Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.06.1998, Az.: XV 39/96
Ertragssteuerliche Behandlung von Rentenzahlungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb eines veräußerten Grundstücks begründet wurden; Nutzung zum Teil zu eigenbetrieblichen Zwecken, zum Teil durch Vermietung zu Wohnzwecken; Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge; Eingeschränkte Abzugsfähigkeit des Zinsanteils der Rentenzahlungen ; Einstufung einer Rentenzahlung als Zeitrente oder als Leibrente; Voraussetzungen für das Vorliegen von Einkünften aus Gewerbebetrieb; Abzug betrieblich begründeter Rentenzahlungen als Betriebsausgaben ohne die Einschränkung des Einsatzes eines Vearäußerungserlöses zur Tilgung; Entfallene Anwendung der Gewinnermittlungsgrundsätze mit der Betriebsaufgabe
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.06.1998
- Aktenzeichen
- XV 39/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18622
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0616.XV39.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 24 EStG
- § 22 Nr. 1 S. 3a EStG
- § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Fundstelle
- DStRE 1999, 499-500 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1989 bis 1992
Amtlicher Leitsatz
Rentenzahlungen aufgrund einer ehemals betrieblich begründeten lebenslänglichen Leibrentenverpflichtung sind nach der Betriebsaufgabe auch dann als nachträgliche Betriebsausgaben - abzüglich des Tilgungsanteils - abzugsfähig, wenn ein Veräußerungsgewinn des Rentenzahlungsverpflichteten aus rechtlichen Gründen - kein Verzicht des Gläubigers der Rentenzahlungen - nicht zur Tilgung der Rentenzahlungsverpflichtung im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe eingesetzt werden kann.
In dem Rechtsstreit
hat der XV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 16. Juni 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Angestellte
ehrenamtlicher Richter ... Geschäftsführer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Einkommensteuerbescheide 1990 bis 1992 in der Gestalt des Einspruchsbescheides werden dahingehend geändert, daß für 1990 weitere Betriebsausgaben inHöhe von 4.365 DM, für 1991 weitere Betriebsausgaben in Höhe von 4.765 DM und für 1992 weitere Betriebsausgaben in Höhe von 4.859 DM anerkannt werden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Neuberechnung der Einkommensteuer 1990 bis 1992 wird dem FA übertragen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kl. zu 60 v.H. und des FA zu 40 v.H.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die ertragssteuerliche Behandlung von Rentenzahlungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb eines zum 31. Dezember 1989 veräußerten Grundstücks begründet wurden, das zum Teil eigenbetrieblichen Zwecken diente, zum Teil zu Wohnzwecken vermietet war.
Der Vater der Kl. erwarb mit Vertrag vom 21. Juni 1966 das Grundstück "M." in H. von W.. Der Kaufpreis setzte sich aus der Übernahme von Schulden in HÖhe von 190.000 DM, aus einem Wohnrecht gegenüber dem Veräußerer und seiner Ehefrau W. an einer Wohnung im Haus und aus einer an die Eheleute im voraus zu leistende Rente in HÖhe von monatlich 1.000 DM zusammen. Diese Rente, für die außerdem eine Mindestlaufzeit von 10 Jahren vereinbart worden war, ermäßigte sich mit dem Tode des zuerst versterbenden Berechtigten auf 750 DM monatlich. Wegen des Vertragsinhalts im einzelnen wird auf Bd. V Einkommensteuerakte 1992 - unnummeriert - Bezug genommen. Der Vater der Kl., der ein Spielwarengeschäft betrieb, nutzte das Grundstück "M." zu 40 v.H. für seine gewerblichen Zwecke, zu 60 v.H. diente das Grundstück der Vermietung und Verpachtung. Nach dem Tode des Vaters der Kl. führte die Mutter der Kl. das Unternehmen bis31. Dezember 1972 fort.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1973 übertrug die Mutter der Kl. u.a. das Grundstück "M." auf die Kl. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, wobei laut Übergabevertrag vom 21. Dezember 1972 auch der Gewerbebetrieb im Grundstück "M." auf die Kl. überging. Diese bestellte ihrer Mutter an allen übertragenen Grundstücken ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht, sie übernahm Grundpfandrechte, deren Valutierung noch mit etwa 60.000 DM angegeben war und sie übernahm die Rentenverpflichtung aus dem Erwerb des Grundstücks "M.". Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Akte "Dauersachverhalt" - unnummeriert - Bezug genommen. Die Kl. führte den Einzelhandel auf dem Grundstück "M." bis zum 31. Dezember 1989 fort; der Anteil der betrieblichen Nutzung des Grundstücks betrug unverändert 40 v.H. In der Aufgabebilanz zum 31.12.1989 erklärte sie einen Veräußerungsgewinn von 113.117 DM, den das FA der Besteuerung zugrunde legte.
Die Kl., die die Übertragung der Vermögenswerte im Wege vorweggenommener Erbfolge als unentgeltlichen Vorgang behandelte, führte die Bilanzansätze der Mutter als Rechtsvorgängerin in ihrer Bilanz fort. Die Anschaffungskosten des Grundstücks - übernommene Verbindlichkeiten zuzüglich der nach versicherungsmathematischen Grundsätzen kapitalisierten Wohnrechts- und Rentenlasten - bilanzierte sie zu 40 v.H. als Aktivposten, die Rentenverpflichtung wies sie mit dem versicherungsmathematischen Barwert zu 40 v.H. als Passivposten in der Bilanz aus. Die Differenz zwischen tatsächlichen Rentenzahlungen und den nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelten Barwertminderungen der Rentenverpflichtungen zwischen den einzelnen Bilanzstichtagen zog die Kl. und ihr folgend das FA bis einschließlich 1988 zu 40 v.H. als Betriebsausgabe und zu 60 v.H. als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab.
Mit Vertrag vom 14. Dezember 1988 veräußerte die Kl. das Grundstück "M." an die Stadtsparkasse H. zum Preise von 440.000 DM. Die Käuferin übernahm zwar das für W. bestehende Wohnrecht, jedoch nicht die Rentenverpflichtung, die die Kl. weiter zu erfüllen hatte.
Entsprechend der Behandlung in den Vorjahren machten die Kl. folgende Betriebsausgaben als nachträgliche negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb und folgende Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend:
Betrieblicher Anteil | Rentenbarwert auf den 01.01. | Rentenbarwert auf den 31.12. | Tilgungsanteil | Zahlungen | Betriebsausgabe |
---|---|---|---|---|---|
1989 | 21.030 | 19.944 | 1.086 | 8.154 | 7.068 |
nach Verkauf | |||||
1990 | 19.944 | 18.893 | 1.051 | 8.602 | 7.551 |
1991 | 18.893 | 17.878 | 1.015 | 9.032 | 8.017 |
1992 | 17.878 | 16.902 | 976 | 9.118 | 8.142 |
Anteil Vermietung und Verpachtung | Rentenbarwert auf den 01.01. | Rentenbarwert auf den 31.12. | Tilgungsanteil | Zahlungen | Werbungskosten |
---|---|---|---|---|---|
1989 | 31.545 | 29.916 | 1.629 | 12.231 | 10.604 |
nach Verkauf | |||||
1990 | 29.916 | 28.339 | 1.577 | 12.903 | 11.326 |
1991 | 28.339 | 26.816 | 1.523 | 13.548 | 12.025 |
1992 | 26.816 | 25.353 | 1.463 | 13.677 | 12.214 |
Das FA ließ die Rentenzahlungen nicht im beantragten Umfang zum Abzug zu. Es berücksichtigte zwar für 1989 und 1990 den Zinsanteil der Rentenzahlungen in Höhe von 40 v.H. als Betriebsausgaben, für 1989 und 1990 ließ es jedoch den Zinsanteil der Rentenzahlungen, soweit diese auf den Bereich der Vermietung und Verpachtung entfielen und für 1991 und 1992 alle Zinsanteile lediglich als Sonderausgaben zum Abzug zu.
Im sich anschließenden Einspruchsverfahren nahm das FA für das Jahr 1989 - nach entsprechendem Hinweis - insoweit eine Verböserung vor, als es Werbungskosten für den mit einem Wohnrecht belasteten Grundstücksteil in 1989 in Höhe von 1.625 DM nicht zum Abzug zuließ; im übrigen erfolgte eine Heraufsetzung des Ertragsanteils der Rente von 35 auf 36 v.H., weil für die Rentenberechtigte W. ein falsches Lebensjahr für den Beginn der Rentenzahlungen zugrunde gelegt war. Im übrigen behandelte das FA die Zinsanteile nach Aufgabe des Gewerbebetriebs für die Jahre 1990 bis 1992 als nachträgliche Betriebsausgaben im Sinne des § 24 Einkommensteuergesetz (EStG) und ließ für 1991 und 1992 3.251 DM und für 1992 3.282 DM (36 v.H. von 9.032 DM bzw.9.118 DM) zum Abzug als nachträgliche Betriebsausgaben zu. Soweit die Zinsanteile der Rentenzahlungen auf den Einkunftsbereich Vermietung und Verpachtung entfielen, nahm das FA ohne Berücksichtigung von Werbungskosten wegen der Erhöhung des Ertragsanteils auf 36 v.H. eine Erhöhung der Sonderausgaben für 1990 auf 4.645 DM, für 1991 auf 4.877 DM und für 1992 auf 4.924 DM vor.
Gegen die eingeschränkte Abzugsfähigkeit des Zinsanteils der Rentenzahlungen richtet sich nach insoweit erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, zu deren Begründung die Kl. vortragen, die betrieblich begründete Zahlungsverpflichtung bleibe auch dann Betriebsvermögen, wenn das erworbene Wirtschaftsgutz.B. durch Veräußerung aus dem Betriebsvermögen ausscheide, solange die Verbindlichkeit nicht durch eindeutige Entnahmehandlung aus dem Betriebsvermögen entnommen werde. Dies gelte auch, wenn die Veräußerung im Zuge der Betriebseinstellung stattfinde und eine Ablösung der Zahlungsverpflichtung nicht in Betracht komme, weil der Gläubiger nicht zustimme oder entsprechende Mittel zur Ablösung nicht zur Verfügung stünden. Da die Kl. bei der Veräußerung des Grundstücks die Übernahme der Rentenverpflichtung durch die Käuferin nicht habe durchsetzen können, handele es sich hinsichtlich des Anteils von 40 v.H. weiterhin um eine betrieblich veranlaßte Rentenverpflichtung.
Inhaltlich handele es sich um eine sog. Mindestzeitrente, für die eine gesetzliche Regelung nicht bestehe. Gegen Entgelt gewährte laufende Zahlungen seien zumindestens für den Fall, der auch hier gegeben sei, daß sich Leistung und Gegenleistung nach der Vorstellung der Vertragsparteien gleichwertig gegenüberstünden, regelmäßig als ratenweise erbrachte Kaufpreisleistungen, d.h. Zeitrenten, aufzufassen. Daraus folge auch die uneingeschränkte Abzugsfähigkeit des Zinsanteils bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Von derartigen laufenden Rentenzahlungen, die einen Tilgungs- und einen Zinsanteil beinhalteten, sei nur der Zinsanteil steuerlich abzugsfähig. Dieser errechne sich bei den Gewinneinkünften aus der Differenz der tatsächlichen Rentenzahlungen und dem Unterschied der passivierten Rentenverpflichtung am Anfang und Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres. Bei den Überschußeinkünften sie der als Werbungskosten abzugsfähige Zinsanteil bei Zeitrenten nach den gleichen Grundsätzen wie bei Gewinneinkünften zu vermitteln.
Selbst wenn es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Zeitrente, sondern um eine Leibrente handele, deren Behandlung sich grundsätzlich aus § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG ergebe, so sei abweichend von § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG der in den Rentenzahlungen enthaltene Zinsanteil nach den Grundsätzen wie bei den Gewinneinkünften zu ermitteln, weil der dem Betriebsvermögen zuzurechnende Teil des Wirtschaftsgutes nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen sei und die auf einem einheitlichen Verpflichtungsgrund beruhenden Zahlungen - dem Kaufvertrag vom 21. Juni 1966 für den Erwerb eines einzigen Vermögensgegenstandes steuerlich nicht unterschiedlich behandelt werden könnten. Die Rentenzahlungen seien - abzüglich der jährlichen Rentenbarwertminderung - auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten und nach Veräußerung des Grundstücks als nachträgliche Werbungskosten abzugsfähig, weil sie noch im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der früheren Einnahmeerzielung stünden und eine vorzeitige Ablösung aufgrund der Eigenart der Schuld nicht möglich gewesen sei.
Die Kl. beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 1989 bis 1992 in der Gestaltdes Einspruchsbescheides
dahingehend zu ändern, daß die Einkommensteuer 1989 auf ... DM,
die Einkommensteuer 1990 auf ... DM,
die Einkommensteuer 1991 auf ... DM,
die Einkommensteuer 1992 auf ... DM festzusetzen sei.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Soweit Rentenzahlungen nach Aufgabe des Gewerbebetriebs erfolgt seien, seien für die Ermittlung des Zinsanteiles die Gewinnermittlungsgrundsätze nicht mehr anzuwenden. Dementsprechend sei der Zinsanteil der Rentenzahlungen gemäß § 22 EStG unter Zugrundelegung des unstreitigen Ertragsanteils mit 36 v.H. wie folgt zu ermitteln:
- in DM -
Zahlungen | Zinsanteil | nachträgliche Betriebsausgabe | |
---|---|---|---|
i.S.d. § 24 EStG | |||
1990 | 8.602 | 36 % | 3.096,72 |
1991 | 9.032 | 36 % | 3.251,52 |
1992 | 9.118 | 36 % | 3.282,48 |
Es handele sich insoweit um nachträgliche Betriebsausgaben, weil die Rentenverpflichtung eine Betriebsschuld bleibe, denn die Nichtablösung dieser Verpflichtung bei Betriebsaufgabe beruhe nicht auf privaten Gründen, sondern auf der Eigenart dieser Schuld, die eine vorzeitige Ablösung unmöglich mache.
Darüber hinaus, insbesondere soweit die sich von der Kl. übernommene Rentenverpflichtung auf das Privatvermögen beziehe, komme ein Abzug der Rentenzahlung mit dem Zinsanteil als Werbungskosten nicht in Betracht. Denn die Besteuerung richtesich nach allgemeinen Grundsätzen für Überschußeinkünfte. Nach dem Verkauf des Grundstücks sei ein Abzug des Zinsanteils wegen der Verwertung der Einkunftsquelle nicht mehr möglich; die Aufwendungen dienten nicht mehr zur Erwerbung und Sicherung und Erhaltung von Einnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG.
Ein Abzug komme nur insoweit in Betracht, als es sich bei den Zinszahlungen aufgrund der Rentenverpflichtung um Sonderausgaben handele. Einen solchen Sonderausgabenabzug habe das FA bereits in folgender Höhe vorgenommen: - in DM -
Zahlungen | Zinsanteil | Sonderausgaben | |
---|---|---|---|
1990 | 12.903 | 36 % | 4.645,08 |
1991 | 13.548 | 36 % | 4.877,28 |
1992 | 13.677 | 36 % | 4.923,72 |
Weitere Aufwendungen seien nicht zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist insoweit begründet, als das FA den nachträglichen Abzug von Betriebsausgaben für die von der Kl. geleisteten Rentenzahlungen versagt hat, soweit diese auf die frühere gewerbliche Nutzung des Grundstücks "M." in H. entfallen. Im übrigen ist die Klage unbegründet.
1.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Vermögensmehrungen oder -minderungen, die durch eine ehemalige gewerbliche Tätigkeit veranlaßt sind und in der auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe oder Veräußerung zu erstellenden Steuerbilanz und während der sich möglicherweise anschließenden weiteren Liquidationsphase noch nicht oder nicht hinreichend steuerlich berücksichtigt werden konnten. So hat der Bundesfinanzhof - BFH - eine Verbindlichkeit, die aus betrieblichem Anlaß begündet wurde, auch im Falle der Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung bis zu ihrer Tilgung weiterhin als betriebliche Verbindlichkeit behandelt mit der Folge, daß die nach Betriebsaufgabe oder -veräußerung geleisteten Zinszahlungen als nachträgliche Betriebsaugaben zum Abzug zugelassen worden sind. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß der Steuerpflichtige bei Betriebsaufgabe sämtliche vorhandenen aktiven Wirtschaftsgüter zur Tilgung der Betriebsschulden einsetzt. Gibt der Steuerpflichtige den Betrieb auf und setzt er nicht sämtliche vorhandenen aktiven Wirtschaftsgüter zur Tilgung der Betriebsschulden ein, so sind die verbliebenen Verbindlichkeiten insoweit keine Betriebsschulden mehr, als siedurch Verwertung der aktiven Wirtschaftsgüter hätten getilgt werden können (Urteile des BFH vom 11. Dezember 1980 I R 174/78, Bundesteuerblatt - BStBl - II 1981, 463 und vom 21. November 1989 IX R 10/84, BStBl II 1990, 213). Besteht allerdings ein Tilgungshindernis, z.B. weil der Gläubiger mit einer vorzeitigen Tilgung der Schuld nicht einverstanden ist, dann wird die Schuld noch als Betriebsschuld behandelt, bis das Hindernis entfallen ist (Urteil des BFH vom 27. November 1984 VIII R 2/81, BStBl II 1985, 323).
Nach der Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind diese Grundsätze auch auf eine betrieblich begründete Rentenverpflichtung anzuwenden, wenn nach Betriebsaufgabe oder -veräußerung eines Gewerbebetriebs die im Gewerbebetrieb begründete Rentenverpflichtung nicht abgelöst werden konnte. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 8. Juli 1982 3 K 201/81 in Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1983, 109 die Abzugsfähigkeit der Rentenzahlugen nach dem zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt offenbar auf den Fall beschränkt, daß die Rentenverpflichtung durch die Verwertung des Aktivvermögens des Gewerbebetriebs nicht getilgt werden konne. Dieselbe Auffassungwird zum Teil auch in der Literatur vertreten (Blümich, Kommentar zum EStG, KStG, GewStG - § 16 EStG Anm. 281). Nach anderer Auffassung soll der Abzug betrieblich begründeter Rentenzahlungen als Betriebsausgaben ohne die Einschränkung des Einsatzes eines Vearäußerungserlöses zur Tilgung zulässig sein, wenn die Leibrentenverpflichtung nicht getilgt oder abgelöst werden konnte (Schmidt, Kommentar zum EStG § 24 Anm. 104).
Im vorliegenden Fall stellt die vom Vater der Kl. mit Vertrag vom 21. Juni 1986 begründete Rentenzahlungsverpflichtung eine Veräußerungsleibrente und nicht eine Zeitrente dar. Dies folgt daraus, daß im notariellem Vertrag vom 21. Juni 1966 zugunsten des Veräußerers W. und seiner Ehefrau ein Rentenstammrecht begründet wurde, das auf die Lebenszeit der Berechtigten bzw. des Letztüberlebenden abstellt. Darin liegt der besondere Wagnischarakter einer Leibrente, die auf die unbekannte Lebenszeit eines Menschen abstellt und im vorliegenden Fall mindestensim Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an die Witwe des Veräußerers unstreitig noch zu zahlen ist, d.h. nunmehr bereits für einen Zeitraum von etwa 32 Jahren. Es handelt sich nicht um eine Zeitrente, wobei die einzelnen Rentenzahlungen auf eine genau festgelegte Dauer - ähnlich wie dies bei Kaufpreisraten der Fall ist -, zu entrichten sind. Soweit in dem Vertrag vom 21. Juni 1966 eine Ablösung der Rentenverpflichtung zugunsten der Kinder der Eheleute W. für den Fall des Versterbens beider Rentenberechtigter vor Ablauf von 10 Jahren vorgesehen ist, ändert sich der Charakter der Rentenvereinbarung als Leibrentenvereinbarung nicht. Dieser vertraglichen Regelung kommt nur ergänzende Bedeutung mit Sicherungscharakter zu.
Die Begründung der Leibrentenverpflichtung erfolgte insoweit aus betrieblichem Anlaß, als der Vater der Kl. sowie die Mutter der Kl. und sie selbst als deren Rechtsnachfolger in dem erworbenen Grundstück einen Gewerbebetrieb einrichtete und biszum 31. Dezember 1989 fortführte. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 21. Juni 1966 gingen die Vertragsbeteiligten von der Gleichwertigkeit der Leistung und Gegenleistung, d.h. der Gleichwertigkeit von Grundstückswert und zu erbringenden Gegenleistungen aus. Insbesondere handelte es sich bei den Veräußerern W. nicht um Angehörige des Vaters der Kl, so daß Anhaltspunkte dafür bestehen könnten, daß die Rente aus privaten Gründen vereinbart worden sei.
Der Vater der Kl. und ihm folgend die Mutter der Kl. und die Kl. selbst haben die Rentenlast mit dem jährlich neu zu berechnenden Rentenbarwert passiviert, die laufenden Rentenzahlungen als Aufwand verbucht und die mit abnehmender Lebenserwartung des Empfängers eintretende Minderung der Rentenverpflichtung als Ertrag erfaßt. Dabei ergibt sich wegen des mit steigendem Lebensalter sinkenden Rentenbarwertes der Rente auch ein sinkender Tilgungsanteil.
Zum 31. Dezember 1989 liegt eine Betriebsaufgabe der Kl. vor. Ihr stand mit der Veräußerung des Grundstücks kein Geschäftslokal mehr zur Verfügung, sie hatte keine Warenvorräte mehr und sie erklärte die Betriebsaufgabe ausdrücklich.
Diese Betriebsaufgabe hat zur Folge, daß gemäß § 16 Abs. 3 EStG der Aufgabegewinn zu ermitteln und zu versteuern ist. Im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe war es der Kl. aus rechtlichen Gründen nicht möglich, die bestehende Rentenverpflichtung, die zum 31. Dezember 1989 noch mit dem Betrag von 19.944 DM bilanziert war, abzulösen, denn die Rentenberechtigte W. stimmte der Ablösung der Verpflichtung nicht zu, sondern bestand unstreitig auf der Einhaltung der mit Vertrag vom 21. Juni 1966 Verpflichtung auf Leistung der Rentenzahlungen.
Der erkennende Senat schließt sich der von Schmidt a.a.O. vertretenden Auffassung an, wonach betrieblich begründete Leibrentenzahlungen gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch nach Betriebsaufgabe als Betriebsausgaben abzugsfähig sind,wenn die Rente nicht abgelöst werden konnte, selbst wenn im vorliegenden Fall ein Aufgabegewinn in Höhe von 113.117 DM bestand, der zur Ablösung der Rentenverpflichtung hätte eingesetzt werden können. Der Senat stützt sich zum einen auf das Urteil des BFH vom 27. November 1984 VIII R 2/81, a.a.O. wonach es für den Abzug von Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben ausreicht, wenn eine betrieblich begründete Verbindlichkeit aufgrund bestehender Verwertungshindernisse des Aktivvermögens nicht getilgt werden kann, so daß wegen der nichtablösbaren Verbindlichkeit auch nach Betriebsveräußerung Schuldzinsen zu leisten sind. Zum anderen folgt die Abzugsfähigkeit der Rentenzahlungen mit dem Zinsanteil als nachträgliche Betriebsausgaben daraus, daß dem Betriebsauagabenabzug die Versteuerung einer nachträglichen Vermögensmehrung gegenübersteht, wenn nämlich die Rentenverpflichtung, deren Buchwert zum 31. Dezember 198919.944 DM betrugen und die insoweit den Aufgabegewinn gemindert hat, wegen des Todes der Rentenberechtigten eine nachträgliche Vermögensmehrung auslöst. Diese dürfte für die Kl. gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG ebenso zu versteuern haben, wie sie zuvor den Betriebsausgabenabzug beanspruchen kann. Der BFH hat allerdings im Urteil vom 28. Februar 1990 I R 205/85, BStBl II 1990, 537, 539 die Frage, wie eine übernommene Leibrentenverbindlichkeit, die mit der Anschaffung oder Herstellung eines aktiven Wirtschaftsgutes im Zusammenhang stand, bei Ausscheiden dieses Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen ausdrücklich offen gelassen.
Der Auffassung des FA, die Rentenzahlungen seien nicht in vollem Umfang als Betriebsaugaben abzugsfähig, weil die Anwendung der Gewinnermittlungsgrundsätze mit der Betriebsaufgabe der Kl. entfallen sei, ist deshalb im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 24 Nr. 2 EStG, der im vorliegenden Fall sowohl die Erfassung nachträglicher Betriebsausgaben wie auch nachträglicher Vermögensmehrungen zur Folge haben kann, nicht zu folgen. Die von der Kl. geleitsten Rentenzahlungen sind in dem selben Umfang als nachträgliche Betriebsausgaben abzugsfähig, wie sie vor Aufgabe des Gewerbebetriebs abzugsfähig waren.
2.
Soweit die Kl. den Abzug der Rentenzahlung als nachträgliche Werbungkosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung über den Ertragsanteil hinaus begehrt, ist die Klage unbegründet. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Werbungskosten auch Schuldzinsen und auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernde Lasten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Bei Leibrenten kann nur der Anteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a aufgeführten Tabelle ergibt.
Danach hat das FA im vorliegenden Fall zu Recht den Zinsanteil der Rentenzahlungen für den Veranlagungszeitraum 1989, der aufden Bereich der Vermietung und Verpachtung entfällt, mit dem sich aus der Tabelle zu § 22 Nr. 1 S. 3 EStG ergebenden Ertragsanteil als Werbungskosten berücksichtigt. Wie oben ausgeführt handelt es sich entgegen der Auffassung der Kl. nicht um eine Zeitrente, so daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein höherer Anteil als der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehbare Ertragsanteil abzugsfähig ist. Ebenso sind für die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtungdie Grundsätze des Betiebsausgabenabzuges für Leibrenten anwendbar, weil der betriebliche Anteil der Rente den erbrachten Rentenleistungen insgesamt das Gepräge gibt, wie die Kl. meint. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil nur ein geringerer Anteil von 40 v.H. auf den Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der überwiegende Teil von 60 v.H. auf den Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entfällt. Abgesehen davon ist eine Aufteilung der Einkünfte nach der Nutzung des Grundstücks rechnerisch in einfacher und ohne weiteres nachvollziehbarer Weise möglich und in den Vorjahren auch ohne weiteres von der Kl. selbst so durchgeführt worden.
Für die Veranlagungszeiträume ab 1990 kommt hinsichtlich der geleisteten Rentenzahlungen ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr in Betracht. Denn die nach der Veräußerung fällig gewordenen Leibrentenzahlungen stehen nicht mehr mit der Einnahmeerzielung aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang.
Insoweit greift der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG ein, wie dieser vom FA im Veranlagungsverfahren vorgenommen worden ist. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG sind als Sonderausgaben auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften im wirtschaftlichem Zusammenhang stehen als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Leibrenten kann nur der Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a aufgeführten Tabelle ergibt. Dies ist geschehen.
Nach alledem waren weitere nachträgliche Betriebsausgaben wegen der geleisteten Rentenzahlungen anzuerkennen:
geltend gemacht | bisher anerkannt | noch zu berücksichtigen | |
---|---|---|---|
1990 | 7.551 | 3.186 | 4.365 |
1991 | 8.017 | 3.252 | 4.765 |
1992 | 8.142 | 3.283 | 4.859 |
Die Anerkennung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kommt nicht in Betracht. Die neue Berechnung des Einkommens und die Festsetzung der Einkommensteuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA übertragen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage, ob und in welchem Umfang ursprünglich betrieblich veranlaßte Rentenzahlungen nach Betriebsaufgabe als nachträgliche Betriebsausgaben berücksichtigungsfähig sind, insbesondere wenn ein Betriebsaufgabegewinn erzielt wird, bedarf höchstrichterlicher Klärung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.