Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 18.06.2003, Az.: 6 A 1053/01
Altpachtvertrag; Anlieferungs-Referenzmenge; Bestandsergänzung; Einzelstaatliche Reserve; Erzeuger; Flächenbindung; Härtefall; Landesreserve; Milcherzeugung; Milcherzeugungsfläche; Milchgarantiemenge; Milchlieferant; Milchquote; Pachtfläche; Pachtverhältnis; Pächterschutz; Quotenverdickung; Referenzmenge; Referenzmengenübergang; Verdickung; Übergangsbescheinigung; Übertragung
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 18.06.2003
- Aktenzeichen
- 6 A 1053/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48117
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 16.03.2005 - AZ: OVG 10 LC 102/03
- BVerwG - 18.10.2005 - AZ: BVerwG 3 B 74.05
- BVerwG - 18.05.2006 - AZ: 3 C 32/05
- BVerwG - 02.10.2007 - AZ: BVerwG 3 C 11.07
Rechtsgrundlagen
- Art 7 Abs 1 EWGV 3950/92
- EWGV 536/93
- Art 5 EWGV 3950/92
- Art 9 EWGV 3950/92
- § 17 Abs 1 Nr 1 ZusAbgV
- § 12 ZusAbgV
- § 7 ZusAbgV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Fehlt bei einer Flächenrückgabe infolge der Beendigung eines Pachtvertrages nach Inkrafttreten der VO (EWG) Nr. 3950/92 dem Verpächter die Erzeugereigenschaft im Sinne des Art. 9 Buchstabe c) der VO (EWG) Nr. 3950/92, ist der ehemalige Pächter aber aktiver Milcherzeuger, verbleibt die Referenzmenge in dessen Betrieb und führt dort zu einer "Quotenverdickung" (wie OVG Schleswig, Urteil vom 8. Oktober 2002 - 2 L 143/98 -, AgrarR 2002, 384).
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Bescheinigung über den Übergang einer Anlieferungs-Referenzmenge.
Zwischen dem Kläger als Pächter und dem Beigeladenen als Verpächter bestand ein Pachtverhältnis bezüglich des Flurstücks 105/6, Flur 3, Gemarkung Worpswede, zur Größe von insgesamt 6,5460 ha. Das Pachtverhältnis wurde vom Vater des Klägers mit dem seinerzeitigen Verpächter 1974 begründet. In einer Einzelaufstellung der bewirtschafteten Pachtflächen vom 29. April 1999 gab der Kläger hinsichtlich des streitgegenständlichen Flurstücks als Datum des Pachtendes "unbegrenzt“ und als Grünlandfläche des Flurstücks eine Fläche zur Größe von 4,1862 ha an. Insgesamt bewirtschaftete der Kläger zum 29. April 1999 nach eigenen Angaben 36,4737 ha Grünland, davon 20,7768 ha Eigentums- und 15,6969 ha Pachtflächen. Von den Pachtflächen wurden nach Angaben des Klägers 8,0725 ha nach Inkrafttreten der Milch-Garantiemengen-Verordnung zugepachtet.
Der Beigeladene ist im Gegensatz zum Kläger kein Milcherzeuger.
Unter dem 7. Februar 2001 beantragte der Beigeladene die Ausstellung einer Bescheinigung über den Übergang einer Anlieferungs-Referenzmenge anlässlich der Rückübertragung von flächengebundenen Referenzmengen. Dabei gab er an, dass er am 1. Januar 2001 eine bisher der Milcherzeugung dienende Teilfläche von 4,1862 ha vom Kläger übernommen habe. Dem Antrag war eine formularmäßige Erklärung über eine Pachtauflösung (ohne Datum) beigefügt, die vom Kläger und vom Beigeladenen unterschrieben wurde. Darin wird erklärt, dass das Pachtverhältnis über das 6,5460 ha große Flurstück (davon 4,1862 ha Milcherzeugungsfläche) zum 1. Januar 2001 einvernehmlich beendet wurde.
Mit Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2001 - hinsichtlich des Referenzfettgehalts unter dem 27. April 2001 korrigiert - wurde dem Beigeladenen bescheinigt, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Nr. 1 der Zusatzabgabenverordnung - ZAV - vorlägen. Der Kläger habe mit Ablauf des 31. Dezember 2000 eine zur Milcherzeugung dienende Teilfläche von 4,1862 ha an den Beigeladenen abgegeben. Bei einer Referenzmenge von 3.321,26 kg pro Hektar Milcherzeugungsfläche vermindere sich die Referenzmenge des abgebenden klägerischen Betriebes mit Ablauf des 31. Dezember 2000 gemäß § 12 Abs. 2 ZAV um 13.903 kg (4,1862 ha x 3.321,26 kg/ha). Der Abzug zugunsten der Landesreserve betrage 4.588 kg, so dass auf den Beigeladenen eine Referenzmenge von 9.315 kg übergehe.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 14. März 2001 Widerspruch ein. Der Verpächter sei bei Pachtbeginn kein Milchlieferant gewesen. Die Nutzung des Flurstücks sei vom Kläger nicht gekündigt worden. Dem Vater des Klägers sei bei einem Gespräch mit dem Verpächter im April/Mai 2000 versichert worden, dass im Falle der eventuellen Pachtbeendigung keine Milchquote übertragen werde. Die formularmäßige Erklärung über die Pachtauflösung zum 31. Dezember 2000 habe der Kläger irrtümlich unterschrieben; seine Unterschrift fechte er wegen arglistiger Täuschung an. Die Pachtfläche wolle er auch in Zukunft landwirtschaftlich nutzen. Im Übrigen liege ein besonderer Härtefall vor, da der Verlust der Milchquote zu einer Existenzgefährdung des klägerischen Familienbetriebes führen würde.
Der Widerspruch wurde mit Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2001 zurückgewiesen. Der Pachtauflösungsvertrag sei rechtmäßig zustande gekommen. Von arglistiger Täuschung könne nicht die Rede sein. Das Formular sei klar gegliedert und beim Durchlesen sei ein Irrtum darüber ausgeschlossen, um was es gehe. Die vom Kläger angeführten Absprachen im Hinblick auf die Quote entbehrten jeder Grundlage. Es habe zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen keine Absprache zum Verbleib der Quote stattgefunden. Pächterschutz habe keine Anwendung finden können, da das Pachtverhältnis auch von Seiten des Pächters einvernehmlich aufgelöst worden sei. Somit sei die auf der Fläche ruhende Referenzmenge insgesamt zu übertragen gewesen.
Der Kläger hat am 16. August 2001 Klage erhoben. Dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, dass er bei der Kündigung des Pachtvertrages mit Abzügen der Milchmenge zu rechnen habe. Der Beigeladene habe sich die Aufkündigung des Landes beim Kläger erschlichen; dessen Gutmütigkeit und Unkenntnis seien ausgenutzt worden. Da er die Pachtflächen nur als Jungtierweide genutzt habe, sei eine Kürzung der Milchmenge - die für den Kläger den Konkurs bedeuten würde - unverständlich.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2001 in der Fassung des Bescheides vom 27. April 2001 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 6. Juli 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die streitgegenständliche Fläche habe im Betrieb des Klägers der Milcherzeugung gedient, da dieser selbst vortrage, die Fläche als Jungtierweide genutzt zu haben. Jungtiere eines Betriebes dienten in der Regel auch der Bestandsergänzung der Milchviehherde und leisteten damit zumindest einen mittelbaren Beitrag zur Milcherzeugung. Pächterschutz habe dem Kläger nicht gewährt werden können. Aus der gemeinsamen Erklärung des Klägers und des Beigeladenen zur Pachtauflösung ergebe sich, dass das Pachtverhältnis zum 1. Januar 2001 einvernehmlich beendet worden sei. Die Erklärung und deren eindeutiger Wortlaut lasse keinerlei Raum für eine anderweitige Auslegung. Die Beklagte habe keine Informationen über das Zustandekommen dieser Erklärung sowie über Absprachen der Beteiligten bezüglich der Beendigung des Pachtverhältnisses und den Verbleib der Referenzmenge.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Er ist der Auffassung, dass eine einvernehmliche Beendigung des Pachtverhältnisses zum 1. Januar 2001 zustande gekommen sei. Der Beigeladene habe sich nichts erschlichen. Bereits der Vater des Klägers habe mit dem Beigeladenen ursprünglich eine vorzeitige einvernehmliche Beendigung des Pachtverhältnisses herbeiführen wollen, was dann allerdings mit dem Kläger erfolgt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) - ZAV - vom 12. Januar 2000 (BGBl. I S. 260) hat der Milcherzeuger in den Fällen des Übergangs von Anlieferungs-Referenzmengen dem Käufer durch eine von der zuständigen Landesstelle ausgestellte, mit Gründen versehene Bescheinigung nachzuweisen, welche Anlieferungs-Referenzmengen, zu welchem Zeitpunkt, von welchem Milcherzeuger, mit welchem Referenzfettgehalt auf ihn übergegangen sind.
Die Frage, ob und in welcher Höhe eine Anlieferungs-Referenzmenge infolge des Besitzwechsels an der Pachtfläche zum 30. Dezember 2000 / 1. Januar 2001 übergegangen ist, richtet sich gemäß § 12 Satz 1 Abs. 1 und 2 ZAV nach den in § 12 Abs. 2 Satz 1 genannten Vorschriften des § 7 der Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV - i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. März 1994 (BGBl. I 586), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 25. März 1996 (BGBl. I S. 535). Nach § 12 Abs. 2 ZAV gehen bei Pachtverträgen, die Anlieferungs-Referenzmengen nach § 7 MGV in der vorgenannten Fassung betreffen und vor dem 1. April 2000 geschlossen worden sind und soweit sie mit Ablauf des 31. März 2000 oder später beendet werden, die entsprechenden Anlieferungs-Referenzmengen nach § 7 Abs. 1 bis 2 a, Abs. 4 Satz 1 bis 3, Abs. 5 und 6 MGV (in der vorgenannten Fassung) auf den Verpächter mit der Maßgabe über, dass 33 v.H. der zurückgewährten Anlieferungs-Referenzmenge zugunsten der Reserve des Landes, in dem der Betriebssitz des Pächters liegt, eingezogen werden.
§ 7 Abs. 4 MGV in der nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV anzuwendenden Fassung bestimmt für eine nach dem 30. September 1984 an den Verpächter erfolgende Rückgewähr von Teilen eines Betriebes, die für die Milcherzeugung genutzt werden, aufgrund eines Pachtvertrages, der vor dem 2. April 1984 abgeschlossen worden ist, die Vorschriften des § 7 Abs. 1 und Abs. 2 MGV hinsichtlich der übergehenden Referenzmenge für entsprechend anwendbar. Aus der entsprechenden Anwendbarkeit von § 7 Abs. 2 MGV folgt, dass grundsätzlich im Falle eine Pachtrückgewähr in der vorgenannten Konstellation die dem Betriebsteil entsprechende Referenzmenge auf den Verpächter übergeht. § 7 Abs. 4 Satz 2 MGV beschränkt den Übergang der Referenzmenge in dem Fall, dass der Pächter bei einem auslaufenden Pachtvertrag keinen Anspruch auf Vertragsverlängerung unter entsprechenden Bedingungen hat und die Milcherzeugung fortsetzen will, sofern nicht beide Vertragsteile hinsichtlich der übergehenden Referenzmenge eine abweichende Vereinbarung treffen.
Die vorgenannten Bestimmungen des nationalen Rechts sind im Sinne des zugrunde liegenden Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden. Maßgebend für die Beurteilung des Klagebegehrens in materieller Hinsicht sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, die Normen, die für den Zeitpunkt des streitigen Referenzmengenübergangs, für den der Wechsel des Besitzes und damit der Verfügungsbefugnis an dem zugrundeliegenden Pachtgegenstand das entscheidende Kriterium ist, Geltung beanspruchen (BVerwG, Urteil vom 1. September 1994 - 3 C 1.92 -, Buchholz 451.512 MGVO, Nr. 790 m.w.N.). Von den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ist hier unter Berücksichtigung des bezeichneten maßgeblichen Zeitpunkts des Flächenübergangs zum 31. Dezember 2000 / 1. Januar 2001 Art. 7 der VO (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 i.d.F. der VO (EG) Nr. 749/2000 der Kommission vom 11. April 2000 und insbesondere der VO (EG) Nr. 1256/99 des Rates vom 17. Mai 1999 einschlägig.
Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 hat folgenden Wortlaut:
"Die Referenzmenge eines Betriebes wird bei Verkauf, Verpachtung oder Vererbung nach Bedingungen, die von den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der für die Milcherzeugung genutzten Flächen oder nach anderen objektiven Kriterien und gegebenenfalls einer Vereinbarung zwischen den Parteien festgelegt werden, mit dem Betrieb auf die Erzeuger übertragen, die den Betrieb übernehmen.
Der Teil der Referenzmenge, der gegebenenfalls nicht mit dem Betrieb übertragen wird, wird der einzelstaatlichen Reserve zugestanden. Wenn jedoch bei einer Übertragung von Referenzmengen ein Teil der einzelstaatlichen Reserve zugeschlagen worden ist, erfolgt im Falle der Rückübertragung kein Einbehalt.
Die gleichen Bestimmungen gelten für sonstige Fälle von Übertragungen mit vergleichbaren rechtlichen Folgen für die Erzeuger. [...]"
Ergänzend bestimmt Art. 7 Abs. 2 der genannten Verordnung:
"Ist bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge eine Verlängerung zu gleichartigen Bedingungen nicht möglich oder liegt ein rechtlich gleichgelagerter Fall vor und wurde zwischen den Beteiligten keine Vereinbarung getroffen, so werden die verfügbaren Referenzmengen der betreffenden Betriebe nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten oder festzulegenden Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten ganz oder teilweise auf die Erzeuger übertragen, die sie übernehmen.
Nach diesen zum Zeitpunkt der Flächenrückgabe (31. Dezember 2000 / 1. Januar 2001) geltenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ruhten die Referenzmengen - abgesehen von Sonderregelungen - grundsätzlich auf den Milcherzeugungsflächen (Prinzip der Flächen- oder Betriebsakzessorietät) und gingen bei deren Übertragung auf einen anderen Erzeuger mit über. Die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung räumt den Mitgliedstaaten allerdings die Möglichkeit ein, zwischen einem Referenzmengenübergang nach Maßgabe der vorhandenen Milcherzeugungsflächen oder anderen objektiven Kriterien zu wählen. Der deutsche Verordnungsgeber hat sich im Geltungsbereich der hier nach § 12 Abs. 2 ZAV noch anwendbaren MGV dem Grunde nach für die 1. Alternative entschieden (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2002 - 3 C 3.01 -, DVBl. 2002, 852). Danach geht bei der Rückgabe einer zur Milcherzeugung genutzten Fläche ein Referenzmengenanteil, der dem Verhältnis der zurückgewährten Fläche zu derjenigen des gesamten Betriebes des Pächters entspricht, auf den Verpächter mit über (§ 7 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 MGV). Voraussetzung hierfür ist weiter, dass die Rückgabe nach dem 30. September 1984 und aufgrund eines auslaufenden (Alt-)Pachtvertrages erfolgt ist, der vor dem 2. April 1984 abgeschlossen war, sowie das Nichteingreifen der Pächterschutzregelung des § 7 Abs. 4 Satz 2 MGV. Erst mit dem Inkrafttreten der Vorschriften der Zusatzabgabenregelung hat sich der Verordnungsgeber - in Anwendung des Art. 8 a VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 - dem Grunde nach für ein System der nicht flächengebundenen Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen entschieden.
Zwar liegt, wovon Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 ausgeht, eine Betriebsübernahme im Zusammenhang mit einer "Verpachtung“ bei einer Rückgewähr von Pachtflächen nicht vor. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 4 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 gelten die Bestimmungen der Sätze 1 bis 3 aber auch für "sonstige Fälle von Übertragungen mit vergleichbaren rechtlichen Folgen für die Erzeuger“. Ein derartiger vergleichbarer Fall ist gegeben, wenn der Besitz an Produktionseinheiten, die der Milcherzeugung gedient haben, im Hinblick auf die Beendigung eines Pachtverhältnisses wegfällt (so EuGH, Urteil vom 13. Juni 1989 - Rs 5/88 - und ihm in ständiger Rechtsprechung folgend BVerwG, vgl. etwa das Urteil vom 16. September 1993 - BVerwG 3 C 37/92 -, BVerwGE 94, 143 = AgrarR 1994, 136 zu den inhaltlich gleichen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen in Art. 5 der VO (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 und Art. 7 der VO (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988). Von einer "Betriebsübernahme“ im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 und von einem sonstigen "Übertragungsfall“ mit vergleichbaren rechtlichen Folgen für die Erzeuger im Sinne des Satzes 4 geht die Kammer in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Nds. OVG (Urteil vom 29. Januar 2003 - 10 LB 193/01 -) auch bei der hier streitigen Rückgabe von Teilen eines landwirtschaftlichen Betriebes (sog. Stückländereien) aus einem Pachtverhältnis aus.
Zwar wird in Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 ausdrücklich die Beendigung der landwirtschaftlichen Pachtverträge bezeichnet. Demzufolge geht auch der EuGH im Urteil vom 20. Juni 2002 (- Rs C 401/99 -, AgrarR 2002, 283) von Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 als Ermächtigungsgrundlage im Gemeinschaftsrecht für die Rückgabe ganzer landwirtschaftlicher Betriebe aus, obwohl Gegenstand des Vorlagebeschlusses des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 22. September 1999 - 2 L 143/98 -, RdL 2000/37) nicht ein ganzer Betrieb, sondern nur Teile eines Betriebes (Stückländereien) - wie hier - waren. Demgegenüber wird im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Januar 2002 (- 3 C 3.01 -, a.a.O.) als Rechtsgrundlage für den
Übergang von Anlieferungs-Referenzmengen im Zusammenhang mit der Rückgabe von Stückländereien aus einem Pachtverhältnis Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 erwähnt. Mit dem Nds. OVG (Urteil vom 29. Januar 2003) ist die Kammer der Auffassung, dass für den Übergang von Anlieferungs-Referenzmengen im Zusammenhang mit der Beendigung von Pachtverträgen als Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 sowohl für die Rückgabe gesamter landwirtschaftlicher Betriebe als auch von Teilen eines Betriebes (Stückländereien) in Betracht kommt. Zwar unterscheidet Art. 7 Nr. 1 und 2 VO (EWG) Nr. 1546/88 ausdrücklich zwischen der Verpachtung eines gesamten und eines Teiles eines Betriebes. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass durch die Regelungen in Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 die sog. Stückländereien von einem Referenzmengenübergang ausgeschlossen werden sollten. Das Gegenteil ist der Fall. Durch die VO (EWG) Nr. 3950/92 sollten die entsprechenden bisherigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen im Interesse der Rechtssicherheit einfacher und klarer gestaltet und die grundlegenden Texte der verlängerten Regelungen gestrafft und in einer eigenständigen Verordnung zusammengefasst werden (vgl. die Präambel zu der VO (EWG) Nr. 3950/92). Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 stellt mithin nur eine ergänzende gemeinschaftsrechtliche Regelung zu der grundsätzlichen Entscheidung des Verordnungsgebers in Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 für den Übergang von Referenzmengen im Zusammenhang mit dem Übergang ganzer Betriebe oder Teilen von Betrieben dar, wenn bei der Beendigung von landwirtschaftlichen Pachtverträgen eine Verlängerung zu gleichartigen Bedingungen nicht möglich ist (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 29. Januar 2003).
Voraussetzung für den Übergang einer Referenzmenge nach den vorgenannten Regelungen an den Verpächter im Falle der Rückgewähr einer zur Milcherzeugung verwendeten Pachtfläche nach Beendigung eines Pachtverhältnisses ist nach § 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 die Eigenschaft des Verpächters als "Erzeuger“. Diese Eigenschaft fehlte dem Beigeladenen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rückgabe der Pachtfläche.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 20. Juni 2002 (Rs C-401/99, AgrarR 2002, 283) entschieden, dass Art. 7 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 3950/92 - in dieser Bestimmung wird der Begriff des Erzeugers in identischer Weise verwendet - so auszulegen ist, dass bei Beendigung eines landwirtschaftlichen Pachtvertrages über einen Milchwirtschaftsbetrieb die vollständige oder teilweise Übertragung der daran gebundenen Referenzmenge auf den Verpächter nur dann möglich ist, wenn dieser die Eigenschaft eines Erzeugers im Sinne von Art. 9 Buchstabe c) der Verordnung hat oder im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtvertrages die verfügbare Referenzmenge auf einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt. Für die Zuteilung der relevanten Referenzmenge an die Verpächter gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung reicht es nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus, dass diese im vorgenannten Zeitpunkt nachweisen, dass sie konkrete Vorbereitungen dafür treffen, in kürzester Zeit die Tätigkeit eines Erzeugers im Sinne von Art. 9 Buchstabe c) der Verordnung auszuüben. Der Europäische Gerichtshof geht dabei davon aus, dass der Grundsatz der Flächenakzessorietät die notwendige logische Folge des sich aus dem allgemeinen Sinn und Zweck der Regelung über die Zusatzabgabe für Milch ergebenden grundlegenden Prinzips darstellt, dass einem Landwirt eine Referenzmenge nur eingeräumt werden kann, wenn er die Eigenschaft eines Milcherzeugers hat, was verhindern soll, dass Referenzmengen nicht zur Erzeugung und Vermarktung von Milch, sondern dazu verwendet werden, unter Ausnutzung ihres Marktwertes rein finanzielle Vorteile aus ihnen zu ziehen.
Als Erzeuger wird in Art. 9 Buchstabe c) VO (EWG) Nr. 3950/92 der Betriebsinhaber definiert, der einen Betrieb im geografischen Gebiet eines Mitgliedstaates bewirtschaftet und der Milch oder Milcherzeugnisse direkt an den Verbraucher verkauft bzw. an den Abnehmer liefert. Der Beigeladene erfüllte bei Rückgabe der Pachtfläche diese Voraussetzungen nicht. Er bewirtschaftete keinen landwirtschaftlichen Betrieb und erzeugte keine Milch. Zwar reicht es für die Zuteilung der relevanten Referenzmenge an den Verpächter nach der Rechtsprechung des EuGH auch aus, dass dieser zum Zeitpunkt der Beendigung der Pacht nachweist, konkrete Vorbereitungen dafür zu treffen, in kürzester Zeit die Tätigkeit eines Erzeugers auszuüben. Damit ist aber nicht etwa eine flächenlose Übertragung der Referenzmenge auf einen anderen Erzeuger gemeint (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 8. Oktober 2002 - 2 L 143/98 -, AgrarR 2002, 384). Auch reicht nicht die Absicht aus, die Referenzmenge in kürzester Zeit bzw. zum nächstmöglichen Übertragungstermin über die Verkaufsstellen anbieten und übertragen zu wollen. Dies würde nämlich das oben angeführte Hauptziel der Bestimmung des Art. 7 VO (EWG) Nr. 3950/92 konterkarieren, zu verhindern, dass Referenzmengen denjenigen zugeteilt werden, die aus dieser Zuteilung einen reinen finanziellen Vorteil ziehen möchten.
Nach Inkrafttreten der Zusatzabgabenverordnung besteht für den Beigeladenen, der selbst nicht aktiver Milcherzeuger ist, die einzige Möglichkeit zur Verwertung der Referenzmenge durch eine Veräußerung über die Verkaufsstelle. Eine flächenakzessorische Übertragung der Anlieferungs-Referenzmenge ist nach § 7 Abs. 1 ZAV nämlich grundsätzlich ausgeschlossen. Das Vorliegen eines Ausnahmefalles nach § 7 Abs. 2 ZAV
(Übergang eines gesamten Milchwirtschaftsbetriebes oder Übergang eines gesamten Betriebes oder Betriebsteils zwischen Verwandten in gerader Linie oder Ehegatten) wird nicht geltend gemacht.
Mithin ist mit der Rückgabe der Pachtfläche keine Referenzmenge vom Kläger auf den Beigeladenen übergegangen. Die Bescheinigung vom 14. Februar 2001 in der Fassung des Korrekturbescheides vom 27. April 2001 stellt sich daher als rechtswidrig dar.
Der Kläger ist durch den rechtswidrig bescheinigten Referenzmengenübergang auch im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt.
An einer Rechtsverletzung des Klägers fehlt es nicht etwa deshalb, weil wegen des Grundsatzes der Flächenakzessorietät keine mit der Pachtfläche verbundene Referenzmenge bei ihm verblieben, sondern der einzelstaatlichen Reserve zugefallen ist. Das OVG Schleswig hat in seinem Urteil vom 8. Oktober 2002 (a.a.O.) für eine identisch gelagerte Konstellation entschieden, dass die Referenzmenge dem früheren Pächter zugeordnet und nicht der einzelstaatlichen Reserve zugeschlagen wird, wenn die Beendigung des Pachtverhältnisses zu keinem Referenzmengenübergang führt, weil der Verpächter und der neue Pächter keine Erzeuger sind. Zur Begründung hat das OVG Schleswig u.a. ausgeführt:
„[...] So wie im Falle einer Freisetzung von Teilen der einem Betrieb zugeordneten Referenzmenge nach den Bestimmungen der Milchaufgabevergütungsverordnung die Restreferenzmenge eo ipso an die Stelle der früheren Referenzmenge tritt und sich gleichmäßig auf die Milcherzeugungsfläche des Erzeugers verteilt (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2002 - 3 C 3.01 -, RdL 2002, 133, 134), also gleichsam eine "Verdünnung“ stattfindet, hat die Rückgabe von zugepachteten zur Milcherzeugung genutzten Flächen ohne Referenzmengenübergang zur Folge, dass die beim Pächter vollständig verbleibende Referenzmenge seinen nunmehr genutzten Milcherzeugungsflächen zugeordnet wird. Sofern keine anderen Flächen hinzukommen, tritt - vergleichbar mit der seinerzeit nach § 7 Abs. 2 a) MGV möglichen Flächenübertragung unter Rückbehalt der auf diese Fläche entfallenden Referenzmenge - eine "Verdickung“ der Referenzmenge ein. Das gilt nicht nur in Fällen einer Vereinbarung der am Pachtvertrag Beteiligten und unter den Voraussetzungen des normativ geregelten Pächterschutzes, sondern auch, wenn nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 die Beendigung des Pachtverhältnisses zu keinem Referenzmengenübergang führen kann, weil der Verpächter bzw. der neue Pächter kein Erzeuger ist. Demnach fehlt es entgegen der Auffassung des beklagten Amtes nach der Pachtrückgabe nicht an einer Zuordnung bzw. Zuteilung der darauf zuvor ruhenden Referenzmenge, so dass diese Referenzmenge nicht nach Art. 6 VO (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt EG Nr. 1157/12) der einzelstaatlichen Reserve gemäß Art. 5 VO (EWG) Nr. 3950/92 zugeschlagen wird.“
Diesen Ausführungen des OVG Schleswig folgt die Kammer. In einer Fallgestaltung wie der hier vorliegenden, in der der die Milcherzeugungsfläche abgebende Pächter im Gegensatz zum Verpächter Erzeuger im Sinne des Art. 9 Buchstabe c) der VO (EWG) Nr. 3950/92 ist, kann sich die in Art. 6 Satz 1 VO (EWG) Nr. 536/93 angesprochene Frage der einzelbetrieblichen Zuteilung bzw. Zuordnung der zuvor auf der übergebenen Milcherzeugungsfläche ruhenden Referenzmenge nicht stellen. Die Anlieferungs-Referenzmenge wird dann auch nicht nach dieser Vorschrift der einzelstaatlichen Reserve zugeschlagen, sondern bleibt dem aktiven Milcherzeuger zugeordnet. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 Unterabsatz 2 der VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99, wonach der Teil der Referenzmenge, der gegebenenfalls nicht mit dem Betrieb übertragen wird, der einzelstaatlichen Reserve zugeschlagen wird. Diese Bestimmung stellt vielmehr die gemeinschaftsrechtliche Grundlage für die von den Mitgliedstaaten festgesetzten Bedingungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung zu einem Abzug zugunsten der Landesreserve dar, welche in der Durchführungsbestimmung des Art. 6 Satz 1 VO (EWG) Nr. 536/93 konkretisiert wird. Einen selbständigen unmittelbaren Abzugstatbestand enthält diese Regelung hingegen nicht. Dieser Befund erhärtet sich bei einer Betrachtung des Art. 7 Satz 3 der VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99. Nach dieser Bestimmung erfolgt im Falle der Rückübertragung einer Referenzmenge kein "Einbehalt“, wenn bei einer Übertragung von Referenzmengen ein Teil der einzelstaatlichen Reserve zugeschlagen worden ist. Die Verwendung des Begriffs "Einbehalt“ in diesem Kontext macht deutlich, dass Art. 7 Unterabsatz 2 in erster Linie Fallkonstellationen im Auge hat, in denen nach speziellen Bestimmungen der Mitgliedstaaten ein Abzug zugunsten der Landesreserve zu erfolgen hat. Primärer Regelungsgehalt des § 7 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.d.F. der VO (EG) Nr. 1256/99 ist daher nicht die Behandlung von Fallkonstellationen, in denen mangels Erzeugereigenschaft des Verpächters eine Anlieferungs-Referenzmenge bei Pachtrückgabe auf diesen nicht übergehen kann. Mithin ist nach den genannten Bestimmungen die Referenzmenge trotz Übergabe der Altpachtflächen an den Beigeladenen beim Kläger verblieben und nicht etwa der einzelstaatlichen Reserve zugefallen.
Raum für den vorgenommenen Abzug zugunsten der Landesreserve nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV bestand daher ebenfalls nicht, so dass der angefochtene Bescheid insgesamt aufzuheben ist.