SchwbRl-Beschl,NI - Schwerbehindertenrichtlinien-Beschluss

Richtlinien zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen am Berufsleben im öffentlichen Dienst
(Schwerbehindertenrichtlinien - SchwbRl)

Bibliographie

Titel
Richtlinien zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen am Berufsleben im öffentlichen Dienst (Schwerbehindertenrichtlinien - SchwbRl)
Amtliche Abkürzung
SchwbRl
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
20480

Beschl. d. LReg v. 4. 10. 2022 - MI-Z 2.1-03031/02.11 -

Vom 4. Oktober 2022 (Nds. MBl. S. 1412)

- VORIS 20480 -

Bezug:a)Beschl. v. 15. 3. 2016 (Nds. MBl. S. 394)
- VORIS 20480 -
b)Bek. d. MI v. 21. 3. 2016 (Nds. MBl. S. 401)
c)Bek. d. MI v. 3. 6. 2021 (Nds. MBl. S. 1020)

Präambel

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dies ist das zentrale Anliegen des SGB IX sowie des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention). Eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Anspruchs ist die Teilhabe am beruflichen Leben, die eine selbstbestimmte und von sozialen Unterstützungsleistungen unabhängige Lebensführung ermöglicht.

Mit diesen Richtlinien setzt die LReg das SGB IX für die Niedersächsische Landesverwaltung um und konkretisiert damit die besondere Verpflichtung und die Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes, schwerbehinderte Menschen und diesen Gleichgestellte in den Ausbildungs- und Arbeitsprozess einzugliedern und zu fördern. Dieser Grundsatz ist insbesondere bei der Personalentwicklung zu berücksichtigen. Besonderheiten, die sich aus der Behinderung ergeben, sollen ausgeglichen werden. Hier hat auch die Hilfe zur beruflichen Integration einzusetzen.

Vor diesem Hintergrund zeigen diese Richtlinien Möglichkeiten auf, die die beruflichen Chancen und die konkreten Arbeitsbedingungen weiter verbessern sollen. Dabei ist der Situation von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Situation von Frauen mit Behinderungen, z. B. in Bezug auf die Erreichbarkeit höherwertiger Positionen, in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Alle beteiligten Stellen, die über Einstellung und Einsatz von Beschäftigten entscheiden, sind verpflichtet, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften den Anliegen der Menschen mit Behinderungen verständnisvoll, sach- und behindertengerecht zu begegnen und vertrauensvoll mit den Schwerbehindertenvertretungen, Personalvertretungen und Gleichstellungsbeauftragten zusammenzuarbeiten. Soweit der Dienststelle ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zusteht, soll dieser im Interesse der schwerbehinderten Beschäftigten ausgeschöpft werden.

Führungskräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen es als selbstverständlich ansehen, dass Beschäftigte mit Behinderungen ihre Dienstpflichten erfüllen. Sie sind in der Regel genauso leistungsfähig und leistungsbereit wie Menschen ohne Behinderungen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der jeweilige Arbeitsplatz optimal an die entsprechende Behinderung angepasst wurde. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass in Einzelfällen Beschäftigte mit Behinderungen für eine Arbeit mehr Zeit benötigen als Beschäftigte ohne Behinderungen. Menschen mit Behinderungen haben gleichberechtigt mit Menschen ohne Behinderungen ein Anrecht auf Respekt und Toleranz sowie auf eine im Einzelfall notwendige Unterstützung.

Auch den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften ist die wirkungsvolle Eingliederung schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen ein besonderes Anliegen. Aus diesem Grund haben sie und die LReg über die dem Tatbestand des § 81 Abs. 1 NPersVG unterfallenden allgemeinen mitbestimmungsbezogenen Regelungen eine gesonderte Vereinbarung geschlossen (siehe Bezugsbekanntmachung zu b). Zur besseren Handhabbarkeit sind die entsprechenden Regelungen der Vereinbarung vollständig und inhaltlich identisch in diese Richtlinien aufgenommen worden.

InhaltsübersichtAbschnitt
Anwendungsbereich, Personenkreis1
Beschäftigungspflicht2
Personalmanagement3
Besetzung freier Arbeitsplätze3.1
Besetzung von Ausbildungsplätzen3.2
Einstellung nach Umschulungsmaßnahmen3.3
Budget für Arbeit, Budget für Ausbildung3.4
Eignung, Befähigung, fachliche Leistung3.5
Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung3.6
Einstellungs- und Auswahlverfahren3.7
Nachteilsausgleich bei Prüfungen4
Aktenführung5
Ausgestaltung des Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisses und des Arbeitsumfeldes6
Arbeitszeit/Arbeitspausen6.1
Teilzeitbeschäftigung6.2
Technische Ausstattung des Arbeitsplatzes6.3
Personelle Unterstützung/Arbeitsassistenz6.4
Telearbeit und mobile Arbeit6.5
Neu- und Umbauten, Arbeitsräume6.6
Arbeitsplatzwechsel6.7
Prävention/Betriebliches Eingliederungsmanagement6.8
Informations- und Kommunikationstechnik6.9
Berufliche Entwicklung7
Beförderung/Eingruppierung7.1
Berufliche Förderung7.2
Berufliche Bildung7.3
Besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen7.4
Dienstliche Beurteilung8
Erholungs- und Zusatzurlaub9
Weitere Maßnahmen zum Ausgleich der Schwerbehinderung10
Abholdienst10.1
Dienst- oder Arbeitsbefreiung bei extremen Wetterlagen10.2
Dienstreisen10.3
Verkauf ausgesonderter Dienstkraftfahrzeuge10.4
Parkmöglichkeiten10.5
Assistenz- und Blindenführhunde10.6
Rehabilitationssport und Funktionstraining10.7
Beendigung von Dienst- oder Beschäftigungsverhältnissen11
Vorzeitige Versetzung in den Ruhestand11.1
Kündigung11.2
Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung von Interessen der schwerbehinderten Beschäftigten12
Inklusionsbeauftragte oder Inklusionsbeauftragter der Dienststelle12.1
Die Schwerbehindertenvertretung12.2
Der Personalrat, der Staatsanwaltsrat und die Richtervertretungen12.3
Die Gleichstellungsbeauftragte12.4
Zusammenarbeit12.5
Schlussbestimmungen13

Abschnitt 1 SchwbRl - Anwendungsbereich, Personenkreis

Bibliographie

Titel
Richtlinien zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen am Berufsleben im öffentlichen Dienst (Schwerbehindertenrichtlinien - SchwbRl)
Amtliche Abkürzung
SchwbRl
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
20480

1.1 Die Richtlinien gelten für die Beschäftigten der Landesverwaltung. Beschäftigte i. S. dieser Richtlinien sind Beamtinnen und Beamte sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.

Den Kommunen und den der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, die Schwerbehindertenrichtlinien entsprechend anzuwenden.

Die nachstehenden Grundsätze sind auf Richterinnen und Richter entsprechend anzuwenden.

1.2 Die Richtlinien gelten für schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 SGB IX), bei denen eine für die Durchführung des BVG zuständige Behörde das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung festgestellt hat, und für gleichgestellte behinderte Menschen (§ 2 Abs. 3 SGB IX), deren Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit erfolgte. Sie umfasst alle schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten einer Dienststelle sowie schwerbehinderte und gleichgestellte Personen, die vorübergehend in einer Dienststelle tätig sind oder die sich um eine Beschäftigung bewerben.

Beschäftigten, die einen Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung oder auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gestellt haben, wird empfohlen, ihre Personalstelle hiervon schriftlich zu unterrichten. Bis zur Entscheidung über den Antrag sind sie unter Vorbehalt als schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte behinderte Menschen zu behandeln.

1.3 Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind auch behinderte Jugendliche und junge Erwachsene (§ 2 Abs. 1 SGB IX) während der Zeit einer Berufsausbildung in Dienststellen, auch wenn der Grad der Behinderung weniger als 30 beträgt oder ein Grad der Behinderung nicht festgestellt ist. Der Nachweis der Behinderung wird durch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit oder durch einen Bescheid über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht (§ 151 Abs. 4 Sätze 1und 2 SGB IX). Nach § 185 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c SGB IX kann das Integrationsamt an den Arbeitgeber Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung der gleichgestellten behinderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen leisten. Im Übrigen finden die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen auf diesen Personenkreis jedoch keine Anwendung (vgl. § 151 Abs. 4 Satz 3 SGB IX).

1.4 Die Richtlinien gelten nicht für Menschen mit Behinderungen, die die Voraussetzungen der Nummer 1.2 nicht erfüllen. Dennoch hat der Arbeitgeber oder Dienstherr für diesen Personenkreis aufgrund der Behinderteneigenschaft eine gegenüber Beschäftigten ohne Behinderungen erhöhte Fürsorgepflicht.

1.5 Zur Durchführung dieser Richtlinien sind folgende Personen mit bestimmten Aufgaben und Verantwortlichkeiten gegenüber schwerbehinderten Menschen im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten und Zuständigkeiten besonders verpflichtet:

  • die Dienststellenleiterinnen und Dienststellenleiter,

  • die übrigen Vorgesetzten,

  • die sonstigen Beschäftigten, denen der Einsatz oder die Beaufsichtigung anderer Beschäftigter - sei es auch nur im Einzelfall - obliegt,

  • die Beschäftigten, die Personalangelegenheiten bearbeiten.

Abschnitt 2 SchwbRl - Beschäftigungspflicht

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2.1 Auf die sich aus § 154 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ergebende Pflicht, auf wenigstens 5 % der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen, wird ausdrücklich hingewiesen. Es handelt sich um eine Mindestquote. Es bedarf daher auch bei Erreichen der Quote fortwährender besonderer Anstrengungen der Dienststellen, schwerbehinderte Menschen darüber hinaus zu beschäftigen. Dabei sind schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen (§ 154 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).

2.2 Die gemäß § 154 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX zu öffentlichen Arbeitgebern bestimmten Landesbehörden sind gemäß § 160 SGB IX zur Entrichtung einer Ausgleichsabgabe verpflichtet, wenn die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigt wird.

2.3 Die Erfüllung der Pflichtquote bereitet in einigen Geschäftsbereichen Schwierigkeiten, weil geeignete schwerbehinderte Menschen fehlen, die die für einen Arbeitsplatz erforderliche Vorbildung, oder körperliche Eignung besitzen oder weil in Teilbereichen besondere gesundheitliche Anforderungen gelten, die schwerbehinderte Menschen nicht erfüllen können oder die ihnen unter Fürsorgegesichtspunkten nicht zuzumuten sind (z. B. im Polizei- und Justizvollzugsdienst). Der Ausgleich hat daher vorrangig in den Geschäftsbereichen zu erfolgen, in denen besondere gesundheitliche Anforderungen nicht so stark im Vordergrund stehen. Eine Besetzung der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen ist immer dann anzustreben, wenn geeignete Personen zur Verfügung stehen. Die Einstellungsbehörden sind daher gehalten, ohne Rücksicht auf den für den Geschäftsbereich oder die einzelne Dienststelle gebotenen Anteil, möglichst viele schwerbehinderte Menschen einzustellen.

2.4 Auf die Verpflichtung des Arbeitgebers oder des Dienstherrn zur Beschäftigung des nach § 155 Abs. 1 SGB IX besonders geschützten Personenkreises wird ausdrücklich hingewiesen.

Liegen die Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vor, legt das jeweilige Ressort nach Beratung mit der Hauptschwerbehindertenvertretung und dem Hauptpersonalrat, Hauptrichterrat oder Hauptstaatsanwaltsrat den angemessenen Anteil schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen fest.

Im Übrigen ist die Dienststelle in der Auswahl der schwerbehinderten Menschen und der zu besetzenden Arbeitsplätze grundsätzlich frei.

Abschnitt 3 SchwbRl - Personalmanagement

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3.1 Besetzung freier Arbeitsplätze

Bei allen internen und externen Stellenausschreibungen einschließlich Interessenbekundungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass schwerbehinderte Menschen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt werden, soweit nicht in der Person der anderen Bewerberinnen oder Bewerber liegende Gründe von größerem rechtlichem Gewicht entgegenstehen. In den Ausschreibungstexten werden die Bewerberinnen und Bewerber um einen Hinweis auf ihre mögliche Schwerbehinderung oder Gleichstellung gebeten.

Die Dienststelle hat zunächst zu prüfen, ob frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze mit vorhandenem Personal des Dienstherrn oder Arbeitgebers besetzt werden können. Nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung meldet die Dienststelle derartige Stellen frühzeitig der Agentur für Arbeit (§ 165 Satz 1 SGB IX i. V. m. § 156 SGB IX).

Bei Neueinstellungen auf Arbeitsplätzen, die auch von schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, hat die Dienststelle je nach Ausgestaltung des Arbeitsplatzes entweder bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (bei akademischen Berufen) oder bei den örtlich zuständigen Integrationsfachdiensten anzufragen.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass alle Arbeitsplätze in der Landesverwaltung zur Besetzung mit schwerbehinderten Menschen geeignet sind, soweit nicht in einzelnen Tätigkeitsbereichen besondere gesundheitliche Anforderungen an die Beschäftigten gestellt werden müssen. Die Schwerbehindertenvertretung ist im Rahmen dieser Prüfung unter unverzüglicher und umfassender Unterrichtung zu hören; die getroffene Entscheidung ist ihr unverzüglich mitzuteilen. Der Personalrat, Staatsanwaltsrat oder die Richtervertretung ist ebenfalls anzuhören. Trifft die Dienststelle eine Entscheidung gegen das Votum der Schwerbehindertenvertretung oder des Personalrates, Staatsanwaltsrates oder der Richtervertretung, so sind alle Beteiligten von der Dienststelle über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten (§ 164 Abs. 1 SGB IX).

3.2 Besetzung von Ausbildungsplätzen

Für junge schwerbehinderte Menschen ist es von großer Bedeutung, den Berufseinstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. Ausbildungsverhältnisse sind im Rahmen der geltenden Vorschriften so zu gestalten, dass schwerbehinderte Auszubildende die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben können, ohne dass sie infolge ihrer Schwerbehinderung unzumutbar belastet werden (siehe auch Nummer 1.3).

Nach einer Ausbildung soll die Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis angestrebt werden. Auf die Vorschriften des BBiG und die Ausbildungstarifverträge der Länder wird hingewiesen.

3.3 Einstellung nach Umschulungsmaßnahmen

Im Rahmen der Besetzung freier Arbeitsplätze wird den Dienststellen empfohlen, über die Information von Berufsförderungswerken (in Niedersachsen: INN-tegrativ gGmbH [BfW]) geeignete schwerbehinderte Menschen vermittelt zu bekommen, die dort im nichttechnischen Verwaltungsbereich sowie in einer Vielzahl anderer Berufe im Wege der Umschulung ausgebildet werden.

3.4 Budget für Arbeit, Budget für Ausbildung

Das Budget für Arbeit nach § 61 SGB IX und das Budget für Ausbildung nach § 61 a SGB IX können für die Einstellung von Menschen mit Behinderungen genutzt werden, die Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (Budget für Arbeit und Budget für Ausbildung) oder auf Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (Budget für Ausbildung) haben. Bei diesem Personenkreis kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es sich um schwerbehinderte Menschen handelt. Weitere Informationen gibt es auf den Internetseiten des MS unter der Rubrik "Inklusion von Menschen mit Behinderungen/Budget für Arbeit" sowie der Agentur für Arbeit unter dem Stichwort "Ausbildungsgeld".

3.5 Eignung, Befähigung, fachliche Leistung

Eine im Vergleich zu anderen Bewerberinnen und Bewerbern geringere Eignung, die auf die Schwerbehinderung zurückzuführen ist, darf nicht zum Nachteil gewertet werden, es sei denn, dass gerade die fehlenden Eigenschaften oder Fähigkeiten für die Erfüllung der Aufgaben unverzichtbar sind und nicht durch technische Arbeitshilfen oder andere Maßnahmen ausgeglichen werden können. Kommt hiernach ein schwerbehinderter Mensch in die nähere Auswahl, so ist er gegenüber den Menschen ohne Behinderungen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu bevorzugen, wenn die übrigen beamten- oder tarifrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und soweit nicht in der Person der anderen Bewerberinnen oder Bewerber liegende Gründe von größerem rechtlichem Gewicht entgegenstehen.

Die Eignung von schwerbehinderten Menschen wird im Allgemeinen auch dann noch als gegeben angesehen werden können, wenn sie nur für die Wahrnehmung bestimmter Dienstposten der betreffenden Laufbahn geeignet sind. Unter Beachtung dieses Grundsatzes kann die gesundheitliche Eignung angenommen werden, wenn mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit vor Ablauf der Probezeit voraussichtlich keine dauernde Dienstunfähigkeit eintreten wird. Soll die schwerbehinderte Bewerberin oder der schwerbehinderte Bewerber sogleich in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit eingestellt werden, reicht es aus, dass im Zeitpunkt der Ernennung keine Dienstunfähigkeit vorliegt. Für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst bei Vorliegen eines Ausbildungsmonopols des Staates reicht es aus, wenn im Zeitpunkt der Einstellung zu erwarten ist, dass die Bewerberinnen oder Bewerber gesundheitlich in der Lage sein werden, die Ausbildung abzuleisten. Dies gilt nicht, wenn das Beamtenverhältnis von Beamtinnen und Beamten auf Widerruf nicht durch Bestehen der den Vorbereitungsdienst abschließenden Prüfung kraft Gesetzes endet.

3.6 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

Die Schwerbehindertenvertretung hat gemäß § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Abs. 1 SGB IX und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Agentur für Arbeit oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile aller Bewerbungsunterlagen und das Recht auf Teilnahme an allen Vorstellungsgesprächen. Damit die Schwerbehindertenvertretung im Rahmen ihrer Beteiligung eine begründete Stellungnahme abgeben kann, erhält sie die Möglichkeit, die Eignung der schwerbehinderten mit denen der nicht behinderten Bewerberinnen und Bewerber zu vergleichen.

Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber haben die Möglichkeit, im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorstellungsgespräch ein Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung zu führen. Alle Bewerberinnen und Bewerber sind hierauf in der Eingangsbestätigung unter Angabe der Kontaktdaten der Schwerbehindertenvertretung hinzuweisen. Sofern keine Eingangsbestätigung versandt wird, erfolgt der Hinweis spätestens in der Einladung zum Vorstellungsgespräch.

Die Schwerbehindertenvertretung ist nicht zu beteiligen, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung ausdrücklich ablehnt (§ 164 Abs. 1 Satz 10 SGB IX).

3.7 Einstellungs- und Auswahlverfahren

3.7.1 Schwerbehinderte Menschen, die sich auf einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst beworben haben oder von der Agentur für Arbeit oder einem Integrationsfachdienst vorgeschlagen wurden, sind zu einem Vorstellungstermin einzuladen (§ 165 Satz 3 SGB IX). Bei der Einladung ist ein gegebenenfalls erforderlicher Unterstützungsbedarf abzufragen, damit individuell notwendige Unterstützung gegeben werden kann (z. B. Nutzung eines barrierefreien Raumes, Einsatz von Kommunikationshilfen).

Die Einladung ist nur dann entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt (§ 165 Satz 4 SGB IX). Ein offensichtliches Fehlen der fachlichen Eignung liegt beispielsweise vor bei Nichterfüllen der für den Arbeitsplatz erforderlichen Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen oder bei Fehlen zwingend geforderter Fremdsprachenkenntnisse.

Im Interesse der schwerbehinderten Menschen und der dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen nach dem SGB IX sollten Bewerberinnen und Bewerber ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht werden (z. B. in der Eingangsbestätigung), dass schwerbehinderte Menschen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt eingestellt werden, soweit nicht in der Person der anderen Bewerberinnen oder Bewerber liegende Gründe von größerem rechtlichem Gewicht entgegenstehen.

Den schwerbehinderten Menschen ist zu empfehlen, zur Wahrung ihrer Interessen eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung anzuzeigen und/oder ein Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung zu führen. Als Nachweis gilt der Schwerbehindertenausweis oder der Gleichstellungsbescheid.

3.7.2 Ist eine Einstellung beabsichtigt, so ist die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung dem Personalrat, dem Staatsanwaltsrat oder der Richtervertretung mitzuteilen. Ist eine Einstellung nicht beabsichtigt, hält aber die Schwerbehindertenvertretung die Einstellung für möglich und geboten, so ist der Personalrat, der Staatsanwaltsrat oder die Richtervertretung unter Beifügung der Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten; die für die Nichtberücksichtigung der schwerbehinderten Bewerberin oder des schwerbehinderten Bewerbers maßgeblichen Gründe sind dem Personalrat, dem Staatsanwaltsrat oder der Richtervertretung mitzuteilen. Dies gilt nicht, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt (§ 164 Abs. 1 Satz 10 SGB IX).

3.7.3 Sind in einem Auswahlverfahren Eignungstests, Assessment-Center oder vergleichbare Auswahlinstrumente vorgesehen, so sind schwerbehinderten Bewerberinnen und Bewerbern entsprechend der Art und dem Umfang der Behinderung Nachteilsausgleiche (siehe Nummer 4) einzuräumen. Die Nachteilsausgleiche sind unter der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung festzulegen, wenn der schwerbehinderte Mensch deren Beteiligung nicht ausdrücklich abgelehnt hat.

3.7.4 Der Einstellung schwerbehinderter Menschen soll bei Bedarf eine nachgehende und berufsbegleitende Hilfe am Arbeitsplatz folgen. Neu eingestellte schwerbehinderte Menschen sowie schwerbehinderte Beschäftigte, die ein neues Arbeitsgebiet übernehmen, sind am Arbeitsplatz sorgfältig zu unterweisen. In Ausnahmefällen können mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde besondere nach Art und Umfang dem Leistungsvermögen angepasste Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden.

Abschnitt 4 SchwbRl - Nachteilsausgleich bei Prüfungen

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4.1 Bei Prüfungen und vergleichbaren Leistungsnachweisen (im Folgenden: Prüfungen) können sich für schwerbehinderte Menschen im Wettbewerb mit anderen Beschäftigten besondere Härten ergeben. Zum Ausgleich solcher Härten ist im Rahmen des jeweils geltenden Rechts ein der Behinderung angemessener Nachteilsausgleich zu gewähren.

Schwerbehinderte Menschen müssen rechtzeitig darauf hingewiesen werden, dass ihnen auf Antrag entsprechend der Art und dem Umfang ihrer Behinderung Nachteilsausgleiche eingeräumt und Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden können.

4.2 Der für die Prüfung zuständigen Stelle ist vor Beginn der Prüfungen die Schwerbehinderteneigenschaft der oder des zu Prüfenden und deren oder dessen Art der Behinderung bekannt zu geben, es sei denn, dass sie oder er dies ausdrücklich ablehnt.

Ob und welche Nachteilsausgleiche oder Hilfsmittel im Einzelfall erforderlich und angemessen sind, ist im Vorfeld der Prüfung mit der oder dem schwerbehinderten zu Prüfenden zu erörtern. Art und Umfang des Nachteilsausgleichs sind festzulegen.

Die für die oder den zu Prüfenden zuständige Schwerbehindertenvertretung ist rechtzeitig zu unterrichten und anzuhören, es sei denn, dass die oder der zu Prüfende dies ausdrücklich ablehnt.

Während mündlicher und praktischer Prüfungen hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht, anwesend zu sein, sofern die oder der schwerbehinderte zu Prüfende dies nicht ausdrücklich ablehnt.

4.3 Soweit nicht Rechtsvorschriften dem entgegenstehen, kommen als Nachteilsausgleich insbesondere in Betracht:

  • Verlängerung der Frist zur Abgabe schriftlicher Arbeiten,

  • Ersatz einzelner schriftlicher Arbeiten oder praktischer Prüfungsteile, die wegen der Art der Behinderung nicht geleistet werden können, durch andere geeignete Prüfungsleistungen,

  • individuelle zeitliche Gestaltung der Prüfungsdauer,

  • Erholungspausen,

  • Einzelprüfung,

  • Bereitstellung von behinderungsspezifischen Hilfen.

4.3.1 In einer mündlichen Prüfung soll bei Menschen mit einer Sehbehinderung oder mit einer Schädel-Hirnverletzung sowie bei schwerbehinderten Menschen mit erheblicher psychischer Beeinträchtigung auf das Abfragen gedächtnismäßigen Wissens verzichtet werden, soweit es mit dem Zweck der Prüfung vereinbar ist. Es genügt, wenn Aufgaben gestellt werden, deren Lösung erkennen lässt, dass sie die erforderlichen Kenntnisse und die Urteilsfähigkeit besitzen, die sie zu richtigen Entscheidungen befähigen.

4.3.2 Menschen mit einer Hörbehinderung, die taub oder nahezu taub sind, sind in einer mündlichen Prüfung die Prüfungsfragen schriftlich vorzulegen. Bei Menschen mit einer Sprachbehinderung ist eine schriftliche Beantwortung der mündlichen Fragen zuzulassen; auf Antrag ist eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung zu stellen.

4.3.3 Sind schwerbehinderte Menschen schriftlich zu prüfen, die in der Schreib- oder Lesefähigkeit beeinträchtigt sind, ist ihnen eine im Prüfungsfach nicht vorgebildete Schreibkraft zuzuteilen oder ein geeigneter PC zur Verfügung zu stellen, sofern der schwerbehinderte Mensch nicht ausdrücklich widerspricht.

4.3.4 Bei der Gestaltung einer praktischen Prüfung oder einer Sportprüfung ist die Behinderung angemessen zu berücksichtigen. In geeigneten Fällen soll die Teilnahme freigestellt werden. Der Besitz des Deutschen Sportabzeichens für Menschen mit Behinderungen ist für die Note im Sport zu bewerten.

4.4 Der Nachteilsausgleich für schwerbehinderte Menschen ist so zu gestalten, dass die übrigen Prüfungsteilnehmerinnen und Prüfungsteilnehmer nicht gestört werden.

4.5 Bei Prüfungen, die dem Betriebsschutz dienen, darf ein Nachteilsausgleich nicht gewährt werden.

4.6 Bei der Beurteilung der schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen sowie bei der Bildung des Gesamturteils ist auf die physischen und psychischen Auswirkungen, die Folge der Behinderung sind, Rücksicht zu nehmen. Die fachlichen Anforderungen dürfen jedoch nicht geringer bemessen werden.

Nachteilsausgleiche in Prüfungen sind bewertungsneutral. In Zeugnisse dürfen Hinweise auf Nachteilsausgleiche bei Prüfungen nicht aufgenommen werden.

4.7 Soweit die Möglichkeiten, eine nicht bestandene Prüfung zu wiederholen, nicht durch Rechtsvorschriften (insbesondere beamtenrechtliche Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen und Prüfungsordnungen nach dem BBiG) geregelt sind, dürfen schwerbehinderte Menschen einmal mehr wiederholen als sonstige zu Prüfende. Für diese zu Prüfenden kann eine Wiederholungsprüfung auf die Einzelleistungen beschränkt werden, die mit "mangelhaft" oder "ungenügend" bewertet worden sind.