Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.02.2024, Az.: L 16 KR 182/21

Vergütung der ergänzenden Tagesentgelte im Rahmen von Intensivbehandlungen bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei erwachsenen Patienten mit 3 Merkmalen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.02.2024
Aktenzeichen
L 16 KR 182/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 13053
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2024:0220.16KR182.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 31.03.2021 - AZ: S 54 KR 733/20

Amtlicher Leitsatz

Das Merkmal des OPS 9-619 Notwendigkeit des Einsatzes von individuellen präventiven und/oder reaktiven Sicherungsmaßnahmen ist nicht bereits durch die Unterbringung in der geschlossenen Station eines psychiatrischen Krankenhauses erfüllt.

In dem Rechtsstreit
B.
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt C.
gegen
Techniker Krankenkasse,
vertreten durch den Vorstand,
D.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 16. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2024 in Celle durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht E., die Richterin am Landessozialgericht F. und die Richterin am Landessozialgericht Dr. G. sowie die ehrenamtlichen Richter H. und I. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 31. März 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 1.196,16 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vergütung der ergänzenden Tagesentgelte ET0203, die durch Kodierung des OPS-Kodes 9-619 (Intensivbehandlung bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei erwachsenen Patienten mit 3 Merkmalen) auslöst werden. Im Streit steht das Intensivmerkmal "Anwendung von Sicherungsmaßnahmen".

Die 1939 geborene Versicherte J. wurde vom 4. Juni bis 12. Juli 2018 auf der beschützend geführten gerontopsychiatrischen Station (geschlossene Station) der Klägerin wegen fortgeschrittener Demenz im Zuge einer Alzheimer Erkrankung behandelt. Die Aufnahme erfolgte notfallmäßig nach dem Niedersächsischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) und § 1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen akuter Eigen- und Fremdgefährdung aufgrund eines Delirs bei Demenz. Am 12. Juli 2018 wurde die Versicherte auf Veranlassung ihres vorsorgebevollmächtigten Ehemannes in eine beschützend geführte Pflegeeinrichtung entlassen.

Der Landrat des Landkreises K. ordnete am 7. Juni 2018 die vorläufige Einweisung der Versicherten gemäß § 18 NPsychKG in den abgeschlossenen Teil des Psychiatriezentrums der Klägerin an. Die Voraussetzungen des § 16 NPsychKG seien durch das beiliegende ärztliche Zeugnis nachgewiesen. Ausweislich der ärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie L. vom 7. Juni 2018 befand sich die Versicherte seit dem 4. Juni 2018 in der Klinik für Gerontopsychiatrie der Klägerin; eine schwere Demenz war als Hauptdiagnose gesichert. In der Klinik zeigte sich weiterhin eine schwere delirante Symptomatik mit dem Drang, die Station ohne Absprache zu verlassen. Der Realitätsbezug der Versicherten war erheblich eingeschränkt, sie irrte orientierungslos und unruhig auf Station herum und beging schwere Fehlhandlungen. Eine akute Eigengefährdung ergab sich durch die starken Verwirrtheitszustände, die mit Fehlhandlungen und Weglauftendenzen verbunden waren. Aufgrund dessen sei eine geschlossene Unterbringung dringend indiziert.

Mit Beschluss vom 8. Juni 2018 ordnete das Amtsgericht K. - Betreuungsgericht - im Wege der einstweiligen Anordnung die Unterbringung der Versicherten in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses längstens bis zum 5. Juli 2018 an. Zur Begründung für die Erforderlichkeit einer sofortigen Unterbringung folgte das Gericht dem ärztlichen Zeugnis des Facharztes für Psychiatrie L. vom 7. Juni 2018. Mit Beschluss vom 3. Juli 2018 genehmigte das Betreuungsgericht auf Antrag des Vorsorgebevollmächtigten die vorläufige Unterbringung der Versicherten in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens zum 14. August 2018.

Mit Schlussrechnung vom 16. August 2018 liquidierte die Klägerin die (unstreitige) Fallpauschale PEPP PA15B (organische Störung, amnestisches Syndrom, Alzheimer-Krankheit und sonstige degenerative Krankheiten des Nervensystems, mit bestimmten Demenzerkrankungen oder mit komplizierender Konstellation oder Alter >84 Jahre) für 39 Behandlungstage und für 28 Tage die ergänzenden Tagesentgelte nach ET0203 für die Kodierung des OPS 9-619 mit einem Gesamtbetrag von 5.987,05 Euro.

Der OPS 9-619 in der maßgeblichen Version 2018 lautet:

"Intensivbehandlung bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei erwachsenen Patienten mit 3 Merkmalen"

Der OPS 9-618 lautet in der Version 2018:

"Intensivbehandlung bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei erwachsenen Patienten mit 2 Merkmalen"

Die Merkmale einer Intensivbehandlung bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei Erwachsenen sind im OPS 9-61 definiert. Dort heißt es zum Intensivmerkmal "Anwendung von Sicherungsmaßnahmen":

"Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn die Notwendigkeit des Einsatzes von individuellen präventiven (nur personellen) Sicherungsmaßnahmen und/oder individuellen reaktiven (personellen, räumlichen, mechanischen und/oder medikamentösen) Sicherungsmaßnahmen besteht und diese ärztlich angeordnet sind".

Die Beklagte glich die Rechnung zunächst aus und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit Prüfung der Abrechnung.

Der MDK bestätigte den OPS 9-619 in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 19. März 2019 nicht. Die Dokumentation der Intensivmerkmale sei widersprüchlich, weiche im wechselnden Verlauf von der aus dem Fließtext sich ergebenden gleichbleibenden klinischen Symptomatik ab und sei nicht nachvollziehbar dokumentiert. Sicherungsmaßnahmen ergäben sich nur aus dem computergestützten Formular, würden aber in der chronologischen Übersicht und im Fließtext nicht benannt. Eine ärztliche Anordnung derselben werde nicht dokumentiert. Der OPS 9-619 könne nicht bestätigt werden. Die im OPS geforderte schwere Antriebsstörung sei aus dem Verlauf nicht ersichtlich. Es könne mit der über den gesamten Verlauf vorliegenden Selbstgefährdung durch fehlende Orientierung 9-617 verschlüsselt werden. Die mit dem OPS 9-619 verbundenen ETs könnten nicht bestätigt werden. In der chefärztlichen Visite am 25. Juni sei die fehlende Entlassungsfähigkeit dokumentiert worden, ebenso am 2. Juli. Die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Behandlung ergebe sich aus der Selbstgefährdung durch fehlende Orientierung. Sie sei nachvollziehbar über den gesamten Verlauf hinweg überprüft worden und sei gegeben. Die Notwendigkeit der Gesamtverweildauer könne bestätigt werden.

Gegen die Kürzung der Intensivmerkmale legte die Klägerin mit Schreiben vom 16. April 2019 Widerspruch ein. Das Merkmal "Anwendung von Sicherungsmaßnahmen" sei erfüllt, da sich die Patientin auf der geschlossenen gerontopsychiatrischen Station mit Unterbringungsbeschluss und ohne Ausgang befunden habe. Aus der Dokumentation seitens des Personals und der Ärzte gehe auch klar hervor, dass die Patientin schwer verwirrt und desorientiert gewesen sei und schwere Fehlhandlungen begangen habe. Das Merkmal "akute Selbstgefährdung durch fehlende Orientierung oder Realitätsverkennung" sei gegeben, da die Patientin im Rahmen eines religiösen Wahns Fehlhandlungen begangen habe, antriebsgesteigert gewesen sei und zT Weglauftendenzen gezeigt habe. Zusätzlich werde für den 7. Juni das Merkmal "schwere Antriebsstörung" angeführt, da die Patientin orientierungslos über den Stationsflur geirrt sei und erhöhten Rededrang gezeigt habe.

In seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2019 stellte der MDK fest, zwar diene der Aufenthalt auf einer geschlossenen Station der Sicherung. Es handele sich jedoch um eine allgemeine Maßnahme, die alle Patienten der Station zum entsprechenden Zeitpunkt betreffe. Das von der OPS explizit geforderte "individuelle" gehe aus der Maßnahme nicht hervor. Weitere Maßnahmen, die das Kriterium einer individuellen Sicherungsmaßnahme erfüllten, seien nicht dokumentiert. Vor diesem Hintergrund werde die Erstbegutachtung bestätigt. Nach erneuter Sichtung der Unterlagen und unter Berücksichtigung der im Widerspruchsschreiben gegebenen Hinweise sei dem Intensivmerkmal "schwere Antriebsstörung" nachträglich zuzustimmen. Dazu sei anzumerken, dass die für eine fehlende Erreichbarkeit oder fehlende Begrenzbarkeit zu fordernden Begrenzungsversuche aus der pflegerischen Dokumentation nicht hervorgingen. Anhand der Ausprägung der beschriebenen Symptomatik sei jedoch davon auszugehen, dass diese Begrenzungsversuche erfolgt seien. Daraus ergebe sich die durchgängige Kodierung mit dem OPS 9-618 vom 4. Juni bis zum 11. Juli 2018. Die durch den OPS 9-619 ausgelösten ETs seien somit nicht korrekt abgerechnet worden.

Die Beklagte machte sich die Beurteilung des MDK zu eigen und rechnete nach erfolgloser Rückforderung die Erlöse aus den ET0203 in Höhe von 1.196,16 Euro am 18. September 2019 mit unstreitigen Forderungen auf.

Die Klägerin hat am 18. Dezember 2019 Klage beim Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben und die Zahlung der ausstehenden Vergütung in Höhe von 1.196,16 Euro begehrt. Die streitbefangenen ETs seien zu berechnen, da der OPS 9-619 zutreffend kodiert worden sei. Streitentscheidend sei bezüglichen aller ETs, ob das im OPS-Kode jeweils genannte Merkmal "Anwendung von Sicherungsmaßnahmen" erfüllt sei. Die Unterbringung auf der geschlossenen Station erfülle die Merkmale, die im OPS-Katalog für die individuellen Sicherungsmaßnahmen genannt seien. Die Entscheidung, dass die Versicherte auf der geschlossenen Abteilung geführt worden sei, erfülle die Anforderungen der personellen, räumlichen, mechanischen und/oder medikamentösen Sicherungsmaßnahmen. Das gelte unabhängig von der Tatsache, dass auf der geschlossenen Station auch andere Patienten aufgrund jeweils getroffener Entscheidungen oder auf freiwilliger Grundlage behandelt würden und in der sicheren Umgebung der geschlossenen Abteilung einer gesteigerten Sicherung zugeführt worden seien. Im konkreten Behandlungsfall sei die Entscheidung, die Patientin auf der geschlossenen Abteilung zu führen (und zu sichern) patientenindividuell getroffen worden. Damit sei die Versicherte aus dem Patientenpool der Klinik ausgesondert worden. Der mit der Aufnahme auf die geschlossene Abteilung verbundene Entzug von Freiheitsrechten sei zwangsläufig eine patientenindividuelle Entscheidung.

Mit Urteil vom 31. März 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf die ausstehende Vergütung in Höhe von 1.196,16 Euro sei durch die wirksame Aufrechnung der Beklagten erloschen. Die von der Klägerin in Rechnung gestellte Fallpauschale und die übrigen Rechnungsbestandteile seien im Wesentlichen unstreitig. Strittig sei allein, ob die ergänzenden Tagesentgelte ET0203 abgerechnet werden durften. Das sei nach der Definition nur der Fall, wenn an jedem der berechneten Tage der OPS 9-619 habe kodiert werden dürfen. Da es sich bei ET 0203 um ein Tagesentgelt handele, müsse taggenau geprüft werden. Der MDK habe für alle von der Klägerin angegebenen 28 Tage festgestellt, dass der OPS 9-618 (zwei Merkmale) kodiert werden dürfe, nicht aber der OPS 9-619 (mit drei Merkmalen). Von den im OPS beschriebenen Merkmalen seien an diesen Tagen jeweils zwei Merkmale anzuerkennen. Es bestehe für die Kammer keine Veranlassung, das Vorliegen von mindestens zwei Merkmalen nachzuprüfen. Ein drittes Merkmal könne aber nicht berücksichtigt werden. Auch nach dem Vorbringen der Klägerin könne es sich dabei nur um die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen handeln. Diese seien jedoch nicht gegeben. Eine Prozedur könne, wie jede Diagnose, nur kodiert werden, wenn das Patientenmanagement im Sinne eines Ressourcenverbrauchs beeinflusst sei. Nach den Allgemeinen Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) liege das bei Diagnosen explizit vor bei "erhöhtem Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand" (DKR 2018, D003).

Nach § 21c Absatz 1 NPsychKG seien besondere Sicherungsmaßnahmen:

1. der Entzug oder Vorenthaltung von Gegenständen,

2. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthaltes im Freien,

3. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne Gegenstände und

4. die Beschränkung der Bewegungsfreiheit zur Ruhigstellung (Fixierung) durch mechanische Vorrichtungen, durch die Gabe von Medikamenten oder durch mechanische Vorrichtungen in Verbindung mit der ergänzenden Gabe von Medikamenten.

Aus dem Gesamtsystem der Abrechnungsbestimmungen ergebe sich, dass allein die Unterbringung auf der geschlossenen Station nicht als Anwendung von Sicherungsmaßnahmen im Sinne des OPS angesehen werden könne. Es handele sich nicht um eine individuelle Maßnahme. Zwar sei die (zwingend erforderliche) ärztliche Anordnung, ebenso wie der richterliche Beschluss, eine höchst individuelle Maßnahme. Es sei aber keine Maßnahme und erst Recht keine Sicherungsmaßnahme, die Teil der täglichen Behandlung sei. Sie sei lediglich einmal vor der Behandlung als deren Voraussetzung erforderlich. Einen abrechenbaren Ressourcenaufwand erzeuge sie ebenso wenig wie jede andere ärztliche Zuweisung auf eine bestimmte Station. Zwar müsse jeden Tag aufs Neue ärztlich entschieden werden, ob der Aufenthalt auf der Station noch erforderlich sei. Das sei aber bei jedem Krankenhausaufenthalt der Fall und bilde keinen Ressourcenaufwand ab, der einer speziellen Diagnose oder einem OPS zuzurechnen sei, auch nicht dem Merkmal Anwendung von Sicherungsmaßnahmen. Während der Unterbringung auf einer beschützten (geschlossenen) Station könnten die Patienten zwar nicht ohne weiteres die Station verlassen. Die geschlossenen Türen und Fenster seien aber nicht patientenindividuell, sondern beträfen alle dortigen Patienten. Zwar gebe es dem Grunde nach die Möglichkeit des erlaubten Ausgangs (allein oder in Gruppen oder in Begleitung eines Angehörigen oder in Begleitung durch Klinikpersonal). Ob ein solcher Ausgang dem Merkmal Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zuzurechnen sei, müsse hier nicht entschieden werden, denn es habe kein Ausgang stattgefunden. Dafür, dass bei der Versicherten M. besondere individuelle Einschränkungen wie nach § 21c Abs 1 NPsychKG angeordnet worden seien, gebe es keine Anhaltspunkte. Weder habe die Klägerin Entsprechendes vorgetragen noch fänden sich Hinweise in der Patientenakte.

Gegen das ihr am 12. April 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. April 2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung die Merkmale erfülle, die im OPS-Katalog für die individuellen Sicherungsmaßnahmen genannt seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien die Abrechnungsvorschriften inklusive der ICD- und OPS-Kataloge streng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Wertende Betrachtungen hätten außer Betracht zu bleiben. Das SG vermenge rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen für die Kodierung von Nebendiagnosen und Prozeduren. Die herangezogene D003I der DKR betreffe die Kodierung von Nebendiagnosen. Die vom SG geforderte Beeinflussung des Patientenmanagements im Sinne eines Ressourcenverbrauchs werde im OPS-Katalog nicht gefordert. Die Unterbringung auf der geschlossenen Station sei eine räumliche sowie personelle Sicherungsmaßnahme. Auf der geschlossenen Station seien Sicherungsvorkehrungen vorhanden, die die Versicherte am eigenmächtigen Verlassen der Station hinderten. Der personelle Aufwand sei höher als auf Normalstationen und es gebe gesonderte Ausgangsregelungen. Im konkreten Behandlungsfall sei die Entscheidung, die Versicherte auf der geschlossenen Station zu führen (und zu sichern), eine individualisierte, auf die konkrete patientenbezogene Notwendigkeit getroffen Maßnahme. Die ärztliche Anordnung ergebe sich aus den Verlaufsberichten aller Berufsgruppen. Zu berücksichtigen sei, dass es sich um eine elektronische Dokumentation handele, die von einer Behandlungsdokumentation in Papierform zwangsläufig abweiche. Abschließend werde darauf hingewiesen, dass die streitentscheidende Rechtsfrage in einer Vielzahl von Abrechnungsstreitigkeiten, von denen eine Vielzahl bereits rechtshängig sei, zwischen der Klägerin und dem MDK bzw den Krankenkassen umstritten sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 31. März 2021 aufzuheben und

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.196,16 Euro sowie Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. September 2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Urteil des SG Braunschweig und ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die Patientenakte der Versicherten verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG Braunschweig hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist gemäß § 54 Abs 5 SGG als echte Leistungsklage im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig, erweist sich allerdings als unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Vergütungsforderung in Höhe von 1.196,16 Euro. Der Anspruch ist dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärte.

Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch sind erfüllt. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt ua voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor; die Beklagte hat die Vergütung für die ergänzenden Tagesentgelte ET0203 ohne Rechtsgrund erbracht.

1. Anspruchsgrundlage für die Vergütung ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG sowie § 17d Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und dem vorliegend für den Behandlungs- und Abrechnungsfall im Jahr 2018 maßgeblichen Entgeltsystem PEPP (Pauschalierendes Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen - PEPP) sowie der am 1. November 1992 in Kraft getretene Vertrag zu den Bereichen des § 112 Abs 2 Nr 1, 2, 4 und 5 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen (Niedersächsischer Sicherstellungsvertrag).

Nach § 17d KHG ist für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen seit dem 1. Januar 2018 ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschaliertes Vergütungssystem (PEPP) für alle Krankenhäuser verbindlich anzuwenden. Nach dem PEPP-Entgeltkatalog Version 2018 ist für die Abrechnung von Patientinnen und Patienten zunächst die Anzahl der insgesamt abzurechnenden Berechnungstage für den stationären Aufenthalt zu bestimmen. Die im streitbefangenen Behandlungsfall von der Klägerin abgerechnete Fallpauschale PA15B ist vom MDK bestätigt worden und zwischen den Beteiligten nicht streitig.

2. Streitbefangen sind allein die ergänzende Tagesentgelte ET0203 nach dem PEPP-Entgeltkatalog. Im PEPP-Entgeltkatalog sind die ergänzenden Tagesentgelte in die Klassifikationen ET01 bis ET05 unterteilt. Für die streitbefangene Klassifikation ET02, die die Behandlung erwachsener Patienten mit mindestens 3 Merkmalen voraussetzt, ist abrechenbar jeder Tag mit Gültigkeit eines OPS-Kodes gemäß Spalte 4, an dem der Patient behandelt wird. Der vorliegend gemäß Spalte 4 maßgebliche OPS-Kode 9-619 verlangt nach dem OPS-Text in Spalte 5 die Behandlung erwachsener Patienten mit drei Merkmalen.

In seiner zweiten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 24. Juli 2019 hat der MDK nach erneuter Prüfung auf den Widerspruch der Klägerin das Intensivmerkmal "schwere Antriebsstörung" bejaht. Das Merkmal "akute Selbstgefährdung durch fehlende Orientierung oder Realitätsverkennung" hatte er bereits in seiner ersten Stellungnahme vom 19. März 2019 bestätigt. Folgerichtig ist der MDK zu der Beurteilung gekommen, dass sich für die Zeit vom 4. Juni bis 11. Juli 2018 die durchgängige Kodierung mit dem OPS 9-618 (bei Erwachsenen mit zwei Merkmalen) ergibt.

Die durch den OPS 9-619, der bei Erwachsenen drei Intensivmerkmale fordert, ausgelösten ETs durften somit nicht abgerechnet werden.

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung. Streitig ist allein, ob vorliegend während des stationären Aufenthalts der Versicherten für 28 Tage die ergänzenden Tagesentgelte ET0203 ausgelöst worden sind. Die Abrechnung der ETs0203 würde den Nachweis voraussetzen, dass bei der Versicherten an 28 Tagen drei Intensivmerkmale vorgelegen haben. Da sich aus der Dokumentation in der Patientenakte keine anderen Anhaltspunkte ergeben, könnte der OPS 9-619 nur kodiert werden, wenn die Behandlung auf der geschützt geführten (geschlossenen) Station das Intensivmerkmal "Anwendung von Sicherungsmaßnahmen" erfüllt. Das ist nicht der Fall.

Im OPS 9-61 ist die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen wie folgt definiert:

"Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn die Notwendigkeit des Einsatzes von individuellen präventiven (nur personellen) Sicherungsmaßnahmen und/oder individuellen reaktiven (personellen, räumlichen, mechanischen und/oder medikamentösen) Sicherungsmaßnahmen besteht und diese ärztlich angeordnet sind".

Abrechnungsbestimmungen sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (ständige Rechtsprechung BSG, zB Urteil vom 24. Januar 2023 - B 1 KR 6/22 R Rn 12; Urteil vom 12.Dezember 2023 - B 1 KR 1/23 R Rn 16 mwN).

Nach der danach eng an den Wortlaut gebundenen Auslegung wird für das streitbefangene Intensivmerkmal die Anwendung einer individuellen Sicherungsmaßnahme und deren ärztliche Anordnung verlangt. Diese Voraussetzung wird weder durch den Erlass des Unterbringungsbeschlusses (dazu unter a.) noch durch den Aufenthalt auf der geschützt geführten (geschlossenen) Station (dazu unter b.) erfüllt. Bei der ersten Option liegt keine "Anwendung" vor; bei der zweiten Option ist die Sicherungsmaßnahme für die Versicherte nicht patientenindividuell. Darüber hinaus begegnet das Vorliegen einer ärztlichen Anordnung in Bezug auf die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen Bedenken. Eine entsprechende ärztliche Anordnung müsste in der Patientenakte dokumentiert werden, auch wenn diese - wie hier - elektronisch geführt wird (dazu unter c).

a) Im patientenindividuellen Unterbringungsbeschluss des Betreuungsgerichts liegt keine Anwendung von Sicherungsmaßnahmen. Vielmehr schafft der Unterbringungsbeschluss wie auch die vorgelagerte vorläufige Einweisung des Landkreises K. erst die Rechtsgrundlage für die Aufnahme und Behandlung der Versicherten auf der geschützt geführten Station. Die Anordnung der Unterbringung auf der geschlossenen Station im Psychiatriezentrum der Klägerin nach dem NPsychKG ist eine auf das individuelle Krankheitsbild, insbesondere dessen Ausprägung bei der Versicherten, gestützte (schützende) Entscheidung im Einzelfall. Es handelt sich um eine Verfügung bzw Regelung, die dem persönlichen Schutz und damit auch der Sicherung der Versicherten dient. Dementsprechend ist weder die vorläufige Einweisung durch den Landkreis noch der Beschluss des Betreuungsgerichts zur befristeten Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses die Anwendung einer Sicherungsmaßnahme. Beide stellen lediglich die rechtliche Grundlage für eine Unterbringung nach Landesrecht dar. Nach § 16 NPsychKG ist die Unterbringung einer Person nach diesem Gesetz nur zulässig, wenn von ihr infolge ihrer Krankheit oder Behinderung im Sinne des § 1 Nr 1 eine gegenwärtige erhebliche Gefahr (§ 2 Nr 2 und 3 NPOG) für sich oder andere ausgeht und diese Gefahr auf andere Weise nicht abgewendet werden kann. Das Antragserfordernis gemäß § 17 NPsychKG dient dem Schutz vor einer missbräuchlichen Unterbringung. Deshalb ist dem Antrag ein ärztliches Zeugnis beizufügen, § 17 Abs 1 Satz 2 NPsychKG. Bei dem beigefügten ärztlichen Zeugnis handelt es sich um eine fachärztliche Stellungnahme; indes nicht um eine ärztliche Anordnung im Sinne des OPS. Eine ärztliche Anordnung setzt die Verfügung und Dokumentation einer patientenindividuellen Maßnahme in der Patientenakte voraus.

b) Allein der Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung erfüllt nicht das Intensivmerkmal "Anwendung von Sicherungsmaßnahmen" des OPS-Kodes, weil der Aufenthalt als solcher nicht patientenindividuell ist. Das streitbefangene Intensivmerkmal umfasst nach seinem Wortlaut sowohl den Einsatz von präventiven als auch von reaktiven Sicherungsmaßnahmen, die jedoch in beiden Fällen "individuell" sein müssen. Individuell bedeutet nach seinem Wortsinn "auf die einzelne Person zugeschnitten".

Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass der Aufenthalt auf der geschlossenen Station ohne Ausgang eine Sicherungsmaßnahme ist, die für den Patienten zwangsläufig mit Freiheitsentzug verknüpft ist. Dieser Freiheitsentzug war im Falle der Versicherten ausweislich der ärztlichen Stellungnahme zur geschlossenen Unterbringung vom 7. Juni 2018 aufgrund bestehender Orientierungslosigkeit und Weglauftendenz medizinisch indiziert. Allerdings trifft dieser Freiheitsentzug aufgrund verschlossener Türen und (zumeist durch Gitter) gesicherter Fenster alle auf der geschützten Station behandelten (Mit-)Patienten in gleicher Weise. Daher liegt allein in der räumlichen Beschränkung durch mechanische Sicherungsmechanismen an den Ausgängen und Fenstern - anders als etwa bei einer individuellen Fixierung oder Sedierung - keine auf den einzelnen Patienten bezogene/zugeschnittene Sicherungsmaßnahme. Eine individuelle Sicherungsmaßnahme bedingt eine Sonderbehandlung im Verhältnis zur Vergleichsgruppe. Dabei wird die Vergleichsgruppe definiert durch die Mitpatienten auf der geschützten Station. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann als Vergleichsmaßstab nicht der Patientenpool des gesamten Psychiatriezentrums, also auch der offen geführten Stationen, herangezogen werden.

Das NPsychKG regelt in § 21c Abs 1 Nr 1 bis Nr 4 NPsychKG besondere Sicherungsmaßnahmen. In Nr 2 wird der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien genannt. Ob mit der Führung der Versicherten auf der geschlossenen Station bereits eine besondere Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 21c Abs 1 Nr 2 NPsychKG vorliegt, kann der Senat offenlassen. Denn die dort definierte besondere Sicherungsmaßnahme ist im Intensivmerkmal "Anwendung von Sicherungsmaßnahmen" des OPS 9-619 nicht deckungsgleich abgebildet. Der wesentliche Unterschied besteht in der Ergänzung des Wortes "individuell" in der Definition des Intensivmerkmals der Prozedur. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der OPS als Abrechnungsbestimmung nach Sinn und Zweck eine andere Zielrichtung verfolgt als das NPsychKG, das auf Hilfen und Schutz der Betroffenen ausgerichtet ist.

Nach den vorstehenden Ausführungen lässt sich die Anwendung einer Sicherungsmaßnahme auch nicht aus einer Zusammenschau von Unterbringungsbeschluss und Aufenthalt in der geschützten Station ableiten. Denn die Mehrzahl der Mitpatienten wird ebenfalls aufgrund eines gerichtlichen Unterbringungsbeschlusses auf dieser Station behandelt, sodass auch dies kein individuelles Unterscheidungskriterium bildet.

c) Sofern die Behandlung auf der geschlossenen gerontopsychiatrischen Station mit Unterbringungsbeschluss als Anwendung einer individuellen Sicherungsmaßnahme interpretiert wird, begegnet die fehlende Dokumentation einer entsprechenden ärztlichen Anordnung Bedenken. Für Krankenhäuser besteht eine sozialrechtliche Dokumentationspflicht; sie steht nicht im Widerspruch zur Dokumentationspflicht aus oder entsprechend den Grundsätzen des Behandlungsvertrages, verfolgt aber eigene Ziele. Die Dokumentationspflicht folgt im Verhältnis zum Patienten aus oder entsprechend dem Behandlungsvertrag. Sie dient vor allem der Therapiesicherung, zudem aber auch der Beweissicherung. Die Dokumentation des Krankenhauses darf in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit in die Feststellung des Sachverhalts im Wege der Amtsermittlung einfließen (BSG, Urteil vom 19. November 2020 - B 1 KR 33/18 R -). Das Krankenhaus trägt die Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des abgerechneten OPS. Der MDK hat bereits in seiner ersten Stellungnahme vom 19. März 2019 festgestellt, dass eine ärztliche Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nicht dokumentiert worden ist.

Nach dem Wortlaut des OPS ist das Merkmal "Anwendung von Sicherungsmaßnahmen" nur erfüllt, wenn diese ärztlich angeordnet sind. Auch wenn die erstmalige ärztliche Anordnung durch den Unterbringungsbeschluss ersetzt würde, so müsste doch der Einsatz von individuellen Sicherubgsmaßnahmen über 28 Tage ärztlich angeordnet werden. Dies ergibt sich zum einen aus dem Erfordernis einer taggenauen Abrechnung der ergänzenden Tagesentgelte und zum anderen aus dem Tenor der Unterbringungsbeschlüsse vom 8. Juni und 3. Juli 2018, die keinen festen Zeitraum für die Unterbringung festlegen, sondern lediglich eine Höchstdauer bestimmen. Innerhalb dieser Höchstdauer muss die fortbestehende Notwendigkeit jedenfalls zeitabschnittsweise ärztlich angeordnet werden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sind entsprechende ärztliche Anordnungen von individuellen Sicherungsmaßnahmen nicht dem Verlaufsbericht aller Berufsgruppen zu entnehmen. Bis zum 24. Juni 2018 finden sich dort trotz Unterbringung auf der geschlossenen Station seit dem 8. Juni 2018 - einer Zeitspanne von 16 Tagen - keine ärztlichen Anordnungen außer "Medikation weiter". Erstmals unter dem 25. Juni 2018 ist unter chefärztlicher Visite bei "Prozedere" "nicht entlassungsfähig" vermerkt. Ein gleichlautender Eintrag findet sich unter dem 2. Juli 2018. Die Einträge "nicht entlassungsfähig" dokumentieren jedoch nicht die fortbestehende Notwendigkeit einer Unterbringung auf der geschlossenen Abteilung. Auch der MDK hat die dokumentierte fehlende Entlassungsfähigkeit als medizinische Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung gewertet.

Insoweit kann die Klägerin auch nicht mit ihrem Einwand durchdringen, es handele sich um eine elektronische Dokumentation, die grundlegend von einer in Papierform geführten Patientenakte abweiche. Der Klägerin ist es unbenommen, die Behandlungsdokumentation in elektronischer Form zu führen. Allerdings ändert eine elektronische Bearbeitung nichts an den ausgeführten Inhalten der sozialrechtlichen Dokumentationspflicht.

d) Diese Beurteilung steht auch im Einklang mit den allgemeinen Kodierrichtlinien für Prozeduren in P001f der DKR Version 2018. Dort heißt es:

"Alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zu Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen wurden und im OPS abbildbar sind, sind zu kodieren. Dieses schließt diagnostische, therapeutische und pflegerische Prozeduren ein. Die Definition einer Prozedur ist, dass sie entweder

- chirurgischer Natur ist

- ein Eingriffsrisiko birgt

- ein Anästhesierisiko birgt

- Spezialeinrichtungen oder Geräte oder spezielle Ausbildung erfordert. ....."

Nach den vorstehenden Ausführungen ist die Behandlung der Versicherten auf der geschlossenen Station an den abgerechneten 28 Tagen nicht im OPS 9-619 abbildbar, weil nur zwei von drei geforderten Intensivmerkmale erfüllt waren.

Nach der Rechtsprechung des BSG knüpft die Kodierung von Prozeduren nach den DKR an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel BSG (Urteil vom 24. Januar 2023, B 1 KR 6/22 R, Rn 14). Daraus folgt, dass für die Erfüllung des Intensivmerkmals "Anwendung von Sicherungsmaßnahmen" nicht an das Erfordernis eines Ressourcenverbrauchs angeknüpft werden kann. Denn ein erhöhter Ressourcenaufwand, der das Patientenmanagement in der Weise beeinflusst, dass therapeutische oder diagnostische Maßnahmen oder ein erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand erforderlich sind, wird nach den allgemeinen Kodierrichtlinien für Prozeduren in P001f anders als für die Kodierung von Nebendiagnosen in D003I nicht gefordert.

3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen, da der Vergütungsanspruch erloschen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Die Revision war gemäß § 160 Abs 2 SGG zuzulassen, weil die aufgeworfene Rechtsfrage bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden ist und ihr vor dem Hintergrund einer Vielzahl gleichgelagerter rechtshängiger Fälle grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.