunfähigkeit zu begründen.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 27.08.2019 hat der Kläger die Verzögerung des Gerichtsverfahrens gerügt. Diese sei dadurch eingetreten, dass durch eine mangelhafte Leitung des Sachverständigen ein nicht rechtskonformes Gutachten erstellt worden sei. Eine Verzögerung habe sich außerdem dadurch ergeben, dass das Gericht den vom Kläger aufgezeigten Widersprüchen nicht nachgegangen sei (unter anderem: Originalfragebogen SCL-90, Begleitumstände zu den Proben). Außerdem hat der Kläger gerügt, dass das Gericht seiner Amtsermittlung hinsichtlich der Vorlage des Originalfragebogens nicht nachgekommen sei, deren Vorlage ihm mit Blick auf sein rechtliches Gehör zustehe. Ohne die Originalurkunde könne weder ein Abgleich mit der Kopie noch der Nachweis einer Urkundenfälschung erfolgen und auch eine eventuelle Verleumdungsklage gegen den Sachverständigen nicht gewonnen werden.
Den Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht AZ. vom 18.11.2019 wies das Gericht mit Beschluss vom 28.02.2020 zurück, den weiteren Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 18.03.2020 und einen dritten Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 25.05.2020. Den Befangenheitsantrag des Klägers gegen die Richterin BA. vom 19.11.2019 wies das Gericht mit Beschluss vom 06.03.2020 zurück. Die Anhörungsrügen des Klägers vom 11.03.2020 hat die Kammer mit Beschluss vom 12.03.2020 als unzulässig verworfen.
Hinsichtlich des Inhalts der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2020 wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Den Antrag des Klägers auf Berichtigung des Protokolls vom 29.03.2020 hat das Gericht mit Beschluss vom 17.04.2020 abgelehnt. Den in der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2020 vorgeschlagenen Rahmenbedingungen für eine außergerichtliche Einigung der Beteiligten hat der Kläger mit Schreiben vom 18.04.2020 nicht zugestimmt. Hinsichtlich des Inhalts der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2020 wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakten A bis C und 004) und die beigezogenen Akten aus dem Verfahren 6 A 163/10 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Ob der Hauptantrag des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 28.01.2010 und 23.01.2015 zu verpflichten, ihm bereits ab dem 01.04.2009 eine Berufsunfähigkeitsrente zu bewilligen, zulässig ist oder ihm die Rechtskraft des Urteils des Gerichts vom 08.04.2011 (6 A 163/10) entgegensteht, weil eine abweichende Entscheidung nicht möglich ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn der Hauptantrag ist wie auch der Hilfsantrag, dem Kläger ab dem 01.06.2012 eine Berufsunfähigkeitsrente zu bewilligen, jedenfalls unbegründet.
Die Bescheide vom 28.01.2010 und 23.01.2015, mit denen die Beklagte die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente ab dem 01.04.2009 beziehungsweise ab dem 01.06.2012 abgelehnt hat, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat weder ab dem 01.04.2009 noch ab dem 01.06.2012 einen Anspruch auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente (§ 113 Absatz 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
I. Für die Prüfung der auf Rentengewährung gerichteten Verpflichtungsklage ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Vorliegend wird die Rentengewährung allerdings für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt. Die Rentenvoraussetzungen müssen in dem gesamten Zeitraum vorgelegen haben. Dementsprechend sind die seinerzeit geltenden Leistungsvoraussetzungen zu Grunde zu legen. Weiter sind die seinerzeit vorliegenden Tatsachen, insbesondere der damalige Gesundheitszustand des Klägers, maßgeblich. Wie die Tatsachenlage seinerzeit beschaffen war, ist im Verwaltungsprozess mit den Beweismitteln aufzuklären, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zur Verfügung stehen (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, B. v. 26.04.2019 - 8 LB 12/17 -, juris Rn. 25 und 37).
II. Dies zu Grunde gelegt, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeit beim Kläger nicht vor.
1. Berufsunfähigkeit setzt voraus, dass der Apothekerberuf nicht mehr ausgeübt werden kann. Was konkret hierunter zu verstehen ist, unter welchen Voraussetzungen eine Berufsunfähigkeit vorliegt, welchen Grad sie erreichen muss und ob und in welchem Umfang eine Verweisung auf andere Tätigkeiten zulässig ist, beurteilt sich allein nach dem jeweils geltenden Landesrecht (BVerwG, B. v. 07.06.1996 - 1 B 127/95 -, juris, Rn. 5). Dies betrifft in Niedersachsen die Alterssicherungsordnung der Apothekerversorgung Niedersachsen (ASO) in der Fassung vom 10.12.2009 (Hauptantrag) beziehungsweise in der Fassung vom 08.12.2011 (Hilfsantrag).
Gemäß § 15 Absatz 1 Buchstabe b in Verbindung mit § 17 Absatz 1 Satz 1 und 2 ASO - sowohl in der Fassung vom 10.12.2009 als auch in der Fassung vom 08.12.2011 - erhält jedes Mitglied der Apothekerversorgung, das mindestens für einen Monat eine Versorgungsabgabe geleistet hat und das infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Apothekerberufs unfähig ist und deshalb seine gesamte pharmazeutische Tätigkeit einstellt, auf Antrag eine Berufsunfähigkeitsrente, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 90 Tage dauert. Die Rentenzahlung beginnt mit dem Monat der Antragstellung. Nach § 17 Absatz 1 Satz 4 ASO gilt die pharmazeutische Tätigkeit nicht als eingestellt, solange die Apotheke durch einen Vertreter geführt wird oder Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht.
2. Daran gemessen liegen die Voraussetzungen für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 01.11.2010 schon deshalb nicht vor, weil der Kläger seine gesamte pharmazeutische Tätigkeit nicht eingestellt hat. Er war bis zum 31.10.2010 als (angestellter) Apotheker - wenn auch lediglich im Umfang von vier Stunden zweiwöchentlich - tätig (Urteil des Gerichts vom 08.04.2011 - 6 A 163/10 -).
Selbständig tragend war der Kläger weder ab dem 01.04.2009 noch ab dem 01.06.2012 infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Apothekerberufs unfähig. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger nicht mehr über ein Restleistungsvermögen verfügt, mit dem er eine Tätigkeit ausüben kann, die dem Beruf eines Apothekers entspricht (a). Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, dass eine noch leistbare Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden ist und diese Tätigkeit von dem Kläger nicht in dem erforderlichen Mindestumfang ausgeübt werden kann (b).
a) Der Kläger vermochte das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass er eine Tätigkeit, die dem Berufsbild eines Apothekers entspricht, nicht mehr ausüben kann. Dass der Kläger in der Vergangenheit eine eigene Apotheke betrieben hat und aus den Gutachten teilweise hervorgeht, dass er zu einer solchen Tätigkeit nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in der Lage ist, rechtfertigt nicht die Annahme einer Berufsunfähigkeit. Denn versichert ist nicht das Risiko, die zeitlich vor der Erkrankung konkret wahrgenommene Tätigkeit nicht beibehalten zu können, sondern das Risiko, den Apothekerberuf als solchen nicht mehr ausüben zu können (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, B. v. 26.04.2019 - 8 LB 12/17 -, juris zur Berufsunfähigkeit eines Rechtsanwalts; Urt. v. 26.4.2007 - 8 LB 212/05 -, juris Rn. 32 zur Berufsunfähigkeit eines Arztes). Dem entspricht § 17 Absatz 1 Satz 1 ASO, der auf die Einstellung der gesamten pharmazeutischen Tätigkeit abstellt und nicht auf die Einstellung der Tätigkeit eines selbständigen oder angestellten Apothekers, wie sie der Kläger zuvor ausgeübt hatte.
Außerdem ist eine Berufsunfähigkeit nicht schon dann gegeben, wenn die in der Vergangenheit ausgeübte Tätigkeit als selbständiger Apotheker aus gesundheitlichen Gründen nicht in der gewohnten Art und Weise fortgesetzt werden kann. Der Kläger muss sich darauf verweisen lassen, den Betrieb der Apotheke anders zu organisieren, wenn er bisher selbst vorgenommene Arbeiten nicht oder nicht mehr in dem bisherigen Umfang selbst erledigen kann. Die Grenze ist erst erreicht, wenn der Kläger nur noch solche Arbeiten verrichten könnte, die bei einer Gesamtschau nicht mehr als eine dem Berufsbild des Apothekers entsprechende Tätigkeit anzusehen wäre. Darüber hinaus muss sich der Kläger auch auf eine Tätigkeit als angestellter Apotheker verweisen lassen, und zwar nicht nur in einer öffentlichen Apotheke, sondern auch in anderen Tätigkeitsbereichen, in denen Apotheker ihren Beruf ausüben (VG München, Urt. v. 12.11.2009 - M 12 K 08.3040 -, juris Rn. 29). Darunter ist nach § 2 Absatz 3 BApO die Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" zu verstehen. Dabei umfassen pharmazeutische Tätigkeiten insbesondere:
1. Herstellung der Darreichungsform von Arzneimitteln,
2. Arzneimittelforschung, Entwicklung, Herstellung, Prüfung von Arzneimitteln, Tätigkeiten in der Arzneimittelzulassung, Pharmakovigilanz und Risikoabwehr in der pharmazeutischen Industrie,
3. Arzneimittelprüfung in einem Laboratorium für die Prüfung von Arzneimitteln,
4. Lagerung, Qualitätserhaltung und Vertrieb von Arzneimitteln auf der Großhandelsstufe,
5. Bevorratung, Herstellung, Prüfung, Lagerung, Vertrieb und Abgabe von unbedenklichen und wirksamen Arzneimitteln der erforderlichen Qualität in der Öffentlichkeit zugänglichen Apotheken,
6. Herstellung, Prüfung, Lagerung und Abgabe von unbedenklichen und wirksamen Arzneimitteln der erforderlichen Qualität in Krankenhäusern,
7. Information und Beratung über Arzneimittel als solche, einschließlich ihrer angemessenen Verwendung,
8. Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen an die zuständigen Behörden,
9. personalisierte Unterstützung von Patienten bei Selbstmedikation,
10. Beiträge zu örtlichen oder landesweiten gesundheitsbezogenen Kampagnen,
11. Tätigkeiten im Arzneimittel-, Apotheken- und Medizinproduktewesen der öffentlichen Gesundheitsverwaltung in Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie in Körperschaften des öffentlichen Rechts und in Berufs- und Fachverbänden,
12. Tätigkeiten in Lehre und Forschung an Universitäten sowie in der Lehre an Lehranstalten und Berufsschulen in pharmazeutischen Fachgebieten.
Die im ersten Gerichtsverfahren vorgelegenen fachärztlichen Gutachten und die im Laufe dieses Verfahrens eingereichten fachärztlichen Gutachten belegen nicht, dass der Kläger gar keiner pharmazeutischen Tätigkeit mehr nachgehen kann. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil insoweit der Kläger nach den allgemeinen Beweisregeln die Darlegungs- und Beweislast trägt. Denn das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit ist für ihn positiv, weil er daraus Ansprüche auf die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente herleitet. Der Kläger hat diesen Nachweis nicht erbracht, weil keines der dem Gericht vorliegenden ärztlichen Gutachten eine Berufsunfähigkeit belegt. Das Gericht ist aufgrund der fachärztlichen Gutachten davon überzeugt, dass beim Kläger gesundheitliche Einschränkungen vorliegen. Der Kläger vermochte das Gericht jedoch nicht davon zu überzeugen, dass seine gesundheitlichen Einschränkungen zu einem Ausschluss von jedweden pharmazeutischen Tätigkeiten führen, der Kläger also abgesehen von einer Resterwerbsfähigkeit nicht in der Lage ist, seinen Beruf überhaupt auszuüben.
So kann den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers nach den von der Beklagten eingeholten orthopädischen Gutachten mit einem Wechsel von sitzenden und stehenden Tätigkeiten entgegengewirkt werden. Schwere Lasten muss der Kläger bei pharmazeutischen Tätigkeiten in der Regel nicht heben. Dr. M. legt in seinem Gutachten vom 25.06.2009 nachvollziehbar dar, dass dem Kläger in anderen pharmazeutischen Berufsbereichen - z. B. aufsichtsführend, administrativ oder auch beratend - ohne Schaden für die Gesundheit eine ganztägige Tätigkeit zugemutet werden könne. Selbst die selbstständige Apothekertätigkeit könne aus orthopädischer Sicht noch halbtags ausgeübt werden. Diese Einschätzung bestätigen Dr. T. und Dr. U. in ihrem Gutachten vom 13.06.2013. Danach sei dem Kläger eine Tätigkeit als selbständiger Apotheker halbtags möglich, solange keine schwere körperliche Arbeit und keine vorbeugende Arbeit ausgeführt und keine Zwangshaltung eingenommen werden. Behinderungen würden bei ständigem mittelschweren und schweren Arbeiten, beim Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in körperlichen Zwangshaltungen und belastenden Rumpf-Beuge-Haltungen, gehäuften Überkopfarbeiten, Arbeiten in Armvorhalte, im Knien oder Hocken, auf Leitern, Gerüsten und unebenen Böden bestehen. In anderen pharmazeutischen Berufen sei dagegen eine ganztägige Tätigkeit möglich. Möglich seien leichte und mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung überwiegend sitzend und in geschlossen Räumen.
Die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten von Dr. T. und Dr. U. überzeugen nicht. Die Gutachter legen den Hergang der Untersuchung und ihre daraus abgeleiteten Einschätzungen in Bezug auf den Gesundheitszustand des Klägers aus orthopädischer Sicht nachvollziehbar dar. Insbesondere führen sie plausibel aus, dass der Kläger in allen Abschnitten der Wirbelsäule eine erhebliche Bewegungseinschränkung demonstriert habe, wobei die segmentale Funktionsprüfung der Halswirbelsäule eine solche Funktionseinschränkung nicht nachvollziehbar gemacht habe. Soweit der Kläger vorträgt, die Gutachten würden nicht zur Kenntnis nehmen, dass die komplette Versteifung der Brustwirbelsäule zu starken funktionellen Einschränkungen führe, ist dem entgegenzuhalten, dass bei der passiven Funktionsprüfung freie Bewegungsausschläge in allen Ebenen erreicht worden sind, ohne dass es zu einer Beschwerdeangabe seitens des Klägers gekommen ist. Mit Blick auf die zu Grunde gelegten Röntgenbilder sind die Gutachter zu der Einschätzung gelangt, dass im Bereich der Brustwirbelsäule typische Veränderungen eines Morbus Forrestier bestünden, unter anderem Verwachsungen. Die am Untersuchungstag angefertigten Röntgenaufnahmen ließen eine verstärkte Kyphose in der oberen BWS-Hälfte erkennen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule zeigten die Röntgenaufnahmen insbesondere eine Höhenminderung zweier Segmente. Dass die Gutachter auf psychiatrische Faktoren nicht eingehen, ist nicht zu beanstanden. Denn für diesen Bereich hat die Beklagte ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben. Zu den weiteren Kritikpunkten des Klägers haben die Gutachter am 25.09.2014 ergänzend Stellung genommen. In dieser haben sie nachvollziehbar dargelegt, warum die passive Funktionsprüfung der Halswirbelsäule im Liegen erfolgt ist. Soweit der Kläger vorträgt, die Gutachter würden übersehen, dass am Untersuchungstag auch im Nackenbereich Muskelverspannungen vorhanden gewesen seien, was Dr. V. bestätige, legen die Gutachter schlüssig dar, dass diesbezüglich unterschiedliche Bereiche von Dr. V. und den Gutachtern untersucht worden sind. Zudem hätte Dr. V. "mäßige Verspannungen" festgestellt und die Gutachter einen "erhöhten Muskeltonus".
Die psychiatrischen Gutachten legen zwar ebenfalls Einschränkungen beim Kläger nahe, wobei insbesondere dahingestellt sein kann, ob es sich hierbei um eine Form der Depression oder um eine Dysthymia handelt. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass diese - auch in Kombination mit den anderen Erkrankungen des Klägers - zu einem vollständigen und nicht nur vorübergehenden Ausschluss jedweder pharmazeutischen Tätigkeiten ohne nennenswerte Resterwerbsfähigkeit führt. Zum Gutachten von Dr. med. O. hat das Gericht hat in seinem Urteil vom 08.04.2011 (6 A 163/10) Folgendes ausgeführt:
Auch unter Berücksichtigung der psychischen Einschränkungen ergibt sich kein anderes Bild. Die Gutachterin Dr. med. O. hat umfangreich und nachvollziehbar geprüft, ob bei dem Kläger eine Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vorliegt. Sie kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Kriterien einer Hyperaktivität und Impulsivität weder in der Biografie noch aktuell nachweisbar seien. Auch eine Aufmerksamkeits-Defizit-Störung ohne Hyperaktivität sei eher unwahrscheinlich. Vielmehr liege derzeit eine Aufmerksamkeitsstörung, teilremittiert, mit im Vordergrund affektiv-depressiven Symptomen vor. Diese könnten mit psychopharmakologischer und eventuell ergänzender antidepressiver Behandlung in Kombination mit einer konsequenten regelmäßigen Psychotherapie so behandelt werden, dass der Kläger in der Lage sei, seine berufliche Tätigkeit als Apotheker durchzuführen (vgl. auch § 17 Abs. 4 ASO). Dieses Ergebnis wird durch die vom Kläger vorgelegte ärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. AI. nicht entkräftet. Dieser legt dar, dass die von ihm durchgeführte ADD-Diagnostik unschlüssige Ergebnisse brachte. Nach den Testverfahren TOVA (test of variable attention, vgl. Krause et. al, ADHS im Erwachsenenalter, 3. Auflage, München 2009) und WURS (Wender-Utah-Rating-Scale) ergaben sich die Befunde "unauffällig" bzw. "ADD nicht sicher verifizierbar". Lediglich das Testverfahren Brown ADD Scales (vgl. Krause et. al, ADHS im Erwachsenenalter, aaO, S. 103) gelangte zu dem Ergebnis "eindeutiges ADD". Prof. Dr. F. berichtet (wie auch der Kläger, vgl. Bl. 165 GA) von Verbesserungen nach medikamentöser Einstellung des Klägers. Die fehlende sichere diagnostische Feststellung von ADS steht in einem starken Kontrast zu der von der Gutachterin Dr. med. O. festgestellten klägerischen "Neigung, Probleme, die sich entwickelten, nur von seiner Seite zu interpretieren, nämlich mit der Diagnose ADHS zu begründen" (Bl. 174 f. BA A). Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung stimmt die Kammer mit der Gutachterin Dr. med. O. überein (vgl. Bl. 187 BA A), dass eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Mischtypus (ICD 10: F90.0) bzw. ein vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typus (ICD 10: F90.1) beim Kläger nicht festzustellen ist. Eine Hyperaktivität im Kindesalter wird weder durch die vorgelegten Zeugnisse aus dem ersten Schuljahr noch durch die sonstige klägerische Vita belegt.
Auch eine Aufmerksamkeitsdefizit-Störung ohne Hyperaktivität liegt bei dem Kläger zur Überzeugung der Kammer höchstens teilremittiert vor. Zwar hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung in der freien Rede als relativ fahrig, zum Teil nach Worten und mit der Selbstbeherrschung ringend (vgl. Bl. 103, 149, 152, 157, 171 BA A) dargestellt. Er war jedoch auf Vorhalte und im Zwiegespräch während der gesamten Dauer der mündlichen Verhandlung hochkonzentriert "bei der Sache" (vgl. auch Bl. 172, 187 BA A sowie die wortgleichen Wiederholungen auf Bl. 200 GA; wobei die Kammer die von der Gutachterin Dr. med. O. dargestellten diagnostischen Einschränkungen in besonderen Situationen zur Kenntnis genommen hat, Bl. 189 BA A).
Die Einwände des Klägers insbesondere gegen das Gutachten der Dr. med. O. greifen nicht durch. Deren Einschätzung wird insbesondere nicht durch die ärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. AI. vom 24.06.2010 erschüttert. Vor allem das mehrstündige Explorationsgespräch ging zur Überzeugung der Kammer über eine besondere Zwiegesprächssituation hinaus und war somit eine hinreichende Grundlage zur Bestimmung einer aktuellen Aufmerksamkeitsdefizit-Störung. Frau Dr. med. O. lagen umfangreiche Unterlagen bei der Gutachtenerstellung vor, u.a. das Gutachten des Dr. M. vom 25.06.2009 (vgl. Bl. 143 BA A). Die bestehenden klägerischen Begleiterkrankungen hat die Gutachterin zur Kenntnis genommen (Bl. 178 f. BA A). Der Arztbrief des Dr. med. AM. vom 04.04.2011 ist für die hier interessierende Fragestellung nicht aussagekräftig."
Diese Ausführungen macht sich das Gericht für dieses Verfahren zu eigen.
Das Gutachten von Dr. V. vom 25.09.2013 bestätigt diesen Eindruck. Während der Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf eine wesentliche Störung der kognitiven Flexibilität und Umstellfähigkeit ergeben. Ebenfalls habe es keine Anzeichen einer abnormen Ermüdung oder "Fadenverlierens" gezeigt. Logische Denkfehler, Störungen der Urteilsfähigkeit, Denkverlangsamung oder -hemmung seien ebenfalls nicht erkennbar gewesen. Der Gedankengang sei inhaltlich geordnet gewesen und es hätten sich keine zwanghaften Verhaltensauffälligkeiten gezeigt. Allerdings sei die affektive Befindlichkeit deutlich normabweichend gewesen und zwar im Sinne einer erheblichen Auslenkbarkeit bei emotional besetzten Themen, zum Teil auch bei Themenbereichen mit geringerer Bedeutung. Die Fähigkeit zur Gefühlregulation sei herabgesetzt gewesen. Im Laufe des Gesprächs habe es Zeichen einer erhöhten Erschöpfbarkeit und emotionalen Belastung gegeben, wobei die Stimmungslage insgesamt zum depressiven Pol verschoben gewesen sei. Antrieb und Psychomotorik sei etwas herabgesetzt gewesen. Allerdings hätte sich keine Symptomatik im Sinne eines hyperaktiven Syndroms gezeigt. Insgesamt kam Dr. V. zu der Einschätzung, dass beim Kläger eine ADS vorliegt sowie eine leichtgradig ausgeprägte depressive Störung. Die Erkrankung führe nach Auffassung von Dr. V. aber nicht zur Annahme einer Berufsunfähigkeit. Eine Tätigkeit als selbständiger Apotheker sei für den Kläger nicht mehr möglich. Allerdings bestünden hinsichtlich einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis nur geringe Leistungseinschränkungen.
Die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten von Dr. V. überzeugen nicht. Dr. V. legt im Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme vom 04.09.2014 schlüssig dar, wie er zu seiner Einschätzung kommt. Zuvor benennt er die zu Grunde gelegten Unterlagen und setzt sich insbesondere mit den Stellungnahmen von Dr. O., Prof. Dr. AB. und des Psychologischen Instituts der Universität AA. intensiv auseinander. Ebenfalls plausibel erläutert Dr. V., warum auf testpsychologische Hilfen (insbesondere Fragebögen in Form von Selbstbeurteilungsskalen) verzichtet wurde. Diese seien in der Gutachtensituation grundsätzlich nicht geeignet, den objektiven Schweregrad einer depressiven Symptomatik zu ermitteln. In der ergänzenden Stellungnahme begründet Dr. V. zudem plausibel die Einstufung einer depressiven Störung mit leichter Aktivitätsbeeinträchtigung in Abgrenzung zu einer schwer ausgeprägten Symptomatik. Für letztere fehlten zusätzliche Symptome. Auch die Angaben des Klägers in der Begutachtung zu seiner Tätigkeit als Immobilienbesitzer und in Bezug auf seine Aktivitäten in Portugal hätten nicht für ein vital depressives Störungsbild gesprochen. Ebenfalls im Rahmen der ergänzenden Stellungnahme erläutert Dr. V. schlüssig, warum er eine PTBS verneint hat. Es fehle insoweit an einschlägigen Symptomen. Soweit Prof. Dr. AB. eine PTBS für sehr naheliegend halte, gehe er auf Einzelheiten nicht ein. Eine entsprechende Symptomatik lasse sich auch nicht aus dem Bericht des Psychologischen BB. in AA. entnehmen.
Das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. AF. und Dr. AG. vom 05.09.2016 mit den ergänzenden Stellungnahmen reiht sich in die Einschätzungen der Gutachter der Beklagten ein. Aus Sicht der Sachverständigen seien die Beschwerden des Klägers nicht geeignet, eine Berufsunfähigkeit zu begründen. Der Kläger leide zwar seit Ende der neunziger Jahre an einer Dysthymia, also an einer chronischen depressiven Verstimmung, die je nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden gegenwärtig nicht die Kriterien für eine leichte oder mittelgradige rezidivierende depressive Störung erfülle. Dem Kläger sei es aber gleichwohl möglich, als angestellter Apotheker tätig zu sein. Die bei der Dysthymia vorherrschende Antriebs- und Lustlosigkeit im Alltag sei bei zumutbarer Willensanstrengung überwindbar. Im Bereich der Aufmerksamkeitsleistungen hätten sich zwar Beeinträchtigungen gezeigt, das Ausmaß der kognitiven Funktionsbeeinträchtigungen sei aber als diskret zu beurteilen, alltags- oder berufsrelevante Beeinträchtigung seien daraus nicht abzuleiten.
Ob die Einwendungen des Klägers gegen den Beweisbeschluss vom 26.04.2016, die Existenz des AD. Gutachteninstituts und das gerichtliche Sachverständigengutachten zutreffen, ist ohne Bedeutung. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies lediglich dazu führen, dass das Sachverständigengutachten nicht verwertbar ist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Berufsunfähigkeit des Klägers positiv festgestellt ist. Aus diesem Grund war auch eine Befragung der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung entbehrlich. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 gestellten Beweisanträge waren ebenfalls abzulehnen, weil sie aus demselben Grund unerheblich sind. Das betrifft die Beweisanträge Nummer 1. bis 16. sowie Nummer 20. Diese hat das Gericht abgelehnt, weil die Voraussetzungen für eine weitere Beweiserhebung zu Fragen der Verwertbarkeit des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens nicht gegeben sind. Denn die Tatsachen, die bewiesen werden sollen, sind für die Entscheidung ohne Bedeutung (§ 244 Absatz 3 Satz 3 Nummer 2 der Strafprozessordnung entsprechend).
Einen weiteren vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 gestellten Beweisantrag hat das Gericht ebenfalls abgelehnt. Der Beweisantrag lautete: Urkundenbeweis zu erheben durch die Vorlage des schriftlichen Vertrages, der nach Artikel 28 Absatz 3 und 9 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zwischen dem Gericht und dem im Beweisbeschluss vom 26. April 2016 verpflichteten Gutachterinstitut AD. in G. geschlossen worden sein muss, wobei durch Inaugenscheinnahme der Unterschrift unter diesem Vertrag Beweis erhoben werden soll, dass diese Unterschrift nicht identisch ist mit der Unterschrift, die sich unter dem Gutachten von Prof. Dr. AF. befindet, dass also unterschiedliche Rechtssubjekte die Datenverarbeitung vorgenommen haben. Diesen Beweisantrag hat das Gericht abgelehnt, weil die DSGVO im Jahr 2016 noch nicht in Kraft war. Denn sie ist nach Artikel 99 DSGVO erst mit dem 25.05.2018 in Kraft getreten. Überdies hat das Gericht mit dem AD. Gutachteninstitut keinen Vertrag geschlossen. Vielmehr hat das Gericht das AD. Gutachteninstitut im Rahmen eines Beweisbeschlusses mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 weitere Beweisanträge stellen wollte, hat das Gericht ihn hiermit zurückgewiesen. Nachdem das Gericht über den ersten Beweisantrag entschieden hatte und der Kläger daraufhin weitere Beweisanträge ankündigte, hat das Gericht den Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nunmehr abschließend alle seine Beweisanträge zu stellen habe.
Das Gericht sieht sich - auch im Falle der Unverwertbarkeit des Sachverständigengutachtens - nicht veranlasst, ein weiteres Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, unter welchen Erkrankungen der Kläger leidet und ob diese die Annahme einer Berufsunfähigkeit rechtfertigen. Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 angeboten hat, die Kosten für ein weiteres Gutachten zu übernehmen, ändert daran nichts. Unabhängig davon, ob eine Kostenübernahme zulässig wäre, sieht das Gericht keine Notwendigkeit, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Denn die Einholung drängt sich nicht auf, weil die ernstliche Möglichkeit eines anders gestalteten Geschehens nicht gegeben ist. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass ein weiteres Sachverständigengutachten - anders als die 25 bereits vorliegenden Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen - eine Berufsunfähigkeit des Klägers belegen würde (vgl. Dawin in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 86 Rn. 64). Die gerichtliche Aufklärungspflicht findet dort ihre Grenze, wo das Vorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet (vgl. BVerwG, B. v. 02.02.2018 - 1 WNB 6.17 -, BeckRS 2018, 4859 Rn. 3; Urt. v. 29.06.1999 - 9 C 36/98 -, NVwZ 2000, 81, 82). Zusätzliche Erkenntnisse sind durch ein weiteres Sachverständigengutachten nicht zu erwarten. Allein der Umstand, dass die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen Erkrankungen beim Kläger diagnostizieren, rechtfertigt nicht die Annahme der Möglichkeit, dass ein weiteres Sachverständigengutachten eine Berufsunfähigkeit des Klägers feststellt. Denn das Vorliegen von Erkrankungen führt - wie die 25 dem Gericht vorliegenden Gutachten zeigen - nicht automatisch dazu, dass auch eine Berufsunfähigkeit vorliegt. Dass das Gericht 2016 ein Sachverständigengutachten eingeholt hat, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Denn die Situation ist mit der 2016 nicht vergleichbar. Zum einen zeigt das Verhalten des Klägers gegenüber dem Gericht jedenfalls seit August 2019, dass eine Berufsunfähigkeit nicht vorliegt. Zum anderen legt kein Gutachten, das dem Gericht vorliegt, auch nur ansatzweise eine Berufungsunfähigkeit des Klägers nahe.
Die von der Beklagten eingeholten Gutachten verneinen eine Berufsunfähigkeit des Klägers. Die vom Kläger eingereichten ärztlichen Stellungnahmen und Atteste enthalten überwiegend keine Ausführungen zur Berufsunfähigkeit: Einige ärztliche Stellungnahmen enthalten lediglich Diagnosen (ärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. AI., Dr. R., Dr. BC., BD., Dr. BE., Dr. BF., Dr. Y., Dr. AK.). Allein der Umstand, dass bei dem Kläger Erkrankungen diagnostiziert worden sind, vermag eine Berufsunfähigkeit nicht zu begründen. Daher ist es unerheblich, dass die Umstände, die Gegenstand der in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 vom Kläger gestellten Beweisanträge Nummer 17. bis 19. waren (Nummer 17: nach dem Stand der Wissenschaft könnten mittelschwere depressive Episoden auch länger als zwei Jahre dauern, Nummer 18: Aufmerksamkeit sei bei ADHS nicht immer willentlich steuerbar und dass beim Kläger eine ADHS vorliege, Nummer 19: Vorliegen einer chronifizierten Depression beim Kläger, die die berufliche Leistungsfähigkeit erheblich einschränke), als zutreffend unterstellt werden können.
Die ärztliche Stellungnahme von Dr. AM. beinhaltet lediglich einen Bericht über eine ambulante Behandlung. Der Befundbericht von Dr. BG. besteht aus drei Stichpunkten zu vorläufigen Befunden. Die Stellungnahme des Rechtsmedizinischen Instituts des Universitäts-Klinikums BH. beantwortet lediglich Fragen des Klägers in Bezug auf Laborbefunde und das gerichtliche Sachverständigengutachten. Ausführungen zur Berufsunfähigkeiten enthält keine der Stellungnahmen.
Die ärztlichen Stellungnahmen von Dr. AQ., der E. BI. und von Dipl.-Psych. Z. stellen zwar eine Arbeitsunfähigkeit fest. Unter Arbeitsunfähigkeit ist aber etwas Anderes zu verstehen als unter Berufsunfähigkeit. Die Arbeitsunfähigkeit bezieht sich auf die konkret ausgeübte Tätigkeit des Betroffenen und belegt regelmäßig nur einen vorübergehenden Leistungsausschluss. Arbeitsunfähigkeit bedeutet, dass der Betroffene seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben kann oder nur noch unter akuter Verschlimmerung seines Zustandes. Die Berufsunfähigkeit eines Apothekers bezieht sich dagegen nicht auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, sondern auf pharmazeutische Tätigkeiten insgesamt. Im Unterschied zur Arbeitsunfähigkeit liegt eine Berufsunfähigkeit auch nur vor, wenn pharmazeutische Tätigkeiten dauerhaft, jedenfalls aber für einen längeren Zeitraum nicht mehr ausgeübt werden können.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten von Prof. Dr. AB. vom 30.04.2014. Darin heißt es zwar, dass der Kläger keineswegs geeignet sei, den Beruf des Apothekers auszuüben, gleich in welcher Form. Die dort anschließend zitierten Vorschriften der Berufsordnung zeigen jedoch nicht auf, dass auch andere pharmazeutische Tätigkeiten in die Erwägungen einbezogen worden sind. Vielmehr sprechen die weiteren Ausführungen dafür, dass nur die Tätigkeit eines selbständigen beziehungsweise angestellten Apothekers betrachtet wurde. So heißt es auf Seite 71 unter Nummer 1.: "Schon seit vielen Jahren sieht er sich selbst nicht mehr in der Lage dazu, den Beruf eines Apothekers verantwortungsvoll auszuüben. Letztmals hatte er als solcher - ganztägig - im Jahr 2007 gearbeitet. In den Jahren danach war er in dieser Hinsicht nur stundenweise tätig (...)". Daraus wird deutlich, dass Prof. Dr. AB. den Beruf eines Apothekers auf eine Tätigkeit als selbständiger und angestellter Apotheker bezieht. Denn der Kläger war ausschließlich als selbständiger und angestellter Apotheker tätig. Anderen pharmazeutischen Tätigkeiten ist er nicht nachgegangen. Dafür, dass Prof. Dr. AB. mit dem Beruf des Apothekers die Tätigkeit als selbständiger oder angestellter Apotheker meint, sprechen auch die weiteren Ausführungen unter Nummer 2 auf Seite 71, wo es heißt: "Er hatte seine eigene Apotheke in einem chaotischen Zustand "verlassen" bzw. übergeben." Unter Nummer 3 heißt es: "(...) hatte Herr BJ. uns gegenüber beschrieben, dass er zuletzt nicht mehr in der Lage dazu gewesen ist, seinen eigenen "pharmazeutischen Betrieb" oder auch den, in dem er als Angestellter tätig gewesen war, ordnungsgemäß zu führen." Auf Seite 74 heißt es zudem: "(...) dass er es nicht vermöge, das in einer Apotheke tätige Personal korrekt zu supervidieren (...) dass er dabei nicht mitwirken könne, den Kunden gegenüber Arzneimittelrisiken überzeugend darzustellen." Weiter unten auf der Seite heißt es: "Wenn ein Mensch, der von Beruf Apotheker ist (...)".
Das Gleiche gilt für die fachärztliche Bescheinigung von Dr. J. K. vom 11.07.2007. Danach sei der Kläger für schwere körperliche Arbeit und Belastungen nicht mehr einsetzbar. Im Nachsatz wird ausdrücklich auf die "allein geführte Apotheke" Bezug genommen.
Im psychologischen Privatgutachten von Dipl.-Psych. Z. vom 16.09.2013 wird lediglich eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt und dargelegt, dass der Kläger in keiner Form geeignet sei, seinen Beruf als Apotheker auszufüllen. Dabei geht aus dem Gutachten nicht hervor, welche Definition Dipl.-Psych. Z. dem zu Grunde gelegt hat. Die Formulierung "seinen" Beruf als Apotheker nicht mehr ausfüllen zu können, legt nahe, dass lediglich die konkrete Tätigkeit des Klägers als selbständiger beziehungsweise angestellter Apotheker gemeint ist.
Auch aus der Stellungnahme von Dr. AL. vom 11.07.2016 ergibt sich nichts Anderes. Zwar führt Dr. AL. aus, dass die Anforderungen an die Arbeit als Apotheker vom Kläger nicht zu leisten seien und mittelfristig eine Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit auch nicht zu erwarten sei. Allerdings ist auch hier nicht erkennbar, dass andere pharmazeutische Tätigkeiten einbezogen wurden. Vielmehr heißt es in der Stellungnahme weiter, "(...) dass mittelfristig die Belastbarkeit für die Arbeit im ausgeübten Beruf (...)" nicht gegeben ist (Anmerkung: Hervorhebung durch das Gericht).
Einzig das Gutachten von Dr. AH. vom 31.01.2017 nimmt auch Bezug auf andere pharmazeutische Tätigkeiten, nämlich eine eigenständige sachbearbeitende Tätigkeit, eine unterrichtende Tätigkeit und andere Verweisungstätigkeiten. Der Kläger sei nicht fähig, die eigene Arbeit oder die von Mitarbeitern zu organisieren und Mitarbeiter zu beaufsichtigen. Er könne "nicht konsequent bei einer Sache bleiben, verschiebt das meiste auf morgen und weiter auf unbestimmte Zeit.". Die depressive Komponente wiege so schwer, dass das Leistungsvermögen zeitweise per se aufgehoben sei. Gegen die Einschätzung von Dr. AH., insbesondere zum Ausschluss jedweder pharmazeutischen Tätigkeit, weil der Kläger sich nicht konsequent einer Sache widmen könne, spricht der Umstand, dass der Kläger seit der Entbindung seines Anwalts zahlreiche Schreiben an das Gericht gerichtet hat. Dabei hat er innerhalb weniger Tage diverse mehrseitige Schreiben verfasst. In der Zeit vom 27.08.2019 bis einschließlich zum 26.05.2020 hat der Kläger insgesamt 41 Schreiben mit knapp 145 Seiten an die Kammer, die Präsidentin des Gerichts und die Datenschutzbeauftragte des Gerichts gerichtet. Davon hat er in der Zeit vom 10.11.2019 bis zum 24.11.2019 alleine 10 Schreiben mit knapp 49, in der Zeit vom 07.02.2020 bis zum 05.03.2020 weitere 9 Schreiben mit etwa 25 Seiten und in der Zeit vom 09.03.2020 bis zum 02.04.2020 weitere 12 Schreiben mit etwa 23 Seiten verfasst. Unabhängig davon, ob die Schreiben in der Sache überzeugen, zeigt dies, dass der Kläger körperlich wie geistig in der Lage ist, sich mit unbekannten Sachverhalten intensiv zu befassen, Recherchen anzustellen und in kurzer Zeit mehrseitige Stellungnahmen zu verfassen. Aus diesem Grund vermag das Gericht dem Kläger auch nicht zu folgen, soweit er in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 erklärt hat, seine Aufmerksamkeit zwar fokussieren, aber wegen der ADHS nicht steuern zu können. Dass der Kläger - wie er ebenfalls in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 erklärt hat - pharmazeutische Bücher nicht lesen zu könne, weil diese teilweise langweilig seien, ist kein Beleg dafür, dass der Kläger infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Apothekerberufs unfähig ist. Dies ist auch kein Ausdruck dafür, dass er seine Aufmerksamkeit nicht steuern kann. Denn offensichtlich war es dem Kläger in den letzten neun Monaten möglich, seine Aufmerksamkeit soweit zu steuern, dass er kurzfristig auf gerichtliche Schreiben über mehrere Seiten reagieren konnte und zwar auch zu für ihn fachfremden Themen. Und dass, obwohl - so der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 - das Gerichtsverfahren eine extreme Belastung für ihn darstelle, ihn triggere und viele Ängste bei ihm auslöse. Es ist nicht ersichtlich, warum dem Kläger eine steuerbare Tätigkeit nicht auch im Rahmen eines pharmazeutischen Berufs möglich sein sollte, zumal er dort zusätzlich über Fachwissen verfügt, und davon auszugehen, dass sich die Leistungsfähigkeit des Klägers mit Abschluss des Gerichtsverfahrens erhöhen wird.
Der im schriftlichen Gerichtsverfahren gewonnene Eindruck hat sich in den mündlichen Verhandlungen am 18.03.2020 und 27.05.2020 bestätigt. Der Kläger hat, von 11:07 Uhr bis 13:43 Uhr und von 14:38 Uhr bis 19:56 Uhr, den Gang der mündlichen Verhandlungen aufmerksam verfolgt, sich Notizen gemacht und sich rege an der Erörterung der Sach- und Rechtslage beteiligt. Dass die Beiträge des Klägers dabei erst nach einigem Überlegen erfolgt sind, steht dem nicht entgegen. Denn das Überlegen resultierte nicht daraus, dass es dem Kläger schwergefallen ist, der Verhandlung zu folgen. Vielmehr hat der Kläger die Sach- und Rechtslage in der Denkpause überdacht, um dann eine Stellungnahme abzugeben. Dabei hat der Kläger keinerlei Aufzeichnungen verwendet, sondern seine gesamten Beiträge zu einem bereits fünf Jahre andauernden Gerichtsverfahren und einem über zehnjährigen Verwaltungsverfahren "aus dem Kopf" hergeleitet. Dies zeigt, dass der Kläger auch unter einer - wie er selbst erklärt hat - besonderen Stresssituation wie der mündlichen Verhandlung in der Lage ist, fachfremden Sachverhalten und Erörterungen zu folgen und adhoc auf diese zu reagieren. Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung am 18.03.2020 war es ihm zudem möglich, kurzfristig ein 1,5seitiges Gedächtnisprotokoll von der mündlichen Verhandlung zu erstellen.
Zu dieser Einschätzung sieht sich das Gericht auch ohne Hinzuziehung eines weiteren ärztlichen Sachverstandes in der Lage. Dass der Kläger gegebenenfalls Phasen hat, in denen seine gesundheitlichen Einschränkungen stärker zu Tage treten und er - wie er in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 erklärt hat - nicht immer einsetzbar sei, rechtfertigt genauso wenig die Annahme einer Berufsunfähigkeit wie die Ausführungen von Dr. AH., dass das Leistungsvermögen des Klägers zeitweise per se aufgehoben sei. Denn ein Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente besteht nur bei einer nicht nur vorübergehenden Unfähigkeit der Berufsausübung. Hierfür spricht § 17 Absatz 1 Satz 1 ASO, wonach die Berufsunfähigkeit länger als 90 Tage dauern muss. Darüber hinaus endet die Berufsunfähigkeitsrente mit dem Monat, in dem die Berufsunfähigkeit fortfällt (§ 17 Absatz 3 Buchstabe a ASO).
Bei der Einschätzung von Dr. AH. ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass er den Kläger im Rahmen eines sozialgerichtlichen Verfahrens in Bezug auf den Grad der Behinderung (GdB) untersucht hat und seine Ausführungen darauf gerichtet sind. Die für den GdB relevanten Umstände mögen sich mit denen für die Berufsunfähigkeit teilweise decken. Sie sind gleichwohl nicht vollständig deckungsgleich. Denn der GdB ist nicht nur an dem Berufsfeld des Betroffenen zu messen, sondern bezieht sich auf alle Lebensbereiche, wie § 2 Absatz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zeigt. Danach sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine solche Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Selbst wenn sich die Anforderung an den GdB und die Berufsunfähigkeit decken würden, könnte auch aufgrund des Gutachtens von Dr. AH. eine Berufsunfähigkeit nicht festgestellt werden, weil noch eine nennenswerte Restleistungsfähigkeit bestünde. Dr. AH. hat beim Kläger lediglich Einschränkungen festgestellt, die zu einem GdB von 60 beziehungsweise 70 führen. Einschränkungen, die einen GdB von 100 rechtfertigen, hat Dr. AH. nicht festgestellt.
Aus diesen Gründen ist auch die Feststellung des GdB durch das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie für die Feststellung der Berufsunfähigkeit ohne Bedeutung. Hinzu kommt, dass ein GdB von 50 beim Kläger erst ab dem 01.05.2011 festgestellt wurde und ein GdB von 60 aufgrund des Gutachtens von Dr. AH. rückwirkend erst ab dem 01.08.2014.
b) Dass der Kläger einer pharmazeutischen Tätigkeit gegebenenfalls nicht in dem gewohnten zeitlichen Umfang (Vollzeit) nachgehen werden kann, ist unerheblich. Der Kläger muss sich auf eine zeitlich reduzierte Tätigkeit verweisen lassen, jedenfalls solange dieser noch eine existenzsichernde Funktion zukommt (VG München, Urt. v. 12.11.2009 - M 12 K 08.3040 -, juris Rn. 29). Denn Berufsunfähigkeit liegt selbst dann nicht vor, wenn nur die Hälfte der regulären Arbeitszeit gearbeitet werden kann. Vielmehr muss das Leistungsvermögen vollständig aufgehoben sein (VG Köln, Urt. v. 16.07.2003 - 9 K 478/00 -, juris Rn. 17), ohne dass ein nennenswertes Restleistungsvermögen verbleibt.
Der Tätigkeitszuschnitt, mit dem angesichts des Restleistungsvermögens des Klägers eine Ausübung des Apothekerberufs möglich erscheint, ist in der Berufswirklichkeit tatsächlich und nicht nur theoretisch oder in extremen Ausnahmefällen anzutreffen. So kann der Kläger beispielsweise in folgenden Bereichen tätig sein: der Arzneimittelforschung, Entwicklung, Herstellung, Prüfung von Arzneimitteln, Tätigkeiten in der Arzneimittelzulassung, Pharmakovigilanz und Risikoabwehr in der pharmazeutischen Industrie, in der Arzneimittelprüfung in einem Laboratorium für die Prüfung von Arzneimitteln, im Vertrieb von Arzneimitteln auf der Großhandelsstufe, in der Information und Beratung über Arzneimittel als solche, einschließlich ihrer angemessenen Verwendung, im Arzneimittel-, Apotheken- und Medizinproduktewesen der öffentlichen Gesundheitsverwaltung in Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie in Körperschaften des öffentlichen Rechts und in Berufs- und Fachverbänden sowie in der Lehre und Forschung an Universitäten und Berufsschulen in pharmazeutischen Fachgebieten. Dass dem Kläger der Arbeitsmarkt aufgrund seines Gesundheitszustandes tatsächlich praktisch verschlossen ist, ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger mit seiner Leistungsfähigkeit, die er noch bieten kann, gegebenenfalls schlechte Chancen auf eine Verweisungstätigkeit hat, führt nicht zu seiner Berufsunfähigkeit (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, B. v. 26.04.2019 - 8 LB 12/17 -, juris Rn. 44). Ebenfalls unerheblich ist, wie groß angesichts des Alters des Klägers seine Chancen auf eine Verweisungstätigkeit sind. Denn es ist nicht Aufgabe der Berufsunfähigkeitsrente, diese allgemeinen Lebensrisiken abzudecken (VG München, Urt. v. 12.11.2009 - M 12 K 08.3040 -, juris Rn. 29).
Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die Möglichkeiten einer Berufsausübung beim Kläger krankheitsbedingt so stark eingeschränkt sind, dass der Berufsausübung eine existenzsichernde Funktion nicht mehr zukommt. Dies wäre aber erforderlich, um eine Berufsunfähigkeit anzunehmen. Denn Zweck der Berufsunfähigkeitsrente ist es, den Lebensunterhalt im Falle der Einstellung der pharmazeutischen Tätigkeit aus Krankheitsgründen zu sichern (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, B. v. 26.04.2019 - 8 LB 12/17 -, juris Rn. 45). Hierfür bestehen beim Kläger aber keine Anhaltspunkte. Weder hat der Kläger diesbezüglich etwas vorgetragen noch sprechen die sonstigen Umstände dafür. Gerade bei Tätigkeiten im Berufsfeld eines Apothekers ist aufgrund der erheblichen Anforderungen an die Vorbildung und die wahrzunehmenden Aufgaben zu erwarten, dass der Kläger auch bei reduzierter Arbeitszeit sein Existenzminimum - womit nicht die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards gemeint ist (VG München, Urt. v. 12.11.2009 - M 12 K 08.3040 -, juris Rn. 28) - sichern kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nummer 11, 711 der Zivilprozessordnung. Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Absatz 2 Nummer 3, 4 in Verbindung mit § 124a Absatz 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.