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  • ab 14.10.2022 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 6 SchwbRl - Ausgestaltung des Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisses und des Arbeitsumfeldes

Bibliographie

Titel
Richtlinien zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen am Berufsleben im öffentlichen Dienst (Schwerbehindertenrichtlinien - SchwbRl)
Amtliche Abkürzung
SchwbRl
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
20480

6.1 Arbeitszeit/Arbeitspausen

Schwerbehinderte Beschäftigte sind auf ihr Verlangen von Krankheits- und Urlaubsvertretungen freizustellen, wenn die Vertretung innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit nicht erledigt werden kann (vgl. § 207 SGB IX) oder die Art der Behinderung den Betroffenen eine Vertretungstätigkeit unzumutbar erscheinen lässt.

Unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit der schwerbehinderten Beschäftigten können besondere Regelungen für die Gestaltung der Arbeitszeit und der Arbeitspausen angezeigt sein. Die örtlichen Verhältnisse, insbesondere Verkehrsverhältnisse, können ein Entgegenkommen beim Dienstbeginn und Dienstschluss sowie bei der Mittagspause rechtfertigen.

6.2 Teilzeitbeschäftigung

Schwerbehinderte Beschäftigte haben gemäß § 164 Abs. 5 Satz 3 SGB IX einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art und Schwere der Behinderung notwendig ist. Dieser Anspruch besteht nicht, wenn seine Erfüllung für den Arbeitgeber oder Dienstherrn nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit staatliche oder berufsgenossenschaftliche Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen (§ 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX).

6.3 Technische Ausstattung des Arbeitsplatzes

Zur Erleichterung der Arbeit und zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit sind die nach Art und Umfang der Behinderung erforderlichen Hilfsmittel bereitzustellen; der Arbeitsplatz ist mit den notwendigen technischen Arbeitshilfen auszustatten (§ 164 Abs. 4 Nr. 5 SGB IX). Hierzu gehören u. a.:

  • akustische und optische Hilfsmittel für Menschen mit einer Hörbehinderung,

  • besondere Vorrichtungen zur Telefonbedienung,

  • behinderungsgerechte Büromöbel,

  • behinderungsgerechte Arbeitsplatzausleuchtung,

  • Brailledisplay,

  • Lesegeräte,

  • Vorlesesysteme,

  • Diktiergeräte,

  • Vergrößerungssysteme,

  • Notizgeräte,

  • Fachliteratur als Software oder in Blindenschrift.

Die Leistungen der Rehabilitationsträger sind in Anspruch zu nehmen. Hierzu ist rechtzeitig und vor einer Beschaffung mit den zuständigen Stellen Kontakt aufzunehmen.

Sofern bei der Auswahl der notwendigen Hilfsmittel Zweifel bestehen, sind der technische Beratungsdienst des Integrationsamtes und der Agenturen für Arbeit sowie bei Bedarf die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund zu beteiligen.

Informationen zu einer behinderungsgerechten Ausstattung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie zu den Möglichkeiten einer finanziellen Förderung gibt es auf der Internetseite des Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie unter der Rubrik "schwerbehinderte Menschen im Arbeitsleben/finanzielle Förderung".

6.4 Personelle Unterstützung/Arbeitsassistenz

Schwerbehinderten Beschäftigten, die zur Ausübung der Beschäftigung wegen der Schwerbehinderung nicht nur vorübergehend einer besonderen Hilfskraft bedürfen (§ 155 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a SGB IX), ist neben technischen Hilfsmitteln personelle Unterstützung (z. B. Vorlesekraft, Gebärdensprachdolmetscherin oder Gebärdensprachdolmetscher, Hilfskraft für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer) zur Verfügung zu stellen und für deren Vertretung zu sorgen. Die Leistungen der Rehabilitationsträger sind in Anspruch zu nehmen. Auf § 185 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX, wonach das Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen für außergewöhnliche Belastungen des Arbeitgebers, u. a. für innerbetriebliche personelle Unterstützung, erbringen kann, wird hingewiesen.

Schwerbehinderte Menschen haben im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes aus den zur Verfügung stehenden Mitteln der Ausgleichsabgabe einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz (§ 185 Abs. 5 Satz 1 SGB IX). Gegenüber der Assistenzkraft tritt der schwerbehinderte Mensch selbst als Auftraggeber auf. Dieses kann auf unterschiedliche Weise organisiert werden. Entweder der schwerbehinderte Mensch kann als Arbeitgeber selbst eine Assistenzkraft anstellen, d. h. auf Basis eines Arbeitsvertrages im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen - ggf. geringfügigen - Beschäftigung. Dabei ist er für die Einhaltung aller gesetzlichen Arbeitgeberpflichten im Verhältnis zur Assistenzkraft allein verantwortlich (Arbeitgebermodell). Alternativ kann der schwerbehinderte Mensch auch ein Dienstleistungsunternehmen mit der Erbringung der Assistenzleistung oder eine einzelne, selbstständige Person im Wege eines Dienstvertrages auf Honorarbasis beauftragen (Dienstleistungsmodell).

Leistungen durch das Integrationsamt dürfen nur erbracht werden, soweit diese für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder erbracht werden, ohne dass auf sie ein Rechtsanspruch besteht (§ 18 Abs. 1 Satz 1 SchwbAV).

6.5 Telearbeit und mobile Arbeit

Telearbeit und mobile Arbeit sind geeignet, die Rahmenbedingungen für schwerbehinderte Beschäftigte zu verbessern und stellen ein Instrument zur Sicherung gefährdeter Arbeitsverhältnisse dar. Die Dienststellen fördern daher die Einrichtung von Telearbeitsplätzen und die Möglichkeit der mobilen Arbeit für schwerbehinderte Beschäftigte.

Bei der Entscheidung über Anträge auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes bzw. der Teilnahme an der mobilen Arbeit ist die Tatsache, dass damit die Rahmenbedingungen für schwerbehinderte Beschäftigte verbessert werden, angemessen zu berücksichtigen. Die digitale Barrierefreiheit gemäß den §§ 9 ff. NBGG ist zu gewährleisten (siehe auch Nummer 6.9).

Die Schwerbehindertenvertretung ist rechtzeitig zu beteiligen. Das zuständige Integrationsamt ist wegen einer möglichen Bezuschussung für die Einrichtung des Telearbeitsplatzes und der Ausstattung mit den für die jeweilige Behinderung erforderlichen Hilfsmitteln für das mobile Arbeiten rechtzeitig einzuschalten (siehe Nummer 6.3). Die Regelungen des § 164 Abs. 4 SGB IX sowie die Bezugsbekanntmachung zu c sind zu beachten.

6.6 Neu- und Umbauten, Arbeitsräume

Die Schwerbehindertenvertretung ist bei der Planung von Neu- und Umbauten sowie der Anmietung von Diensträumen zu beteiligen. Das gilt auch für die Verteilung von Arbeitsräumen und Arbeitsplätzen innerhalb von Dienstgebäuden.

Die Arbeitsräume schwerbehinderter Beschäftigter sind so auszuwählen, dass die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird; nach Möglichkeit ist ein Einzelzimmer zuzuteilen. Das gilt insbesondere für schwerbehinderte Beschäftigte, die aufgrund ihrer Behinderung besonders lärm- und hitzeempfindlich sind. Bei der Planung und beim Bau von öffentlichen Gebäuden ist im Rahmen bestehender gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen, dass sowohl die Gebäude als auch die Inneneinrichtungen barrierefrei gestaltet werden. Insbesondere ist u. a. darauf zu achten, dass Eingänge, Aufzüge, Sitzungsräume und Toiletten für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer zugänglich sind. Bei Umbauten sollen die Belange der schwerbehinderten Menschen berücksichtigt werden.

Bei der Anmietung von Bauten oder Gebäudeteilen zur eigenen Nutzung ist gleichfalls im Rahmen bestehender gesetzlicher Vorschriften die Barrierefreiheit zu berücksichtigen.

6.7 Arbeitsplatzwechsel

Der Wechsel des Arbeitsplatzes kann für schwerbehinderte Menschen mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein als für andere Beschäftigte. Schwerbehinderte Beschäftigte dürfen daher nicht gegen ihren Willen versetzt, abgeordnet oder umgesetzt werden, es sei denn, dass zwingende dienstliche Gründe die Maßnahme erfordern. In diesem Fall sollten ihnen mindestens gleichwertige Arbeitsbedingungen oder Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden.

Begründeten eigenen Anträgen auf Versetzung oder sonstigen Wechsel des Arbeitsplatzes soll entsprochen werden, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Wird einem Antrag nicht entsprochen, sind der oder dem schwerbehinderten Beschäftigten sowie der Schwerbehindertenvertretung die Gründe dafür darzulegen.

6.8 Prävention/Betriebliches Eingliederungsmanagement

Treten personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Schwierigkeiten in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis schwerbehinderter Beschäftigter auf, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, sind unter möglichst frühzeitiger Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung, des Personalrates, Staatsanwaltsrates oder der Richtervertretung und der Gleichstellungsbeauftragten sowie des Integrationsamtes alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Dienst- oder Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann (§ 167 Abs. 1 SGB IX).

Ist ein durch die Behinderung erforderlicher Arbeitsplatzwechsel abzusehen, so sind schwerbehinderte Menschen dabei frühzeitig durch geeignete berufliche Fördermaßnahmen zu unterstützen.

Mit Zustimmung der betroffenen schwerbehinderten Beschäftigten schaltet die Dienststelle die Schwerbehindertenvertretung insbesondere auch dann ein, wenn sie innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX soll hierbei nach Möglichkeiten gesucht werden, wie eine Arbeitsunfähigkeit überwunden oder durch Leistungen oder Hilfen vermieden werden kann, um den Arbeitsplatz zu erhalten.

6.9 Informations- und Kommunikationstechnik

Bei der Planung, Entwicklung und Beschaffung der im öffentlichen Dienst zum Einsatz kommenden IT-Anwendungen ist sicherzustellen, dass die Anwendungen, Anwendungsoberflächen und -inhalte barrierefrei zugänglich und nutzbar sind. In Vergabeverfahren ist die Barrierefreiheit deshalb als Vergabekriterium zu berücksichtigen. Auch bei Weiterentwicklungen und Anpassungen bestehender IT-Anwendungen und der Gestaltung elektronisch erzeugter Dokumente sind die gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit einzuhalten. Bei grundsätzlichen Fragen der Planung, Entwicklung und Beschaffung von IT-Anwendungen und deren barrierefreier Gestaltung ist die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Die Regelungen über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen (§§ 9 ff. NBGG) sind zu beachten.