Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 17.08.2001, Az.: 4 A 185/98

Albaner; Aufenthaltsbefugnis; Ausländerrecht; Jugoslawien; Kosovo

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
17.08.2001
Aktenzeichen
4 A 185/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40213
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen.

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Die Kläger sind jugoslawische Staatsanghörige albanischer Volkszugehörigkeit und stammen aus dem Kosovo. Im September 1991 reisten die Kläger zu 1. und 2. mit ihrem Sohn B., dem Kläger zu 3., nach Deutschland ein. Die übrigen Kinder, die Kläger zu 4. bis 6., sind in Deutschland geboren. Die Asylanträge der Kläger blieben erfolglos. Die Asylfolgeanträge der Kläger zu 1. und 2. sind inzwischen ebenfalls rechtskräftig abgelehnt worden (Nds. OVG, Beschl. v. 31.5.2000 - 13 L 1730/99 -, BVerwG, Beschl. v. 10.8.2000 - BVerwG 9 B 327.00 -). Anhängig vor der erkennenden Kammer ist noch das Klageverfahren der Kläger zu 3. bis 5. gegen die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Asylfolgeverfahren (4 A 222/99) sowie das Klageverfahren der Klägerin zu 6. gegen die Ablehnung ihres Asylantrages als offensichtlich unbegründet (4 A 42/00).

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Mit Schreiben vom 21. April 1998 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass durch das deutsch-jugoslawische Rücknahmeabkommen die bisherigen Reisebeschränkungen nach Restjugoslawien (Serbien, Montenegro, Kosovo) aufgehoben worden seien. Damit entfielen die Voraussetzungen für die Erteilung von Duldungen wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Ausreise. Am 4. Mai 1998 beantragten die Kläger bei dem Beklagten die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen. Zur Begründung gaben sie an, dass ohne Rücknahmeerklärung weder eine freiwillige Ausreise nach Jugoslawien noch eine Abschiebung möglich sei. Aufgrund des Bürgerkriegs im Kosovo wurden den Klägern weiterhin Duldungen erteilt. Mit Bescheid vom 21. Juli 1998 lehnte der Beklagte die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen ab. Den mit Schreiben vom 23. Juli 1998 eingelegten Widerspruch der Kläger wies die Bezirksregierung L.  mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 1998 zurück. Ein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen scheide schon wegen § 11 Abs. 1 AuslG aus, weil für die Kläger noch Asylverfahren anhängig seien. Im Übrigen lägen auch nicht die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG vor. Zwar bestünden wegen der bürgerkriegsähnlichen Lage im Kosovo momentan noch Abschiebungshindernisse. Aufgrund der Friedensbemühungen sei aber von dem baldigen Wegfall des Abschiebungshindernisses auszugehen. Dass die Kläger nicht im Besitz von Reisedokumenten seien, hätten sie selbst zu vertreten. Denn sie hätten sich trotz Belehrung über ihre Mitwirkungspflichten nicht um die Beschaffung von Heimreisedokumenten bemüht, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre.

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Die Kläger haben am 18. November 1998 Klage erhoben.

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Zur Begründung tragen sie vor, dass die Einreise nach Jugoslawien weder auf dem Luftweg noch auf dem Landweg möglich sei.

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Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Beklagten vom 21. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L.  vom 12. November 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern Aufenthaltsbefugnisse zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren und zu den Asylverfahren der Kläger (4 A 516/98, 4 A 222/99, 4 A 42/00 und 4 B 24/00) sowie auf die jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

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Der Bescheid des Beklagten vom 21. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L.  vom 12. November 1998 ist rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen.

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Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ergeben sich aus § 30 AuslG.

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Die Anwendung des § 30 Abs. 1 AuslG ist hier bereits ausgeschlossen, weil er nur die Fälle regelt, in denen ein Ausländer vor seiner Einreise die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung beantragt, die ihm dann unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 AuslG als Aufenthaltsbefugnis erteilt werden kann.

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Den Klägern kann auch nicht nach § 30 Abs. 2 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden. Denn § 30 Abs. 2 AuslG gilt für den Fall, dass ein Ausländer sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, d.h. im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung im Sinne von § 5 AuslG ist. Den Klägern sind nur Duldungen erteilt worden, so dass lediglich ihre Abschiebung zeitweise ausgesetzt ist (vgl. § 55 Abs. 1 AuslG).

18

Im Übrigen regelt § 30 Abs. 5 AuslG, dass einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt ist, wie dies auf den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. zutrifft, eine Aufenthaltsbefugnis ohnehin nur nach Maßgabe der Abs. 3 und 4 der Vorschrift erteilt werden darf. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen sind allerdings ebenfalls nicht erfüllt.

19

Nach § 30 Abs. 3 AuslG kann einem Ausländer, der unanfechtbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltsbefugnis abweichend von § 8 Abs. 1 erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 für eine Duldung vorliegen, weil seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat.

20

Hier mag zwar eine Abschiebung der Kläger gehindert sein; denn sie verfügen offenbar nicht über die erforderlichen Ausweispapiere, wobei allerdings nicht ersichtlich ist, dass sie sich diese nicht beschaffen könnten. Auch der freiwilligen Ausreise der Kläger stehen keine Hindernisse entgegen, die sie nicht zu vertreten hätten.

21

Soweit die Kläger im Klageverfahren vorgetragen haben, wegen des Landesverbots der jugoslawischen Fluggesellschaft JAT in der Europäischen Union nicht nach Jugoslawien zurückkehren zu können, hat dieser Sachverhalt zwar Abschiebungen nach Jugoslawien zeitweise unmöglich gemacht. Seit der Wiedereröffnung des Flughafens Pristina Anfang des Jahres 2000 sind aber wieder Abschiebungen möglich. Die freiwillige Ausreise kann im Übrigen auf dem Landweg erfolgen (vgl. ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien - Kosovo - vom 21.11.2000).

22

Im vorliegenden Verfahren haben sich die Kläger auf keine weiteren Gründe berufen, die ihren Anspruch stützen könnten. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Soweit die Kläger zu 3. bis 6. in den vor der Kammer anhängigen Asylklageverfahren geltend machen, Albaner "zweiter Hand/Klasse" zu sein, die im Kosovo von den Albanern "erster Klasse" Misshandlungen und Vertreibungen ausgesetzt seien, ist dies kein Umstand, der von dem Beklagten als Ausländerbehörde zu prüfen ist. In Bezug auf die Klägerin zu 6. ist dieses Vorbringen im Übrigen bereits im Rahmen des Eilverfahrens 4 B 42/00 mit Beschluss vom 9. März 2000 als nicht glaubhaft bewertet worden, so dass sich daraus auch kein Grund ergibt, der der Abschiebung oder freiwilligen Ausreise der Klägerin zu 6. entgegensteht. In Bezug auf die übrigen Kläger gilt der Sache nach nichts anderes.

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Schließlich erfüllen die Kläger nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG. Danach kann einem Ausländer, der seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig ist und eine Duldung besitzt, abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, es sei denn der Ausländer weigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen.

24

Dass eine Abschiebung der Kläger hier gehindert ist, liegt daran, dass die Kläger erforderliche Ausreisedokumente nicht besitzen. Wie bereits ausgeführt worden ist, sind aber keine Umstände erkennbar, dass es den Klägern nicht zumutbar und möglich wäre, sich diese zu beschaffen.

25

Im Übrigen ist die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt und daher selbst bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen regelmäßig nicht zwingend vorgeschrieben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.