Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 09.10.2014, Az.: 1 A 2388/12

Anspruch eines Landwirts auf Entfernung gewichts- und geschwindigkeitsbegrenzender Verkehrszeichen auf einer an seiner Betriebsstätte gelegenen Straße

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
09.10.2014
Aktenzeichen
1 A 2388/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 26062
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2014:1009.1A2388.12.0A

Tenor:

Die Verkehrszeichen 274-52 StVO (20 km/h) mit Zusatzzeichen 1052-35 StVO (7,5 t) in der F. in G. jeweils an der Einmündung der F. in die H. (in Fahrtrichtung I.), an der Einmündung der J. (in Fahrtrichtung I.), an der Einmündung der J. (in Fahrtrichtung H.) und hinter dem Ortsschild "G." (in Fahrtrichtung H.) werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, diese Verkehrszeichen zu entfernen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten zu je 1/2.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen gewichts- und geschwindigkeitsbegrenzende Verkehrszeichen, mit denen der Beklagte den Verkehr in der F. in G. regelt.

Der Kläger ist Vollerwerbslandwirt in G.. Er bewirtschaftet als Einzelunternehmer Teile seiner Betriebsstätte in der K. in G.. Dieses Grundstück steht in seinem Eigentum. Der Kläger ist Betriebsleiter und Gesellschafter der L. Deren Betriebsstätte liegt an der M. außerhalb des Ortes G.. Die N. hat einen Teil des Grundstückes O. gepachtet. Vier vom Kläger bewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen liegen südöstlich des Ortes G.. Der Kläger bezieht zudem Stroh und Mais von Flächen, die er nicht selbst bewirtschaftet. Diese sind in der Gemarkung I. (im Landkreis P.) und in der Q. belegen. Um diese Flächen mit landwirtschaftlichen Maschinen (Silierwagen, Ladewagen etc.) zu erreichen, befährt der Kläger die F..

An der F. liegen vier landwirtschaftliche Betriebe. Die Straße wurde Mitte der sechziger Jahre nach damaligem Standard ausgebaut (Vermörtelung/Kopfsteinpflaster/bituminöse Überbauung). In den achtziger Jahren widmete die Gemeinde G. sie als Gemeindestraße. Die F. ist auf ihrer gesamten Länge ca. 5 m breit. Sie geht von der Straße R. in südwestlicher Richtung ab. Die Straße R. trägt auf Höhe der Einmündung der F. den Namen "H.". Nach ca. 500 Metern in südwestlicher Richtung mündet die J. in die F.. Die J. ist selbst nördlich der Einmündung F. in die R. direkt mit der R. verbunden. An der J. befindet sich die Grundschule G.. Die F. verläuft in südwestlicher Fahrtrichtung in Richtung I.. Damit liegt sie teilweise im Landkreis P.. Sie ist im weiteren (südwestlichen) Verlauf mit "S." benannt. Ursprünglich waren in der F. das Verkehrszeichen - VZ - 262 (3 t) und das Zusatzzeichen "Wirtschaftsweg" aufgestellt. Zusätzlich waren das Zeichen 253 (Verbot für Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t) mit dem Zusatzzeichen 1004-32 (nach 600 m) und das Zeichen "landwirtschaftlicher Verkehr frei" angebracht.

Am 11. Juli 2007 führte die Gemeinde G. eine Verkehrsschau durch. Hierbei wurden insbesondere die J. und die F. besichtigt. Das Protokoll des Termins hält fest, dass das Zeichen 262 (3 t) und das Zusatzzeichen "Wirtschaftsweg" zu entfernen seien. Das Zeichen 253 (Verbot für Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t) mit dem Zusatzzeichen "landwirtschaftlicher Verkehr frei" sei von dem aktuellen Standort zu entfernen und nach der Einmündung der J. in die F. wieder aufzustellen. An der Einmündung der F. in die R. sowie hinter der Ortstafel "G." (aus Richtung I. kommend) sei das Schild "30-Zone" (Beginn/Ende) aufzustellen.

Der Beklagte prüfte später auf die Anfrage eines Anliegers hin, ob eine weitere Beschilderung der F. erforderlich sei. Hierzu trat er in Kontakt mit der Gemeinde G.. Das Bauamt der Gemeinde G. stellte in einem Aktenvermerk aus dem September 2010 fest, dass sich die F. in "einem guten Zustand mit einer guten Struktur mit leichten Beschädigungen/Versackungen" befinde.

Anwohner der F. gründeten die Bürgerinitiative "Interessengemeinschaft F.". Im Jahr 2011 gingen verschiedene Anträge von Anwohnern bei dem Beklagten ein. Sie beantragten insbesondere Gewichts- und Geschwindigkeitsbegrenzungen für die F.. Die Anträge wurden teilweise damit begründet, dass die in der F. befindlichen Häuser zum großen Teil auf Streifenfundamenten stünden. An diesen Häusern entstünden Schäden durch Erschütterungen des in den vergangenen Jahren zunehmenden Schwerverkehrs. Zudem müssten Fahrzeuge nicht selten auf Fußwege, Grünstreifen oder Hofauffahrten ausweichen, weil die Straße eng sei. Probleme gebe es speziell bei dem Begegnungsverkehr mit breiten landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Bussen. Andere Antragsteller verwiesen darauf, dass auf der F. pro Jahr 4.700 Schwerverkehrsbewegungen stattfänden. Hierzu überreichten sie verschiedene von ihnen erstellte Protokolle über Fahrbewegungen. Erfasst wurden darin an 20 nicht durchgängig aufeinanderfolgenden Tagen Fahrten des klägerischen Betriebes ("Gülle bzw. Silo T."). Lediglich für einen Tag wurden Fahrten anderer Landwirte festgehalten. Die Anwohner führten aus, dass die weiterführende Gemeindeverbindungsstraße in Richtung I. von Seiten des Landkreises P. auf ein zulässiges Gesamtgewicht von 3,5 t begrenzt sei. Die Entfernung der entsprechenden Schilder durch den Beklagten sei unrechtmäßig gewesen, schon weil ein Sachverständiger an der Verkehrsschau, die zur Aufhebung der Beschilderung geführt habe, nicht teilgenommen habe. Tatsächlich weise die Asphaltdecke der F. starke Beschädigungen auf. Auch viele Gullys in der F. seien beschädigt.

Zu diesen Anträgen hörte der Beklagte die Polizeiinspektion U., die Samtgemeinde V. sowie die Gemeinde G. an. Der Kläger wurde zu dem Verwaltungsverfahren hinzugezogen und ebenfalls zu den Anträgen auf Geschwindigkeitsbeschränkung und Gewichtsbeschränkung gehört. Mit Schreiben vom 12. Juli 2011 sprach sich der Kläger gegen die beabsichtigte Beschilderung aus. Er verwies darauf, dass bisher keine belastbare Stellungnahme von sachverständiger Seite dazu vorliege, dass der Schwerlastverkehr Schäden an den Häusern der F. verursache. Dass die Häuser an der Straße, die teilweise weit älter als 100 Jahre seien, vereinzelt Risse aufwiesen, sei nicht ungewöhnlich. Dies könne nicht dem landwirtschaftlichen Verkehr angelastet werden. Dass dieser gelegentlich in den Seitenraum der F., äußerst selten auch auf Fußwege, ausweichen müsse, liege daran, dass einzelne PKW - teilweise sogar absichtlich - dort unter Missachtung der Straßenverkehrsordnung abgestellt würden. Auch die Anzahl der von den Antragstellern behaupteten Schwerlastbewegungen sei für ihn nicht nachvollziehbar. Durch eine Gewichtsbeschränkung werde ein Gemeingebrauch der F. faktisch ausgeschlossen. Eine Zufahrt zu den bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen und damit deren landwirtschaftliche Nutzung sei dann unmöglich. Er weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine andere Erschließungsstraße zu den südöstlich von G. gelegenen Flächen nicht vorhanden sei. Zudem gebe es heutzutage auf den meisten Betrieben schlichtweg keine landwirtschaftlichen Maschinen mehr, die irgendwelche Gewichtsbeschränkungen erfüllen könnten. Die beschränkende Anordnung würde zudem das Übermaßverbot missachten. Die auf der F. aktuell zugelassene Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h würde von dem landwirtschaftlichen Verkehr ohnehin aufgrund der örtlichen Verhältnisse ständig unterschritten. Im Übrigen seien es gerade die landwirtschaftlichen Fahrzeuge, die mit ihrer großen Bereifung zu einer - gemessen an dem zulässigen Höchstgewicht - äußerst geringen Belastung des Straßenkörpers führten.

Die Gemeinde G. befürwortete hinsichtlich der vorgeschlagenen Geschwindigkeitsbegrenzung eine Lösung im Vergleichswege. Sie verwies auf eine angestrebte Vereinbarung zwischen dem Niedersächsischen Landvolk Kreisverband W. e.V. und der Gemeinde G.. Diese Vereinbarung gelangte jedoch nicht zum Abschluss.

Mit Schreiben vom 10. August 2011 äußerte sich der Niedersächsische Landvolk Kreisverband W. e.V. gegenüber dem Beklagten wie folgt: Er weise darauf hin, dass bei einer Gewichtsbeschränkung von 12 t die Ver- und Entsorgungsfahrzeuge zu den landwirtschaftlichen Betrieben die Straße nicht mehr nutzen könnten. Des Weiteren könnten Erntemengen nicht mehr zu den Höfen transportiert werden und es seien Transporte für Gülle und Gärreste nicht mehr möglich. Gegenüber der Samtgemeinde Hagen erklärte das Landvolk: Wesentlich für die Belastung von Straßen und Wegen durch landwirtschaftliche Fahrzeuge sei die gefahrene Geschwindigkeit. So vermindere sich die Gewichtsbelastung von dem Faktor 1,0 auf 0,25, wenn die Geschwindigkeit von 40 km/h auf 20 km/h reduziert werde. Wegen der erheblichen Bedeutung der gefahrenen Geschwindigkeit für die Straßenbelastung hätten andere Gemeinden in dem Landkreis X. Regelungen eingeführt, die insbesondere auf die Reduzierung der Geschwindigkeit abzielten. Im Übrigen sei die Geschwindigkeit kontrollierbar und könne jederzeit auf deren Einhaltung überprüft werden. Eine Gewichtsbeschränkung auf 12 t werde von der Landwirtschaft grundsätzlich abgelehnt. Die auf dem Markt angebotenen Maschinen und Geräte für die Landwirtschaft hätten sich in ihrer Leistungsfähigkeit, aber auch in ihrer Größe verändert.

Unter dem 23. September 2011 erließ der Beklagte gegenüber der Gemeinde G. die folgende Anordnung:

"Einmündung H. (Y.):

- VZ 274-52 StVO (20 km/h) mit Zusatzzeichen 1052-35 (7,5 t)

- VZ 262 StVO (12 t Gesamtgewicht) mit Zusatzzeichen 1020-30 (Anlieger frei) und 1026-32 (Linienverkehr frei),

Einmündung J.:

- VZ 274-52 StVO (20 km/h) Zusatzeichen 1052-35 (7,5 t)

- VZ 262 StVO (3,5 t Gesamtgewicht) mit Zusatzzeichen 1020-30 (Anlieger frei).

Aus der Gegenrichtung in Höhe der Beschilderung 274.1 StVO ebenfalls VZ 274-52 StVO (20 km/h) mit Zusatzzeichen 1052-35 (7,5 t)."

Gleichzeitig erging die verkehrsbehördliche Anordnung zur Entfernung des vorhandenen VZ 253 StVO mit Zusatzzeichen 1026-36 (landwirtschaftlicher Verkehr frei) im Zuge der F..

Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung für Fahrzeuge über 7,5 t als zwingend erforderlich angesehen werde, um dem Straßenzustand, der Anliegersituation und den Belastungen durch Schwerverkehr ausreichend Rechnung zu tragen. Er nahm insoweit Bezug auf die vorliegenden Stellungnahmen der beteiligten Dienststellen, insbesondere des Niedersächsischen Landvolkes Kreisverband W. e.V. Die Vereinbarung, die zu einer positiven Gestaltung des Miteinanders der betroffenen Anlieger und der Nutzer der F. angestrebt worden sei, begrüße grundsätzlich auch der Beklagte. Von einer solchen Vereinbarung würden allerdings nicht alle relevanten Verkehre im Zuge der F. erfasst, so dass eine zusätzliche Beschilderung aus Gründen der Sicherheit und Ordnung für erforderlich gehalten werde, um ein einheitliches Geschwindigkeitsniveau aller Schwerverkehre zu gewährleisten. Aufgrund des derzeitigen Ausbauzustandes der F., der erwartbaren Beschädigungen und Versackungen sowie des Schwerverkehrsanteils bestehe eine qualifizierte Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 StVO, die auch die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung erfordere. Eine Gewichtsbeschränkung sei ebenfalls erforderlich, um den örtlichen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Ein Durchfahrverbot für alle Schwerverkehre sei aber aufgrund der dort ansässigen landwirtschaftlichen Betriebe nicht verhältnismäßig, so dass eine Ausnahme durch Zusatzbeschilderung für Anlieger zwingend geboten sei. Durch diese Beschilderung werde zukünftig der Durchgangsverkehr im Straßenverlauf unterbunden. Für den Schwerverkehr ohne ein Anliegen in der F. bzw. im weiteren Straßenverlauf stehe das klassifizierte Straßennetz zur Verfügung. Er weise abschließend darauf hin, dass eine erneute Überprüfung der angeordneten Beschilderung erfolgen werde, sofern detaillierte Gutachten zu dem Straßenzustand bzw. zu den Auswirkungen des Schwerverkehrs auf die Anliegergrundstücke vorlägen.

Der Beklagte teilte auch den in der F. ansässigen Antragstellern seine Anordnung mit. Hinsichtlich der Gewichtsbeschränkung ergänzte er diesen gegenüber: Die angeordnete Beschilderung stehe nunmehr im Einklang mit der aus Richtung I. vorhandenen Beschilderung von 3,5 t mit Zusatzzeichen "Anlieger frei". Ferner sei aufgrund der Rahmenbedingungen für die Schülerbeförderung derzeit eine Durchfahrt des Linienverkehrs zu gestatten, da ansonsten die genehmigte Haltestelle an der Grundschule nicht mehr bedient werden könne. Bei einer antragsgemäßen Beschilderung ab der Einmündung J. würden hiervon schon alle Fahrzeuge (z.B. Wohnmobile, Lieferfahrzeuge) ab 3 t betroffen. Eine zusätzliche Beschilderung durch VZ 263 StVO (tatsächliche Achslast) sei schon vor dem Hintergrund einer Vermeidung von "Überbeschilderung" und der damit verbundenen rechtzeitigen Wahrnehmbarkeit von verkehrlichen Regelungen für die Verkehrsteilnehmer abzulehnen. Zur beantragten Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Verkehre führte der Beklagte aus, dass eine solche nicht mit den einschlägigen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung vereinbar sei. Es fehle an einer qualifizierten Gefahrenlage. Verkehrszeichen dürften aber nur dort angeordnet werden, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten sei. Die von Anwohnern beschriebene Gefahrenlage sei auf die verkehrliche Situationen durch den Schwerverkehr zurückzuführen. Diesem Umstand werde schon durch eine Beschränkung der Geschwindigkeit für Fahrzeuge ab 7,5 t Rechnung getragen.

Die Samtgemeinde V. berichtete dem Beklagten am 14. November 2011, dass die Beschilderung für die F. aufgestellt worden sei.

Im Februar 2012 wandten sich Anwohner der F. erneut an die Gemeinde G. und teilten mit, dass ihrer Ansicht nach die Beschilderung an der Einmündung der J. in die F. in Fahrtrichtung H. ergänzt werden müsse. Die Fahrzeugführer, die durch die J. führen und dann in der F. einbögen, würden die Beschilderung nicht kennen und sich infolgedessen auch nicht an die Vorschriften halten. Der Beklagte informierte die Antragsteller darüber, dass er die beantragte ergänzende Beschilderung nicht für notwendig halte. Es werde nach wie vor nicht für hinreichend wahrscheinlich gehalten, dass ein nennenswerter ortsunkundiger Schwerverkehr die R. verlasse und in die J. (ggfs. über Nebenstraßen) einfahre, um über die F. wieder zur Landstraße zu gelangen. Für die Fahrtrichtung I. sei nach der Einmündung J. bereits eine umfassende Beschilderung zur Geschwindigkeits- bzw. Gewichtsbeschränkung vorhanden. Selbst wenn Beschilderungen, z.B. für Geschwindigkeitsbeschränkungen, nach Einmündungen im Einzelfall nicht wiederholt werden sollten, bestehe zumindest für den Ortskundigen eine Verpflichtung zur Beachtung. Der Antrag werde daher unter dem Aspekt "Schilderwald" abgelehnt.

Ein Anwohner der F. teilte daraufhin dem Beklagten mit, dass die Anwohner seit der vorgenommenen Beschilderung zwar eine deutliche Verbesserung erleben würden. Insbesondere der tägliche Busverkehr ignoriere aber die Anweisungen. In der Folge führte der Beklagte erneut Gespräche mit Busunternehmen und der Polizeistation. In diesem Gespräch wurde in Aussicht gestellt, die Beschilderung in dem Bereich der Einmündung J. zu ergänzen, wenn zukünftig weiterhin Probleme mit ortsunkundigen Verkehrsteilnehmern bestehen sollten.

Einige Monate später beantragten Anwohner bei dem Beklagten, die Beschilderung dahingehend zu ändern, dass für den Durchgangsverkehr lediglich ein Gesamtgewicht von 12 t bzw. 3,5 t - statt eines solchen tatsächlichen Gewichts - zugelassen sei. Die Begrenzung auf das tatsächliche Gewicht führe dazu, dass die Straße mit wesentlich größeren Gewichten befahren werden dürfe, da bei Zügen die Beschränkung für das einzelne Fahrzeug gelte.

Mit Schreiben vom 16. November 2012 erteilte der Beklagte der Gemeinde G. die verkehrsbehördliche Anordnung für die Beschilderung mit VZ 253 StVO und Zusatzzeichen 1052-35 (12 t) im Zuge der F. von der Einmündung H. bis zur J.. Er ordnete an, die vorhandene Beschilderung mit VZ 262 (12 t) auszuwechseln, sowie das Zusatzzeichen 1026-32 (Linienverkehr frei) zu entfernen, da bei einer Beschilderung mit VZ 253 Kraftomnibusse von der Verbotsregelung bereits ausgenommen seien. Die Erfahrungswerte der Anlieger hinsichtlich des Durchgangsverkehrs würden auch nach Rücksprache mit der örtlichen Polizeistation als hinreichend wahrscheinlich angesehen. Durch die Freigabe der F. für den Anliegerverkehr mit Zusatzzeichen 1020-30 StVO werde lediglich eine Verbotsregelung für den Durchgangsverkehr vorgenommen. Da die bisherige Regelung diesen Durchgangsverkehr nicht in dem erforderlichen Umfang habe beschränken können, werde eine weitergehende Beschränkung durch die Verbotsregelung von VZ 253 StVO (zulässiges Gesamtgewicht) als zwingend erforderlich angesehen. Dieses Erfordernis bestehe allerdings lediglich für den ersten Streckenabschnitt der F., welcher mit einer Beschränkung des zulässigen Gesamtgewichts auf 12 t versehen würde. Die Beschilderung ab der Einmündung J. durch VZ 262 StVO mit 3,5 t, welche sich für die entgegengesetzte Fahrtrichtung auf dem Gebiet des Landkreises P. wiederfinde, sei ausreichend, um Durchgangsschwerverkehr auf diesem Streckenabschnitt wirksam auszuschließen. Des Weiteren ordnete der Beklagte in demselben Schreiben die Wiederholung der Beschilderung durch VZ 274-52 StVO (20 km/h) mit Zusatzzeichen 1052-35 (7,5 t) und VZ 253 StVO mit Zusatzzeichnen 1052-35 StVO (12 t) und Zusatzzeichen 1020-30 (Anlieger frei) in dem Bereich der Einmündung J. an. Dies begründete er damit, dass inzwischen mehrere Hinweise von Anliegern und den Linienbusunternehmen darauf vorlägen, dass es an der Einmündung J. bei der Zufahrt in die F. in Richtung H. einer Klarstellung der Verkehrsregelung für Ortsunkundige bedürfe.

Die Gemeinde G. gab bei der amtlichen Materialprüfanstalt der Z. eine Untersuchung der Asphaltstraßenbeläge in der J. und in der F. in Auftrag. Hierfür wurden am 20. März 2012 Proben entnommen. Die Straßendecke der F. wird in dem Untersuchungsbericht vom 20. April 2012 wie folgt beurteilt:

"Der Fahrbahnbereich oberhalb des Entwässerungskanals (Fahrtrichtung H.) zeigte einen Aufbau gemäß der RSTO 01 [Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen, Ausgabe 2001, Anmerkung der Kammer]. Sowohl die Asphaltstärke als auch der Verdichtungszustand sind regelkonform. Der bei dem zweiten Fahrbahnabschnitt (Fahrtrichtung Straße "AA.") vorhandene Asphaltaufbau entspricht nicht der aktuellen RSTO 01. Ein relativ dünner Asphaltaufbau über ein im Sandbett verlegtes Kopfsteinpflaster ist hinsichtlich der Stabilität einer heutigen Straße nicht ausreichend. (...) Auch wenn keine Schäden im Belag feststellbar waren, was durch eine Sanierung der Oberseite der Straße verhindert wurde, entspricht dieser Fahrbahnabschnitt nicht den aktuellen Straßenbauvorschriften. Durch eine angabegemäß zunehmende Nutzung der Straße durch den Schwerverkehr, hier vor allen LKW's und schwere landwirtschaftliche Fahrzeuge, wird die Straße verstärkt belastet. Es konnten bei der Entnahme keine Schäden in der Fahrbahn entdeckt werden. Aufgrund des festgestellten Aufbaus und der vorhandenen Nutzung der Straße ist ein zukünftiges Auftreten von Straßenschäden jedoch nicht auszuschließen."

Der Kläger hat am 28. September 2012 Klage erhoben. Nachdem die im November 2012 angeordneten Verkehrszeichen aufgestellt worden waren, beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 4. Februar 2013 zudem ausdrücklich, die verkehrsbehördliche Anordnung aufzuheben, die der Beschilderung der F., AB., aus Richtung I. kommend, zugrunde liegt, sowie den Beklagten zu verpflichten, einen Rückbau der auf der Grundlage vorgenannter Anordnungen aufgestellten Verkehrszeichen zu veranlassen. Die von ihm angegriffenen verkehrsbehördlichen Anordnungen seien rechtswidrig.

Er erläuterte später, dass sich die Klage auch gegen das mit Anordnung vom 16. November 2012 aufgestellte VZ 253 an der Einmündung H. habe richten sollen. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass er sich sowohl gegen die Geschwindigkeitsbeschränkungen als auch gegen die Gewichtsbeschränkungen habe wenden wollen. Wenn dann eine Gewichtsbeschränkung durch eine andere ausgetauscht werde, die noch dazu eine stärkere Belastung bedeute, dann verstehe es sich von selbst, dass die Klage sich auch darauf erstrecken solle. So seien auch seine Schriftsätze auszulegen gewesen. Der Beklagte habe dies auch so verstanden.

Er, der Kläger, sei von den Verkehrszeichen betroffen, denn als Einzelunternehmer sei er darauf angewiesen, mit schweren Geräten zu allen Flächen zu fahren, die von ihm und der N. bewirtschaftet würden. Für ihn sei zweifelhaft, ob er auch insoweit Anlieger sei, als er zu seinen Flächen fahren wolle, die in der Gemarkung I. und AC. gelegen seine. Dies verneine der Beklagte.

Schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für die verkehrsbehördlichen Anordnungen seien nicht gegeben. Es lägen keine besonderen örtlichen Verhältnisse vor, die ein verkehrsbehördliches Einschreiten rechtfertigen könnten. Die F. befinde sich in einem guten Zustand. Eine erhöhte Verkehrsbelastung infolge starken Durchgangsverkehrs sei nicht festgestellt worden. Der Bericht der amtlichen Materialprüfanstalt der Z. weise die F. der Bauklasse III/IV zu, wobei der Straßenaufbau erkennbar nicht dieser Bauklasse entspreche. Es stelle sich damit die Frage, ob ein nicht der Widmung entsprechender Straßenaufbau als Argument für die hier gegenständliche Verkehrsbeschränkung herhalten könne. Denn mit der Beschilderung erfolge letztlich nichts anderes als eine dauernde Beschränkung der Widmung, was rechtlich unzulässig sei. Ferner ergebe sich vor Ort keine das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigende Gefahrenlage. Vorliegend bestehe keine konkrete Gefahr. Der Beklagte räume selbst ein, dass ihm keinerlei Erkenntnisse hierzu vorlägen. Die Sachlage, welche doch Grundlage einer jedweden Beurteilung einer Gefahrensituation sein solle, sei vollkommen ungeklärt. Er, der Kläger, könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Tätigwerden des Beklagten mehr politisch denn rechtlich veranlasst gewesen sei. Im Übrigen nehme er vollumfänglich Bezug auf seine Stellungnahme vom 12. Juli 2011 und ergänze, dass die vorgenommene Beschilderung in sich widersprüchlich sei.

Der Kläger beantragt,

die verkehrsbehördlichen Anordnungen, auf deren Grundlage an der Einmündung H. - in die F. einfahrend - die VZ 274-52 StVO (20 km/h) mit Zusatzzeichen 1052-35 (7,5 t) sowie VZ 253 StVO (Verbot für Kraftfahrzeuge über 3,5 t) mit den Zusatzzeichen 1052-35 (12 t) und 1020-30 StVO (Anlieger frei);

an der Einmündung J. - die F. in Richtung I. fahrend - die VZ 274-52 (20 km/h) mit Zusatzzeichen 1052-35 StVO (7,5 t) sowie VZ 262 StVO (3,5 t Gesamtgewicht) mit Zusatzzeichen 1020-30 StVO (Anlieger frei);

am Ortsschild - aus I. kommend - das VZ 274-52 StVO (20 km/h) mit Zusatzzeichen 1052-35 StVO (7,5 t);

an der Einmündung J. - aus I. kommend - die VZ 274-52 StVO (20 km/h) mit Zusatzzeichen 1052-35 StVO (7,5 t) sowie VZ 253 StVO (Verbot für Kraftfahrzeuge über 3,5 t) mit den Zusatzzeichen 1052-35 StVO (12 t) und 1020-30 StVO (Anlieger frei) aufgestellt wurden, aufzuheben und

den Beklagten zu verpflichten, einen Rückbau der Verkehrszeichen zu veranlassen,

hilfsweise für das VZ 253 (12 t) an der Ecke H. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,

weiter hilfsweise für den gesamten Bereich die Aufstellung des Zusatzzeichens 1026-36 (landwirtschaftlicher Verkehr frei) anzuordnen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus: Die Beschilderung werde aus Gründen der öffentlichen Sicherheit für erforderlich angesehen, um ein einheitliches Geschwindigkeitsniveau aller Schwerverkehre zu gewährleisten. Er, der Beklagte, nehme Bezug auf die in dem Verwaltungsverfahren erstellten Stellungnahmen der beteiligten Dienststellen sowie die Stellungnahme des Niedersächsischen Landvolkes, Kreisverband W. e.V. Damit werde dem Straßenzustand, der Anliegersituation und den Belastungen durch Schwerverkehr ausreichend Rechnung getragen. Er verweise auch auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit auch dann beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten könnten, wenn Schäden an Gebäuden durch verkehrliche Nutzungen entstanden oder zu befürchten seien. Die Maßnahmen seien in erster Linie getroffen worden, um Gebäudeschäden in der F. zu verhindern und um dem Zustand der Straße Rechnung zu tragen. Im Übrigen nehme er Bezug auf seine verkehrsbehördlichen Anordnungen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Gemeinde Hagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Sie ist nur teilweise zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist die Klage begründet.

Klagegegenstand sind dabei alle in dem Klageantrag genannten Verkehrszeichen sowie das zwischenzeitlich entfernte VZ 262 (12 t) an der Ecke H.. Zwar greift der Kläger mit seinem Antrag ausdrücklich die verkehrsbehördlichen Anordnungen an, auf denen die Zeichen beruhen. Dieser Antrag ist nach Maßgabe des Klagebegehrens aber dergestalt auszulegen, dass die Klage sich gegen die einzelnen Zeichen richten soll (vgl. § 88 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Der Antrag benennt konkret einzelne Verkehrszeichen, deren Aufhebung und Entfernung begehrt wird. Auch der Klagebegründung ist zu entnehmen, dass die Klage sich gegen die nach außen wirkenden verkehrsbehördlichen Regelungen durch Verkehrszeichen richten soll. Diese Auslegung entspricht dem Klagebegehren, denn nur die Verkehrsschilder als Allgemeinverfügungen i.S.d. § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) sind geeignet, den Kläger in eigenen Rechten zu betreffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9. September 1993 - 11 C 37/92 -, [...]). Die verkehrsbehördlichen Anordnungen sind hingegen keine Verwaltungsakte, denn sie haben keine Außenwirkung (vgl. § 35 Satz 2 VwVfG). Sie können insbesondere nicht regelnd in (Selbstverwaltungs-)Rechte der Gemeinde eingreifen (hierzu allgemein OVG Lüneburg, Beschl. v. 10. Januar 2014 - 12 LA 68/13 -, [...]; VG Lüneburg, Beschl. v. 4. Juni 2012, Az.: 1 B 20/12), weil der Beklagte als (untere) Straßenverkehrsbehörde für die Anordnung gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsordnung (StVO, in der Fassung vom 6. März 2013, BGBl. I S. 367) i.V.m. § 2 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich Verkehr (ZustVO-Verkehr, in der Fassung vom 25. August 2014, Nds. GVBl. S. 316, 329) originär zuständig ist. Die Gemeinde führt das Aufstellen der Schilder als Straßenbaubehörde im übertragenen Wirkungskreis aus.

Das Klagebegehren ist weiter so auszulegen, dass es sich seit dem Schriftsatz vom 4. Februar 2013 auch gegen das nach behördlicher Anordnung vom 16. November 2012 aufgestellte VZ 253 an der Ecke H. richtet. Auch wenn dieses Zeichen zunächst nicht ausdrücklich benannt wurde, lässt die Begründung des Antrages in dem Schriftsatz vom 4. Februar 2013 erkennen, dass der Kläger sich gegen alle Verkehrsregelungen wenden wollte, die auf den verkehrsbehördlichen Anordnungen beruhen. Gegenstand der Klage ist auch weiterhin das VZ 262, welches zu Gunsten des VZ 253 an der Ecke H. entfernt wurde. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass die Klage insoweit nicht zurückgenommen werden solle, da sie sich generell gegen die gewichtsbeschränkenden Schilder richte und die Anordnung des VZ 253 für ihn nur eine Art "Fortwirkung" des VZ 262 sei.

Soweit sich der Kläger gegen die Verkehrszeichen wendet, die eine Gewichtsbeschränkung regeln, ist die Klage unzulässig. Insoweit liegen die Voraussetzungen der Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO nicht vor. Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist eine Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn ein Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, voraus, dass eine solche Rechtsverletzung als objektiv möglich erscheint. Das ist der Fall, wenn sie nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28. Februar 1997 - BVerwG 1 C 29.95 -, BVerwGE 104, 115-122, [...]). Dem Kläger fehlt die Klagebefugnis hinsichtlich des gewichtsbeschränkenden VZ 253 (12 t) jeweils an der Ecke H. in Fahrtrichtung I. und der Ecke J. in Fahrtrichtung H. sowie des VZ 262 jeweils an der Einmündung H. in Fahrtrichtung I. (welches zwischenzeitlich entfernt wurde) und der Einmündung J. in Fahrtrichtung I.. Diese Verkehrszeichen sind nicht geeignet, den Kläger in seinen (eigenen) Rechten zu verletzen. Für alle angefochtenen VZ 262 und VZ 253 gilt mit dem Zusatzzeichen 1020-30: "Anlieger frei". Zwar vertritt der Beklagte die Ansicht, dass der Kläger kein Anlieger sei, wenn er von seinen Flächen zu der Betriebsstätte der AD. fahre. Diese unrichtige Rechtsauffassung allein vermag aber keine Klagebefugnis zu begründen. Denn es kommt allein darauf an, ob die tatsächliche Möglichkeit einer Rechtsverletzung besteht.

Eine Rechtsverletzung des Klägers durch die gewichtsbeschränkenden Zeichen ist ausgeschlossen. Die Regelungen betreffen den Kläger nicht, denn er ist in jeder denkbaren Konstellation Anlieger. Der Anliegerbegriff ist straßenverkehrsrechtlich nicht normativ ausgestaltet. Die Auslegung des Begriffes muss an dem allgemeinen Sprachgebrauch ansetzen. Hiernach werden ohne weiteres diejenigen Verkehrsteilnehmer vom Anliegerbegriff erfasst, die Eigentümer oder Nutzungsberechtigte eines Grundstücks sind, welches an der Straße "anliegt" (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. Februar 2000 - 3 C 14/99 -, [...], Rn. 20 f.). Der Kläger ist in diesem Sinne Anlieger, denn das in seinem Eigentum stehende Grundstück "K." liegt unmittelbar an der F.. Anlieger ist der Kläger unabhängig davon, aus welchem Grund und im Rahmen welcher Fahrstrecke er die Straße in dem konkreten Fall nutzt. Denn seine Anliegereigenschaft folgt unmittelbar aus seinem Eigentum am Grundstück. Selbst wenn der Kläger von seinen Feldern in der Gemarkung I. oder in der Q. kommend die F. befährt, um zur Betriebsstätte der N. zu gelangen, bleibt er persönlich als Eigentümer des Grundstückes "K." Anlieger der F..

Der Kläger ist auch nicht nur hinsichtlich eines Teilstückes der F. - etwa für die Teilstrecke zwischen den Einmündungen J. und H. - Anlieger. Er ist Anlieger der F. auf ihrer gesamten Länge. Denn der Anliegerbegriff beschreibt das Verhältnis, welches sich für den Rechtsinhaber an einem Grundstück aus dessen Lage an der Straße als solcher ergibt. Das Zusatzzeichen "Anlieger frei" soll gewährleisten, dass einem Anlieger durch das Verkehrsverbot, von dem er ohne Beschränkungen befreit sein soll, keine Nachteile entstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. Februar 2000 - 3 C 14/99 -, [...], Rn. 21). Dies könnte nicht erreicht werden, wenn eine Einschränkung des Anliegerbegriffes danach erfolgen würde, ob ein Teilabschnitt der Straße zwingend befahren werden muss, um zu dem eigenen Grundstück zu gelangen. In dem vorliegenden Fall hätte eine Beschränkung des Anliegerbegriffs auf einen Teilabschnitt der F. zur Folge, dass der Kläger von den Feldern in der Gemarkung I. und AC. aus einen erheblichen Umweg in Kauf nehmen müsste, um über die H. in die F. einfahren zu können. Dies würde dem Sinn und Zweck des Zeichens "Anlieger frei" nicht gerecht.

Rechte des Klägers können auch nicht dadurch betroffen werden, dass die für ihn tätigen Lohnunternehmer oder andere Personen sich der Regelung der gewichtsbeschränkenden Zeichen ausgesetzt sehen. Das aus der Eigentümerstellung folgende Recht auf Anliegergebrauch des Klägers wird hierdurch nicht eingeschränkt. Denn das Zeichen "Anlieger frei" befreit auch den "passiven" Verkehr mit Anliegern von der Gewichtsbeschränkung. Zum Verkehr mit Anliegern sind alle Personen berechtigt, die zu ihm Beziehungen irgendwelcher Art unterhalten oder anknüpfen wollen. Auch hierdurch wird gewährleistet, dass einem Anlieger durch das Verkehrsverbot, von dem er ohne Beschränkungen befreit sein soll, keine Nachteile entstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. Februar 2000 - 3 C 14/99 -, [...], Rn. 21). Soweit die Lohnunternehmer das Grundstück "K." anfahren, um dort mit dem Kläger als Eigentümer (oder mit der N. als nutzungsberechtigten Pächterin) in Beziehung zu treten, sind auch sie auf der gesamten Länge der F. Anlieger. Fahren die Lohnunternehmer hingegen ohne konkretes Anliegen in der F. durch diese, sind sie keine Anlieger. Dies gilt etwa, wenn sie direkt von den Feldern in der Gemarkung I. zur Betriebsstätte an der AE. fahren. In diesen Fällen sind die gewichtsbeschränkenden Regelungen aber allein geeignet, in Rechte der Lohnunternehmer als Verkehrsteilnehmer einzugreifen. Zwar werden hierdurch wirtschaftliche Interessen des Klägers berührt. Seine allein maßgeblichen rechtlichen Interessen betreffen die Regelungen jedoch auch insoweit nicht.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass auch das Begehren des Klägers, das er mit seinem Hilfsantrag zur Entscheidung stellt, wegen einer fehlenden Klagebefugnis unzulässig ist. Da er als Anlieger von den gewichtsbeschränkenden Verkehrsregelungen nicht betroffen ist, ist auch eine Verletzung seiner Rechte durch die Weigerung des Beklagten, das Zusatzzeichen 1026-36 (landwirtschaftlicher Verkehr frei) aufzustellen, ausgeschlossen.

Im Übrigen ist die Klage mit ihren Hauptanträgen zulässig.

Hinsichtlich der geschwindigkeitsbegrenzenden Schilder ist der Kläger insbesondere im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Da er Landwirt ist und auch Fahrzeuge über 7,5 t führt, besteht die Möglichkeit, dass er durch die VZ 274 einschließlich der zugehörigen Zusatzzeichen 1052-35 (7,5 t) zumindest in seiner aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG - folgenden allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt ist.

Zulässig ist die Klage auch, soweit der Kläger einen Anspruch auf Rückbau der angegriffenen Verkehrszeichen geltend macht. Nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht als Annex zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes auf Antrag aussprechen, dass und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat.

Soweit sie zulässig ist, ist die Klage begründet.

Die VZ 274-52 StVO (20 km/h) mit Zusatzzeichen 1052-35 StVO (7,5 t) in der F. an der Einmündung H. in Fahrtrichtung I., an der Einmündung J. in beiden Fahrtrichtungen sowie auf Höhe des Ortsschildes G. in Fahrtrichtung H. sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Entfernung dieser Verkehrszeichen.

Die Voraussetzungen für eine verkehrsbehördliche Regelung nach Maßgabe des § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 StVO liegen nicht vor. Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Termin der mündlichen Verhandlung, weil die Verkehrszeichen als Ge- und Verbote den Dauerverwaltungsakten zuzurechnen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. November 2010 - 3 C 42.09 - [...], Rn. 14 f.). Nach § 45 Abs. 1 StVO kann die Straßenverkehrsbehörde die Benutzung bestimmter Straßen- oder Straßenstrecken unter anderem aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StVO) beschränken. Dasselbe Recht hat sie zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße (§ 45 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 StVO) und hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen (§ 45 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 5 StVO). Soweit sie Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs anordnet, hat sie die zusätzlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zu beachten, denn diese Vorschrift ergänzt und modifiziert die Regelungen des § 45 Abs. 1 StVO (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. November 2010 - 3 C 42/09 -, [...]). Nach Maßgabe des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürfen - abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen - insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Das ist der Fall, wenn eine über das allgemeine Risiko hinausgehende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ein Schaden an einem geschützten Rechtsgut eintritt. Dies kann die Kammer hier nicht feststellen.

Der Beklagte stützt seine Regelungen zu Unrecht darauf, dass der Zustand der F. ungenügend sei und dass Schäden durch Erschütterung an den Wohnhäusern in der F. zu befürchten seien. Außerordentliche Schäden im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 StVO sind dann zu besorgen, wenn prognostisch gravierende Beschädigungen der Straße zu erwarten sind, die bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht auftreten würden (zu diesem Kriterium vgl. VG Sigmaringen, Beschl. v. 19. Mai 2014 - 4 K 65/14 -, [...], Rn. 37). Für eine solche Prognose gibt es im konkreten Fall keine Tatsachengrundlage. Das Bauamt der Gemeinde G. ging im September 2010 davon aus, dass die Straße sich in einem guten Zustand befinde und eine "gute Struktur" aufweise. Die Feststellungen des Untersuchungsberichts 50157-12 der Amtlichen Materialprüfanstalt der Z. vom 20. April 2012, der die am 20. März 2012 in der F. entnommene Proben analysiert, lassen ebenfalls nicht darauf schließen, dass mit einer das allgemeine Risiko übersteigenden Wahrscheinlichkeit künftig außerordentliche Beschädigungen der Straße entstehen werden. Der Untersuchungsbericht stellt lediglich fest, dass bei der vorhandenen Nutzung ein zukünftiges Auftreten von Straßenschäden nicht auszuschließen sei. Er führt sogar aus, dass bei der Probenentnahme keine Schäden an der Fahrbahn zu entdecken gewesen seien.

Auch auf § 45 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 5 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 StVO können die geschwindigkeitsbeschränkenden Regelungen nicht gestützt werden. Diese Vorschrift legitimiert zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderliche Maßnahmen. Grundsätzlich kann der Beklagte auf dieser Grundlage einschreiten, um Eigentumsbeeinträchtigungen durch unzulässigen bzw. übermäßigen Verkehr zu verhindern (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. September 2002 - 3 C 9/02 -, [...], Rn. 13). Dass in der F. Beeinträchtigungen des Grundeigentums der Anwohner durch Erschütterungen des Schwerlastverkehrs konkret zu befürchten sind, ist jedoch nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht festzustellen. In den Verwaltungsvorgängen befindet sich keinerlei Dokumentation etwaiger Schäden an Gebäuden. Fachkundige Untersuchungen zu einem möglichen Zusammenhang von etwaigen Rissen in Gebäuden und dem Schwerlastverkehr auf der F. wurden ebenfalls nicht angestellt. Allein der Umstand, dass Schwerverkehr die Straße befährt, lässt nicht den Schluss zu, es bestünde eine über das allgemeine Risiko hinausgehende Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung der Gebäude durch Erschütterungen. Ein allgemeiner Erfahrungssatz in diesem Sinne kann durch das Gericht nicht festgestellt werden. Der Beklagte macht dies auch nicht geltend.

§ 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 StVO trägt die getroffenen Regelungen ebenfalls nicht. Auf dieser Grundlage kann der Beklagte die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken. Auf Gründe der Verkehrssicherheit, namentlich auf Probleme bei (Begegnungs-)Verkehr mit breiten landwirtschaftlichen Maschinen in der relativ engen Achterstraße, hat der Beklagte seine Regelungen jedoch nicht maßgeblich gestützt. Er hat hierzu weder tatsächliche Feststellungen getroffen noch hat er insoweit eine planerische Abwägungsentscheidung getroffen, wie es im Rahmen des § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 StVO notwendig wäre (vgl. Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rn. 937).

Die rechtswidrigen verkehrsbehördlichen Regelungen verletzen den Kläger zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit. Er kann die Beseitigung der Verkehrsschilder auf der Grundlage des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt. Hier ist eine hälftige Teilung der Kosten angemessen, weil der Kläger hinsichtlich aller gewichtsbeschränkenden Verkehrszeichen unterliegt, hinsichtlich aller geschwindigkeitsbeschränkenden Zeichen jedoch obsiegt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.