Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.06.1998, Az.: VI 423/96

Wiederbestellung als Steuerberater bei fehlendem Nachweis einer hinreichenden Berufshaftpflichtversicherung für die frühere Tätigkeit; Sinn und Zweck des Erfordernisses der Berufshaftpflichtversicherung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.06.1998
Aktenzeichen
VI 423/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 20247
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0616.VI423.96.0A

Verfahrensgegenstand

Klage auf Wiederbestellung als Steuerberater

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 16. Juni 1998,
an der mitgewirkt haben:
Richter am Finanzgericht ... als Vorsitzender
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Dipl.-Kauffrau
ehrenamtliche Richterin ... Dipl.-Kauffrau
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Wiederbestellung als Steuerberater gemäß § 48 Steuerberatungsgesetz.

2

Der am 16.07.1949 in W. geborene Kläger besuchte nach Abschluß der Volksschule das dortige ... Gymnasium. Nach Erlangung des Abiturs am 7. Mai 1969 leistete er bei der Bundeswehr vom 01.07.1969 bis 30.06.1971 seinen Dienst ab.

3

Zum 1. Juli 1971 trat der Kläger als Finanzanwärter bei der Niedersächsischen Finanzverwaltung ein. Die Inspektorenprüfung legte er 1974 ab. Der Kläger wurde beim Finanzamt H. in verschiedenen Bereichen der Veranlagung und später der Außenprüfung eingesetzt. Er wurde als Steueramtmann mit Ablauf des 15. August 1989 auf eigenen Wunsch aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Aufgrund seines zwischenzeitlich gestellten Antrages zur Bestellung zum Steuerberater unter Befreiung von der Steuerberaterprüfung wurde der Kläger am 22.09.1989 zum Steuerberater bestellt. Als Niederlassungsort wählte der Kläger seinen Wohnort W.. Dort betrieb er seine Praxis zusammen mit seiner Frau als Praxisangestellte. Durch Urteil vom 6. Dezember 1993 wurde der Kläger in einem berufsgerichtlichen Verfahren der Berufspflichtverletzung schuldig gesprochen und gegen ihn ein Verweis sowie eine Geldbuße von 8.000,00 DM verhängt. Dem berufsgerichtlichen Verfahren lagen fünf Anschuldigungen zugrunde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts H. vom 6. Dezember 1993 (Steuerberaterakte des Ministeriums ...) Bezug genommen. Ferner wurde der Kläger durch Strafbefehl vom 13. Mai 1994 zu 50 Tagessätzenà 100,00 DM wegen Straßenverkehrsgefährdung verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde zudem entzogen.

4

Am 2. Juni 1993 zeigte die Versicherungsstelle Wiesbaden gemäß § 158 c Abs. 2 des Versicherungsvertragesgesetzes an, daß die Berufshaftpflichtversicherung für den Kläger am 01.10.1993 erlöschen wird. Der Aufforderung des Ministeriums, für den Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 9. Januar 1994 einen klaren und eindeutigen Nachweis über den vorgeschriebenen Versicherungsschutz einzureichen, kam der Kläger nicht nach. Aus diesem Grund widerrief der Beklagte mit Bescheid vom 2. März 1994 die Bestellung des Klägers als Steuerberater. Der Bescheid wurde dem Kläger am 04.03.1994 zugestellt.

5

Am 31.08.1994 beantragte der Kläger seine Wiederbestellung als Steuerberater. In diesem Zusammenhang teilte er mit, daß gegen ihn derzeit ein weiteres Verfahren bei der Staatsanwaltschaft H. wegen des Betrugsverdachtes anhängig ist, welches jedoch am 10.01.1995 eingestellt wurde. Während des Wiederbestellungsverfahrens wurde dem Ministerium bekannt, daß der Kläger am Amtsgericht N. am 18.11.1993 eine eidesstattliche Versicherung (Az.: ...) abgegeben hat und in das Schuldnerverzeichnis eingetragen wurde. Der Kläger wurde deshalb aufgefordert, die Löschung im Schuldnerverzeichnis sowie die Zahlung der Geldbuße in Höhe von 8.000,00 DM aus dem berufsgerichtlichen Urteil vom 06.12.1993 nachzuweisen. Ein Nachweis durch den Kläger erfolgte im Verwaltungsverfahren nicht. Demgegenüber trat der Kläger trotz des Widerrufs seiner Bestellung in verschiedenen Fällen als Steuerberater auf. Das Ermittlungsverfahren wegen unbefugter Führung der Berufsbezeichnung Steuerberater wurde von der Staatsanwaltschaft H. nach § 154 StPO wegen der Verurteilung in einer anderen Sache (Vorwurf der falschen Verdächtigung, Az: ... StA ..., Geldstrafe 20 Tagessätze a 100,00 DM) eingestellt.

6

Durch Bescheid vom 06.06.1996 lehnte der Beklagte die Wiederbestellung des Klägers zum Steuerberater ab. Mit seiner hiergegen erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Ablehnungsbescheides sowie die Verpflichtung des Beklagten, ihn als Steuerberater wiederzubestellen. Zur Begründung führte er aus, die Buße in Höhe von 8.000,00 DM zuzüglich Nebenkosten habe er zwischenzeitlich entrichtet. Eine Kopie des Einzahlungsbeleges füge er bei. Bezüglich der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht N. habe ihm der zuständige Obergerichtsvollzieher am 27. Januar 1997 mitgeteilt, daß die Eintragung zwischenzeitlich gelöscht sei.

7

Wegen der weiteren Vorfälle weise er darauf hin, daß er 1993 und 1994 erhebliche familiäre und alkoholbedingte Probleme gehabt habe. Dies habe letztlich auch zum Entzug der Fahrerlaubnis und der zögerlichen Behandlung eigener Angelegenheiten geführt. Eine weitere Begründung werde durch seinen Prozeßvertreter erfolgen.

8

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ablehungsbescheides vom 06.06.1996 den Beklagten zu verpflichten, ihn als Steuerberater wiederzubestellen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

11

Zur Begründung trägt der Beklagte vor, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluß zuließen, die Besorgnis, er werde den Berufspflichten als Steuerberater auch in Zukunft nicht genügen, sei unbegründet. So habe er nach dem Widerruf der Bestellung weder die Tilgung der aus dem berufsgerichtlichen Urteil vom 6. Dezember 1993 resultierenden Geldbuße rechtzeitig nachgewiesen noch den Nachweis der Löschung aus dem Schuldnerverzeichnis erbracht. Zudem habe er sich zu dem Vorwurf der unbefugten geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nicht dezidiert geäußert. Der Vollständigkeit halber sei festzustellen, daß der Kläger die vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung für die Zeit vom 1. Juni 1990 bis zum 9. Januar 1994 bislang nicht nachgewiesen habe. Aufgrund des Verhaltens insgesamt bestünden erhebliche Zweifel an der persönlichen und charakterlichen Zuverlässigkeit des Klägers. Aufgrund einer zum 16. Januar 1997 beim zuständigen Finanzamt erstellten Abfrage habe sich zudem ergeben, daß die Steuerrückstände des Klägers 64.941,19 DM betrügen. Die Steuererklärungen 1992 bis 1994 seien trotz Erinnerungen, Zwangsgeldandrohungen und Zwangsgeldfestsetzungen nicht abgegeben worden. Der Kläger befinde sich seit Juni 1993 mit Steuerrückständen in Vollstreckung. Es seien regelmäßig Kontopfändungen durchgeführt worden. Zuletzt habe sich der Kläger geweigert, irgendwelche Zahlungen zu leisten. Die Steuerberaterkammer habe bisher keine Mitteilung der Haftpflichtversicherung über das Vorliegen einer Nachversicherung.

12

Die beigeladene Steuerberaterkammer hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Wiederbestellung des Klägers zu Recht versagt.

14

Gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 Steuerberatungsgesetz können ehemalige Steuerberater wiederbestellt werden, wenn die Bestellung nach § 46 Steuerberatungsgesetz widerrufen ist und die Gründe, die für den Widerruf maßgeblich gewesen sind, nicht mehr bestehen. Erfolgte der Widerruf der Bestellung nach § 46 Abs. 2 Nr. 3 Steuerberatungsgesetz, hat der Antragsteller den Nachweis zu führen, daß er eine den Vorschriften der §§ 52, 53 DVStB entsprechende Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, zumindest hat er eine versicherungstechnisch vorläufige Deckungszusage (§ 55 DVStB) vorzulegen. Soweit die ursprünglichen Widerrufsgründe entfallen sind, hat die Bestellungsbehörde ferner die Voraussetzungen der §§ 40, 37 Abs. 3 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz zu prüfen.

15

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Der Beklagte hat die Bestellung des Klägers durch Bescheid vom 2. März 1994 gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz widerrufen, weil der Kläger den gemäß § 67 Steuerberatungsgesetz in Verbindung mit §§ 52, 53 DVStB vorgeschriebenen Versicherungsschutz gegen die sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren in Höhe der Mindestversicherungssumme nicht nachgewiesen hatte. Diese Widerrufsgründe bestanden auch im Zeitpunkt der Ablehnung der Wiederbestellung fort. Einen Nachweis über das lückenlose Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung hat der Kläger bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht erbracht. Für die Zeit vom 1. Juni 1990 bis zum 10. Januar 1994, 11.59 Uhr, ist nach Aktenlage ein angemessener Versicherungsschutz nicht vorhanden. Gemäß Schreiben der Versicherungsstelle W. vom 2. Juni 1993 an die Steuerberaterkammer H. ist der Versicherungsschutz des Klägers zum 1. Oktober 1993 erloschen. Ferner ergibt sich aus einem Schreiben der Versicherungsstelle W. vom 14. Dezember 1993 an den Kläger, daß dieser die durch gesetzliche Änderung vorgeschriebene Erhöhung der Mindestversicherungssumme zum 1. Juli 1990 trotz eines entsprechenden Angebotes des Versicherers nicht beantragt hatte.

16

Die Versicherungsbestätigung ... vom 12. Januar 1994 mit einer Vermögensschadensdeckungssumme in Höhe der gesetzlichen Mindestversicherungssumme bescheinigt lediglich einen Versicherungsbeginn ab dem 10. Januar 1994, 12.00 Uhr. Nach Angaben des Beklagten - dem die Vertreterin der Steuerberaterkammer nicht widersprochen hat - lag der Kammer zudem keine weitergehende Anzeige einer Versicherungsgesellschaft gemäß § 158 c Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz vor. Demzufolge bestanden zum Zeitpunkt der Ablehnung des Antrages auf Wiederbestellung und zum Schluß der mündlichen Verhandlung die Gründe, die für den Widerruf maßgeblich gewesen sind, fort.

17

Der seit dem 12. Januar 1994 bestehende hinreichende Versicherungsschutz reicht für eine Wiederbestellung nicht aus.§ 48 Abs. 1 Nr. 3 Steuerberatungsgesetz stellt für die Wiederbestellung erkennbar auf die Beseitigung der Gründe ab, die zum Widerruf der Bestellung geführt haben. Hierfür genügt es nicht, lediglich zukünftig dem Erfordernis der ordnungsgemäßen Versicherung zu genügen. Es gehört vielmehr auch dazu, für die Vergangenheit lückenlos gegen die Haftpflichtgefahren aus der Berufstätigkeit versichert zu sein. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung der §§ 67, 158 Nr. 6 Steuerberatungsgesetz in Verbindung mit § 51 f DVStB ist es, den Steuerpflichtigen die Durchsetzbarkeit eines ihm materiell-rechtlich zustehenden Schadensersatzanspruchs gegen den Steuerberater aufgrund fehlerhafter Beratung zu sichern. Ob der Nachweis über das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung für die gesamte bisherige Steuerberatertätigkeit gilt, braucht der Senat im vorliegenden Streitfall nicht zu entscheiden.

18

Eine Versicherung muß zumindest für den Zeitraum bestehen, für den eine Inanspruchnahme für schuldhafte Vertragsverletzungen ernsthaft in Betracht kommen kann. In diesen Zeitraum fällt auch die Zeit, in der der Kläger nicht ausreichend versichert war. Eine potentielle Schadensersatzpflicht besteht nach Ansicht des Senats für den Zeitraum, in dem etwaige Ansprüche nicht verjährt sind. Zwar beträgt die Verjährungsfrist für Ansprüche des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem Vertragsverhältnis mit dem Steuerberater gemäß § 68 Steuerberatungsgesetz drei Jahre von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Diese Primärhaftung ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch eine im Ergebnis vergleichbare Sekundärhaftung erweitert worden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 IX ZR 140/94, NJW 1995, 2108). Die Verjährungsfrist beginnt regelmäßig mit Verjährungseintritt des Primäranspruchs und beträgt ebenfalls drei Jahre (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 IX ZR 180/96, NJW 1998, 1488), so daß der Zeitraum der möglichen Inanspruchnahme auf sechs Jahre vor Schluß der mündlichen Verhandlung zu bemessen ist. Der Abschluß der Versicherung ab dem 12. Januar 1994 genügt diesen Anforderungen nicht, so daß die Gründe, die für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater maßgeblich waren, fortbestehen.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1,§ 139 Abs. 4 FGO.