Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 07.07.2005, Az.: 4 A 4173/02
Befangenheit; Chancengleichheit; Prüfer; Prüfungsrecht; Vertrauensschutz
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 07.07.2005
- Aktenzeichen
- 4 A 4173/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50731
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einer Verschärfung von Prüfungsbedingungen nicht entgegen, wenn eine angemessene Übergangsregelung getroffen wird.
2. Eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit liegt nur vor, wenn eine Vergleichbarkeit der Prüfungsbedingungen nicht mehr gegeben ist.
Tatbestand:
Der Kläger wehrt sich mit der Klage gegen einen Bescheid des Wirtschaftswissenschaftlichen Prüfungsausschusses der Beklagten, mit dem diese festgestellt hat, er habe die Diplom-Vorprüfung im Studienfach Betriebswirtschaftslehre endgültig nicht bestanden.
Der am . .1970 geborene Kläger studierte vom Wintersemester 1993/94 bis zum Sommersemester 2002 im Studiengang Betriebswirtschaftslehre/Diplom an der Beklagten. Bis zum 02.11.1998 unterlag dieser Studiengang den Regelungen der „Gemeinsamen Diplomprüfungsordnung für die wissenschaftlichen Studiengänge Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftspädagogik (Studienrichtung I) und Wirtschaftsinformatik an der Universität H., Fachbereich Wirtschaftswissenschaften“, vom 07.09.1982 (Nds. MBl. S. 1962), zuletzt geändert am 06.06.1995 (Nds. MBl. S. 1154; im Folgenden: alte Prüfungsordnung). Am 03.11.1998 trat die „Diplomprüfungsordnung für die universitären Studiengänge Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre an der Universität H., Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät“ (Amtl. Mitteilungen der Universität vom 02.11.1998) in Kraft, die zuletzt in der Fassung der Änderung vom 02.10.2000 (Amtl. Mitteilungen vom 01.10.2000) anwendbar war (im Folgenden: neue Prüfungsordnung).
Beide Prüfungsordnungen sahen vor, dass innerhalb eines in der Regel viersemestrigen wirtschaftswissenschaftlichen Grundstudiums in insgesamt neun Prüfungsfächern eine Diplom-Vorprüfung abzulegen war. Der Kläger erbrachte die notwendigen Leistungen bis zum Frühjahr 2002 lediglich in zwei Prüfungsfächern mit Erfolg. Im Prüfungsfach „Grundlagen der Mikroökonomik“ bestand er im Sommersemester 1995 die Prüfungsklausur nicht. Auch ein Versuch, die Klausur im Sommersemester 1997 zu absolvieren, schlug fehl.
Unter dem 18.03.2002 schrieb die Beklagte durch E-Mail den Kläger sowie zahlreiche weitere Studierende an und wies darauf hin, dass eine Übergangsfrist zur Fortgeltung der außer Kraft getretenen alten Prüfungsordnung im Wintersemester 2001/02 ablaufe, dass die bisher erbrachten Leistungen „auf die neue Prüfungsordnung umgebucht“ würden, dass alle Adressaten in mindestens einem Fach an einer mündlichen Prüfung teilnehmen müssten und dass diese Prüfungen in der Zeit vom 02.05.2002 bis zum 21.06.2002 stattfinden sollten.
Der Kläger beantragte daraufhin am 19.04.2002 die Durchführung einer mündlichen Prüfung im Fach Mikroökonomik I. Die am 01.07.2002 durch die Prüfer Prof. Dr. R. und Dr. S. durchgeführte mündliche Prüfung, an der außer ihm eine Kommilitonin teilnahm, bestand der Kläger nicht.
Mit Bescheid vom 02.07.2002 (abgesandt per Einschreiben am 03.07.2002) teilte der Wirtschaftswissenschaftliche Prüfungsausschuss der Beklagten dem Kläger mit, er habe die mündliche Diplom-Vorprüfung im Fach Mikroökonomik I nicht bestanden. Damit habe er die Diplom-Vorprüfung endgültig nicht bestanden.
Am 05.08.2002 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Er führte aus, er habe sich zuletzt im Jahr 1997 mit der Materie „Mikroökonomik“ beschäftigt. Er habe darauf vertraut, sich angemessen vorbereiten zu können, sei jedoch durch die E-Mail vom 18.03.2002 genötigt worden, die Prüfung innerhalb von 2 Monaten anzutreten. Auch unter Berücksichtigung des Interesses der Universität, die alte Prüfungsordnung abzuwickeln, sei eine derart kurze Frist unangemessen. Der Zweitprüfer Dr. S. sei ihm gegenüber voreingenommen gewesen. Er habe ihn zu Beginn der Prüfung dazu befragt, ob er sich prüfungstauglich fühle. Als er mit der Gegenfrage „Was heißt prüfungstauglich?“ geantwortet habe, um das Gespräch und sich selbst aufzulockern, habe Dr. S. ihn mit hochrotem Kopf angeschrien, dass es darauf nur eine Antwort geben könne, die entweder „Ja“ oder „Nein“ laute. In der anschließenden Befragung habe Dr. S. ihm deutlich schwerere Aufgaben gestellt als seiner Kommilitonin, die er jedoch überwiegend habe lösen können.
In einem weiteren Schreiben vom 29.07.2002 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Prüfung nach der neuen Prüfungsordnung. Er machte geltend, die Übergangsfrist zur Anwendung der alten Prüfungsordnung sei zu kurz gewesen. Er sei gezwungen worden, zwei mündliche Prüfungen innerhalb von zwei Monaten anzutreten.
In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 08.10.2002 führten die Prüfer Prof. Dr. R. und Dr. S. aus, eine Voreingenommenheit des Prüfers Dr. S. habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe bei sämtlichen ihm vorgelegten Fragen gravierende Schwächen gezeigt. Die meisten Fragen hätten an seine Mitkandidatin weitergegeben werden müssen. In einer gesonderten Stellungnahme vom 17.10.2002 äußerte der Prüfer Prof. Dr. R., Dr. S. habe keineswegs Anzeichen von Voreingenommenheit gezeigt. Insbesondere entspreche es nicht den Tatsachen, dass er den Kläger mit „hochrotem Kopf“ angeschrien habe. Der Kläger habe auch nicht die „deutlich schwereren Aufgaben“ bekommen. Die Prüfer seien bestrebt gewesen, für den Kläger auf relativ einfachem Niveau die Note 4,0 zu erreichen. Wegen des Inhalts der Stellungnahmen wird im Übrigen auf Bl. 21 bzw. auf Bl. 22 der Beiakte Bezug genommen.
Der Wirtschaftswissenschaftliche Prüfungsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24.10.2002 mit der Begründung zurück, die Übergangszeit für die weitere Anwendung der alten Prüfungsordnung sei durch die neue Prüfungsordnung auf sechs Semester seit Inkrafttreten festgesetzt worden. Der Prüfungsausschuss habe daraufhin festgelegt, dass letztmals im Prüfungsdurchgang Frühjahr 2002 Prüfungen nach der alten Prüfungsordnung durchgeführt werden sollten. In diesem Zeitraum hätte der Kläger zwei vollständige Grundstudien absolvieren können. Im Übrigen hätte es ihm oblegen, sich über Veränderungen zu informieren. Eine Voreingenommenheit des Prüfers Dr. S. habe nicht festgestellt werden können.
Am 25.11.2002 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht ergänzend geltend, der Übergang von der alten auf die neue Prüfungsordnung sei für ihn mit erheblichen Nachteilen verbunden, da die neue Prüfungsordnung nur eine einmalige, mündliche Wiederholungsprüfung vorsehe. Er habe auf die Fortgeltung der alten Prüfungsordnung vertraut und bis zum 18.03.2002 nichts von der neuen Prüfungsordnung gewusst. Wäre ihm hiervon rechtzeitig Mitteilung gemacht worden, so hätte er sich darauf einstellen und seine Prüfungsleistungen vor Ablauf der Übergangsfrist absolvieren können. § 18 Abs. 4 S. 2 der neuen Prüfungsordnung setze voraus, dass eine mündliche Prüfung im nächsten Prüfungstermin auf eine nicht bestandene schriftliche Prüfung folge, so dass der Stoff noch präsent sei. In seinem Fall sei dies anders: Seine schriftlichen Arbeiten hätten lange zurückgelegen und ihm hätte daher für die Vorbereitung der mündlichen Prüfung eine längere Frist eingeräumt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Wirtschaftswissenschaftlichen Prüfungsausschusses der Beklagten vom 02.07.2002 und dessen Widerspruchsbescheid vom 24.10.2002 insoweit aufzuheben, als hierin geregelt wird, dass der Kläger die mündliche Diplom-Vorprüfung im Fach Mikroökonomik I endgültig nicht bestanden hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, der Umstand, dass letztmals im Frühjahr 2002 nach der alten Prüfungsordnung geprüft werden würde, sei den Studierenden durch das Internet, durch Aushänge, in Vorlesungen und in Sprechstunden mitgeteilt worden. Kandidaten, die nach der alten Prüfungsordnung noch einen zweiten schriftlichen Versuch gehabt hätten, hätten diesen bis zum Frühjahr 2002 absolvieren können. Danach habe es in Anwendung der neuen Prüfungsordnung nach nicht bestandener schriftlicher Prüfung nur noch einen zweiten mündlichen Versuch gegeben. Anders sei dies lediglich gewesen, wenn der schriftliche Versuch innerhalb der ersten 4 Semester des Studiums misslungen sei. Er sei dann als Freiversuch i.S.v. § 8 der neuen Prüfungsordnung und damit als nicht unternommen bewertet worden. Der Kläger habe sich über das elektronische Prüfungssystem „WOPAG“ zur Prüfung nach der neuen Prüfungsordnung angemeldet und sei intensiv beraten worden. Es habe ihm selbst oblegen, sich über die Prüfungsbedingungen zu informieren. Im Übrigen habe er freiwillig an der mündlichen Prüfung teilgenommen und erst nach deren Scheitern geltend gemacht, man hätte ihm mehr Zeit einräumen müssen. Dies hätte er jedoch bereits bei der Ladung zur mündlichen Prüfung vortragen müssen. Die Übergangsfrist von mehr als sechs Semestern sei nicht zu kurz gewesen. Das Vordiplom sei in der Regel innerhalb von vier Semestern zu erlangen. Zudem habe sich der Kläger im Wintersemester 1998/99 bereits im 11. Fachsemester befunden. Das Prüfungsgespräch im Fach Mikroökonomik sei ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung über die Behauptung des Klägers Beweis erhoben, der Prüfer Dr. S. habe ihn zu Beginn der mündlichen Prüfung im Fach Mikroökonomik I am 01.07.2005 unvermittelt und mit hochrotem Kopf angeschrien, er solle die Frage nach seiner Prüfungsfähigkeit entweder mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten und bejahendenfalls, ob der Kläger diese Reaktion herausgefordert hat, durch Vernehmung der Zeugen Prof. Dr. R. und Dr. S.. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Im Übrigen nimmt das Gericht wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Feststellung des Wirtschaftswissenschaftlichen Prüfungsausschusses der Beklagten, der Kläger habe die Diplom-Vorprüfung im Studiengang Betriebswirtschaftslehre endgültig nicht bestanden, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
1. Es ist nicht verfahrensfehlerhaft, dass die Beklagte die am 01.07.2002 - erfolglos - durchgeführte mündliche Prüfung im Prüfungsfach Mikroökonomik sowie die Folgen des Nichtbestehens dieser Prüfung nach den Regelungen der - neuen - Prüfungsordnung vom 03.11.1998 in der Fassung der Änderung vom 02.10.2000 beurteilt hat. Gesetzliche Prüfungsbestimmungen können grundsätzlich in dem dafür vorgesehenen Verfahren und auch mit dem Ziel einer Verschärfung der Voraussetzungen für den Prüfungserfolg geändert werden (Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2, 4. Aufl. 2004, Rn. 81). Wer einen Ausbildungsweg einschlägt oder sich sonst in angemessener Zeit auf eine Prüfung vorbereitet, darf allerdings grundsätzlich darauf vertrauen, dass die sein Verhalten bestimmenden Prüfungsbedingungen nicht oder jedenfalls nicht so sehr zu seinem Nachteil geändert werden, dass er sich hierauf nicht mehr in zumutbarer Weise einrichten kann. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sind Übergangsregelungen vorzusehen, so dass die erschwerenden Prüfungsbedingungen erst nach einem gewissen Zeitablauf seit ihrer Bekanntgabe in Kraft treten, um es den Betroffenen zu ermöglichen, sich auf die geänderten Umstände einzustellen. Wie weit der Vertrauensschutz jeweils reicht, ist nach den Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf die individuelle Situation der davon Betroffenen, das Gewicht der vorgesehenen Änderungen und die Anpassungsmöglichkeiten in dem vorgegebenen zeitlichen Rahmen zu beantworten (Niehues, a.a.O., Rn. 82 ff.). Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gebietet es nicht zwingend, Wiederholungsprüflinge von der Anwendung neuer - für sie ungünstigerer - Maßstäbe der Leistungsbewertung auszunehmen (Niehues, a.a.O., Rn. 92).
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn die neue Prüfungsordnung, die nach ihrem § 29 Abs. 1 an die Stelle der Diplomprüfungsordnung vom 07.09.1982 in der Fassung vom 06.06.1995 getreten ist, enthält eine angemessene Übergangsregelung. Nach § 29 Abs. 2 der neuen Prüfungsordnung konnten Studierende auch nach Inkrafttreten dieser Ordnung auf Antrag nach der bisher gültigen Prüfungsordnung geprüft werden. Eine Prüfung nach der bisher geltenden Prüfungsordnung sollte zum letzten Mal sechs Semester nach Inkrafttreten der neuen Prüfungsordnung durchgeführt werden. Der Prüfungsausschuss der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät der Beklagten legte diese Regelung großzügig dahingehend aus, dass letztmals im Frühjahr 2002 (Wintersemester 2001/02) Prüfungen nach der alten Prüfungsordnung durchgeführt werden konnten. Diese Regelung wahrte die Interessen der Studierenden und insbesondere des Klägers, dessen im Streit stehende mündliche Prüfung im Fach Mikroökonomik erst am 01.07.2002 und damit im Sommersemester 2002 stattfand, in angemessener Weise.
Die Kammer berücksichtigt dabei insbesondere, dass die alte Diplomprüfungsordnung es - ebenso wie die neue Prüfungsordnung - vorsah, dass die in neun Prüfungsfächern zu erbringenden Leistungen für die Diplom-Vorprüfung innerhalb einer regelmäßigen Studienzeit von vier Fachsemestern erbracht werden sollten. Selbst wenn man davon absieht, dass der Kläger sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Prüfungsordnung bereits im 11. Fachsemester an der Beklagten befand und die erforderlichen Leistungen nicht ansatzweise erbracht hatte, wäre es ihm innerhalb der großzügig bemessenen Übergangsfrist von (tatsächlich) nahezu sieben Semestern bei entsprechenden Bemühungen ohne Weiteres möglich gewesen, seine Diplom-Vorprüfung vor Ablauf der Übergangsfrist erfolgreich abzuschließen. Der eigentliche Grund dafür, dass ihm dies nicht gelungen ist, liegt darin, dass er sich - wie er selbst einräumt - über die Veränderung der Prüfungsbedingungen nicht informiert hat. Dieser Umstand liegt jedoch in seinem Verantwortungsbereich, denn ihm selbst oblag es, sich über die geltenden Bedingungen und ihre Veränderung in hinreichender Weise kundig zu machen. Dies wäre ihm bei entsprechendem Interesse an seinem Studium auch ohne Weiteres möglich gewesen, denn die Beklagte hat die neue Prüfungsordnung in üblicher Weise veröffentlicht und die Studierenden - dies hat der Kläger nicht bestritten - durch zahlreiche Aushänge und Informationsveranstaltungen über die Übergangsfrist und die Auswirkungen ihres Ablaufs informiert.
Die Beklagte ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger die Prüfung im Prüfungsfach Mikroökonomik I und damit die gesamte Diplom-Vorprüfung nicht bestanden hat. Das Fach Mikroökonomik gehört nach § 17 Abs. 2 der neuen Prüfungsordnung in Verbindung mit Ziffer 5 ihrer Anlage 1 zu den Prüfungsfächern für das Vordiplom. Voraussetzung für das Bestehen der Diplom-Vorprüfung ist gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 der neuen Prüfungsordnung, dass in sämtlichen Fachnoten mindestens die Note „ausreichend“ erreicht wird. Fachprüfungen und Prüfungsleistungen der Diplom-Vorprüfung, die mit „nicht ausreichend“ bewertet sind oder als mit „nicht ausreichend“ bewertet gelten, können einmal wiederholt werden (§ 18 Abs. 1 der neuen Prüfungsordnung), wobei die Wiederholung aus einer mündlichen Prüfung besteht (§ 18 Abs. 2 der neuen Prüfungsordnung). Gegen letztere Regelung bestehen insbesondere deshalb keine Bedenken, weil § 8 der neuen Prüfungsordnung einen Freiversuch vorsieht, sofern die schriftliche Leistung innerhalb der regelmäßigen Studienzeit von vier Semestern erbracht wird, so dass den Studierenden faktisch im Regelfall weiterhin - wie unter Geltung der alten Prüfungsordnung - zwei schriftliche Versuche zur Verfügung stehen. Der Kläger kann diese Regelung ohnehin bereits deshalb nicht rügen, weil ihm im Fach Mikroökonomik zwei schriftliche Versuche und eine mündliche Wiederholungsprüfung zur Verfügung standen. Auf die Frage, wie diese Änderung der Prüfungsordnung sich in den anderen Prüfungsfächern auswirkt, kommt es vorliegend nicht an, da der Feststellung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ausschließlich das Nichtbestehen im Fach Mikroökonomik zugrunde liegt. Da er die Prüfungen in jenem Fach sämtlich nicht erfolgreich absolviert hat und ihm eine weitere Wiederholungsmöglichkeit nicht zur Verfügung steht, hat er die Diplom-Vorprüfung gemäß § 19 Abs. 3 S. 2 der neuen Prüfungsordnung endgültig nicht bestanden (zu demselben Ergebnis wäre man im Übrigen auch bei Anwendung der alten Prüfungsordnung gekommen).
Es ist auch unbedenklich, dass die Beklagte den Kläger - wie auch andere Studierende in vergleichbarer Lage - dazu verpflichtet hat, ausstehende mündliche Prüfungen in dem dem Ablauf der Übergangsfrist folgenden Semester zu absolvieren. Gemäß § 18 Abs. 4 S. 2 der neuen Prüfungsordnung findet die mündliche Wiederholungsprüfung im nächsten Prüfungstermin statt. Diese Regelung hat den Zweck, das Prüfungsverfahren zu beschleunigen und die früher - so auch im Fall des Klägers - herrschende Praxis auszuräumen, mündliche Wiederholungsprüfungen oft erst lange Zeit nach dem Scheitern der schriftlichen Prüfung abzulegen. Wendet man die neue Prüfungsordnung ab dem Sommersemester 2002 konsequent auf die Altfälle an, so ist es folgerichtig zu verlangen, dass die ausstehenden mündlichen Wiederholungsprüfungen in diesem Semester erbracht werden. Auf Vertrauensschutz können sich die Studierenden aus den o. g. Gründen nicht berufen, denn es hätte ihnen offen gestanden, die Prüfungen während der Übergangszeit „abzuschichten“. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass die Beklagte ihm entgegengekommen ist, indem sie es ihm gestattet hat, zwei der vier noch abzuleistenden mündlichen Prüfungen im Wintersemester 2002/03 zu absolvieren.
2. Der Einwand des Klägers, er habe in der mündlichen Prüfung deutlich schwieriger zu beantwortende Fragen erhalten als seine Kommilitonin, zielt im Wesentlichen auf eine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit ab, zu dem u. a. gehört, dass die Prüflinge in zeitlicher und sachlicher Hinsicht soweit wie möglich gleiche Chancen haben, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen unter Beweis zu stellen. Das Gericht vermag jedoch eine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit nicht zu erkennen. Innerhalb des durch Gesetz bzw. Rechtsverordnung vorgegebenen Rahmens, dessen Verletzung durch den Kläger nicht gerügt wird, steht es im Ermessen des Prüfers, die Prüfungsthemen zu bestimmen, Prüfungsaufgaben zu stellen und das Prüfungsgespräch in eine bestimmte Richtung zu lenken (Niehues, a.a.O., Rn. 305 f.; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl. 2004, Rn. 238 f.). Die Bestimmung der Prüfungsthemen liegt innerhalb des zulässigen Prüfungsstoffs im gerichtlich nur beschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum des Prüfers (Zimmerling, a.a.O., Rn. 248). Gewisse Differenzierungen hinsichtlich der Prüfungszeit sowie der Anzahl und des Schwierigkeitsgrades der gestellten Fragen sind unvermeidbar und prüfungsimmanent. Eine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit ist damit nur verbunden, wenn eine deutliche „Schieflage“ und eine Situation entsteht, in der die Vergleichbarkeit der Prüfungsbedingungen nicht mehr gegeben ist (vgl. Zimmerling, Prüfungsrecht, Rn. 249 unter Hinweis auf OVG Münster, Urteil vom 04.12.1991 - 22 A 1090/90 - NVwZ 1992, 694). Eine derartige „Schieflage“ ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere spricht nichts dafür, dass der Prüfer Dr. S. durch die Auswahl des Prüfungsstoffes den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat. Die Prüfer haben den Verlauf der mündlichen Prüfung in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 08.10.2002 im Einzelnen erläutert. Der Äußerung ist - wie auch der Stellungnahme des Prüfers Prof. Dr. R. - zu entnehmen, dass die innerhalb eines auf relativ einfachem Niveau geführten Gesprächs vom Kläger gegebenen Antworten durchweg nicht ausreichend waren und dass die an ihn gerichteten Fragen jeweils an seine Kommilitonin weitergegeben werden mussten. Diesen Äußerungen der Prüfer hat der Kläger nichts Substanzielles entgegengesetzt. Vielmehr erschöpft sich sein schriftlicher Vortrag insoweit in vagen und nichtssagenden Formulierungen. Auch die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung führt hier nicht weiter, da ihr zu entnehmen ist, dass dem Kläger und der Mitkandidatin dieselben - nicht jedoch, dass ihm deutlich schwerere - Prüfungsaufgaben gestellt worden sind.
Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung des Klägers, er sei dadurch ungerecht behandelt worden, dass seine Mitkandidatin die Prüfung bestanden habe, obwohl sie eine Fragestellung gleichfalls nicht habe beantworten können. Das Ergebnis einer Prüfung, in der den Kandidaten zahlreiche verschiedene Fragen gestellt werden, hängt offenkundig nicht ausschließlich von der Beantwortung einer einzelnen Frage, sondern von der Beurteilung der Gesamtleistung des jeweiligen Kandidaten durch die Prüfer ab.
3. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Prüfer Dr. S. in der mündlichen Prüfung dem Kläger gegenüber befangen war. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er sei im Rahmen der Frage nach seiner Prüfungstauglichkeit von dem Zeugen Dr. S. mit „hochrotem Kopf“ angeschrien worden. Die Zeugen Prof. Dr. R. und Dr. S. haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 08.10.2002 zum Verlauf dieses Gesprächsteils Folgendes ausgeführt:
„Auf die Ausweiskontrolle durch Herrn Dr. S. folgte durch ihn die Nachfrage, ob sich beide Kandidaten als gesund und prüfungsfähig erklären. Die Kandidatin bejahte, während Herr C. mit einer schwer verständlichen Gegenfrage antwortete. Daraufhin fragte Herr Prof. R. sofort nach, ob er sich nun für prüfungsfähig oder nicht erklärt. Da die Antwort darauf kein Ja enthielt, fragte Herr Prof. R. abermals nach, ob er nur einen Scherz mit seiner ersten Antwort machen wollte oder er wirklich nicht prüfungsfähig sei. Als darauf wieder keine klare Antwort kam, wiederholte Herr Dr. S. die Frage deutlich, verbunden mit dem Hinweis, dass es darauf nur ein klares Ja oder Nein gäbe. Nach einer Bejahung durch Herrn C. konnte dann die Prüfung begonnen werden. Bei seiner Nachfrage hatte Herr Dr. S. weder geschrien noch einen „hochroten“ Kopf.“
Der Zeuge Prof. Dr. R. hat sich hierzu in seiner Stellungnahme vom 17.10.2002 nochmals wie folgt geäußert:
„Es kann erstens keine Rede davon sein, dass Dr. S. in irgendeiner Weise Anzeichen von „Voreingenommenheit“ bei der Prüfung von Herrn C. zeigte. Die Frage nach der Prüfungstauglichkeit ist eine Routine und führte zu einem durchaus freundlichen Nachfassen unsererseits, als Herr C. zögerlich und unklar antwortete. Es entspricht in keiner Weise den Tatsachen, dass Dr. S. in diesem Zusammenhang den Kandidaten mit „hochrotem Kopf“ angeschrien habe.“
Die Zeugen sind in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt ausführlich angehört worden. Der Zeuge Prof. Dr. R. hat ausgesagt, was er in seinen Stellungnahmen geschrieben habe, sei, soweit er sich erinnern könne, richtig. Zwar könne er sich an den genauen Ablauf der mit der Frage der Prüfungstauglichkeit des Klägers zusammenhängenden Ereignisse nicht erinnern. Er könne jedoch ausschließen, dass der Zeuge Dr. S. derart überzogen reagiert habe. Andernfalls hätte er den Mitprüfer zurechtgewiesen. Er schließe auch aus, dass er aufgestanden sei, um seinen Mitprüfer zu beruhigen. Der Zeuge Dr. S. hat ausgesagt, bei der Frage nach der Prüfungstauglichkeit handele es sich um eine Routine. Der Kläger habe auf mehrfache Nachfrage nicht klar geantwortet, worauf er - der Zeuge Dr. S. - ihm gegenüber geäußert habe, dass es auf die Frage nur die Antwort „Ja“ oder „Nein“ geben könne. Dies habe er in ruhigem Ton getan. Er habe weder geschrien noch einen hochroten Kopf gehabt. In keiner der etwa 100 gemeinsam mit dem Zeugen Prof. Dr. R. durchgeführten mündlichen Prüfungen habe dieser ihn beruhigen müssen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Aussagen der uneingeschränkt glaubwürdigen Zeugen ist nicht erwiesen, dass sich der Zeuge Dr. S. während der mündlichen Prüfung in der vom Kläger geschilderten Weise verhalten hat. Danach ist auch für eine Befangenheit des Zeugen nichts ersichtlich.
Eine Vernehmung der vom Kläger als weitere mögliche Zeugin benannten Mitkandidatin kam nicht in Betracht, weil diese nach der Meldebescheinigung der Landeshauptstadt Wiesbaden (Bl. 62 der Gerichtsakte) unbekannten Aufenthalts in Spanien und daher für das Gericht nicht erreichbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe die Berufung zuzulassen liegen nicht vor.