Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.06.1998, Az.: XII 488/93

Begriff des Ausbildungsverhältnisses; Abgrenzung zwischen Studium und Ausbildungsverhältnis; Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein Erststudium

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.06.1998
Aktenzeichen
XII 488/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 11325
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0617.XII488.93.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 22.07.2003 - AZ: VI R 163/98

Verfahrensgegenstand

Erststudium und Ausbildungsdienstverhältnis

Einkommensteuer 1990 und 1991

In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 17. Juni 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ...am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen der Klägerin für ein Lehramtsstudium in den Jahren 1990 und 1991 als Werbungskosten abgezogen werden können.

2

Die Klägerin hat eine Ausbildung als Hauswirtschaftsleiterin.Sie wurde alsdann als Lehrerin für Hauswirtschaft angestellt. Am 01.10.1989 nahm sie an der Universität das Studium für das Lehramt auf. Bei diesem Studium handelte es sich um ein Vollzeitstudium. Sie erhielt auf ihren Antrag Stundenermäßigung bei entsprechend gemindertem Gehalt.

3

Das beklagte Finanzamt erkannte die Aufwendungen für das Studium wie bereits 1989 nur in Höhe des für Ausbildungskosten zu berücksichtigenden Betrags von 900,00 DM als Sonderausgaben an. Nachdem der erkennende Senat in seinem Urteil vom 26.05.1993 den Werbungskostenabzug versagt hatte, weil es sich um ein Erststudium handele, vertreten die Kläger für die Streitjahre nunmehr die Auffassung, es handele sich um ein Ausbildungsdiensverhältnis, da von seiten des Staates ein Interesse daran bestanden habe, die Klägerin als Laufbahnlehrerin zu gewinnen und ihr deshalb die Stundenermäßigung gewährt worden sei. Die Klägerin sei wegen Lehrermangels schon vor dem Streitjahr häufig eingesetztworden, um fachfremden Unterricht zu erteilen. Die Erteilung dieses Unterrichts habe durch den erfolgreichen Abschluß des Studiums legalisiert werden sollen. Daher habe das Studium nur dem bereits ausgeübten Beruf gedient, eine Änderung der beruflichen Position sei nicht angestrebt worden.

4

Das beklagte Finanzamt hat den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1991 im Laufe des Klageverfahrens geändert. Die Kläger haben den geänderten Bescheid gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und beantragen, für das Jahr 1990 Werbungskosten in Höhe von 13.900,00 DMund für das Jahr 1991 in Höhe von 15.163,00 DM unter Gegenrechnung der jeweils als Sonderausgaben abgezogenen 900,00 DM zum Abzug zuzulassen und die Einkommensteuer 1990 und 1991 entsprechend herabzusetzen.

5

Das beklagte Finanzamt beantragt Klagabweisung, da das Studium nicht Gegenstand des Dienstverhältnisses der Klägerin gewesen sei.

6

Zur Begründung ihres Antrags haben die Kläger eine Bescheinigungder Bezirksregierung vom 13.01.1994 vorgelegt, aus der sich ergibt, daß in den Streitjahren eine Beurlaubung unter teilweiser Weitergewährung der Dienstbezüge zur Erlangung der Befähigung für das Lehramt nicht möglich gewesen sei. Wegen des Wortlauts der Bescheinigung wird auf Bl. 6 d. A. verwiesen.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist unbegründet.

8

Bei dem Arbeitsverhältnis der Klägerin kann es sich nicht um ein Ausbildungsdienstverhältnis gehandelt haben. Ein Ausbildungsdienstverhältnis ist ein Arbeitsverhältnis, bei dem die Absolvierung einer Ausbildung zu den Hauptpflichten des Arbeitnehmers gehört, beispielsweise bei einem Lehrling, einem Offizier auf einer Bundeswehrhochschule oder einem Referendar. Im Gegensatz zu diesen Berufsgruppen war die Erteilung von Unterricht die arbeitsrechtliche Hauptpflicht der Klägerin. Da sie wegen des daneben abzuleistenden Studiums nicht in der Lage war, die volle Stundenzahl zu erteilen, wurde ihre Unterrichtsverpflichtung und entsprechend ihr Gehalt gekürzt. Damit wurde sie weiterhin für das Erteilen von Unterricht entlohnt, nicht für ihr Studium. Das Studium erfolgte außerhalb ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, so daß die Aufwendungen dafür jedenfalls nicht nach den Grundsätzen als Werbungskosten abgezogen werden können, die bei einem Ausbildungsdienstverhältnis anzuwenden sind. Nicht entscheidungserheblich ist, daß nach den Streitjahren die rechtlichen Voraussetzungen für die Freistellung vom Unterricht unter Weiterzahlung der Dienstbezüge zwecks Studiums geschaffen worden sind. Denn das Gericht hat den Sachverhalt nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen, die in den Streitjahren gegeben waren, nicht nach hypothetischen Verhältnissen.

9

Hiernach sind die Grundsätze anzuwenden, die für ein Erststudium gelten. Aufwendungen für ein Erststudium behandelt die Rechtsprechung nach wie vor grundsätzlich als Ausbildungskosten (Schmidt, EStG, 17. Aufl., § 10 Anm. 140 "Studium" m. w. N.), wie es das beklagte Finanzamt in den angefochtenen Bescheiden ebenfalls getan hat. Grund dafür ist, daß ein Studium eine andere berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffnet. Diese Folge ist auch bei der Klägerin gegeben. Es trifft zwar zu, daß durch das Studium (richtiger: die erfolgreiche Ablegung der Lehramtsprüfung) ihr bisheriges Tun in ihrem Arbeitsverhältnis legalisiert worden wäre. Jedoch erhielt sie durch das Studium die Möglichkeit, ihren Fächerkanon auf eine rechtlich zulässige Weise zu erweitern und daraufhin Unterricht in rechtlich zulässiger Weise zu erteilen, den sie zuvor nur aushilfsweise ohne rechliche Grundlage erteilt hatte, weil an der Schule Personalmangel herrschte. Durch die Erweiterung ihres Fächerkanons nach Abschluß des Studiums erlangte die Klägerin eine andere berufliche Stellung, was den Abzug der Aufwendungenfür das Studium als Werbungskosten ausschließt.

10

Somit handelt es sich bei den Aufwendungen der Klägerin nicht um ein auf einem bisherigen Studium aufbauendes Zweitstudium, dessen Kosten auch nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung als Fortbildungskosten berücksichtigt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 31.01.1997 VI R 84/96, DStRE 1997, 955). Im Streitfall dagegen hat die Klägerin die Qualifikation für den ausgeübten Beruf durch ein Studium nachgeholt. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Gegen die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung sind Bedenken erhoben worden (vgl. Schmidt, EStG 17. Aufl., § 19 Anm. 60 "Ausbildungskosten" unter d), Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 06.08.1997 XIII 252/93, Aktenzeichen des BFH VI R 5/98). Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der BFH seine bisher vertretene Rechtsauffassung modifiziert und neue Abgrenzungskriterien entwickelt.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.