Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Beschl. v. 03.02.2009, Az.: 61 IN 21/03
Versagung der Restschuldbefreiung im Fall der Nichtherausgabe von Erbschaftsvermögen und des Verschweigens einer Erbschaft in der Wohlverhaltensphase; Gleichbehandlung einer Schenkung mit einer Erbschaft bezüglich der Anzeigepflicht nur im Fall einer mit einer Erbschaft vergleichbaren verfestigten Rechtsposition des Beschenkten; Versagung der Restschuldbefreiung wegen der Nichtanzeige einer Erbschaft nur bei einer dadurch entstehenden Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger
Bibliographie
- Gericht
- AG Oldenburg (Oldenburg)
- Datum
- 03.02.2009
- Aktenzeichen
- 61 IN 21/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 34162
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGOLDBG:2009:0203.61IN21.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO
- § 296 Abs. 1 InsO
- § 2253 BGB
- § 2278 BGB
- § 2290 BGB
- § 2299 BGB
Tenor:
Der Antrag vom 27.02.2008 / 05.03.2008, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, wird auf Kosten der Gläubigerin als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
Der Schuldner ist der Enkelsohn der am 10.01.1915 geborenen Frau D.. Die Mutter des Schuldners war Frau M.. Die Mutter des Schuldners ist am 11.06.2006 verstorben. Die Großmutter des Schuldners lebt noch.
Der Schuldner befindet sich in der Wohlverhaltensperiode. Ihm wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 10.02.2004 die Restschuldbefreiung angekündigt. Die Laufzeit der Wohlverhaltensperiode beträgt sechs Jahre, beginnend mit der Eröffnung des Verfahrens am 17.03.2003.
Die Großmutter des Schuldners war Eigentümerin einer Eigentumswohnung in [...]. Vor dem Notar Dr. [...] schloss die Großmutter des Schuldners mit ihrer Tochter und dem Schuldner mit Datum vom 06.09.1991 einen Erbvertrag (Bl. 63 ff. d.A.). Die Mutter des Schuldners und der Schuldner waren bei diesem Vertragsschluss nicht zugegen, sie wurden vertreten. Der Schuldner behauptet, diesen Vertragsschluss nachträglich nicht genehmigt zu haben. Der Erbvertrag enthält im Wege der Vermächtnisse die Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts zugunsten des damaligen Lebensgefährten der Großmutter und der Mutter des Schuldners. Außerdem setzt die Großmutter mit dem Vertrag den Schuldner zu ihrem alleinigen Erben ein. Unter V. enthält der Vertrag die Bestimmung, "dass nur das Vermächtnis des lebenslangen Wohnrechts für Frau M. erbvertraglich bindend angeordnet ist, während alle übrigen letztwilligen Verfügungen jederzeit einseitig frei widerruflich sind".
Mit Datum vom 18.03.2005 errichtete die Großmutter des Schuldners ein notarielles Testament vor dem Notar [...]. Mit diesem Testament setzte sie ihre Tochter zur alleinigen Erbin ein. Sie ordnete an, dass ihre Tochter nur Vorerbin sein sollte. Nacherbe für den Fall ihres Versterbens sollte der Schuldner sein. Gleichzeitig wurde eine Pflichtteilsbeschränkung gemäß § 2338 BGB angeordnet, da der Schuldner stark überschuldet war und sich bereits in dem vorliegenden Insolvenzverfahren befand. Es wurde auch auf die Laufzeit der Wohlverhaltensperiode als Beleg für die Überschuldung Bezug genommen. Der Schuldner sollte nach diesem Testament nur Vorerbe sein. Nacherben auf seinen Tod sollten seine gesetzlichen Erben sein. Auf die weiteren Bestimmungen des Testaments wird ergänzend Bezug genommen.
Mit Vertrag vom 09.07.2007 schlossen die Großmutter des Schuldners und der Schuldner einen Wohnungseigentumskaufvertrag über die Wohnung in [...] nebst Auflassung. Damit verkaufte die Großmutter dem Schuldner die besagte Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 130.000,00 EUR. In einer "Abschlusserklärung" zu diesem Kaufvertrag "schenkt" die Großmutter dem Schuldner das Kaufgeld aus dem Kaufvertrag. Sie "wünscht" sich weiter, dass er ihr, so lange sie lebt, monatlich 500,00 EUR auf ihr Konto überweist, die Umzugsarbeiten in eine Seniorenwohnanlage durchführt und bezahlt, das säumige Hausgeld zahlt und sich um sonstige Belange kümmert. "Wenn er die Wohnung verkaufen kann, soll er das tun. Er soll sich dann die Unkosten, die er bis dahin hatte, von dem Erlös nehmen und den Rest auf ein Treuhandkonto zahlen. Das Geld soll dort als Sicherheit hinterlegt bleiben, solange die Großmutter lebt, damit ihre Bedürfnisse im Falle der Not daraus bestritten werden könnten und Anschaffungen oder Reisen unternommen werden können".
Der Schuldner wurde am 05.10.2007 als Eigentümer der Wohnung in das Grundbuch eingetragen.
Mit Vertrag vom 24.07.2008 hat der Schuldner die Eigentumswohnung an eine Käuferin zu einem Kaupreis von 123.500,00 EUR weiterveräußert.
Der Schuldner hat dem Treuhänder keinen dieser Vorgänge angezeigt.
Die Gläubigerin hat die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO beantragt. Der Antrag kann dahingehend ausgelegt werden, dass eine Versagung wegen der Nichtherausgabe von Erbschaftsvermögen und wegen des Verschweigens einer Erbschaft beantragt werden soll.
Nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn er Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, nicht zur Hälfte an den Treuhänder herausgibt. Eine Versagung aus diesem Grund setzt deshalb voraus, dass ein den Schuldner entsprechend begünstigender Erbfall eingetreten wäre.
Ein eingetretener Erbfall nach der Großmutter des Schuldners scheidet aus, weil die Großmutter noch lebt.
Ein im Rahmen des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO relevanter Erwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht kann aber auch bei einer vorweggenommenen Erbfolge vorliegen (Münchner Kommentar / InsO / Ehricke, § 295 Rz. 58). Was eine vorweggenommene Erbfolge in diesem Sinne darstellt, ist nicht legaldefiniert. Sie kann deshalb auf unterschiedliche Weise durch entsprechende Verträge vereinbart oder verfügt werden.
Der Eigentumserwerb des Schuldners an der Eigentumswohnung gründet sich auf den Vertrag mit seiner Großmutter vom 09.07.2007. Dieser Vertrag ist rechtlich als Schenkung über die Eigentumswohnung unter bestimmten Auflagen entsprechend der "Abschlusserklärung" vom 09.07.2007 anzusehen, weil der Schuldner hierdurch letztlich unentgeltlich das Eigentum erhalten hat. Der "Wunsch" der Großmutter nach monatlichen Zahlungen durch den Schuldner ist erkennbar keine rechtsverbindliche Zahlungsverpflichtung als Ersatz für den ursprünglich nach dem Vertrag zu zahlenden Kaufpreis. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Großmutter die schlechte wirtschaftliche Lage des Schuldners, d.h. seine Insolvenz, bekannt war, auf die sie selbst in ihrem Testament vom 18.03.2005 ausführlich eingegangen war. Von daher musste ihr klar sein, dass der Schuldner eine solche unbedingte monatliche Zahlungsverpflichtung in dieser Höhe nicht erfüllen konnte.
Die "Abschlusserklärung" ließe sich allenfalls dahingehend auslegen, dass Zahlungen durch den Schuldner nach einem Verkauf der Wohnung aus dem Verkaufserlös zu leisten sein sollten. Auch dafür ist die Erklärung aber wenig konkret gefasst, weil sie eine solche Bedingung nicht speziell regelt. Deshalb sind der Vertrag vom 09.07.2007 und die Auflassungserklärung als Schenkung an den Schuldner zu verstehen.
Geschenktes Vermögen ist aber kein im Rahmen des§ 295 Abs. 1 InsO herauszugebender Vermögenserwerb. Eine Schenkung kann in diesem Rahmen nur dann maßgeblich werden, wenn sie einen solchen erbrechtlichen Einschlag hat, dass sie sich objektiv betrachtet als ein Fall der vorweggenommenen Erbfolge darstellt. Dann könnte sie eine vorweggenommene Regelung oder Verfügung zwischen Erblasser und Erbe darstellen.
Das würde aber voraussetzen, dass ein solches Verhältnis gewollt war, dass der Schuldner also Erbe seiner Großmutter werden sollte. Der Vertrag vom 09.07.2007 enthält diesbezüglich keine Regelungen. Es besteht aber aus früherer Zeit der beschriebene Erbvertrag vom 06.09.1991. Unabhängig davon, ob dieser Vertrag durch Vertretungsregelungen für den Schuldner wirksam geworden sein sollte, handelt es sich hierbei nicht um eine vertragsmäßige Erbeinsetzung im Sinne der §§ 2278, 2290 BGB, sondern um eine verfügungsmäßige Einsetzung im Sinne des§ 2299 BGB. Eine solche verfügungsmäßige Einsetzung ist aber grundsätzlich widerruflich und damit nicht bindend. Die mangelnde Bindungswirkung hinsichtlich der Erbeinsetzung des Schuldners ergibt sich auch aus dem Vertrag vom 06.09.1991 selbst. Der Vertrag vom 06.09.1991 begründete damit keine erbenmäßige Rechtsstellung des Schuldners.
Daneben existiert noch das Testament vom 18.03.2005. Auch dieses ist aber grundsätzlich nicht bindend, sondern widerruflich,§ 2253 BGB.
Daraus ergibt sich, dass die beschriebenen rechtlichen Beziehungen zwischen dem Schuldner und seiner Großmutter in erbrechtlicher Weise nicht so verfestigt waren, dass daraus der hinreichend sichere Schluss gezogen werden könnte, dass die Großmutter den Schuldner so bestimmt als Erben einsetzen wollte, dass sich die Wohnungsschenkung in Folge dieser Absicht als vorweggenommen Erbfolgenregelung darstellt.
Dies würde sich auch mit Rücksicht auf die verfügte Pflichtteilsbeschränkung gemäß § 2338 BGB verbieten. Durch diese Nacherbeneinsetzung sollte das Erbteil dem Zugriff der Gläubiger des Schuldners als Vorerben gerade entzogen sein, § 2115 BGB. Das war eine rechtlich zulässige Entscheidung der Großmutter des Schuldners und nicht des Schuldners selbst, so dass ihm insofern nicht vorgeworfen werden kann, von sich aus Gläubiger benachteiligen zu wollen.
Im Rahmen der Herausgabeobliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO kann von dem Schuldner nur dann eine entsprechende Herausgabe verlangt werden, wenn das betroffene Vermögen auch dem Haftungszugriff der Gläubiger unterliegt. Daran fehlt es hier.
Von daher stellt sich die Schenkung der Eigentumswohnung an den Schuldner nicht als ein Fall der vorweggenommen Erbfolge dar. Auch die Tatsache, dass der Schuldner nach dem Tod seiner Mutter nunmehr Pflichtteilsberechtigter nach seiner Mutter im Falle des Todes der Großmutter werden könnte, ändert daran nichts, weil die Parteien mit der testamentarischen Regelung und dem Wohnungseigentumskaufvertrag hieran erkennbar nicht gedacht haben.
Etwas anderes ist, dass der Schuldner den Erbfall nach dem Tode seiner Mutter nicht angezeigt, sondern verschwiegen hat. Er ist, wie er selbst einräumt, Erbe nach seiner Mutter geworden ist. Diese Erbschaft ist mit dem Tode der Mutter angefallen und wäre vom Schuldner unverzüglich, d.h. spätestens binnen einer Frist von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an gerechnet, zu dem der Schuldner definitiv von seiner Stellung als Erbe ausgehen konnte, dem Treuhänder oder dem Gericht anzuzeigen gewesen (LG Göttingen, Beschl. v. 15.01.2008, 10 T 1/08). Diese Erbschaft hätte der Schuldner auch von sich aus ungefragt anzeigen müssen (AG Göttingen, ZInsO 2008, 49; a.A. AG Neubrandenburg NZI 2006, 647, Frankfurter Kommentar InsO / Ahrens, § 295 Rz. 50 m.w.N.). Eine in diesem Sinne "aktive" Auskunftspflicht ist das notwendige Korrelat dazu, dass der Treuhänder gesetzlich keine Überwachungspflicht während der Wohlverhaltensperiode hat. Weder ihm noch den Gläubigern wäre es zuzumuten, den Schuldner ständig nach eventuellem neuen Vermögen zu fragen. Von daher gehört es zum Inhalt der Vermögensherausgabepflichten des Schuldners, den Treuhänder und das Gericht von sich aus über etwaiges dem § 295 Abs. 2 Nr. 2 InsO unterfallendes Vermögen zu unterrichten. Es unterliegt insofern auch nicht der Befugnis des Schuldners frei nach eigener Bewertung darüber zu entscheiden, welche Vermögensvorgänge er denn dem Treuhänder oder dem Gericht mitteilt. Er hat alle solche Vorgänge mitzuteilen. Erst dann ist zu entscheiden, ob solche Vermögensvorgänge der Haftungsmasse zugunsten der Gläubiger zugewiesen sind.
Eine Versagung der Restschuldbefreiung wegen dieses Obliegenheitsverstoßes käme aber nur in Betracht, wenn dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt worden wäre,§ 296 Abs. 1 InsO. Daran fehlt es vorliegend indes. Nach der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners ist ihm aufgrund der Erbschaft nach seiner Mutter kein Vermögen zugeflossen, weder in Geld- noch in Sachwerten. Das Vermögen seiner Mutter bestand in einer alten Wohnungseinrichtung, die wertlos war. Eine Sterbeversicherung von ca. 2.700 EUR wurde zur Begleichung der Erbfallschulden verwendet. Weiteres Vermögen war nicht vorhanden. Insofern hat der Schuldner zwar zumindest grob fahrlässig gegen seine Obliegenheiten verstoßen, weil ihm ohne weiteres klar sein musste, dass er den Erbfall hätte anzeigen müssen, diese Obliegenheitsverletzung hat sich vorliegend jedoch nicht zum Nachteil der Gläubiger ausgewirkt, so dass sie keine Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 91 ZPO.