Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 01.03.2006, Az.: 6 A 1041/04

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
01.03.2006
Aktenzeichen
6 A 1041/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44728
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2006:0301.6A1041.04.0A

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der am ... geborene Kläger ist Realschullehrer. Er wendet sich gegen den Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 2. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2004. Darin lehnte diese den unter dem 23. August 2003 gestellten Antrag auf Bewilligung von Altersteilzeit in Form des sogenannten Teilzeitmodells zum 1. Februar 2004 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Durch das Gesetz zur Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften und des Ministergesetzes vom 31. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 372) seien § 80 b des Nds. Beamtengesetzes - NBG - und § 8 a der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) geändert worden. Auf der Grundlage des § 80 b Abs. 4 NBG habe das Niedersächsische Kultusministerium durch Erlass vom 5. Dezember 2003 die Bezirksregierungen angewiesen, Anträge von Lehrkräften auf Bewilligung von Altersteilzeit zum 1. Februar 2004, die erst nach dem 31. Juli 2003 bei den Bezirksregierungen eingegangen waren, abzulehnen. Dies diene der Sicherstellung der Unterrichtsversorgung angesichts der unerwartet großen Anzahl von Antragstellern. Das Gleichbehandlungsgebot und der Vertrauensschutz seien gewahrt.

2

Zur Begründung seiner bereits am 30. Januar 2004 erhobenen Untätigkeitsklage, in die er die zwischenzeitlich ergangenen Bescheide einbezogen hat, trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Das Gleichbehandlungsgebot, der Vertrauensschutz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geböten, seinen Antrag nach alter Rechts- und Erlasslage zu behandeln und ihm die begehrte Altersteilzeit zum 1. Februar 2004 zu gewähren. Selbst unter Berücksichtung des Erlasses vom 5. Dezember 2003 habe er die begehrte Altersteilzeit rechtzeitig beantragt. Denn sein unter dem 23. August 2003 gestellter Antrag sei kein neuer Antrag, sondern eine unwesentliche Veränderung seines bereits unter dem 16. Juli 2003 gestellten Antrags auf Altersteilzeit zum 1. August 2004 gewesen. Im Übrigen sei der genannte Erlass rechtlich zu beanstanden, weil er willkürlich eine Gruppe von Lehrkräften von der Gewährung der günstigen Altersteilzeitregelung ausschließe, die auf die bisherige Bewilligungspraxis vertraut habe und vertrauen durfte. Außerdem sei in zahlreichen vergleichbaren Fällen Anträgen auf Bewilligung von Altersteilzeit zum 1. Februar 2004 stattgegeben worden.

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Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 2. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Gewährung von Altersteilzeit erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und erwidert ergänzend: Der im Erlass des Niedersächsisches Kultusministeriums vom 5. Dezember 2003 enthaltene Stichtag (Antragseingang vor dem 31. Juli 2003) sei angesichts der unerwartet hohen Anzahl von Anträgen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung in den Schulen geboten und nicht ermessensfehlerhaft. Vertrauensschutz und das Gleichbehandlungsgebot stünden nicht entgegen. Dies gelte auch angesichts von landesweit 30 Fällen, in denen - bevor die inzwischen verfügten Ausnahmereglungen bekannt geworden sein - trotz verspäteten Antragseingangs noch Altersteilzeit zum 1. Februar 2004 bewilligt worden sei. Da das Niedersächsisches Kultusministeriums insoweit durch Erlass vom 13. Januar 2004 entschieden habe, diese Bewilligungen nicht aufzuheben, komme ihr insoweit kein Ermessen zu. Diese rechtswidrige Praxis habe für die Zukunft geändert werden dürften, der Kläger könne keine Gleichheit im Unrecht verlangen.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden durfte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

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Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann von der Beklagten weder eine Bewilligung von Altersteilzeit zum 1. Februar 2004 noch die beantragte erneute Entscheidung über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes verlangen.

9

Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Bescheide verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ohne rechtlichen Fehler wird darin zunächst ausgeführt, dass dem Begehren bereits § 80 b Abs. 4 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - in der durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften und des Ministergesetzes vom 31. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 372) geänderten Fassung i.V.m. dem Erlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 5. Dezember 2003 entgegensteht, wonach die Bewilligung von Altersteilzeit für Beamte im Schuldienst ab dem 1. Februar 2004 einen entsprechenden Antrag bis zum 31. Juli 2003 voraussetzt, an dem es hier mangelt. Auch die weitere Erwägung, dass die Versagung ermessensfehlerfrei erfolgte ist, ist nicht zu beanstanden (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 26. März 2004 - 5 ME 32, 33 und 60/04 -; ständige Rechtsprechung der Kammer im vorläufigen Rechtsschutz, z.B. Beschluss vom 30. Januar 2004 - 6 B 342/04 -). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

10

Ein Anspruch des Klägers auf eine stattgebende Entscheidung der Beklagten über seinen Antrag folgt nicht etwa daraus, dass der Schulbezirkspersonalrat einer Ablehnung des Antrags die Zustimmung versagt hat. Die Versagung der Zustimmung war nämlich unbeachtlich (VG Osnabrück, Urteil vom 24. Februar 2005 - 3 A 127/04 - und Beschluss vom 23. Juni 2004 - 8 A 6/04 -). Nach § 68 Abs. 2 Satz 6 NPersVG gilt die Zustimmung u.a. als erteilt, wenn die vom Personalrat aufgeführten Gründe offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung nach §§ 64 bis 67 NPersVG liegen.

11

Es kommt ferner nicht darauf an, dass der Kläger vor dem 31. Juli 2003 bereits unter dem 16. Juli 2003 einen Antrag auf Altersteilzeit zum 1. August 2004 gestellt und diesen unter dem 23. August 2003 auf den 1. Februar 2004 umgestellt hatte. Denn der Erlass des Niedersächsisches Kultusministeriums vom 5. Dezember 2003 schließt auch bei solchen nachträglich umgestellten Anträgen eine Bewilligung von Altersteilzeit zum 1. Februar 2004 ausdrücklich aus.

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Schließlich ist der Erlass des Niedersächsisches Kultusministeriums vom 5. Dezember 2003 weder als Ausnahmebestimmung i.S.d. § 80 b Abs. 4 NBG noch als ermessensbindende Regelung für die Landesverwaltung rechtlich - etwa im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz oder die Fürsorgepflicht des Dienstherrn - zu beanstanden (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 26. März 2004 - 5 ME 32, 33 und 60/04 -):

13

Keineswegs ist der Erlass ohne einen sachlichen Grund ergangen. Da sich die erst zum 8. November realisierte Gesetzesänderung bereits im Sommer 2003 abzeichnete, beantragte eine große Anzahl von Lehrern, die vor dem 1. Februar 2004 das 56. oder 57. Lebensjahr vollendeten, die Bewilligung von Altersteilzeit zum Anfangszeitpunkt 1. Februar 2004. Landesweit gingen in der Zeit zwischen 1. August 2003 und 31. Oktober 2003 insgesamt 364 derartige Anträge ein. Folglich bestand Anlass für eine Maßnahme zur Sicherstellung der künftigen Unterrichtsversorgung.

14

Die mit Erlass vom 5. Dezember 2003 getroffene Anordnung, Anträgen auf Altersteilzeit zum 1. Februar 2004, die nach dem 31. Juli 2003 bei den Bezirksregierungen eingegangen sind, nicht zu entsprechen, stellt keine Umgehung der gesetzlichen Regelung dar. Denn § 80 b Abs. 1 NBG macht die Ausübung des Ermessens davon abhängig, dass dienstliche Belange nicht entgegenstehen (§ 80 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NBG) und dass es sich nicht um den Antrag eines Angehörigen einer Beamtengruppe handelt, die die oberste Dienstbehörde gemäß § 80 b Abs. 4 NBG von der Altersteilzeit ausgenommen hat. Das durch das Gesetz eingeräumte Ermessen ist also von vornherein vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig. Hinzu kommt, dass der Erlass vom 5. Dezember 2003 auch deshalb keine Umgehung bzw. kein "Leerlaufen" der in § 80 b Abs. 1 NBG getroffenen Regelung bewirkt, weil er die Bewilligung von Altersteilzeit zum 1. Februar 2004 auf bis zum 31. Juli 2003 bei den Bezirksregierungen eingegangene Anträge durchaus zulässt.

15

Was die Rüge der Ungleichbehandlung angeht, so trifft es zwar zu, dass eine Behörde grundsätzlich auch im Ermessensbereich an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist. Das bedeutet aber ohnehin nur, dass nicht willkürlich Gleiches ungleich behandelt werden darf, nicht dagegen, dass Differenzierungen aus sachlichen Gründen unzulässig wären. Hinzu kommt, dass die Behörde im Ermessensbereich durch den Gleichheitssatz nicht gehindert ist, eine Verwaltungspraxis für die Zukunft zu ändern (vgl. Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, RdNr. 56 zu § 40). Wenn Anträgen auf Bewilligung von Altersteilzeit bis Mitte 2003 durchweg entsprochen worden ist, so folgt daraus also noch kein Anspruch auf eine Fortsetzung dieser Verwaltungspraxis. Abgesehen davon, dass die Ermessensausübung (wie auch bisher schon) davon abhängig ist, dass dringende dienstliche Belange nicht entgegenstehen (§ 80 b Abs. 1 Nr. 4 NBG), sind Erfordernisse der Unterrichtsversorgung ein sachlicher Grund für die Änderung einer großzügigen Verwaltungspraxis (und zwar auch dann, wenn es die Regelung des § 80 b Abs. 4 NBG und den Erlass des Kultusministeriums vom 5. Dezember 2003 nicht gäbe). Wäre den Erfordernissen der Unterrichtsversorgung bei einer Stattgabe aller zu einem bestimmten Anfangszeitpunkt gestellten Anträge auf Altersteilzeit nicht genügt, so ermöglicht es die Ermessensvorschrift, nur einem Teil der Anträge zu entsprechen. Sicher sind mehrere sachliche Gründe denkbar, nach denen die Behörde die Auswahl der stattzugebenden Anträge treffen könnte. Ein nahe liegender Gesichtspunkt ist der vom Niedersächsischen Kultusministerium gewählte Gesichtspunkt der Priorität: Den zuerst gestellten Anträgen wird entsprochen, später gestellte Anträge werden abgelehnt. Insoweit an den Stichtag 31. Juli 2003 anzuknüpfen, lag auch deshalb nahe, weil nach dem den Beamten bekannt gegebenen Merkblatt (SVBl. 2000, 481) der Antrag spätestens sechs Monate vor dem gewünschten Beginn der Altersteilzeit bei der zuständigen Bezirksregierung zu stellen war. Wenngleich es gewiss Auswahlprinzipien gibt, die der Einzelfallgerechtigkeit besser entsprechen und dem Kläger eher einleuchten, so erweist sich das Prioritätsprinzip doch nicht als sachwidrig oder willkürlich. Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität. Der Zeitpunkt des Eingangs des Antrages bei der Bewilligungsbehörde steht eindeutig fest. Jedes andere Differenzierungskriterium würde zu einem deutlich höheren Verwaltungsaufwand führen und könnte Quelle von mancherlei Streitigkeiten sein.

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Ferner ist nicht zu beanstanden, dass der Erlass vom 5. Dezember 2003 auch diejenigen Anträge einbezieht, die nach dem 31. Juli 2003 auf das Anfangsdatum 1. Februar 2004 umgestellt wurden. Denn diese Anträge unterscheiden sich nicht grundlegend von den Anträgen, die erstmals nach dem Stichtag gestellt wurden (alle Antragsteller wollten der gesetzlichen Regelung, wonach eine Bewilligung von Altersteilzeit ab 01. August 2004 nur noch nach Vollendung des 59. Lebensjahres möglich war, entgehen). Dass es nach dem Erlass vom 5. Dezember 2003 nicht auf die Motive dafür ankommt, weshalb bis zum 31. Juli 2003 ein Antrag auf Altersteilzeit beginnend mit dem 1. Februar 2004 nicht gestellt wurde, ist ebenfalls nicht sachwidrig. Denn in aller Regel sind die Motive nicht in nachprüfbarer Weise schriftlich niedergelegt. Die nachträgliche Erforschung der wahren Motive ist kaum zuverlässig möglich und wäre jedenfalls mit einem großen Verwaltungsaufwand verbunden.

17

Der Vertrauensschutzgedanke hindert die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin ebenfalls nicht an einer Ablehnung des unter dem 23. August 2003 gestellten Antrages. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Unzulässigkeit belastender gesetzlicher Vorschriften mit echter Rückwirkung ist auf die hier vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Das maßgebliche Gesetz (§ 80 b NBG) stellte die Bewilligung von Altersteilzeit auch in der bisherigen Fassung schon in das Ermessen der Behörde und machte dieses vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig. Der Kläger musste also sowohl damit rechnen, dass sich an den Voraussetzungen (Nicht-Entgegenstehen dringender dienstlicher Belange; Erfordernisse der Unterrichtsversorgung) etwas ändern würde, als auch damit, dass in der Ermessensbetätigung aus sachlichen Gründen (wozu z.B. auch fiskalische Erwägungen gehören können) eine andere Praxis Platz greifen würde. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass der Kläger eine rechtliche Position erlangt hätte, auf deren Bestand er hätte vertrauen können. Er konnte nur die unsichere Hoffnung auf eine Fortsetzung der bisherigen großzügigen Bewilligungspraxis hegen. Dieses Interesse darf die Beklagte indessen hinter dem öffentlichen Interesse an einer möglichst ausgeglichenen Unterrichtsversorgung und an der Konsolidierung des Landeshaushalts zurücktreten lassen.

18

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich sein Anspruch auch aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht nicht herleiten. Die Fürsorgepflicht unterliegt der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Nur wenn die gesetzliche Regelung zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führt, wäre an einen Rückgriff auf die Fürsorgepflicht als allgemeine Anspruchsgrundlage zu denken. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern ist hier aber von dem Kläger nicht glaubhaft gemacht worden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.