Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 28.07.2021, Az.: 13 A 678/20

Billigkeitsentscheidung; Rückforderung; Unfallausgleich; Verjährung; Witwe

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
28.07.2021
Aktenzeichen
13 A 678/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70700
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von überzahlten Unfallausgleich und begehrt die Erstattung von Rechtsanwaltskosten.

Bei der Klägerin handelt es sich um die Witwe eines früheren Beamten der Deutschen Bundespost. Der Ehemann der Klägerin hatte einen anerkannten Dienstunfall erlitten, aufgrund dessen er wohl dauerhaft dienstunfähig wurde. Der Ehemann erhielt neben seinem Ruhegehalt einen Unfallausgleich. Dieser Unfallausgleich wurde ihm „bis auf Weiteres“ mit Bescheid der Oberpostdirektion Hannover vom 3. März 1976 gewährt.

Der Ehemann der Klägerin verstarb am 6. März 2010.

Nach eigenen Angaben will die Klägerin dem Versorgungcenter der Deutschen Post AG das Ableben ihres Ehemannes mitgeteilt haben.

Unter dem 23. Dezember 2015 richtete die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation ein Schreiben an den – seinerzeit schon verstorbenen – Ehemann der Klägerin und teilte darin mit, dass ab 1. Januar 2002 die Bundesanstalt für die Versorgung sei. Eine Reaktion hierauf erfolgte offensichtlich nicht.

Später ging die Zuständigkeit zumindest hinsichtlich der Zahlung eines Unfallausgleich an die Beklagte über.

Erst als die Beklagte den Ehemann der Klägerin unter dem 31. Januar 2019 anschrieb und einen Fragebogen zur Aktualisierung der Unterlagen vorlegte, teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 3. Februar 2019 mit, dass ihr Ehemann verstorben sei und sie dies dem Versorgungscenter der Deutschen Post AG auch mitgeteilt habe.

Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung des Unfallausgleich ist ab 1. April 2019 ein.

Unter dem 29. März 2019 forderte die Beklagte von der Postbank – wo die Klägerin ein Konto und erhielt, auf welches die Versorgung überwiesen wurde - den überzahlten Unfallausgleich zurück. Als Rechtsgrundlage wurde sich auf § 52 Abs. 4 Beamtenversorgungsgesetz in Verbindung mit § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI berufen. Die Postbank kehrte daraufhin zunächst einen Betrag von 9.947,74 € an die Beklagte aus, später noch einen weiteren Betrag in Höhe von 2.267,46 €

Nachdem sich die Klägerin über ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten deshalb an die Beklagte wandte, erließ die Beklagte am 10. Mai 2019 einen Bescheid, indem sie von der Klägerin den für die Zeit vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2019 gezahlten Unfallausgleich in Höhe von insgesamt 39.285,26 € zurückforderte. Die Klägerin habe zu Unrecht den Unfallausgleich erhalten. Insgesamt seien 49.233,00 € überzahlten worden, aufgrund der Rückbuchung durch die Postbank habe sich dieser Betrag um 9.947,44 € reduziert. Eine Billigkeitsentscheidung enthielt der Bescheid nicht.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2019 weitgehend zurück. Allerdings reduzierte die Beklagte den Rückforderungsbetrag auf 37.017,80 €. Die Postbank hätte statt der 9.947,44 € vielmehr 12.215,20 € rückbuchen müssen. Wegen des Fehlers der Postbank würde von der Postbank ein weiterer Betrag von 2.267,46 € zurückgefordert und der gegenüber der Klägerin geltend gemachte Rückforderungsbetrag entsprechend reduziert. Im Übrigen sei die Rückforderung jedoch zu Recht erfolgt. Die überzahlten Leistungen seien unter Vorbehalt erbracht wurden. Der Bescheid über die Gewährung von Unfallausgleich sei mit dem Eintritt des Todes des Ehemannes der Klägerin unwirksam geworden, weil mit dem Tod des Beamten Dienstunfallfolgen nicht mehr zu entschädigen seien. Mit dem Unfallausgleich sollten nicht nur vorübergehende Einbußen der Erwerbsfähigkeit ausgeglichen werden. Die Klägerin habe zwar den Tod des Ehemannes dem Versorgungcenter der Deutschen Post AG, nicht jedoch der seinerzeit zuständigen Unfallkasse Post und Telekom gemeldet. Eine Verjährung sei nicht eingetreten, weil sie, die Beklagte, erst von der Überzahlung aufgrund des Schreibens vom 3. Februar 2019 Kenntnis erlangt habe. Der Bescheid wurde am 9. Dezember 2019 zugestellt.

Die Klägerin hat am 9. Januar 2020 Klage erhoben.

Sie trägt vor: Sie erhebe die Einrede der Verjährung. Die Einziehung eines Betrages von 9947,74 € sei wegen Fehlens eines Verwaltungsaktes nicht gerechtfertigt.

Sie haben auch unmittelbar nach dem Tod ihres Ehemannes dieses Ereignis mitgeteilt und zwar der Oberpostdirektion Hannover als auch dem Versorgungscenter der Deutschen Post. Sie habe nicht erkennen können, dass der gewährte Unfallausgleich ausschließlich personenbezogen hinsichtlich ihres verstorbenen Ehemanns gewesen sei. Sie sei davon ausgegangen, der Unfallausgleich stelle einen Teil der Versorgungsbezüge da und ersetze zum Teil den Erwerbsverlust.

Aufgrund der vorgerichtlichen Vertretung durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten seien Kosten in Höhe von 2.099,76 € entstanden.

Die Klägerin beantragt,

1.) den Bescheid vom 10. Mai 2019 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2019 aufzuheben;

2.) ihr, der Klägerin, den bereits eingezogenen Betrag von 9.947,74 € zu erstatten;

3.) sie, die Klägerin, von der Inanspruchnahme von Rechtsanwaltsgebühren aufgrund außergerichtlicher Vertretung in Höhe von 2099,75 € freizustellen,

Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2021 erweiterte die Klägerin ihre Klage um folgenden Antrag:

4.) ihr, der Klägerin, den weiter eingezogenen Betrag von 2.267,46 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bei einem Unfallausgleich handele es sich um einen höchstpersönlichen Anspruch, der mit dem Tode ende und nicht vererbbar sei.

Die nach dem Tod erbrachten Leistungen seien nach § 52 Abs. 4 Beamtenversorgungsgesetz in Verbindung mit § 118 Abs. 3 bis 5 SGB VI unter Vorbehalt erbracht worden.

Als Kontoinhaberin sei die Klägerin zu Erstattung der Überzahlung verpflichtet.

Der der verstorbene Ehemann habe den Unfallausgleich auch nicht von der Deutschen Post AG, sondern von der frühen Unfallkasse Pos. t und Telekom bzw. nunmehr von der Beklagten erhalten. Es würde sich um unterschiedliche Stellen handeln. Es sei Aufgabe der Klägerin gewesen, auch die Beklagte bzw. die Unfallkasse, vom Ableben des Ehemannes zu unterrichten. Auf Verjährung könne sich die Klägerin nicht berufen.

Eine Billigkeitsentscheidung sei gerade nicht erforderlich gewesen. Es handele sich um Geldleistungen, die nach dem Tod des Berechtigten überwiesen worden seien. Der Gesetzgeber habe nach § 118 Abs. 3 SGB VI nach dem Tod des Versorgungsberechtigten gezahlte Versorgungsbezüge einen gesetzlichen Rückforderungsvorbehalt unterworfen. Die herausgabepflichtigen Personen unterlägen damit der verschärften Haftung. Bei einer verschärften Haftung seien keine Billigkeitserwägungen vorgesehen.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat auch keinen Anspruch auf Rückzahlung der bereits von ihrem Bankinstitut eingezogenen Beträge und auf Freistellung von den Forderungen ihres Prozessbevollmächtigten.

Der dem verstorbenen Ehemann der Klägerin bewilligte Unfallausgleich ist in der Zeit ab 1. April 2010 bis zum 31. März 2019 zu Unrecht an die Klägerin gezahlt worden.

Dem Ehemann der Klägerin wurde ein Unfallausgleich nach dem damaligen § 139 Bundesbeamtengesetz (BBG) bewilligt. Nach dieser Vorschrift erhielt ein durch einen Dienstunfall verletzter Beamte unter gewissen Voraussetzungen neben dem Ruhe-
gehalt einen Unfallausgleich. Diese Regelung – dass nur der verletzte Beamte einen Unfallausgleich erhält, es sich mithin um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt – wurde auch in das Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) übernommen und findet sich heute in § 35 Abs. 1 BeamtVG.

Nach dem Tod des Ehemannes hat die Klägerin gleichwohl nunmehr den Unfallausgleich erhalten. Ihr stand dieser Unfallausgleich aber wie ausgeführt nicht zu, sondern nur ihrem Ehemann. Der Unfallausgleich ist ihr nach alledem zu Unrecht gewährt worden.

Grundsätzlich wird zwar die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgung durch § 52 Abs. 2 BeamtVG geregelt. Danach sind für die Rückforderung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung anzuwenden, wobei der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung es gleichsteht, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung fem. § 52 Abs. 2 BeamtVG kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden.

Jedoch enthält § 52 Abs. 4 BeamtVG eine Sonderregelung, wenn die Überzahlung nicht bei dem Versorgungsempfänger selbst, sondern wie hier – bei einem Dritten – eingetreten ist. Zwar ist auch die Klägerin als Witwe Versorgungsempfängerin hinsichtlich der Witwenversorgung, jedoch nicht, soweit es um den Unfallausgleich geht, der nur ihrem Ehemann zustand. Gemäß § 52 Abs. 4 BeamtVG ist in derartigen Fällen hinsichtlich der Rückforderung die Vorschrift des § 118 Abs. 3 bis 5 SGB VI entsprechend anzuwenden.

Nach § 52 Abs. 4 BeamtVG, § 118 Abs. 4 SGB VI sind, soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sowohl die Personen, an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), der Beklagten zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Verpflichtete Person ist in diesem Fall die Klägerin als Kontoinhaberin.

Entsprechend ist der Rückforderungsbescheid vom 10. Mai 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2019 rechtmäßig. Fehler in der Berechnung der Höhe der Überzahlung wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Zwar hat die Beklagte keine Billigkeitsentscheidung vorgenommen. Ein ganz oder teilweises Absehen von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen sieht das Gesetz in § 52 Abs. 2 BeamtVG jedoch nur gegenüber den Versorgungsempfängern selbst vor, nicht jedoch in den Fällen, in denen ein unberechtigter Dritter zu Unrecht eine Zahlung erhalten hat. Weder § 52 Abs. 4 BeamtVG noch § 118 Abs. 3 bis 5 SGB VI enthalten eine mit dem § 52 Abs. 2 BeamtVG vergleichbare Regelung. Entsprechend ist auch keine Einrede der Entreicherung vorgesehen.

Die Beklagte durfte weiterhin von der Postbank die noch nicht abgehobenen Beträge des zu Unrecht der Klägerin gezahlten Unfallausgleichs gem. § 52 Abs. 4 BeamtVG iVm. § 118 Abs. 3 zurückfordern. Danach gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut, für das die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. L 94 vom 30.3.2012, S. 22) gilt, überwiesen wurden, lediglich als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurück zu überweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordert.

Die Rückzahlungsansprüche sind auch nicht verjährt.

Die Ansprüche nach den Absätzen 3 und 4 des § 118 SGB VI verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die für die Versorgung zuständige Stelle Kenntnis von der Überzahlung und in den Fällen des Absatzes 4 zusätzlich Kenntnis von dem Erstattungspflichtigen erlangt hat.

Das war - wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen ergibt – erst 2019 der Fall, so dass zum Zeitpunkt der Rückforderung sowohl gegenüber der Klägerin als auch gegenüber dem Bankinstitut Verjährung noch nicht eingetreten war.

Zwar trägt die Klägerin in ihrer Klageschrift vom 6. Januar 2020 vor, sie habe am 18. März 2010 sowohl die Oberpostdirektion Hannover als auch das Versorgungscenter der Niederlassung Rentenservice der Deutschen Post informiert (Bl. 3 der Gerichtsakte).

Die Oberpostdirektion Hannover kann die Klägerin schon nicht informiert haben, weil diese Behörde zum 1. Januar 1995 bereits aufgelöst wurde. Ob die Klägerin tatsächlich eine Stelle der Deutschen Post AG informierte oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Es kommt insoweit auf die Kenntnis der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der Unfallkasse Post und Telekom, an. Diese Stellen waren indes nicht informiert.

Eine Anspruchsgrundlage für die Freistellung der Klägerin von Honorarforderungen ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten wegen der vorgerichtlichen Vertretung wegen der Rückforderungen von der Postbank ist nicht ersichtlich. Wie ausgeführt, erfolgte die Rückforderung von der Postbank im Übrigen in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen.

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 51.332,75 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG (Überzahlung iHv. 49.233,00 € zuzüglich 2.099.75 €)