Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Beschl. v. 11.11.2008, Az.: 65 IN 30/08
Antrag auf erneute Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Wiederaufnahme einer Tätigkeit als selbstständiger Tischlermeister mit einer Einzelfirma
Bibliographie
- Gericht
- AG Oldenburg (Oldenburg)
- Datum
- 11.11.2008
- Aktenzeichen
- 65 IN 30/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 38208
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGOLDBG:2008:1111.65IN30.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 287 Abs. 2 InsO
- § 294 Abs. 1 InsO
- § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO
- § 295 Abs. 2 InsO
Tenor:
- 1.
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird als unzulässig zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Der Gegenstandswert wird auf 300,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Über das Vermögen des Antragsgegners wurde auf seinen Antrag hin am 21.08.2003 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Antragsgegner war zu diesem Zeitpunkt als Tischlermeister mit einer Einzelfirma selbstständig. Ausweislich des Schlussberichts des Insolvenzverwalters wurde das Vermögen des Antragsgegners in diesem Verfahren vollständig verwertet.
Mit Beschluss vom 04.03.2008 wurde dem Antragsgegner die Restschuldbefreiung rechtskräftig angekündigt und ein Treuhänder bestimmt. Die Laufzeit der Wohlverhaltensperiode beträgt sechs Jahre, beginnend mit der Verfahrenseröffnung am 21.08.2008. Das Insolvenzverfahren wurde am 11.04.2008 aufgehoben.
Der Antragsgegner ist weiterhin als selbstständiger Tischlermeister mit einer Einzelfirma tätig.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr
mit Antrag vom 22.08.2008 die erneute Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners wegen neuer rückständiger Lohnsteuer- und Umsatzsteuerbeträge im Wesentlichen für die Jahre 2006 und 2007.
Zur Glaubhaftmachung legt sie ein Pfändungsprotokoll vom 19.06.2008 vor, aus dem sich ergibt, dass der verheiratete Antragsgegner, der zwei unterhaltsberechtigte minderjährige Kinder hat, nach wie vor als selbstständiger Tischler tätig ist. Nach dem Pfändungsprotokoll verdient er netto ca. 1.400 EUR monatlich. Er hat einen PC, einen Schreibtisch, ein Telefon und einen Aktenschrank sowie Kleinwerkzeug. Er besitzt ein Fahrzeug, einen Transporter, Baujahr 1998 mit einer Laufleistung von 250.000 km. Er hatte zum Zeitpunkt des Pfändungsversuchs zwei Aufträge mit einem Umsatzvolumen von 1.500 und 1.000 EUR. Weiteres Vermögen hatte er nicht.
Der vorliegende Antrag auf Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens ist unter diesen Voraussetzungen nicht zulässig. Das Gericht hält daran fest, dass ein rechtliches Interesse für die Durchführung eines zweiten Insolvenzverfahrens (§ 14 Abs. 1 InsO) während der laufenden Wohlverhaltensperiode nur dann anzuerkennen ist, wenn der Antragsteller darlegen kann, dass überhaupt Vermögen vorhanden sein kann, das Gegenstand der Verwaltung und Verwertung in dem zweiten Verfahren sein könnte (AG Oldenburg ZInsO 2004, 1154; Münchner Kommentar InsO / Schmahl, § 13 Rz. 91; Hamburger Kommentar InsO / Wehr, § 14 Rz. 49; Frankfurter Kommentar InsO / Schmerbach, § 14 Rz. 49e; Kübler / Prütting / Pape, InsO, § 14 Rz. 23; a.A. AG GöttingenZInsO 2007, 1164).
Die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens ist zwar keine Insolvenzgläubigerin (§ 38 InsO), so dass sie nicht dem Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO unterliegt, jeder Insolvenzantrag eines Gläubigers bedarf um ihn zuzulassen jedoch eines rechtlichen Interesses an der Durchführung eines an den Zielen des § 1 InsO orientierten Insolvenzverfahrens (§ 14 Abs. 1 InsO). Das Verfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird.
Vorliegend ist das vorhandene Vermögen des Schuldners in dem gerade erst aufgehobenen Insolvenzverfahren vollständig verwertet worden ist, wie sich aus dem Bericht des Verwalters ergibt. Neues pfändbares Vermögen hat der Schuldner danach, wie die Antragstellerin durch ihren Vollstreckungsversuch selbst festgestellt hat, nicht erlangt. Somit ist bereits aufgrund dieser Tatsachen nicht erkennbar, wie der Zweck des beantragten Verfahrens zu erreichen wäre, solange die Antragstellerin nicht wenigstens darlegt, dass der Schuldner über Vermögenswerte verfügen könnte, die nicht aufgrund einer Abtretungserklärung nach§ 287 Abs. 2 InsO abgetreten oder ihm in sonstiger Weise im Rahmen des § 295 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 InsO als Haftungsmasse zur Verfügung stehen könnten. Dies ist auch keine Frage erst der Begründetheit des Antrags.
Außerdem ist der Schuldner vorliegend wirtschaftlich selbstständig tätig. Er erfüllt seine Obliegenheiten zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit und zur Abführung der entsprechend pfändbaren Beträge an die Gläubiger deshalb nicht über die Abtretungserklärung, sondern gemäß § 295 Abs. 2 InsO dadurch, dass er die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so stellt, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Er muss solche Zahlungen auch nicht monatlich leisten, sondern kann - in Abhängigkeit seiner natürlich schwankenden Einkommensverhältnisse - zeitweilig geringere oder gar keine Leistungen erbringen, wenn seine wirtschaftliche Lage ihn dazu zwingt, er muss dies dann aber durch spätere höhere Leistungen wieder ausgleichen (Begr. zum RegE-InsO § 295, abdruckt bei Balz / Landfermann, die neuen Insolvenzgesetze, S. 418). Die Einkünfte eines Selbstständigen sind in diesem Sinn eine als Ganzheit zu betrachtende Haftungsmasse, aus der er die Beträge zu leisten hat, die ein abhängig Beschäftigter in vergleichbarer Situation zu zahlen hat. Das erfordert eine sorgsame Betrachtung der Frage, welche Beträge aus einer solchen Masse Neugläubigern neben den Insolvenzgläubigern zur Verfügung stehen können, um dem Schuldner nicht die Ressourcen zur Erbringung seiner Zahlungsobliegenheiten zu nehmen. Selbst wenn Neugläubigern grundsätzlich die über den Rahmen des § 295 Abs. 2 InsO hinausgehenden Beträge aus überdurchschnittlich erfolgreicher Tätigkeit des Schuldners zur Verfügung stehen sollten (AG Göttingen, ZInsO 2007, 1164; dazu Grote, Zur Abführungspflicht des Selbstständigen gem. § 295 Abs. 2 InsO in der Wohlverhaltensperiode, ZInsO 2004, S. 1105 / 1106), ergeben sich hierfür im vorliegenden Fall keinerlei erkennbare Anzeichen. Nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin, das sie durch die eingereichten Unterlagen belegt, erzielt der Schuldner, der zwei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig ist, lediglich ein Nettoeinkommen von ca. 1.400,- EUR. Damit läge er als abhängig Beschäftigter nicht einmal im pfändbaren Bereich. Insofern hat die Antragstellerin nichts dafür vorgetragen, dass hier ein über den Rahmen des § 295 Abs. 2 InsO hinausgehendes Einkommen und damit eine Haftungsmasse für ein Zweitverfahren vorliegen könnte.
Die Antragstellerin hat deshalb insgesamt kein nachvollziehbares Interesse an der Durchführung eines Zweitinsolvenzverfahrens dargelegt. Die Situation ist insofern der Frage der Zulässigkeit eines Zweitinsolvenzverfahrens während eines laufenden Insolvenzverfahrens durchaus vergleichbar. Auch hierfür besteht solange kein rechtlich anzuerkennendes Interesse eines Neugläubigers, wie er nicht darlegen kann, dass der Schuldner über entsprechendes (neues) Haftungsvermögen verfügt (BGH ZInsO 2004, 739).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 4 InsO, 91 ZPO; die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 58 GKG. Sie ist angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsgegners auf den Mindestwert festgesetzt worden.