Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 03.03.2006, Az.: 2 A 479/03
Abschleppkosten; angemessen; Breite; Durchsage; Eingriff; Ersatzvornahme; Fahrzeug; Gefahr; Gewahrsam; Kostenerstattung; natürliche Einheit; Parkverbot; Sicherstellung; Störung; Tor; Umsetzen; Verhalten; Versetzen; Zufahrt; zuzurechnen; Zweckveranlasser; öffentlicher Verkehrsraum
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 03.03.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 479/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53323
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs 1 GefAbwG ND
- § 26 GefAbwG ND
- § 29 Abs 3 GefAbwG ND
- § 66 GefAbwG ND
- § 12 Abs 3 Nr 3 StVO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zur Abgrenzung zwischen der Sicherstellung und dem Umsetzen bei dem Abschleppen
eines Pkw's.
2. Zur Haftung einer Person als Zweckveranlasser (hier: Abschleppkosten).
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Kosten für eine durchgeführte Abschleppmaßnahme durch die Beklagte.
Das Kraftfahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen ... wurde am 9. September 2001 auf der zwischen dem entlang der A-Straße in B. verlaufenden Fuß- und Radweg und dem Zufahrtstor zum Gelände der Firmen C. und D. gelegenen Fläche abgestellt. Zum weiteren Vorgang nahm ein Beamter der Bereitschaftspolizei E. - 7. 0Bereitschaftspolizeihundertschaft, III. Abteilung - mit Schreiben vom 16. Oktober 2001 dahingehend Stellung, dass an dem genannten Tag bei der Bereitschaftspolizei B. ein Tag der offenen Tür stattgefunden habe. Infolge dessen sei es zu einem erhöhten Parkplatzbedarf im Bereich der A-Straße gekommen. Ein anderer Beamter und er seien in dem Bereich der A-Straße eingesetzt worden, um ggf. Parkbehinderungen zu beseitigen. Im Laufe des Nachmittags sei bei der Bereitschaftspolizei B. ein Anruf eines Mitarbeiters der Firma C. eingegangen, die an der A-Straße ansässig sei. Der Anrufer habe mitgeteilt, dass Fahrzeuge so abgestellt worden seien, dass die Firmeneinfahrt blockiert und der Zulieferverkehr nicht möglich sei. Eine persönliche Überprüfung habe die Schilderung bestätigt. Da zu vermuten gewesen sei, dass es sich bei den Fahrzeugführern um Besucher der Bereitschaftspolizei gehandelt habe, seien die Halter der Fahrzeuge mehrmals mittels Lautsprecherdurchsagen zum Entfernen ihrer Fahrzeuge aufgefordert worden. Da nach ca. einer Stunde keines der Fahrzeuge entfernt worden sei, sei über das 2. Polizeikommissariat das Abschleppunternehmen angefordert worden. Durch dieses Unternehmen seien die Fahrzeuge auf das Gelände der Bereitschaftspolizei umgesetzt worden, da sonst kein freier Parkraum im näheren Bereich zur Verfügung gestanden habe. Die Fahrzeuge seien im weiteren Verlauf des Tages durch die drei Fahrzeughalter auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei abgeholt worden.
Im Rahmen der Anhörung nahm der Kläger im Verwaltungsverfahren sinngemäß dahingehend Stellung, dass er am 9. September 2001 mit seiner Frau und einer anderen Person der Einladung zur Teilnahme an der Jubiläumsveranstaltung der Bereitschaftspolizei B. gefolgt sei. Weil mittags im Straßenverkehrsbereich der A-Straße beidseitig alle Straßenrandflächen vollgeparkt gewesen seien, habe er, soweit es für ihn und seine Mobilitätseinschränkung möglich gewesen sei, einen geeigneten Parkplatz gesucht. Er habe seinen Pkw in einem vollständig freien Zu-/Abfahrtsbereich seitlich eines Einfriedungstores unmittelbar in Ausfahrtrichtung rechts so dicht am Zaun geparkt, dass seine Mitfahrer vor dem Einparken das Fahrzeug schon hätten verlassen müssen. Er habe sein Fahrzeug bewusst so geparkt, dass weit mehr als die Torbreite für eine mögliche Benutzung des Tores noch verblieben gewesen sei. Seinen Parkausweis, der für ihn als Nutzer des Fahrzeugs die außergewöhnliche Gehbehinderung ausweise, habe er deutlich sichtbar im Bereich der Windschutzscheibe ausgelegt. Auf der gesamten Fläche seines dortigen Parkstandortes sei kein weiteres Fahrzeug vorhanden gewesen. Keiner von ihnen habe eine Lautsprecherdurchsage vernommen.
Der oben genannte Beamte nahm dazu am 3. Dezember 2001 dahingehend Stellung, dass gemäß der Aussage eines Mitarbeiters der ansässigen Firma das Privatgelände erst ab dem Zufahrtstor beginnen solle. Die Polizei sei durch die Firma C. auf die Parkbehinderung hingewiesen worden. Es sei erwähnt worden, dass auf den Betriebshof LKWs für den Lieferverkehr erwartet würden, die aufgrund der parkenden Pkw das Betriebsgelände nicht erreichen könnten.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2002 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen Betrag in Höhe von 74,61 € innerhalb von einer Woche „nach Rechtskraft“ des Bescheides zu zahlen (45,99 € für die Ersatzvornahme, 23,-- € an Gebühren und für die Postzustellung Auslagen in Höhe von 5,62 €). Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe sein Fahrzeug vor der Grundstückseinfahrt bzw. -ausfahrt der Firma C. in der A-Straße am 9. September 2001 geparkt und dadurch einen anderen Verkehrsteilnehmer behindert. Seine Äußerung zur Abschleppmaßnahme vom 5. November 2001 habe ihn nicht entlasten können. Ihr sei mitgeteilt worden, dass ein Mitarbeiter der dort ansässigen Firma die Polizei gerufen habe, weil drei Fahrzeuge die Einfahrt zugeparkt hätten. Da noch eine Lieferung bei der Firma C. erwartet worden sei, hätte ein Lkw nicht auf das Betriebsgelände fahren können. Es seien alle falsch geparkten Fahrzeuge abgeschleppt worden. Hätte man das Fahrzeug des Klägers stehen gelassen, wäre innerhalb kürzester Zeit die Zufahrt wieder zugeparkt worden. Daher sei wohl auch das vom Kläger erwähnte Absperrband angebracht worden. Die Fläche zwischen dem Zugangstor und dem Fußweg besitze im Verhältnis zum Radweg nicht die gezeichnete Tiefe. Diese betrage ca. die Breite des Fuß-/Radweges. Somit sei die Abschleppmaßnahme gerechtfertigt gewesen. Dass er die Lautsprecherdurchsage nicht gehört habe, könne vielleicht darauf zurückzuführen sein, dass er sich zum Zeitpunkt der Durchsage auf dem Freigelände befunden habe.
Den dagegen erhobenen, nicht begründeten Widerspruch wies die Bezirksregierung F. mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2003 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Anwendung der Ersatzvornahme sei auch verhältnismäßig gewesen. Zudem sei der Gesichtspunkt der Generalprävention zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei durch den langen Zeitraum des verkehrswidrigen Parkens eine negative Vorbildwirkung und somit die Gefahr erzeugt worden, dass sich auch andere Verkehrsteilnehmer zum Abstellen ihrer Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr entschließen würden.
Der Kläger hat am 13.Februar 2003 Klage erhoben.
Zur Begründung verweist er auf die schriftliche Bekundung seines Mitfahrers. Dieser führte aus, sein Schwiegersohn sei schwerbehindert und besitze eine Ausnahmegenehmigung zur Bewilligung von Parkerleichterungen für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung. Er habe seinen Pkw im Bereich der Einfahrt zur Firma C. so abgestellt, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer belästigt oder behindert worden sei. Auch wenn sich anschließend weitere Fahrzeuge in den Bereich dieser Einfahrt gestellt hätten, könne er doch sagen, dass die Ein- und Ausfahrt zur Firma C. immer frei geblieben sei. Es hätten noch „zwei Panzer“ nebeneinander ein- und ausfahren können. Er sei der Auffassung, dass dieser Bereich ebenfalls hätte abgesperrt werden müssen, wenn man dort ein Parken nicht habe zulassen wollen. Seinem Schwiegersohn wäre es allerdings nicht möglich gewesen, einen längeren Fußmarsch zum Gelände der Polizei zu absolvieren. Jedenfalls hätten Maßnahmen zum Abschleppen der abgestellten Fahrzeuge in dem Bereich, in dem sich der Pkw seines Schwiegersohnes befunden habe, nicht ergriffen werden müssen.
Der Kläger beantragt,
den Kostenbescheid der Beklagten vom 1. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung F. vom 16. Januar 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung zunächst auf die angegriffenen Bescheide und macht ergänzend geltend, es könne dahinstehen, ob das Fahrzeug des Klägers wirklich nicht behindernd geparkt gewesen und noch mehr als die Torbreite für eine mögliche Benutzung des Tores verblieben sei. Denn in der Rechtsprechung sei geklärt, dass das Abschleppen auch bei einer Funktionsbeeinträchtigung der betreffenden Verkehrsfläche zulässig sei. Der Kläger habe durch das Parken die Funktion der Ein- und Ausfahrt beeinträchtigt. § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO schütze den Anlieger vor Behinderung oder Belästigung beim Ein- und Ausfahren. Sämtliche in der Ein- und Ausfahrt geparkten Kfz hätten entfernt werden und die handelnden Beamten hätten berechtigter Weise annehmen dürfen, dass das Belassen eines Kfz eine negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrzeuge haben würde. Das Abschleppen sei auch angemessen gewesen. Selbst wenn man unterstellte, dass Behinderten-Parkplätze nicht vorhanden gewesen seien, habe sich für den Anlieger, also die Firma C. keine Duldungspflicht hinsichtlich des Beparkens der Einfahrt gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die der Berichterstatter aufgrund des Übertragungsbeschlusses der Kammer als Einzelrichter entscheiden konnte, ist zulässig, aber unbegründet.
Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung F. rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu den verauslagten Abschleppkosten sind allerdings die §§ 29 Abs. 3 Satz 1 und 26 NGefAG i.d.F. vom 20. Februar 1998 (GVBl. S. 101). Durch das Abschleppunternehmen wurde das Fahrzeug auf das Gelände der Bereitschaftspolizei umgesetzt. Bei dieser Sachlage kann es nur um die Kostenerstattung einer Sicherstellung nach § 29 Abs. 3 Satz 1 NGefAG i.V.m. § 26 NGefAG und nicht - entgegen der Auffassung der Beklagten und der Bezirksregierung F. im Widerspruchsbescheid - um die Kosten einer Ersatzvornahme nach § 66 NGefAG gehen. Für die rechtliche Einordnung des Abschleppens eines Kraftfahrzeugs auf einen - wie hier - nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Platz als Sicherstellung kommt es nicht darauf an, ob die Polizei das Fahrzeug in erster Linie in Gewahrsam nehmen (was etwa dann der Fall ist, wenn sie ein als gestohlen gemeldetes Fahrzeug findet und birgt), es also in ihrem Besitz haben will, oder ob der polizeiliche Gewahrsam nur sekundär gleichsam als Nebenfolge eintritt, weil es der Polizei - wie hier - primär darum geht, das Fahrzeug von seinem gegenwärtigen Ort zu entfernen und eine dort bestehende Gefahr zu beheben (vgl. BayVGH, Urteil vom 25. Oktober 1988 - 21 B 88.01804 -, juris mit Veröffentlichungshinweis auf BayVBl 1989, 437; Nds. OVG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 L 6214/92 -, Nds. VBl. 1994, 60). Dagegen liegt ein bloßes Umsetzen oder Versetzen eines Kraftfahrzeuges im Wege der Ersatzvornahme vor, wenn das Kraftfahrzeug lediglich innerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes an eine andere Stelle platziert werden soll (vgl. BayVGH, a.a.O.; Urteile der Kammer - Einzelrichter - vom 23. August 2000 - 2 A 2536/98 -, und vom 28. September 2004 - 2 A 4306/00 -, jeweils V.n.b.).
Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass von seinem Fahrzeug nicht - wie in § 26 Nr. 1 (und auch in § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NGefAG) für ein Eingreifen vorausgesetzt - eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausging. Eine derartige Gefahr ist eine, bei der die Einwirkung der schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht (s. § 2 Nr. 1 b NGefAG). Insbesondere bestand im Hinblick auf das Fahrzeug des Klägers im Zeitpunkt des Einschreitens kein Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO.
Gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ist das Parken u.a. vor Grundstückseinfahrten und -ausfahrten unzulässig. Das Parkverbot vor Einfahrten will unbehindertes Ein- und Ausfahren sichern. Grundstücke im Sinne von Nr. 3 können auch öffentliche Verkehrsflächen sein, die dem ruhenden Verkehr dienen, weil das Parkverbot vor Einfahrten unbehindertes Ein- und Ausfahren sichern will. Freizuhalten ist in der Regel der einer normalen Toreinfahrt und -ausfahrt entsprechende Raum, wobei auf die Art des zu erwartenden Verkehrs (Pkw oder auch schwere Lastzüge) Rücksicht zu nehmen ist (vgl. Heß in Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Auflage 2006, StVO § 12 Rn. 44 ff.).
Auf die zwischen dem Rad- und Fußweg sowie der Zufahrt zu den Firmen C. und D. (s. insoweit im Verwaltungsvorgang abgeheftete Kopie eines der beiden Lichtbilder) gelegene Fläche, auf der das Fahrzeug des Klägers abgestellt war, finden zwar grundsätzlich die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung Anwendung, weil sie zum öffentlichen Verkehrsraum gehört. Zum öffentlichen Straßenverkehr gehören auch Verkehrsflächen, die zwar - wie hier - nicht gewidmet, aber tatsächlich öffentlich sind, also auf denen ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse oder eine verwaltungsrechtliche Widmung auf Grund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten die Benutzung durch jedermann tatsächlich zugelassen und ihr Gebrauch durch die Allgemeinheit erkennbar ist (vgl. Heß, a.a.O., § 1 Rn. 6). Diese Voraussetzung war/ist hinsichtlich der genannten Fläche an der A-Straße erfüllt, weil sie jedenfalls jedem Fußgänger offen steht. Im Übrigen wird diese Fläche auch von einem nicht bestimmbaren Personenkreis mit Fahrzeugen überquert, die die Firmen C. und D. anfahren.
Das Gericht ist aber insbesondere angesichts der Breite des Zufahrtstores von 8 m und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers, dem die Beklagte insoweit nicht in ausreichendem Maße entgegen getreten ist, davon überzeugt, dass sein Fahrzeug allein noch nicht die Zufahrt in einem - gegen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO verstoßenden - Maße versperrte, dass es Lastkraftwagen nicht mehr möglich gewesen wäre, diese Zufahrt ungehindert zu benutzen. Den im Verwaltungsvorgang der Beklagten abgehefteten Lichtbildern lässt sich entnehmen, dass die Zufahrt entlang des Fuß- und Radweges 12 m breit war und sie bis zu dem 8 m breiten Zufahrtstor eine Tiefe von 9 m aufwies. Die hier vertretene Auffassung wird des Weiteren dadurch gestützt, dass der Schwiegervater des Klägers in einer von diesem vorgelegten - und damit als Beteiligtenvorbringen zu wertenden - schriftlichen Stellungnahme vom 17. April 2003 ausführte, sein Schwiegersohn habe seinen Pkw im Bereich der Einfahrt zur Firma C. so abgestellt, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer belästigt oder behindert worden sei. Auch wenn sich anschließend weitere Fahrzeuge in dem Bereich dieser Einfahrt gestellt hätten, könne er doch sagen, dass die Ein- und Ausfahrt zur Firma C. immer frei geblieben sei. Es hätten noch „zwei Panzer“ nebeneinander ein- und ausfahren können. Zwar ist dieses Vorbringen nicht glaubhaft, sofern man es dahingehend verstehen sollte, dass die Ein- und Ausfahrt unabhängig von der Anzahl der im Zufahrtsbereich parkenden Fahrzeuge unbehindert nutzbar gewesen sein soll. Denn es bestehen angesichts der polizeilichen Stellungnahmen keine Zweifel daran, dass zum Zeitpunkt der Anordnung der Abschleppmaßnahmen die Firmeneinfahrt blockiert und ein Zuliefererverkehr nicht möglich war. Im Übrigen konnte der Schwiegervater des Klägers die Situation gar nicht beurteilen, als im Zufahrtsbereich drei Fahrzeuge standen, weil er zu diesem Zeitpunkt dort nicht anwesend war. Der Kläger hatte im Verwaltungsverfahren vorgetragen, nach Rückkehr zu ihrem „Parkplatz“ hätten seine Mitfahrer und er festgestellt, dass sein Auto verschwunden gewesen und ein rot/weißes Absperrband vor der „Parkfläche“ gespannt gewesen sei.
Offen bleiben kann des Weiteren, ob die gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch das - ausgehend vom Fahrzeug des Klägers aus abgestellte - zweite oder erst durch das dritte Fahrzeug unmittelbar verursacht wurde
Denn unabhängig davon ist auch dem Kläger die gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit zuzurechnen.
Zum Zeitpunkt der Anordnung der Abschleppmaßnahmen lag eine gegenwärtige Gefahr i.S.d. § 26 Nr. 1 NGefAG vor, weil die Blockade der Zufahrt (für LKWs) einen Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO und zudem eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. §§ 13 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO, 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG) darstellte.
Dem Kläger war diese gegenwärtige Gefahr zuzurechnen, weil er insoweit als sogenannter Zweckveranlasser zu behandeln war. Nur derjenige ist allerdings als Zweckveranlasser und damit als Handlungsstörer i.S.v. § 6 Abs. 1 NGefAG anzusehen, der eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit herbeiführt, indem er den Erfolg, d.h. die Störung, subjektiv bezweckt oder wenn diese sich als Folge seines Verhaltens zwangsläufig einstellt. Zu berücksichtigen ist dabei nämlich, dass der Zweckveranlasser die Störung oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht unmittelbar verursacht, sondern diese durch ein Handeln Dritter herbeigeführt wird, das auf deren eigenständigem Willensentschluss beruht. Das Verhalten des Zweckveranlassers oder auch „Mitverursachers“ und der durch das Verhalten der Dritten eintretende Erfolg müssen deshalb eine für den Zweckveranlasser erkennbare natürliche Einheit bilden, die es rechtfertigt, diesem das Verhalten der Dritten zuzurechnen. Bei der Beurteilung, ob diese „natürliche Einheit“ besteht und ob der Zurechnungszusammenhang dadurch hergestellt wird, darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, ob der Zweckveranlasser oder „Mitverursacher“ von einer rechtlichen Befugnis Gebrauch macht und ob ein hinreichender sachlicher Grund besteht, ihm die Gefahr oder Störung unmittelbar zuzurechnen (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 29. Mai 1995 - 1 S 442/95 -, NVwZ-RR 1995, 663 [VGH Baden-Württemberg 29.05.1995 - 1 S 442/95] <663>, und Urteil vom 30. Juli 2002 - 10 S 2153/01 -, Juris mit Veröffentlichungshinweis auf ESVGH 53, 59 (Ls.)).
Der Kläger hatte durch sein Verhalten den Eintritt der Störung, nämlich den Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls in entscheidungserheblichem Umfang mit herbeigeführt. Von wesentlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass am 9. September 2001 bei der Bereitschaftspolizei in B. ein Tag der offenen Tür stattfand und es deshalb unstreitig zu einem erhöhten Parkplatzbedarf im Bereich der A-Straße kam. Dies lässt sich nicht nur der polizeilichen Stellungnahme vom 16. Oktober 2001, sondern auch dem Vorbringen des Klägers entnehmen. So führte er in seiner Stellungnahme vom 5. November 2001 gegenüber der Beklagten aus, im Straßenverkehrsbereich der A-Straße seien beidseitig alle Straßenrandflächen vollgeparkt gewesen. Er sei glücklich gewesen, im Bereich der oben genannten Zufahrt einen „Parkplatz“ in der Nähe der Veranstaltung gefunden zu haben. Das Verhalten des Klägers und der durch das Verhalten des zweiten oder jedenfalls dritten Fahrzeugführers verursachte oben beschrieben Verkehrsverstoß stellten sich als „natürliche Einheit“ dar, die auch für den Kläger erkennbar gewesen wäre. Es entspricht nämlich allgemeiner Lebenserfahrung, dass bei größeren Veranstaltungen und der damit verbundenen unzureichenden Parkflächen ein Pkw, der als erstes Fahrzeug auf einem Platz abgestellt wird, auf dem das Parken zwar nicht erlaubt, aber möglich ist, quasi zwangsläufig einen Nachahmungseffekt zur Folge hat, der dazu führt, dass der nächste Fahrzeugführer - ebenfalls wegen der nicht ausreichenden Parkplätze in der Nähe des Geländes der Bereitschaftspolizei - dem „Vorbild“ des ersten Fahrzeugführers folgt und seinen Pkw auch auf der betreffenden Fläche abstellt. Weitere Fahrzeugführer verhalten sich entsprechend, so dass jedenfalls auch das Verhalten des dritten Fahrzeugführers noch dem ersten Fahrzeugführer mit zuzurechnen ist (zum sog. „Nachahmereffekt“ vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 8. September 2005 - 2 A 5356/02 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank des Nds. OVG). Aus dem Vorbringen des Klägers selbst ergibt sich, dass auch die Polizei offenbar dieser Auffassung war. So heißt es in seiner Stellungnahme vom 5. November 2001 sinngemäß, dass man ihm erklärt habe, sein Fahrzeug sei im Randbereich der Zu-/Abfahrt eigentlich nicht behindernd geparkt gewesen. Es seien jedoch später außer seinem Auto weitere Pkw direkt im Anschluss an sein Fahrzeug so geparkt worden, dass die Zu-/Abfahrt komplett vollgeparkt gewesen und die Zu-/Abfahrt für das Betriebsgelände nicht mehr nutzbar erschienen sei. Somit habe sich der Polizist entschieden, alle Pkw, die die Ein-/Ausfahrt unmittelbar versperrten bzw. behinderten, zu räumen. Anschließend sei mittels Spannen eines Absperrbandes das weitere „Parken“ in diesem freien Bereich unterbunden worden. Das Gericht teilt nicht die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung des Unterbevollmächtigten, er „bestreite“ die angeblich negative Vorbildwirkung des Fahrzeugs des Klägers. Der Kläger machte des Weiteren nicht von einer rechtlichen Befugnis Gebrauch. Auch wenn - wie oben ausgeführt wurde - der Kläger einen Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO nicht selbst beging, hatte er vom Eigentümer der oben genannten Fläche nicht die Erlaubnis bekommen, dort seinen Pkw für die Dauer des Besuchs der Veranstaltung abzustellen. Dies ist weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen worden.
Der mit der Sicherstellung bezweckte Erfolg konnte auch durch eine einzige tatsächliche Handlung bewirkt werden, ohne dass es einer vorausgehenden tatsächlichen oder nachträglich fingierten Verfügung bedurft hätte, die mit den Mitteln des polizeilichen Zwangs hätte durchgesetzt werden müssen. Insofern sind die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid zu den Vorschriften des polizeilichen Zwangs (§§ 64 ff. NGefAG) entbehrlich, für das Ergebnis aber auch unschädlich.
Die angeordnete Sicherstellung ist darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Insbesondere verstieß diese Maßnahme nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 4 NGefAG).
Die Abschleppmaßnahme war nicht nur hinsichtlich des die Störung unmittelbar verursachenden Fahrzeugs geeignet, die Störung zu beseitigen, sondern - wegen der oben beschriebenen Zurechnung - auch hinsichtlich des Fahrzeugs des Klägers. Im angegriffenen Bescheid wurde - wegen des oben beschriebenen Nachahmungseffekts - zu Recht ausgeführt, hätte man das Fahrzeug des Klägers stehen gelassen, wäre innerhalb kürzester Zeit die Zufahrt wieder zugeparkt worden.
Die Maßnahme war auch erforderlich, weil ohne das Abschleppen der drei Fahrzeuge die Zufahrt für die angekündigten LKWs für die Firma C. nicht passierbar gewesen wäre und auf die nach den polizeilichen Angaben mehrmals durchgeführten Lautsprecherdurchsagen keine Reaktion erfolgte. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben der Fa. C. hinsichtlich des Lieferverkehrs an einem Sonntag nicht zutreffend sein sollten, sind nicht ersichtlich. Außerdem kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob der Kläger die Lautsprecherdurchsagen hörte. Es liegen nämlich trotz der Erklärung des Klägers im Verwaltungsverfahren, offensichtlich seien durch die nicht ausreichende Organisation die technischen Voraussetzungen nur so geschaffen worden, dass die Durchsagen über Lautsprecher, wenn diese tatsächlich ausgeführt worden sein sollten, nicht für alle Bereiche dieser Veranstaltung hörbar gewesen seien, keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger oder seine Begleiter nicht jedenfalls eine Lautsprecherdurchsage hätten hören können. Denn der Kläger trug in derselben Stellungnahme auch vor, sie seien mit drei Personen den gesamten Zeitraum „auf dem Gelände, im Freigelände und in den Hallen“ unterwegs gewesen. Des Weiteren hatte man laut der Stellungnahme vom 16. Oktober 2001 ca. eine Stunde seit der Durchführung der Lautsprecherdurchsagen und damit ausreichend gewartet, bis das Abschleppunternehmen angefordert wurde.
Schließlich war die Abschleppmaßnahme hinsichtlich aller drei Fahrzeuge angemessen. Aufgrund des Umstandes, dass das Verhalten des Klägers und der durch das Verhalten des zweiten oder jedenfalls dritten Fahrzeugführers verursachte oben beschrieben Verkehrsverstoß eine „natürliche Einheit“ darstellten, durfte auch das Fahrzeug des Klägers entfernt werden. Wie oben bereits teilweise ausgeführt, wäre andernfalls anzunehmen gewesen, dass die Zufahrt innerhalb kürzester Zeit wieder zugeparkt worden und der Zuliefererverkehr deshalb (wieder) nicht möglich gewesen wäre. Unter Berücksichtigung der wegen der anlässlich des Tags der offenen Tür bei der Bereitschaftspolizei festzustellenden Parkplatzknappheit bestand deshalb auch eine besondere Lage, die eine sofortige Beseitigung des Kraftfahrzeuges des Klägers gebot, so dass hier nicht der Gesichtspunkt Bedeutung erlangt, die bloße Vorbildwirkung eines ordnungswidrigen Verhaltens und der Gesichtspunkt der Generalprävention seien regelmäßig als Rechtsfertigung für das Abschleppen eines verbotswidrig geparkten Kraftfahrzeuges nicht ausreichend (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4 Mai 1992 - 3 C 3.90 -, NJW 1993, 870 [BVerwG 14.05.1992 - BVerwG 3 C 3.90] <871>). Offen bleiben kann, ob die besondere Lage auch deshalb vorlag, weil der Kläger dadurch, dass er sein Fahrzeug auf der oben genannten Fläche abstellte, auch die Funktionsfähigkeit dieser Verkehrsfläche beeinträchtigte. Wegen der auch dem Kläger zuzurechnenden Behinderung der Ein- und Ausfahrt stand der Abschleppmaßnahme auch nicht entgegen, dass der Kläger mit Hilfe eines hinterlegten Parkausweises in der Windschutzscheibe auf seine Gehbehinderung aufmerksam gemacht haben und nach seinen Ausführungen insoweit auf diesen „Parkplatz“ angewiesen gewesen sein will. Dies wurde im Widerspruchsbescheid zutreffend festgestellt. Denn das Recht auf Nutzung der eigenen Ein- und Ausfahrt ist höher zu bewerten als das Bestreben des Klägers, auf einem fremden Grundstück ohne Erlaubnis parken zu wollen, auch wenn ein Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO nicht vorgelegen hat. Im Übrigen ist - ohne dass dies letztendlich entscheidungserheblich ist - nicht ersichtlich, warum nicht einer der anderen Mitfahrer in der Lage war, den Kläger bis zum Tor des Geländes der Bereitschaftspolizei zu fahren und anschließend das Fahrzeug an anderer Stelle ordnungsgemäß zu parken.