Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Beschl. v. 26.01.2009, Az.: 8 IK 94/06

Pflicht eines Insolvenzschuldners zur Anzeige der Aufnahme einer neuen Beschäftigung gegenüber einem Treuhänder; Annahme eines pfändbaren Einkommens durch das Arbeitseinkommen eines Schuldners mit zusätzlich bezogenen Sozialleistungen

Bibliographie

Gericht
AG Oldenburg (Oldenburg)
Datum
26.01.2009
Aktenzeichen
8 IK 94/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 37180
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOLDBG:2009:0126.8IK94.06.0A

Tenor:

Die beantragte Restschuldbefreiung wird versagt.

Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

Der Schuldner ist verheiratet und hat einen minderjährigen Sohn. Er ist seiner Ehefrau unterhaltspflichtig. In seinem Haushalt lebt außerdem noch die Tochter seiner Ehefrau.

2

Über das Vermögen des Schuldners wurde durch Beschluss vom 20.02.2007 das Insolvenzverfahren in Form des vereinfachten Verfahrens nach§§ 304, 311 InsO eröffnet. Der Schuldner hat eine Restschuldbefreiung beantragt. Rechtsanwalt [X] wurde zum Treuhänder bestellt. Zum diesem Zeitpunkt war der Schuldner noch bei der Firma [X] GmbH beschäftigt. Im Mai 2007 wurde ihm das Arbeitsverhältnis gekündigt und er war einen Monat lang arbeitslos. Ab dem 18.06.2007 war er dann bei einer anderen Firma, der [Y] GmbH in Oldenburg beschäftigt.

3

Die Beschäftigung des Schuldners bei der [X] GmbH war dem Treuhänder im Rahmen seiner Tätigkeit als zunächst vorläufiger Treuhänder bekannt. Auf den Bericht vom 07.02.2007 wird Bezug genommen. Ebenso wird auf den Bericht vom 04.04.2007 Bezug genommen, der ebenfalls noch von dieser Beschäftigung ausgeht. Die Arbeitslosigkeit ab Mai 2007 teilte der Schuldner dem Treuhänder ebenfalls mit. Der Treuhänder ging für das weitere Verfahren von einer fortbestehenden Arbeitslosigkeit des Schuldners aus. Auf den Bericht vom 07.05.2008 wird Bezug genommen.

4

Die Wiederaufnahme der Beschäftigung ab dem 18.06.2007 zeigte der Schuldner dem Treuhänder nicht an. Von der Beschäftigung des Schuldners erfuhr der Treuhänder erst dadurch, dass ihm im Mai 2008 ein Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes [X] für den Schuldner zugestellt wurde, der eine Einkommenssteuererstattung in Höhe von etwa 1.000,00 EUR auswies. Diesen Bescheid leitete der Treuhänder an den Schuldner weiter. Der Schuldner meldete sich daraufhin bei dem Treuhänder und bat, ob ihm diese Erstattung ausgezahlt werden könnte, da er dieses Geld für die Reparatur seines Autos benötige, mit dem er zu seiner Arbeitsstelle fahre. Aufgrund dieser Informationen war dem Treuhänder endgültig bekannt, dass der Schuldner eine Beschäftigung aufgenommen hatte, die ihm nicht bekannt war.

5

Der Schuldner erzielte aus seinem Arbeitsverhältnis in der Zeit von September 2007 bis Mai 2008 für die jeweiligen Monate ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.300,81 EUR, 1.121,90 EUR, 1322,85 EUR, 1.228,12 EUR, 1.220,85 EUR, 1.328,15 EUR, 1.187,69 EUR, 1.128,70 EUR und 1.319,07 EUR.

6

Daneben erhielt er von der Gemeinde [X] für den gleichen Zeitraum Sozialleistungen in Höhe von 555,05 EUR, 733,94 EUR, 532,99 EUR, 627,72 EUR, 634,99 EUR, 527,69 EUR, 553,46 EUR, 380,00 EUR und 396,27 EUR. Auf die Aufstellung Blatt 22 ff. Sonderband Restschuldbefreiung wird Bezug genommen.

7

Die Gläubiger [X] haben im Schlusstermin beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung gemäߧ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu versagen. Das Gericht hat Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 05.12.2008 Bezug genommen. Der Antrag ist begründet.

8

Der Schuldner hat sich dahin eingelassen, er habe dem Treuhänder die Aufnahme seiner Arbeit bei der Firma[Y] GmbH per Fax vom 17.06.2007 mitgeteilt. Er hat eine Ablichtung dieses Faxes vorgelegt, Bl. 16 Sonderband Restschuldbefreiung.

9

Die Sachbearbeiterin des Treuhänders hat in ihrer Vernehmung ausgesagt, ihr sei dieses Fax erst durch die Besprechungen im Mai 2008 bekannt geworden. Der Schuldner habe es anlässlich dieser Besprechungen übersandt. Vorher sei man, wie auch die Berichte ausweisen, von einer fortbestehenden Arbeitslosigkeit ausgegangen. Das Gericht hält diese Aussage für glaubhaft. Dass die Zeugin den Schuldner durch ihre Angaben zu Unrecht hätte belasten wollen, ist nicht erkennbar.

10

Des Weiteren wäre die bloße Übersendung eines Schreibens an den Treuhänder mit dem Inhalt, wie dem des Faxes mit Datum vom 17.06.2007 auch nicht ausreichend. Den Schuldner trifft während des Insolvenzverfahrens die Obliegenheit, jede Veränderung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse dem Treuhänder mitzuteilen. Dies muss ungefragt geschehen, insofern ist die Auskunftspflicht des § 290 Abs. 1 Nr. 5 eine "aktive" Auskunftspflicht, ohne dass der Treuhänder von sich aus ständig nach Veränderungen nachfragen müsste. Dies betrifft insbesondere die Aufnahme einer Beschäftigung (Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, § 290 Rz. 20). Zu dieser Auskunftspflicht gehört nicht nur die Mitteilung einer Arbeitsaufnahme, sondern vor allem auch die Mitteilung des erzielten Einkommens, denn dies ist die wesentliche "Veränderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse" im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Das Einkommen gehört im pfändbaren Umfang zur Insolvenzmasse, die vom Treuhänder zu verwalten und zu verwerten ist,§§ 35, 36, 80 InsO.

11

Das Gericht ist nach der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Schuldner dieser Auskunftsobliegenheit nicht nachgekommen ist. Dafür spricht die Aussage der Zeugin [X], die anschaulich geschildert hat, wie überrascht sie gewesen ist, als dem Büro des Treuhänders der Einkommenssteuerbescheid mit einem Erstattungsbetrag zuging, während sie überhaupt nicht gewusst hat, dass überhaupt eine steuerbare Beschäftigung vorlag.

12

Und selbst wenn der Schuldner das Fax, das das Datum vom 17.06.2007 trägt, tatsächlich an diesem Tag an das Büro des Treuhänders geschickt hätte, hätte ihm klar sein müssen, dass er seine Auskunftspflicht in dem vorgeschilderten Umfang dadurch nicht vollständig erfüllt hatte, denn das Fax lautet nur: "Hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich ab dem 18. Juni 2007 bei der Firma [Y] GmbH, vertraglich beschäftigt bin". Das Schreiben enthält keinerlei Angaben zu dem Arbeitslohn oder den Bezügen und entsprach von daher schon nicht den vorstehend erläuterten notwendigen Informationen zur Höhe des erzielten Einkommens. Dem Schuldner musste klar sein, dass der Treuhänder aufgrund dieser unvollständigen Angaben niemals in der Lage sein konnte, die Insolvenzmasse, die er zu verwalten hatte, und die auch aus dem pfändbaren Teil des Einkommens bestand, zu berechnen. Nur mit der schlichten Information der Aufnahme einer Tätigkeit konnte der Treuhänder, das musste der Schuldner erkennen, noch nicht viel anfangen. Er hätte sich zumindest darüber im Klaren sein müssen, dass der Treuhänder verpflichtet gewesen ist, den pfändbaren Teil des Einkommens zu berechnen und ggf. zu vereinnahmen. Wenn er aber weiß, dass der Treuhänder aufgrund mangelnder Information dazu überhaupt nicht in der Lage sein konnte und dann gleichwohl ein Jahr lang sein Gehalt auf sein Konto überweisen lässt, hätte er erkennen können und müssen, dass der Treuhänder offensichtlich von dieser Tätigkeit gar nichts wusste. Insofern hätte er selbst dann, wenn er das besagte Fax an den Treuhänder geschickt haben sollte, einerseits nochmals zusätzlich die Höhe seinen Einkommens mitteilen müssen und auch nochmals nachfragen müssen, ob die Information über eine Arbeitsaufnahme bei dem Treuhänder tatsächlich vorlag. Dass er das getan hätte, trägt der Schuldner nicht vor. Von daher ist er seiner Auskunftspflicht objektiv nicht nachgekommen.

13

Diese Obliegenheitsverletzung ist dem Schuldner auch vorwerfbar, da sie zumindest grob fahrlässig gewesen ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt wird, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige unbeachtet bleibt, was jedem einleuchten würde (BGH NZI 2007, 733 [BGH 27.09.2007 - IX ZB 243/06]). Dem Schuldner musste es sich hier aufgrund der geschilderten Umstände geradezu aufdrängen, dass der Treuhänder von der Arbeitsaufnahme nichts wusste. Ansonsten wäre es nicht erklärbar gewesen, weshalb er über einen Zeitraum von fast einem Jahr nicht ein einziges Mal nach Entgeltbescheinigungen nachgefragt hat obwohl er nach Darstellung des Schuldners doch gewusst haben soll, dass eine neue Arbeitsstelle angetreten wurde.

14

Nicht entscheidend ist, ob bei ordnungsgemäßer Anzeige der Einkünfte letztlich tatsächlich Beträge zur Masse geflossen wären. Ein Verstoß liegt bei unrichtigen oder unvollständigen Angaben auch dann vor, wenn sie sich nicht zum Nachteil der Gläubiger auswirken. Von Bedeutung könnte allenfalls sein, ob die unrichtigen Angaben von vornherein als völlig bedeutungslos für die Befriedigung der Gläubiger erscheinen (BGH ZVI 2007, 327 [BGH 22.02.2007 - IX ZB 120/05]). Nur bei ganz unwesentlichen Verstößen des Schuldners gegen seine Pflichten zu vollständigen und wahren Angaben ist die Restschuldbefreiung nicht zu versagen. Wo diese Wesentlichkeitsgrenze verläuft, ist von den Umständen im Einzelfall abhängig und nicht allgemein gültig zu beantworten (BGH NZI 2005, 233 [BGH 09.12.2004 - IX ZB 132/04]).

15

Von einer solchen gänzlichen Unwesentlichkeit kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Nichtangabe der Beschäftigung und des erzielten Einkommens waren zumindest geeignet, die Befriedigung der Gläubiger zu gefährden (BGH, Beschl. v. 17.01.2008, IX ZB 154/07).

16

Bei der Frage, ob aufgrund des Arbeitseinkommens des Schuldners und der zusätzlich bezogenen Sozialleistungen pfändbares Einkommen bestanden hätte, ist bei der Bestimmung des pfändungsfreien Teils davon auszugehen, dass der Schuldner zwei Personen unterhaltsberechtigt ist. Die faktische Unterhaltsleistung gegenüber der Tochter seiner Ehefrau ist zwar sozialhilferechtlich nach § 9 Abs. 2 SGB II, aber nicht insolvenz- und vollstreckungsrechtlich nach § 850f Abs. 1 Ziff. a) ZPO zu berücksichtigen (vgl. dazu Goebel ZVI 2008, 513 [OLG Frankfurt am Main 04.07.2008 - 24 U 146/07]; a.A. OLG Frankfurt/M. ZVI 2008, 384; Zimmermann/Zipf, ZVI 2008, 374). Im Vollstreckungsrecht sind nach § 850f Abs. 1 Ziff. a) ZPO i.V.m. § 4 InsO nur die "gesetzlichen" Unterhaltspflichten berücksichtigungsfähig. Faktische Unterhaltsleistungen sind rechtlich nicht verpflichtend und könnten theoretisch jederzeit eingestellt werden. Das spricht dafür, dass ein Schuldner diese im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen zumindest nicht seinen Gläubigern entgegenhalten kann. Außerdem trügen damit letztlich die Gläubiger über die erhöhten Freigrenzen und die damit geringe Haftungsmasse diese finanzielle Belastung, d.h. die Lebenshaltungskosten, die ansonsten Aufgabe staatlicher Transferleistungen oder der rechtlich Unterhaltsverpflichten wären (ungedeckter Bedarf des unterhaltsberechtigten Kindes).

17

Als Einkommen verfügte der Schuldner in der fraglichen Zeit über sein Arbeitseinkommen und ergänzend über Sozialleistungen. Nach § 54 Abs. 4 SGB I sind Ansprüche auf laufende Sozialleistungen, die in Geld zu erbringen sind, "wie Arbeitseinkommen" pfändbar. Ihr pfändungsfreier Teil bestimmt sich nach § 850c ZPO. Arbeitseinkommen und Sozialleistungen sind dabei zusammenzurechnen (BGH, Beschl. v. 05.04.2005, VII ZB 20/05). Grundsätzlich nicht pfändbar ist gemäß § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I allerdings Wohngeld. Dieses ist in den Bescheiden der Gemeinde [X] mit 380,00 EUR monatlich jeweils gesondert ausgewiesen, so dass sich zurechenbare Sozialleistungen jeweils nur zwischen 353,94 EUR und ca. 16,00 EUR ergeben. Über alle Monate ergibt sich ein zusammengerechnetes jeweils gleich bleibendes zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe 1.475,84 EUR. Pfändbares Einkommen ergäbe sich aufgrund der Tabelle zu§ 850c ZPO bei zwei Unterhaltsberechtigten aber erst ab 1.570,00 EUR.

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Trotzdem stellt sich die Nichtanzeige des Erwerbseinkommens nicht als völlig unwesentliche Obliegenheitsverletzung dar. Die vorstehenden Ausführungen zeigen bereits, wie schwierig die Beurteilung der Pfändbarkeit im Einzelfall sein kann. Dies festzustellen ist Aufgabe des Treuhänders und des Gerichts. Keinesfalls liegt es in der Kompetenz des Schuldners zu entscheiden, ob und wann er Einkünfte anzeigt - möglicherweise, weil er sie für unpfändbar hält. Der Treuhänder wäre außerstande, seine Vermögens- und Verwaltungsaufgabe nach seinem gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, wenn es der Schuldner entscheiden könnte, ob er Einkünfte angibt oder nicht. Wenn es sich deshalb nicht nur um ganz minimale und vielleicht einmalige kleine Einkünfte handelt, die für sich genommen offenkundig unterhalb der Wesentlichkeitsgrenze liegen, obliegt es dem Schuldner im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO immer, alle Einkünfte und alle Veränderungen seiner Vermögensverhältnisse anzuzeigen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 91 ZPO.

Dr. Heyer Richter am Amtsgericht