Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 24.11.2005, Az.: 2 B 507/05
Anzeige; Asylantrag; Asylverfahren; Einreise; Eltern; Geburt; Kind
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 24.11.2005
- Aktenzeichen
- 2 B 507/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 51028
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14a Abs 2 AsylVfG 1992
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
§ 14 a Abs. 2 AsylVfG ist auf vor dem 01.01.2005 geborene bzw. nach Deutschland eingereiste Kinder von Asylantragstellern nicht anwendbar.
Gründe
Die zulässigen Anträge auf Gewährung von Eilrechtsschutz (1.) und Bewilligung von Prozesskostenhilfe (2.) sind begründet.
1.) Es bestehen ernstliche Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 AsylVfG an der Rechtmäßigkeit der in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.10.2005 enthaltenen Abschiebungsandrohung.
Nach § 34 AsylVfG erlässt das Bundesamt nach einem für den Ausländer negativ beendeten Asylverfahren im Regelfall eine Abschiebungsandrohung. Deren Rechtmäßigkeit setzt denknotwendigerweise voraus, dass überhaupt ein Asylverfahren (Verwaltungsverfahren) stattgefunden hat. Dies ist hier bereits ernstlich zweifelhaft. Denn mangels Antragstellung nach §§ 13,14 AsylVfG durch ein Elternteil der noch nicht asylrechtsmündigen Antragstellerin spricht Überwiegendes dafür, dass für die Antragstellerin bislang kein wirksamer Asylantrag, der Voraussetzung für die Durchführung eines Asylverfahrens ist, gestellt wurde.
Soweit sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darauf beruft, dass auf der Grundlage des am 01.01.2005 in Kraft getretenen § 14a Abs. 2 AsylVfG ein Asylverfahren eingeleitet wurde, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.
Nach dieser Vorschrift gilt Folgendes: Reist ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind des Ausländers nach dessen Asylantragstellung in das Bundesgebiet ein oder wird es hier geboren, so ist dies nach der genannten Vorschrift dem Bundesamt u.a. dann unverzüglich anzuzeigen, wenn sich ein Elternteil nach Abschluss seines Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält. Die Anzeigepflicht obliegt neben dem Vertreter des Kindes auch der Ausländerbehörde. Mit dem Zugang der Anzeige bei dem Bundesamt gilt ein Asylantrag für das Kind als gestellt (§ 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG).
Es spricht Überwiegendes dafür, dass § 14a Abs. 2 AsylVfG im Falle der Antragstellerin nicht anwendbar ist. Zwar liegen teilweise die materiellen (Tatbestands-)Voraussetzungen der Norm vor. So haben ihre Eltern hier bereits in der Vergangenheit ein Asylverfahren betrieben und verfügen gegenwärtig nicht über einen Aufenthaltstitel.
Doch dürfte die Antragstellerin nicht zu dem vom Geltungsbereich der Norm erfassten Personenkreis zählen. Die Antragstellerin ist nämlich weder nach dem 01.01.2005 in das Bundesgebiet eingereist noch wurde sie nach diesem Zeitpunkt in dem Bundesgebiet geboren. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid deutet bereits der Wortlaut des § 14a Abs. 2 AsylVfG darauf hin, dass diese Vorschrift nicht auf die vor dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geborenen minderjährigen ledigen Kinder von ehemaligen Asylbewerbern anzuwenden ist (vgl.: VG Göttingen, Beschl. v. 17.03.2005 - 3 B 272/05 -; VG Oldenburg, Beschl. v. 22.06.2005 - 11 B 2465/05 -; VG Lüneburg, Beschl. v. 01.08.2005 - 4 B 31/05 -; sämtlich veröffentlicht in der Online - Rechtsprechungsdatenbank des Nds. Oberverwaltungsgerichts; www.dbovg.niedersachsen.de/index.asp).
So begründet § 14a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG (erst) seit dem 01.01.2005 eine Anzeigepflicht, wenn ein unter 16 Jahres altes Kind im Bundesgebiet geboren „wird“ und stellt (wie das Bundesamt wohl meint) nicht darauf ab, dass es hier geboren „worden ist“. Es existiert auch keine Übergangsregelung, die entgegen dem Wortlaut klarstellte, dass § 14a Abs. 2 AsylVfG auch auf vor dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geborene Kinder anzuwenden ist.
Letztlich stehen auch die Grundsätze des sog. intertemporalen Verfahrensrechts, wonach sich verfahrensrechtliche Änderungen auch auf laufende Rechtsstreitigkeiten auswirken können, der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Denn diese Grundsätze gelten nur für bereits begonnene Verwaltungsverfahren (vgl. § 96 VwVfG; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. § 96 Rn. 4); § 14a AsylVfG dagegen regelt, dass bzw. ob ein Verfahren überhaupt in Gang gesetzt wird.
2.) Da die Rechtsverfolgung der nachgewiesen prozessarmen Antragstellerin hinreichend erfolgversprechend ist, besteht ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.