Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.02.2024, Az.: L 16 KR 206/22
Entrichtung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf monatliche Zahlungen aus der Versicherung "VBLextra"
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 20.02.2024
- Aktenzeichen
- L 16 KR 206/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 13054
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2024:0220.16KR206.22.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 04.04.2022 - AZ: S 61 KR 347/17
Rechtsgrundlagen
- § 223 SGB V
- § 226 Abs 1 S. 1 SGB V
- § 229 Abs. 1 SGB V
Fundstelle
- NZS 2024, 638
Redaktioneller Leitsatz
Beitragspflichtig für die gesetzliche Krankenversicherung sind der Rente vergleichbare Einnahmen. Dazu zählen auch Renten der betriebslichen Altersversorgung. Die VBLextra-Rente gehört dazu jedoch nicht, wenn der Vertrag über die freiwillige Versicherung VBLextra allein zwischem dem Arbeitnehmer und der VBL geschlossen wurde und der Arbeitgeber allein dahingehen involviert ist, dass er sich während der Pflichtversicherungszeit zur Abführung der Beiträge an die VBL bereit erklärte.
In dem Rechtsstreit
A.
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
gegen
1. hkk Krankenkasse,
B.
2. Pflegekasse bei der hkk Krankenkasse,
B.
- Beklagte und Berufungsklägerinnen -
hat der 16. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen ohne mündliche Verhandlung am 20. Februar 2024 in Celle durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht C., die Richterin am Landessozialgericht D. und die Richterin am Landessozialgericht Dr. E. sowie die ehrenamtlichen Richter F. und G. für Recht erkannt:
Tenor:
Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Bremen vom 4. April 2022 wird klarstellend wie folgt neu gefasst:
Unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 6. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2017 wird festgestellt, dass die Rentenzahlungen der Klägerin aus der VBLextra-Versicherung nicht beitragspflichtig zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Entrichtung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf monatliche Zahlungen aus der Versicherung "VBLextra" streitig.
Die am H. 1950 geborene Klägerin ist seit dem 1. Januar 2016 als Rentnerin bei der Beklagten zu 1.) gesetzlich kranken- und bei der Beklagten zu 2.) pflegeversichert. Zuvor war sie bei dem Zentralkrankenhaus I. beschäftigt und im Zuge dessen pflichtversichert bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Am 18. Dezember 2002 schloss die Klägerin als Versicherungsnehmerin mit der VBL eine freiwillige Versicherung in der Tarifvariante Alters- und Hinterbliebenenrente (VBLextra) ab. Die Beiträge entrichtete sie aus ihrem individuell versteuerten Einkommen unter Inanspruchnahme der staatlichen Förderung nach § 10a Abschnitt XI Einkommenssteuergesetz (EStG) ("Riester-Rente"). Für die Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses ermächtigte sie ihren Arbeitgeber, die Beiträge aus ihrem Arbeitsentgelt abzuführen.
Neben ihrer gesetzlichen Rente erhält die Klägerin seit dem 1. Januar 2016 eine Betriebsrente von der VBL. Diese besteht aus zwei Teilen, der "VBLklassik" und der "VBLextra".
Mit am 4. Mai 2016 eingegangenen Schreiben wandte die Klägerin sich an die Beklagten. Nach Prüfung ihres Rentenbescheides habe sie festgestellt, dass die VBL auch von der VBLextra Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt habe. Hiermit sei sie nicht einverstanden. Bei der VBLextra handele es sich um eine freiwillige Versicherung. Da diese ausschließlich privat finanziert gewesen sei, seien hieraus keine Beiträge abzuführen. Anders als bei der VBLklassik sei sie bei der VBLextra alleinige Versicherungsnehmerin. Ihr Arbeitgeber sei hieran nicht beteiligt gewesen. Sie bitte daher um eine Überprüfung ihrer Beiträge nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).
Mit Bescheid vom 6. Mai 2016 teilte die Beklagte zu 1.) der Klägerin - auch im Namen der Beklagten zu 2.) mit, sie erhalte seit dem 1. Januar 2016 einen Versorgungsbezug von der VBL. Dieser sei beitragspflichtig und direkt von der VBL einzubehalten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 12. Mai 2016 wiesen die Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2017 zurück. Bei versicherungspflichtigen Rentnern würden der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge und das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt (§ 237 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V). Zu den Versorgungsbezügen zählten auch Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung erzielt würden (§ 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Dies seien nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) alle Renten, die entweder von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung oder aus einer vom Arbeitgeber für die Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung iSd § 1 Abs 2 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge (BetrAVG) gezahlt würden, wenn sie im Zusammenhang mit einer früheren beruflichen Tätigkeit stünden. Die VBL sei als Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes betriebsrentenrechtlich dem Durchführungsweg der Pensionskasse zuzuordnen. Bei einer Riester-Förderung im Rahmen des Durchführungsweges einer Pensionskasse sei die daraus gewährte Versorgungsleistung daher als beitragspflichtige Einnahme anzusehen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. September 2010 (1 BvR 1660/08) zu den kapitalisierten, gemischt dotierten Direktversicherungen/Lebensversicherungen seien auf Pensionskassen nicht anwendbar. Das gelte auch dann, wenn der Versicherte Versicherungsnehmer gewesen sei und die Beiträge teilweise alleine getragen habe. Denn Pensionskassen seien im Gegensatz zu Kapital- bzw Lebensversicherungen von vornherein auf den Zweck der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung beschränkt. Der Versorgungsbezug "VBLextra" sei daher neben der "VBLklassik" ebenfalls beitragspflichtig.
Am 25. Oktober 2017 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben. Dass die Entscheidung des BVerfG vom 28. September 2010 nicht auf Pensionskassen übertragen werden könnte, sei nicht überzeugend. Die Entscheidung stelle bei der Frage nach der Versicherungspflicht wesentlich darauf ab, ob der Arbeitnehmer die Versicherungsbeiträge selbst entrichtet habe. Wenn sich die Versicherung nicht von einer normalen privaten Lebensversicherung unterscheide, liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor, wenn diese Versicherung nicht auch wie eine private Lebensversicherung behandelt werde. Die VBL bezeichne zwar beide Versorgungsteile als "Betriebsrenten", die VBLextra sei aber einer Riesterrente entsprechend gestaltet worden. Eine Beteiligung des Arbeitgebers sei von vornherein nicht vorgesehen.
Die Klägerin hat weitere Unterlagen der VBL, ihren Antrag auf Abschluss der VBLextra sowie ein allgemeines Informationsblatt vorgelegt.
Mit Urteil vom 4. April 2022 hat das SG den streitgegenständlichen Bescheid aufgehoben, soweit Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf die VBLextra-Rente erhoben würden. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2018 folge dies aufgrund der stattgehabten Gesetzesänderung unmittelbar aus § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V. Denn seither seien sog "Riester-Renten" von der Beitragspflicht ausgenommen. Die Rente aus der VBLextra sei aber auch unabhängig von der Anpassung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V nicht beitragspflichtig in der Kranken- und Pflegeversicherung. Denn bei der Rente aus der VBLextra handele es sich nicht um einen Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V. Die Kammer folge insoweit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt (Urteil vom 13. Juni 2019 - L 6 KR 109/18). Dabei habe sie insbesondere für maßgeblich erachtet, dass es nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschlüsse vom 27. Juni 2018 - 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15) entscheidend darauf ankomme, ob der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts verlassen worden sei. Dabei habe das BVerfG auch dargelegt, dass der Zweck der Einrichtung zur betrieblichen Altersvorsorge die Betreibung privater Altersvorsorge nicht ausschließe. Damit greife es zu kurz, lediglich auf die auszahlende Institution abzustellen. Ein Verlassen des institutionellen Rahmens des Betriebsrentenrechts sei anzunehmen, wenn - wie im Falle der Klägerin - keine relevante Beteiligung des Arbeitgebers bei Abschluss und Finanzierung des Vorsorgevertrags feststellbar sei. Die VBLextra sei daher beitragsrechtlich einer privaten Lebensversicherung gleichzustellen.
Gegen das Urteil haben die Beklagten am 26. April 2022 Berufung bei dem LSG Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie tragen vor, das BSG habe in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass der Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts umfassender sei als der nach dem BetrAVG (Urteile vom 6. Februar 1992 - 12 RK 37/91; vom 21. August 1997 - 12 RK 35/96 und 11. Oktober 2001 - B 12 KR 4/00). Daher sei es für die Zuordnung der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu den Versorgungsbezügen unerheblich, wer die Leistungen im Ergebnis finanziert habe. Das gelte auch für eine Höher- oder Weiterversicherung in einer Pensionskasse. Bei der VBLextra handele es sich um ein Versicherungsprodukt der VBL, welche die betriebliche Altersversorgung für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes durchführe und damit um einen klassischen Versorgungsträger der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes iSd § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V. Die von der VBL gezahlten Renten seien betriebliche Altersversorgung iSd § 1 Abs 2 Nr 4 BetrAVG. Maßgeblich sei allein eine typisierende Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Zugehörigkeit zu diesem Versorgungssystem und einer Erwerbstätigkeit. Diese "institutionelle Abgrenzung" orientiere sich allein daran, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt werde. Eine Teilnahme an der VBLextra sei nur Personen möglich, die aufgrund des Tarifvertrags über die betriebliche Altersversorgung für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes über ihren Arbeitgeber in der Pflichtversicherung der VBL versichert seien. Die beitragsrechtliche Änderung zum 1. Januar 2018 für den Riester-geförderten Teil der Betriebsrente sei im Übrigen korrekt zu diesem Zeitpunkt vollzogen worden. Beitrags(anpassungs)bescheide betreffend den VBL-Bezug der Klägerin existierten nicht.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des SG Bremen vom 4. April 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Urteilsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Urteil des BVerfG vom 27. Juni 2018 habe ihre Auffassung bestätigt. Selbst der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen empfehle seinen Mitgliedskassen mit Rundschreiben 2018/689 vom 14. Dezember 2018 die rückwirkende Berücksichtigung des Urteils. Es sei daher unverständlich, warum die Beklagten sich dem verweigerten.
Die Beklagten haben eine Mitteilung der VBL eingereicht, wonach von dem Riester-geförderten Teil der Betriebsrente der Klägerin seit dem 1. Januar 2018 keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mehr abgezogen wurden.
Mit Schriftsätzen vom 22. Januar 2024 und 29. Januar 2024 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Berufung ist gemäß §§ 143 ff SGG form- und fristgemäß eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist aber unbegründet.
Die Klägerin hat ihr Begehren, die Beitragsfreiheit der ihr ausgezahlten VBLextra-Rente festzustellen, zulässig mit der Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG) geltend gemacht. Sie hat sich vor Klageerhebung zwecks Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens an die Beklagten gewandt (siehe zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 20. Juli 2017 - B 12 KR 14/15 R -, BSGE 124, 26-37, SozR 4-1100 Art 3 Nr 84, SozR 4-2600 § 157 Nr 4, Rn 29; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG - Kommentar, 14. Aufl 2023, § 55 Rn 3b). Da die Beklagten keine Beitragsbescheide erlassen haben, gegen die sich die Klägerin wehren könnte, sondern lediglich ein Beitragsabzug durch die VBL direkt an die Beklagte zu 1.) erfolgt ist, war die Feststellungsklage auch nicht gegenüber einer möglichen Gestaltungsklage subsidiär (hierzu Keller aaO, Rn 19, 19a).
Die Klage ist auch begründet. Zu Recht hat das SG eine Beitragspflichtigkeit der VBLextra-Rente der Klägerin verneint.
Einzig in Betracht kommende Rechtsgrundlage sind die §§ 223, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3, 229 Abs 1 Satz 1 und 3 und § 250 Abs 1 Nr 1 SGB V bzw § 57 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), der wiederum die §§ 226 Abs 1, 2 Satz 1 und 3 und 229 SGB V für anwendbar erklärt. Hiernach sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung Beiträge zu zahlen (§ 223 Abs 1 SGB V). Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen (§ 223 Abs 2 SGB V). Bei versicherungspflichtigen Rentnern werden der Beitragsbemessung unter anderem der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt (§ 237 Nr 2 SGB V). Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, unter anderem Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung (§ 237 Satz 4 i.V.m. §§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung).
Es handelt sich bei der VBLextra-Rente der Klägerin nicht um einen Versorgungsbezug in diesem Sinne. Die Legaldefinition der betrieblichen Altersversorgung in § 1 Abs 1 Satz 1 BetrAVG als Leistungen der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aus Anlass des Arbeitsverhältnisses zugesagt werden, ist für die Auslegung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V nicht bindend. Denn Beitragsrecht und Betriebsrentenrecht verfolgen unterschiedliche Ziele (Klaus Peters in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 229 SGB V [Stand: 5. Oktober 2023], Rn 58). Alle aus früherer Berufstätigkeit herrührenden Versorgungseinnahmen sollen gleichbehandelt werden, also grundsätzlich auch Zahlungen privater Versicherungsunternehmen (BSG vom 12. November 2008 - B 12 KR 6/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 7, Rn 16). Allerdings sollen solche Einnahmen unberücksichtigt bleiben, die nicht (unmittelbar) auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis oder auf eine frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind, zB Einnahmen aufgrund betriebsfremder privater Eigenvorsorge oder Einnahmen aus ererbtem Vermögen (BSG vom 25. Mai 2011 - B 12 P 1/09 R - juris Rn 14). Danach sind insbesondere auch Leistungen aus einer privaten Lebensversicherung, die ein Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer unabhängig von einer Beschäftigung für sich oder seine Angehörigen abschließt, keine betrieblichen Altersversorgung und beitragsfrei (vgl BSG vom 5. Mai 2010 - B 12 KR 15/09 R). Wesentliche Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts sind damit ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung sowie ihre Einkommensersatzfunktion als - weiteres - Merkmal der Vergleichbarkeit mit der gesetzlichen Rente (BSG vom 25. Mai 2011 - B 12 P 1/09 R - juris Rn 14 mwN).
Ausgehend von diesen Erwägungen hat das BSG die sog institutionelle Abgrenzung entwickelt, die es regelmäßig ermöglicht, einen solchen Zusammenhang typisierend festzustellen: Die Abgrenzung der beitragspflichtigen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iSd § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 HS 1 SGB V hat gegenüber den beitragsfreien sonstigen Leistungen aus privaten Lebensversicherungen grundsätzlich nach der Institution, die sie zahlt (zB Pensionskasse, § 1b Abs 3 BetrAVG; Unterstützungskasse, § 1b Abs 4 BetrAVG73), bzw dem Versicherungstyp (Direktversicherung, § 1b Abs 2 BetrAVG) zu erfolgen (Klaus Peters in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 229 SGB V [Stand: 5. Oktober 2023], Rn 61). Dieselben Maßstäbe gelten gemäß § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V auch für Renten der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, zu der insbesondere auch Renten der VBL zählen (Klaus Peters, aaO, Rn 96).
Das Betriebsrentenrecht qualifiziert auch ausschließlich arbeitnehmerfinanzierte Leistungen einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung als betriebliche Altersversorgung unter der Voraussetzung, dass die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beiträge von der Versorgungszusage des Arbeitgebers umfasst sind. Es ist im Rahmen einer Typisierung nicht zu beanstanden, wenn das Bundessozialgericht private Beiträge des Arbeitnehmers als betrieblich veranlasst einstuft, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts genutzt wird (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 27. Juni 2018 - 1 BvR 100/15 -, Rn 17, juris). Daher scheidet eine Differenzierung zwischen privater und betrieblicher Altersversorgung allein nach der die Versicherungsbeiträge finanzierenden Person aus. Es liegt mit der institutionellen Abgrenzung ein formal einfach zu handhabendes Kriterium vor, das ohne Rückgriff auf arbeitsrechtliche Absprachen, insbesondere darauf, ob die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beiträge von der Versorgungszusage des Arbeitgebers umfasst waren, eine Abschichtung betrieblicher von privater Altersversorgung erlaubt (vgl BVerfGK 18, 4 <9>; BVerfG aaO). Eine Pensionskasse wird in einem laufenden Arbeitsverhältnis typischerweise zur Erfüllung einer Versorgungszusage des Arbeitgebers genutzt. Eine Typisierung der Leistungen dieser Einrichtung, die auf Beiträgen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis beruhen, als betrieblich veranlasst und die daraus folgende Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Insbesondere praktische Belange der Verwaltung bei der Frage, unter welchen Schwierigkeiten diese Härte vermeidbar wäre, sind hier von Gewicht (BVerfG aaO).
Für die VBLextra-Rente der Klägerin wurde der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts jedoch verlassen bzw von Anfang an nicht genutzt. Zwar handelt es sich bei der VBL um eine Zusatzversorgungskasse für Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die den Beschäftigten der beteiligten Arbeitgeber im Rahmen einer Pflichtversicherung eine betriebliche Altersversorgung gewährt; dies gilt jedoch nur für die so genannte VBLklassik. In diesem System erwerben Versicherte jährlich Versorgungspunkte, die bei Eintritt des Versicherungsfalls in eine monatliche Rente umgerechnet werden. Versicherungsnehmer ist der Arbeitgeber (§ 24 und §§ 36 ff der VBL-Satzung, abrufbar unter file:///C:/Users/J043268/Downloads/VBL-Satzung. %2019.% 20%C3%84nderung.pdf). Über die Beitragspflichtigkeit dieser Rente besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Der Vertrag über die freiwillige Versicherung VBLextra wurde demgegenüber allein zwischen der Klägerin und der VBL geschlossen. Die Klägerin ist sowohl versicherte Person als auch Versicherungsnehmerin (§ 1 Abs 2 und 3 AVBextra 01 in der für den streitgegenständlichen Vertrag geltenden Fassung, abrufbar unter https://www.vbl.de/de/downloadcenter/freiwillige-versicherung/-/document_library/gBDghoDBLaxJ/view/125001). Sie ist auch Schuldnerin der Beiträge (§ 25 Abs 1 Satz 1 AVBextra). Der Arbeitgeber der Klägerin ist allein dahingehend involviert, dass er sich während der Pflichtversicherungszeit der Klägerin zur Abführung der Beiträge an die VBL bereit erklärt hat. Dies galt jedoch wiederum nicht in Zeiten, in denen kein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestand und in denen sich die Klägerin selbst zur Weiterzahlung der Beiträge verpflichtet hatte (§ 25 Abs 1 Satz 2 und 3 AVBextra i.V.m. mit dem Versicherungsantrag). Diese bloße Regelung des Zahlungswegs war weder mit einer Entgeltumwandlung noch mit einer anderen Art der Versorgungszusage verbunden. Die VBLextra war in ihrem Fortbestand auch nicht abhängig vom Fortbestand der Pflichtversicherung, sondern sie konnte nach Beendigung der Pflichtversicherung fortgesetzt werden (§ 2a Abs 1 AVBextra). Fehlt es aber insoweit an jeder relevanten Beteiligung des Arbeitgebers bei Abschluss und Finanzierung eines Vertrages nach dem Modell VBLextra, fehlt ein hinreichender Anknüpfungspunkt für eine beitragsrechtliche Einordnung als Leistung der betrieblichen Altersversorgung (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2019 - L 6 KR 109/18, juris Rn 34; Becker/Kingreen/Mecke, 8. Aufl. 2022, SGB V § 229 Rn 9Klaus Peters aaO, Rn 97, aA LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. September 2019 - L 5 KR 130/19; Sächsisches LSG, Beschluss vom 24. Januar 2018 - L 9 KR 642/17). Die Einzahlungen der Klägerin auf diesen Vertrag unterschieden sich nur unwesentlich von Einzahlungen auf privat abgeschlossene Lebensversicherungsverträge (siehe hierzu BVerfG aaO, Rn 18).
Diese Einordnung verbietet sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb, weil der Zugang zu einer VBLextra-Versicherung allein Pflichtversicherten der VBL offenstand. Der Zweck der Einrichtung schließt die Betreibung privater Altersvorsorge nicht aus, wie sich auch am Fortsetzungsrecht des § 2a AVBextra zeigt (siehe hierzu auch BVerfG aaO, Rn 19 f).
Das Bundesverfassungsgericht hat das Verlassen des institutionellen Rahmens des Betriebsrentenrechts in einem Fall angenommen, in dem der Versicherte nach Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Pensionskasse einen Lebensversicherungsvertrag ohne Beteiligung des Arbeitsgebers abschließt oder einen bestehenden Vertrag dahingehend ändert und die Versicherungsleistungen selbst finanziert (BVerfG aaO, Rn 21). Entsprechendes muss erst Recht gelten, wenn dem Vertrag von Anfang an keine Versorgungszusage des Arbeitgebers zugrunde lag und dieser - lediglich unter dem Dach der VBL - gänzlich ohne Beteiligung des Arbeitgebers abgeschlossen und durchgeführt wurde (siehe auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2019 - L 6 KR 109/18, juris Rn 37).
Ohne Bedeutung ist schließlich, dass die der Klägerin gewährte Leistung in der AVBextra sowie in der Satzung der VBL als "Betriebsrente" bezeichnet wird Denn die Qualität solcher Leistungen ist ausschließlich objektiv zu bestimmen und der Disposition der Vertragsparteien insoweit entzogen (so zur Einordnung eines betrieblichen "Ruhegeldes" BSG, Urteil vom 20. Juli 2017 - B 12 KR 12/15 R -, BSGE 124, 20-26, SozR 4-2500 § 229 Nr 21, Rn 23; siehe auch bereits Urteil des Senats vom 10. Oktober 2023 - L 16 KR 546/21).
Die Bewertung eines unabhängig von der Versorgungszusage abgeschlossenen Vertrages stellt im Rahmen der Verwaltungspraxis schließlich kein besonderes Problem dar, da vor allem an die Stellung der Klägerin als alleiniger Vertragspartner angeknüpft wird. Ein Rückgriff auf arbeitsrechtliche Absprachen ist nicht erforderlich. Die Unterscheidung von betrieblicher und privater Altersversorgung bei einem von der Versorgungszusage unabhängigen Vertrag unter Ausschluss einer Beteiligung des Arbeitgebers ist für die Kranken- und Pflegekassen ohne großen Aufwand nachvollziehbar und daher die Härte der Beitragspflicht ohne besondere Schwierigkeiten vermeidbar (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2019 - L 6 KR 109/18 -, Rn 40, juris).
Zu Recht hat das SG seine Entscheidung auch nicht lediglich auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2017 beschränkt. Zwar haben die Beklagten zutreffend ausgeführt, dass die VBL aufgrund der Gesetzesänderung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V zum 1. Januar 2018, wonach Leistungen aus Altersvorsorgevermögen im Sinne des § 92 des Einkommenssteuergesetzes als Renten der betrieblichen Altersversorgung außer Betracht bleiben, seit diesem Zeitpunkt auf die VBLextra-Rente keine Beiträge mehr abführt. Da die Beklagten ihren Bescheid vom 6. Mai 2016 aber nicht aufgehoben bzw zeitlich beschränkt hatten, bestand das Erfordernis, über die Beitragsfreiheit auch ab dem 1. Januar 2018 zu entscheiden.
Klarstellend war der Tenor des erstinstanzlichen Urteils jedoch dahingehend neu zu fassen, als die Beitragsfreiheit der streitgegenständlichen VBLextra-Rente lediglich festzustellen war. Da die Beklagten keine Beiträge selbst festgesetzt hatten, wie sie mit Schriftsatz vom 16. Februar 2023 auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt haben, sondern mit Bescheid vom 6. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2017 lediglich eine Feststellung getroffen haben, bestand für eine Aufhebung von Beitragsbescheiden kein Raum. Der Tenor des SG ist in dieser Hinsicht nicht ganz eindeutig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zuzulassen, da der Senat der Frage nach der institutionellen Abgrenzung der betrieblichen Altersversorgung im Falle privater Verträge unter dem Dach einer Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes grundsätzliche Bedeutung zumisst. Da der VBLextra-Vertrag auch ohne die Inanspruchnahme der staatlichen Förderung nach § 10a Abschnitt XI EStG ("Riester-Rente") abgeschlossen werden kann (siehe "Angaben zum Versicherungstarif" im Antragsformular), ist die Klärungsbedürftigkeit auch nicht mit der generellen Herausnahme von Riesterrenten aus der Beitragspflichtigkeit zum 1. Januar 2018 (§ 229 Abs 1 Nr 5, 2. HS SGB V) entfallen.