Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.06.1998, Az.: XIII 525/94
Beurteilung der wirtschaftlichen Zugehörigkeit einer Einnahme zu einem bestimmten Kalenderjahr; Gewinnermittlung bei der Verpachtung eines landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebes; Tatsächlicher Zufluss der Zahlungen als entscheidender Zuordnungszeitpunkt
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.06.1998
- Aktenzeichen
- XIII 525/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18624
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0619.XIII525.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 3 EStG
- § 11 Abs. 1 S. 1 EStG
Verfahrensgegenstand
Zufluß von Einnahmen gemäß § 11 Abs. 1 und 2 EStG bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG: Es kommt nicht darauf an, zu welchem Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) die Zahlungen wirtschaftlich gehören, sondern auf den Zeitpunkt, in dem sie nach Maßgabe ihrer Fälligkeit tatsächlich zugeflossen sind (Anschluß an BFH-Urteile vom 18.10.1957 IV 98/56 U BStBl III 1958, 23 und 9.5.1974 VI R 161/72 BStBl II 1974, 547 gegen BFH-Urteil vom 24.7.1986 IV R 309/84 BStBl. II 1987, 16)
Einkommensteuer 1990 und 1991
In dem Rechtsstreit
hat der XIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 19. Juni 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter Tischlermeister ...
ehrenamtliche Richterin Damenschneidermeisterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1990 und 1991 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 28. November 1994 wird die Einkommensteuer 1990 auf 16.476 DM und die Einkommensteuer 1991 auf 2.336 DM festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines Land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Er hat den Betrieb ab 1. Juli 1990 an seinen Sohn verpachtet. Nach dem Pachtvertrag sind vierteljährliche Pachtzahlungen in Höhe von 18.000 DM zu entrichten. Sie sind nachträglich jeweils zum 1. Oktober, 1. Januar, 1. April und 1. Juli eines Kalenderjahres fällig. Die Pachtzahlungen werden von dem Pächter durch Dauerauftrag spätestens am 5. eines jeden Fälligkeitsmonats überwiesen, der Kläger ermittelt den Gewinn aus dem Verpachtungsbetrieb gem. § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die am 1. Juli 1991 fällige Pachtzahlung für die Zeit vom April bis Juni 1991 in Höhe von 18.000 DM rechnete der Kläger dem Wirtschaftsjahr 1991/92 zu. Der Kläger wies in der Einnahmen-Ausgaben-Überschußrechnung für das Wirtschaftsjahr 1990/91 Pachteinnahmen für den Zeitraum Juli 1990 bis März 1991 in Höhe von 54.000 DM aus.
Im Anschluß an eine Außenprüfung erhöhte der Beklagte (Finanzamt - FA-) u.a. den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft (LuF) für das Wirtschaftsjahr 1990/91 um die Pachteinnahmen für den Zeitraum April bis Juni 1991 in Höhe von 18.000 DM. Entsprechend erließ das FR geänderte Einkommensteuer (ESt)Bescheide 1990 und 1991.
Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage. Sie wird wie folgt begründet:
Die streitige Pachtzahlung in Höhe von 18.000 DM sei dem Wirtschaftsjahr 1991/92 zuzurechnen. Das folge aus § 11 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Nicht anwendbar sei im Streitfall § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG. Letztere Bestimmung enthalte eine Ausnahme von dem Zuflußprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Der Sinn der Sonderregelung des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG bestehe darin, Zufallsergebnisse bei wiederkehrenden Einnahmen zu vermeiden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung komme es im übrigen für die Beurteilung der wirtschaftlichen Zugehörigkeit einer Einnahme zu einem bestimmten Kalenderjahr bzw. Wirtschaftsjahr auf den Zeitpunkt von deren Fälligkeit an. Diese Ruffassung werde auch in der Steuerrechtsliteratur vertreten. Schließlich stellten auch die Finanzverwaltungsbehörden selbst beim Zufluß von Kapitalzinsen auf die Fälligkeit ab, wie sich einschlägigen Anweisung in den Einkommensteuerrichtlinien (EStR) entnehmen lasse. Beim Zufluß von Pachtzinsen könne nichts anderes gelten.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1990 und 1991 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 28. November 1994 die Einkommensteuer 1990 auf 16.476 DM und die Einkommensteuer 1991 auf 2.336 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen, im Falle seines Unterliegens die Revision zuzulassen.
Es hält dem vorbringen ebenfalls unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung entgegen: Danach sei nicht auf die Fälligkeit der Einnahmen, sondern auf ihre wirtschaftliche Zugehörigkeit abzustellen. Die von den Klägern angeführte Richtlinienanweisung beziehe sich nur auf Kapitalzinsen. Darin sei keine beispielhafte Aufzählung zu sehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze sowie der ESt-Akte und Betriebsprüfungsakte der Kläger zu St. Nr.: ... bei dem beklagten FR Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat antragsgemäß Erfolg. Die streitige Pachtzinszahlung ist dem Wirtschaftsjahr 1991/92 zuzurechnen. Denn sie ist dem Kläger in diesem Wirtschaftsjahr zugeflossen.
Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gilt hinsichtlich der Vereinnahmung und Verausgabung § 11 EStG. Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen. Entsprechendes schreibt § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG für Ausgaben vor. Bei Land- und Forstwirten tritt im Sinne der vorstehenden Bestimmungen an die Stelle des Kalenderjahres das Wirtschaftsjahr gem. § 4 a Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Die ältere höchstrichterliche Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH- vom 18. Oktober 1957 IV 98/56 U, BStBl III 1958, 23) hat zutreffend angenommen, daß es bei der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG nicht darauf ankommt, zu welchem Kalenderjahr die Zahlungen wirtschaftlich gehören, sondern allein auf den Zeitpunkt, in dem sie mit der Überweisung i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG tatsächlich zugeflossen sind. Bei § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG handelt es sich danach, das Vorliegen der dort genannten Tatbestandsmerkmale unterstellt, um eine die Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG ausschließende Sonderregelung.
Das BFH-Urteil vom 9. Mai 1974 VI R 161/72, BStBl II 1974, 547 nimmt auf das vorerwähnte BFH-Urteil vom 10. Oktober 1957 IV 98/56 U ausdrücklich Bezug. Danach liegt der Sinn der Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG darin, daß bei regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben/Einnahmen Zufallsergebnisse vermieden werden sollen. Eine Anwendung der Ausnahmeregelung kommt danach nicht in Betracht, wenn dadurch der in § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG enthaltene Grundsatz der Zuordnung zum Jahr der Zahlung in erheblichem Umfang außer Kraft gesetzt werden würde. Dies gilt deshalb, weil die Ausnahmeregelung nur in den ihr gezogenen engen Grenzen den Grundsatz des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG beiseite schieben wollte. Denn Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung wird, so hebt das Urteil vom 9.5.1974 VI R 161/72 ausdrücklich hervor, nur eine Auslegung gerecht, die ihre Anwendung auf solche Fälle beschränkt, in denen nach dem zugrunde Liegenden Rechtsverhältnis die Einnahme erst kurze Zeit vor Ende des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehört, zahlbar, i.H. fällig geworden ist.
Dieser Auffassung, die auf die Fälligkeit abstellt, ist schon aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu folgen.
Im Streitfall war der Pachtzins für die Zeit von April bis Juni 1991 fällig am 1. Juli 1991 und tatsächlich gezahlt worden am 5. Juli 1991. Diese Pachtzinsrate gehörte zwar wirtschaftlich zum Wirtschaftsjahr 1990/91. Sie war indes fällig nicht kurze Zeit vor Ende dieses Wirtschaftsjahres, sondern erst nach dessen Ende, mithin im Wirtschaftsjahr 1991/92. Daraus folgt, daß der Zufluß gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Wirtschaftsjahr 1991/92 anzunehmen ist.
Demgegenüber ist dem BFH-Urteil vom 24. Juli 1986 IV R 309/84, BStBl II 1987, 16, nicht zu folgen, weil dieses Urteil allein auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit der Einnahmen zu einem Kalenderjahr abstellt, ohne auf deren Fälligkeit Bedacht zu nehmen.
Die ESt für die Streitjahre 1990 und 1991 war daher nach Maßgabe der zutreffenden Berechnung im Schriftsatz der Kläger vom 6. März 1995 für 1990 auf 16.476 DM und für 1991 auf 2.336 DM festzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 F 60 i.V.m. den §§ 710, 711 ZPO.
Die Revision war einerseits zuzulassen, weil das Urteil von der Entscheidung des BFH vom 24. Juli 1986 IV R 309/84, BStBl II 1987, 16 abweicht und auf dieser Abweichung beruht und andererseits im Hinblick auf die erwähnte ältere höchstrichterliche Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 9.5.1974 VI R 161/72, BStBl. II 1974, 547) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.