Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 08.11.2005, Az.: 8 C 1973/05

Anordnung; Antrag; Ausschluss; Ausschlussfrist; Beginn; Bewerber; Bewerbung; Frist; Hochschulausbildung; Hochschule; Hochschulzulassungsantrag; Interesse; Kapazität; numerus clausus; Platz; Studienplatz; Studium; Verfahren; Verfassung; Vorlesung; Zulassung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
08.11.2005
Aktenzeichen
8 C 1973/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50825
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Zeitraum von zehn Tagen zwischen Bekanntgabe des letzten ablehnenden Bescheides im innerkapazitären Hochschulzulassungsverfahren und Ablauf der Ausschlussfrist für eine gesonderte Bewerbung im außerkapazitären Hochschulzulassungsverfahren ist weder unverhältnismäßig kurz noch willkürlich, wenn der Ablauf der Ausschlussfrist mit dem Beginn des Vorlesungsbetriebes zusammenfällt.

Gründe

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I. Mit seinem am 24. Oktober 2005 beim Verwaltungsgericht Göttingen eingegangenen Antrag beantragt der Antragsteller,

2

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn zur Zuweisung eines Studienplatzes in der Fachrichtung Zahnmedizin im 1. Fachsemester zum Wintersemester 2005/06 an der Antragsgegnerin an einem vom Gericht anzuordnenden Vergabeverfahren zu beteiligen und zuzulassen, falls auf ihn ein ermittelter Rangplatz entfällt.

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Die Quote der gerichtlich zu verteilenden, normativ verschwiegenen Studienplätze wird nach Vorlage der Kapazitätsberechnung und der vollständigen aktuellen Kapazitätsunterlagen beziffert.

4

Der Antragsteller legt hierzu einen unter dem 20. Oktober 2005 verfassten und an die Antragsgegnerin gerichteten außerkapazitären Hochschulzulassungsantrag vor.

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Auf richterlichen Hinweis, dass letzterer Antrag die durch Rechtsverordnung normierte Ausschlussfrist des 15. Oktober 2005 nicht wahrt, führt der Antragsteller aus, dass diese Frist verfassungswidrig und nichtig sei. Die Frist sei willkürlich gewählt. Der (letzte) Ablehnungsbescheid der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) hinsichtlich der innerkapazitären Bewerbung sei erst unter dem 30. September 2005 erfolgt und ihm erst am 5. Oktober 2005 zugegangen. Es sei deshalb unverhältnismäßig, von ihm im Verwaltungsverfahren eine außerkapazitäre Antragstellung bei der Universität binnen zehn Tagen zu verlangen.

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II. Dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren bleibt der Erfolg versagt.

7

Der bei Gericht gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist zwar zulässig, weil er jederzeit, ggf. sogar nach Ende des Bewerbungssemesters gestellt werden kann, solange das Verwaltungsgericht - wie hier - noch nicht über die Eilanträge der Mitbewerber um außerkapazitäre Studienplätze entschieden hat (BVerfG, Beschluss vom 18.3.2005, NVwZ 2005, S. 681).

8

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch unbegründet, weil der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch gegen die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Zu den Voraussetzungen des vom Antragsteller verfolgten außerkapazitären Zulassungsanspruchs gehört, dass er den bei der Hochschule im Verwaltungsverfahren zu stellenden Antrag auf außerkapazitäre Zulassung fristgerecht, d.h. vor Ablauf der Ausschlussfrist am 15. Oktober 2005 gestellt hat. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Der vom Antragsteller vorgelegte außerkapazitäre Hochschulzulassungsantrag datiert erst auf den 20. Oktober 2005 und ist damit nicht fristgerecht.

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Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2b der Niedersächsischen Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen durch die Hochschulen vom 22.6.2005 (Nds.GVBl. S. 215) - Hochschul-Vergabeverordnung - muss der Aufnahmeantrag eines Antragstellers, der beabsichtigt, einen Studienplatz auf dem Gerichtswege außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl zu erlangen, bei der Hochschule innerhalb der für das Wintersemester geltenden Ausschlussfrist bis zum 15. Oktober eingegangen sein. Dies regelt für den Studiengang „Zahnmedizin“ auch § 24 Nr. 2 der Niedersächsischen Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen in Studiengängen, die in das zentrale Vergabeverfahren einbezogen sind - ZVS-Vergabeverordnung - vom 13.5.2005 (Nds. GVBl. S. 149) in Verbindung mit der Anlage 1 der Verordnung. Erforderlich ist wegen der Trennung in ein innerkapazitäres und außerkapazitäres Vergabeverfahren stets ein gesonderter Aufnahmeantrag des Studienplatzbewerbers, der behauptet, die Hochschule verfüge tatsächlich über mehr Studienplätze als sie bereit ist, im innerkapazitären Vergabeverfahren zu besetzen, und er beanspruche einen dieser „verschwiegenen“ Studienplätze. Es handelt sich im Verwaltungsverfahren um zwei verschiedene Verfahrensgegenstände und im gerichtlichen Verfahren um verschiedene Streitgegenstände (Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Rdnr. 312). Das in Niedersachsen durch Rechtsverordnung vorgeschriebene gesonderte Antragserfordernis für die außerkapazitäre Hochschulzulassung sowie die gesonderte Ausschlussfrist beruhen auf der Ermächtigung in § 9 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes vom 29.1.1998 (Nds. GVBl. S. 51) in der Fassung vom 25.2.2005 (Nds. GVBl.) - NHZG - und Art. 16 Abs. 1 des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen vom 24.6.1999 (Nds.GVBl. 2000, S. 9).

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Der im vorliegenden Rechtsstreit sowie in mehreren Parallelverfahren unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geäußerten Rechtsauffassung des Antragstellers, die Ausschlussfrist des § 2 Abs. 2 der Hochschul-VergabeVO sei verfassungswidrig, folgt das Gericht - wie auch in der Vergangenheit - nicht (s. hierzu den Beschluss der Kammer vom 15.11.2004 - 8 C 2133/04 -). In dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, das der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.4.2003 (1 BvR 710/03) zugrunde lag, hatte das Verwaltungsgericht für einen erst nach Vorlesungsbeginn bei Gericht eingereichten Antrag auf vorläufige Zulassung zum Studium einen Anordnungsgrund verneint. Das Bundesverfassungsgericht ordnete unter Vornahme einer Interessenabwägung die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in das verwaltungsgerichtliche Vergabeverfahren an und führte zur Begründung aus, es werde im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob die Verneinung eines Anordnungsgrundes im Falle einer Antragstellung nach Vorlesungsbeginn mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sei. Entsprechend verhält es sich bei der eingangs zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.3.2005 (ebd.) und der Entscheidung vom 21.7.2005 (1 BvR 584/05) sowie der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 27.4.2005 - 7 CE 05.10057 - n.v.).

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Der vorliegende Fall liegt jedoch anders. Das beschließende Gericht verneint - wie bereits oben ausgeführt - nicht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Es nimmt vielmehr an, dass die Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs nicht vorliegen, weil der Antragsteller eine zwingende, im Verordnungswege getroffene Fristenregelung nicht beachtet hat. Für eine Verfassungswidrigkeit dieser Fristenregelung sieht die Kammer keinen Anhaltspunkt (vgl. auch Zimmerling/Brehm, aaO, Rdnr. 341 und Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., S. 458 Rdnr. 32 mwN). Insbesondere bestehen gegen die Anordnung von Ausschlussfristen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Stichtagsregelungen stellen zwar ein formales Kriterium dar, das mit gewissen Härten verbunden sein kann und den Betroffenen aus den verschiedensten Gründen fragwürdig erscheinen mag. Sie sind jedoch als gesetzestechnisches Instrument kaum zu entbehren und deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings muss sich die Wahl des Stichtages am gegebenen Sachverhalt orientieren und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfassen (BVerfG, Beschluss vom 6.12.1988, BVerfGE 79, S. 212; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10.1.2000, NJW 2000, S. 1480; Urteil vom 8.10.1985, BVerfGE 70, S. 278). Dieses Erfordernis ist in Bezug auf die Ausschlussfristen des § 2 Abs. 2 der Niedersächsischen Hochschul-VergabeVO und des § 24 Nr. 2 der Niedersächsischen ZVS-Vergabeverordnung gewahrt. Die Fristen betreffen Studienbewerber, die einen Studienplatz auf dem Gerichtsweg außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl erlangen wollen. Der Verordnungsgeber erreicht mit der Frist das Ziel, diese Studienbewerber dazu anzuhalten, das für eine gerichtliche Geltendmachung ihres Begehrens notwendige Rechtsverhältnis zur Universität so frühzeitig zu begründen, dass ihnen ein ordnungsgemäßes Studium im gerade beginnenden Semester bei einer stattgebenden Entscheidung noch möglich ist. Dieses Ziel liegt sowohl im Interesse der Studienbewerber selbst als auch im Interesse der Universität an der Organisation eines ordnungsgemäßen Studienverlaufs. Demgegenüber belastet die Ausschlussfrist die Studienbewerber nicht über Gebühr, da ihnen nach erfolgloser Teilnahme am zentralen Vergabeverfahren regelmäßig - so auch im Fall des Antragstellers - genügend Zeit bleibt, um den Antrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen rechtzeitig bei der Universität zu stellen. Eine Verletzung durch die Verfassung geschützter Rechte liegt in der Anordnung der Ausschlussfrist daher nicht.

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Der Antragsteller hat auch nichts dazu vorgetragen, warum ihm - anders als weit über 1.000 Mitbewerbern, die bei der Kammer gegenwärtig um vorläufigen Rechtsschutz gegen die Antragsgegnerin nachsuchen - eine rechtzeitige außerkapazitäre Antragstellung bei der Hochschule nicht möglich gewesen sein sollte. Er trägt zwar vor, dass ihm der ablehnende ZVS-Bescheid vom 30. September 2005 erst am 5. Oktober 2005 zugegangen sei. Dabei wird es sich - seine Ausführungen als wahr unterstellt - um den von ihm nicht vorgelegten (zweiten) Bescheid der ZVS handeln, in dem ihm namens und im Auftrage verschiedener Hochschulen das Ergebnis des Auswahlverfahrens mitgeteilt worden ist. Denn der von ihm vorgelegte (erste) Bescheid der ZVS, mit dem ihm diese mitgeteilt hatte, dass er jedenfalls von ihr keinen Studienplatz aufgrund der Durchschnittsnote und der Wartezeit zugeteilt erhält, datiert bereits auf den 16. August 2005. Dessen ungeachtet ist eine Frist von zehn Tagen zwischen Bekanntgabe des letzten ablehnenden Bescheides im innerkapazitären Hochschulzulassungsverfahren und Ablauf der Ausschlussfrist für eine gesonderte Bewerbung im außerkapazitären Hochschulzulassungsverfahren weder unverhältnismäßig noch willkürlich, wenn - wie hier - der Ablauf der Ausschlussfrist mit dem Beginn des Vorlesungsbetriebes (15. Oktober) zusammenfällt. Innerhalb dieser Zeitspanne ist es einem Studienplatzbewerber zuzumuten, sich zu entscheiden, ob er nach Ablehnung seiner innerkapazitären Bewerbung einen außerkapazitären Zulassungsanspruch weiterverfolgen und einen entsprechenden Antrag an die Hochschule richten will. Vor dem Hintergrund, dass in der Rechtsordnung sogar Wochenfristen anerkannt sind (u.a. §§ 168 InSO, 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, 36 Abs. 3 Satz 1, 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG), begegnet es keinen Bedenken, eine Frist von zehn Tagen für die Stellung eines Antrages im Verwaltungsverfahren vorzusehen, zumal der Antrag auch bereits vorsorglich zu einem früheren Zeitpunkt gestellt werden kann.

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Nach alledem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Hochschule mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

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Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 GKG und entspricht der ständigen Rechtsprechung der niedersächsischen Verwaltungsgerichte (u.a. Nds. OVG, Beschluss vom 3.5.2005 - 10 OA 217/05 -). Diese Rechtsprechung bezieht sich auch auf ein etwaiges der Zulassung zum Studium vorangehendes und vom Gericht - je nach Anzahl der Antragsteller - angeordnetes Vergabeverfahren (Losverfahren). Auch eine Streitwertreduzierung im Hinblick auf den Vorbehalt des Antragstellers, seinen Antragsinhalt mit einer Quote versehen zu wollen, kommt nicht in Betracht. Zum einen ist das Rechtsschutzbegehren letztlich auf Zulassung zum Studium der Zahnmedizin gerichtet und nicht auf bloße Durchführung eines auf eine Quote beschränkten Vergabe- bzw. Losverfahrens. Zum anderen besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschränkung des Vergabe- bzw. Losverfahrens auf eine nicht näher bezifferte Quote. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat auch Akteneinsicht in die dem Gericht vorgelegten Kapazitätsunterlagen erhalten (s. die Verfügung vom 19. Oktober 2005 in der Generalakte zum führenden Verfahren 8 C 793 bzw. 816/05 u.a.), ohne dass er danach eine Quote bezeichnet hat.