Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 02.03.2006, Az.: 6 A 2275/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 02.03.2006
- Aktenzeichen
- 6 A 2275/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44729
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2006:0302.6A2275.04.0A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die am ... geborene Klägerin ist Lehrerin. Sie wendet sich gegen den Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2004. Darin lehnte diese den unter dem 10. Juli 2003 gestellten Antrag auf Bewilligung von Altersteilzeit in Form des sogenannten Teilzeitmodells zum 1. August 2004 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Durch das Gesetz zur Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften und des Ministergesetzes vom 31. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 372) seien § 80 b des Nds. Beamtengesetzes - NBG - und § 8 a der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) geändert worden. Danach könnten Lehrkräfte Altersteilzeit zum 1. August 2004 nur noch nach Vollendung des 59. Lebensjahres in Anspruch nehmen. Dazu gehöre die Klägerin nicht. Es sei unbeachtlich, dass der Antrag der Klägerin vor der Änderung der Rechtsvorschriften bei ihr eingegangen sei. Es fehle an einem schutzwürdigem Vertrauen der Klägerin darauf, dass die im Zeitpunkt der Antragstellung geltende Gesetzeslage unverändert fortgelte oder jedenfalls für die Entscheidung über ihren Antrag maßgeblich bleibe.
Zur Begründung ihrer am 1. Juni 2004 erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Der Vertrauensschutz und das Gleichbehandlungsgebot geböten, ihren Antrag nach alter Rechtslage zu behandeln und ihr die begehrte Altersteilzeit zum 1. August 2004 zu gewähren. Nach den Äußerungen der Kultusminister und der Mitarbeiter der Schulbehörde sei von einem Fortbestand der Rechtslage auszugehen gewesen. Die schnelle und kurzfristig ohne Übergangsregelung geschaffene Verschärfung der Voraussetzungen erscheine willkürlich. Gerade sie habe besonders darauf vertraut, sich frühzeitig über die Modalitäten erkundigt und deswegen u.a. die früher aus Gründen der Kindererziehung gewählte Teilzeitbeschäftigung zur Vollzeittätigkeit aufgestockt, um den Anspruchsvoraussetzungen zu genügen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe nicht rechtzeitig über den bereits im Juli 2003 gestellten Antrag entschieden. Pflichtwidrig sei der Antrag bis zur Verschlechterung der Rechtslage liegen gelassen worden. Es verstoße gegen den Vertrauensschutz, über einen Antrag von derart existenzieller Bedeutung nicht zeitnah zu entscheiden. Die spätere Versagung der begehrten Altersteilzeit verletze auch das Gleichbehandlungsgebot. In zahlreichen Fällen sei Anträgen auf Bewilligung von Altersteilzeit zum 1. August 2004 vor dem 1. Februar 2004 stattgegeben worden, obwohl die Antragsteller wie sie - die Klägerin - das 59. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätten. Eine Aufhebung dieser Bewilligungen werde nicht erfolgen. Die behauptete Gefährdung der Unterrichtsversorgung sei zweifelhaft. Dies gelte zumindest für ihren Schulbezirk, zumal sie später ohne weiteres zu einem Viertel ihrer Arbeitskraft anderweitig abgeordnet worden sei. Die Besonderheit ihres Falles zeige sich auch daran, dass zunächst im Beteiligungsverfahren die Einigungsstelle angerufen worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 31. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr ab 1. August 2004 Altersteilzeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und erwidert ergänzend: Die Klägerin habe nicht auf den Fortbestand der im Zeitpunkt ihrer Antragstellung geltenden gesetzlichen Regelung der Altersteilzeit vertrauen dürfen. Keineswegs habe die Klägerin durch ihre zwischenzeitliche Vollzeittätigkeit eine Vorleistung für die erwartete Teilzeitbewilligung erbracht. Ihr beruflicher Einsatz und ihre Leistungen rechtfertigten keine Abweichung vom nunmehr geltenden Recht. Der Gesetzgeber sei mit der Änderung dieser Regelungen der Gefahr entgegen getreten, anderenfalls landesweit die Unterrichtsversorgung in den Schulen nicht mehr gewährleisten zu können. Denn es habe überraschend viele Altersteilzeitanträge insbesondere im Jahr 2003 gegeben. Auch die schlechte Haushaltslage habe die Rechtsänderung erfordert. Ferner bezwecke die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 59 Jahre, dass Lehrkräfte bis zum Jahr 2009 weiterhin eine altersabhängige Altersteilzeitbeschäftigung wählen können. Davon unabhängig könnten Lehrkräfte die "normale" Teilzeitbeschäftigung wählen. Der Gleichheitssatz vermittele der Klägerin den geltend gemachten Anspruch nicht. Dem stehe schon die Bindung der Verwaltung an das Gesetz entgegen. Bewilligungen von Altersteilzeit aus der Zeit vor dem 1. Februar 2004 verböten es ihr nicht, mit Rücksicht auf eine geänderte Sach- und Rechtslage den Antrag der Klägerin abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann von der Beklagten weder eine Bewilligung von Altersteilzeit zum 1. August 2004 noch eine erneute Entscheidung über ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes verlangen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Bescheide verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ohne rechtlichen Fehler wird darin zunächst ausgeführt, dass dem Begehren bereits § 80 b Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - in der durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften und des Ministergesetzes vom 31. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 372) geänderten Fassung entgegensteht, wonach die Bewilligung von Altersteilzeit für Beamte im Schuldienst ab dem 1. August 2004 die Vollendung des 59. Lebensjahres voraussetzt, an der es bei der am 17. März 1949 geborenen Klägerin mangelt. Die Klägerin gehört auch nicht zu dem Personenkreis der Schwerbehinderten und Lehrkräfte mit begrenzter Dienstfähigkeit, dem Altersteilzeit zu allen in § 8 a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) in der Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 31. Oktober 2003 (entspricht § 9 Abs. 1 Satz 1 der ArbZVO-Lehr in der Fassung vom 2. August 2004 - Nds. GVBl. S. 302) genannten Zeitpunkten bewilligt werden kann.
Zutreffend sind auch die weitere Erwägungen, dass weder der rechtsstaatliche Vertrauensschutz noch der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet oder zulässt, das klägerische Begehren nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung zu beurteilen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Es mag zwar richtig sein, dass die Klägerin darauf vertraut hat, dass ihr frühzeitig gestellter Antrag auf Bewilligung von Altersteilzeit zum 1. August 2004 positiv entschieden wird und sie im Hinblick darauf ihre langjährige Teilzeitbeschäftigung zur Vollzeittätigkeit aufgestockt hat. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände ist dieses subjektive Vertrauen aber nur eingeschränkt schützenswert und muss hinter dem öffentlichen Interesse an einer landesweit möglichst ausgeglichenen Unterrichtsversorgung und an der Konsolidierung des Landeshaushalts zurücktreten (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 23. September 2005 - 2 ME 420/05 - vom 5. August 2004 - 5 ME 235/04 - und vom 29. März 2004 - 5 ME 33/04 -; VG Osnabrück, Urteil vom 24. Februar 2005 - 3 A 127/04 -; VG Lüneburg, Urteil vom 3. November 2004 - 1 A 276/04 -; ständige Rechtsprechung der Kammer im vorläufigen Rechtsschutz, z.B. Beschluss vom 8. Juli 2004 - 6 B 2588/04 -). Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Unzulässigkeit belastender gesetzlicher Vorschriften mit echter Rückwirkung ist nicht auf die hier vorliegende Konstellation übertragbar. Schon angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers gerade im Beamtenrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - BVerfGE 107, 218, 271 [BVerfG 12.02.2003 - 2 BvL 3/00]) konnte die Klägerin nicht darauf vertrauen, dass die für sie günstigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Altersteilzeit, die noch bei der Stellung des Antrags galten, auf Dauer erhalten blieben und etwa die Altersgrenze nicht angehoben werde, wie dies eben durch das Gesetz vom 31. Oktober 2003 geschehen ist. Bei der Altersteilzeit handelt es sich um eine Vorruhestandsregelung für Beamtinnen und Beamte aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, durch die älteren Beamtinnen und Beamten ein gleitender "Übergang in den Ruhestand" ermöglicht werden soll (vgl. LT-Drucks. 14/1250 S. 5). Gerade die seit längerem negative Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, die auch im Beamtenrecht zu einem Abbau von Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Vorruhestandsregelungen wie etwa der Anhebung der Altersgrenze in § 57 NBG geführt haben, konnten daher grundsätzlich nicht das Vertrauen darauf begründen, die noch bei Antragstellung bestehende Altersgrenze werde bis zum 1. August 2004 unangetastet bleiben (Nds. OVG, Beschluss vom 23. September 2005 - 2 ME 420/05 -).
Gegen einen Vertrauensschutz der Klägerin spricht weiter, dass § 80 b Abs. 1 NBG auch in der vor In-Kraft-Treten des Gesetzes vom 31. Oktober 2003 geltenden Fassung die Bewilligung von Altersteilzeit in das Ermessen der Behörde stellte und dieses vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig machte. Die Klägerin musste also schon nach alter Rechtslage sowohl damit rechnen, dass sich an den Voraussetzungen (Nicht-Entgegenstehen dringender dienstlicher Belange, Erfordernisse der Unterrichtsversorgung) etwas ändern würde, als auch damit, dass in der Ermessensbetätigung aus sachlichen Gründen (wozu z. B. auch fiskalische Erwägungen gehören können) eine andere Praxis Platz greifen würde. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass die Klägerin eine rechtliche Position erlangt hätte, auf deren Bestand sie bei der frühzeitigen Antragstellung hätte vertrauen dürfen. Sie konnte nur die unsichere Hoffnung auf eine Fortsetzung der bisherigen großzügigen Bewilligungspraxis und den Fortbestand der gesetzlichen Regelung hegen. Dies gilt auch angesichts politischer Absichtserklärungen sowie etwaiger Auskünfte von Bediensteten der Rechtsvorgängerin der Beklagten über den voraussichtlichen Fortbestand des geltenden Rechts. Auch die Zwischennachrichten der Rechtsvorgängerin der Beklagten ändern nichts an dem Befund, zumal sie die an die Annahme einer Zusicherung nach § 38 VwVfG zu stellenden Anforderungen nicht erfüllen. Insbesondere unterliegt der in den Zwischennachrichten enthaltene Hinweis, die Bearbeitung der Anträge auf Teilzeitbewilligung erfolge aus Planungsgründen erst relativ zeitnah vor Beginn des Bewilligungszeitraumes, keinen Bedenken und lässt sich nicht als Versuch interpretieren, die Bearbeitung absichtlich hinauszuzögern. Auch der BGH, Dienstgericht des Bundes, hat in seinem Urteil vom 16. März 2005 (- RiZ (R) 1/4 - NJW-RR 2005, 1301) in einem vergleichbaren Fall versagter Altersteilzeit eines Richters entschieden, die Prüfung der Voraussetzungen der Altersteilzeit müsse zeitnah vor dem beantragten Bewilligungszeitraum erfolgen, so dass die zwischenzeitliche Heraufsetzung des Mindestalters für Altersteilzeit zu Lasten des Betroffenen geht. Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin wäre im Übrigen befugt gewesen, den Antrag im Hinblick auf seine fehlende Aktualität - d.h. auf einen noch weit in der Zukunft liegenden Beginn des Bewilligungszeitraums und das Erfordernis einer zeitnahen Prüfung der dienstlichen Belange - abschlägig zu bescheiden. Ebenso ermessensgerecht ist es, wenn der Dienstherr von einer abschlägigen Bescheidung absieht und sich die abschließende Bearbeitung des Antrags im Hinblick auf den näheren zeitlichen Zusammenhang - hier 6 Monate - mit dem Beginn der angestrebten Maßnahme vorbehält.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das derart zu bewertende Interesse der Klägerin an einer sofortigen Bescheidung des Antrags hinter dem öffentlichen Interesse an einer möglichst ausgeglichenen Unterrichtsversorgung und an der Konsolidierung des Landeshaushalts zurücktreten durfte.
Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG rügt, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten in zahlreichen vergleichbaren Fällen zeitnah zur Antragstellung Altersteilzeit bewilligt, dadurch eine selbstbindende Entscheidungspraxis begründet und durch die streitige Ablehnung willkürlich entschieden habe, ist zwar zutreffend, dass eine Behörde grundsätzlich auch im Ermessensbereich an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist. Das bedeutet aber ohnehin nur, dass nicht willkürlich Gleiches ungleich behandelt werden darf, nicht dagegen, dass Differenzierungen aus sachlichen Gründen unzulässig wären. Hinzu kommt, dass die Behörde im Ermessensbereich durch den Gleichheitssatz nicht gehindert ist, eine Verwaltungspraxis für die Zukunft zu ändern (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 5. August 2004 - 5 ME 235/04 -; Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2004, Rdnr. 56 zu § 40). Wenn Anträgen auf Bewilligung von Altersteilzeit bis Mitte 2003 durchweg entsprochen worden ist, so folgt daraus also noch kein Anspruch auf Fortsetzung dieser Verwaltungspraxis. Abgesehen davon, dass die Ermessensausübung (wie auch bisher schon) davon abhängig ist, dass dringliche dienstliche Belange nicht entgegenstehen (§ 80 b Abs. 1 Nr. 4 NBG n.F.), sind Erfordernisse der Unterrichtsversorgung ein sachlicher Grund für die Änderung einer großzügigen Verwaltungspraxis. Wäre den Erfordernissen der Unterrichtsversorgung bei einer Stattgabe aller zu einem bestimmten Anfangszeitpunkt gestellten Anträge auf Altersteilzeit nicht genügt, so ermöglicht es die Ermessensvorschrift, nur einem Teil der Anträge zu entsprechen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 5. August 2004 a.a.O.). Auch dem Gesichtspunkt der Priorität, d.h. der Reihenfolge der gestellten Anträge auf Altersteilzeit, kommt keine ermessensreduzierende Bedeutung bei, die die Beklagte zwingen würde, früh gestellte Anträge nach altem Recht zu behandeln und positiv zu bescheiden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 5. August 2004, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.