Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 09.11.2005, Az.: 2 A 34/05
Ausbildung; Ausbildungsförderung; BAföG; Bedingung; Bescheid; Darlehen; Ermessen; Förderung; Guthaben; Härte; Kredit; Rücknahme; Schulden; Verfahren; Vermögen; Vermögensanrechnung; Vertrauen; Zurückzahlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 09.11.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 34/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50822
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 Abs 3 BAföG
- § 35 Abs 1 S 3 SGB 10
- § 45 SGB 10
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei der Rücknahme eines Ausbildungsförderung bewilligenden Bescheides sind die Ermessenserwägungen schriftlich darzulegen
2. Ein Darlehen, dessen Rückzahlungsmodalitäten der Schuldner frei wählen kann, mindert das Vermögen eines BAföG-Empfängers nicht.
Tatbestand:
Die Klägerin wehrt sich gegen die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides und die Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen und begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Ausbildungsförderung für einen Folgezeitraum.
Die am ... geborene Klägerin studierte Agrarwissenschaften an der Universität F.. Sie wohnte bis Mai 2002 bei ihren Eltern (G. Straße in F.), danach ca. 1 Jahr lang in einer eigenen Wohnung und ab 01.06.2003 wieder bei ihren Eltern. Auf ihren Antrag vom 28.02.2002 gewährte ihr das namens und im Auftrage der Beklagten handelnde Studentenwerk F. mit Bescheid vom 01.10.2002 unter dem Vorbehalt der Rückforderung (§ 24 Abs. 2 BAföG) für den Zeitraum Februar bis April 2002 monatlich 346,00 € und für den Zeitraum Mai bis September 2002 monatlich 499,00 €. Auf dem Antragsvordruck, den die Klägerin am 27.05.2002 eingereicht hatte, waren Angaben über Vermögen und Schulden nicht vorhanden. In dem Feld, in welches die Höhe des Barvermögens, Bank- und Sparguthabens, Bauspar- und Prämiensparguthabens (wenn insgesamt über 5.200,00 €) einzutragen war, war ursprünglich eine Angabe vorhanden, die jedoch mit einem Korrekturstift unleserlich gemacht wurde.
Am 31.10.2002 stellte die Klägerin einen Wiederholungsantrag. In dem am 30.01.2003 beim Studentenwerk eingegangen Antragsvordruck gab sie nunmehr ein Barvermögen pp. in Höhe von 6.842,80 €, jedoch keine Schulden und Lasten an. Beigefügt war ein Kontoauszug der LBS für das Jahr 2001. Das Studentenwerk ermittelte ferner schon am 30.01.2003, dass auf einem Sparkonto bei der Commerzbank ein Guthaben von 4.824,28 € vorhanden war. Weitere Unterlagen zum Stichtag 28.10.2002 gingen am 28.02.2003 beim Studentenwerk ein.
Mit Bescheid vom 28.02.2003 löste das Studentenwerk F. den Vorbehalt der Rückforderung auf und gewährte der Klägerin endgültig für den Zeitraum Februar bis April 2002 monatlich 31,00 € und für den Zeitraum Mai bis September 2002 monatlich 184,00 € an Förderungsleistungen. Es machte zugleich eine Rückforderung in Höhe von 2.520,00 € geltend, welche die Klägerin in der Folgezeit beglich. Vermögen wurde in diesem Bescheid nicht angerechnet.
Am 18.03.2003 hörte das Studentenwerk F. die Klägerin im Rahmen einer Vermögensüberprüfung an. Sie äußerte sich am 14.04.2003 dahingehend, es sei nicht ihre Absicht gewesen, das Sparguthaben nicht anzugeben; ihr Bausparvertrag ruhe seit längerer Zeit, und sie habe ihn vollkommen vergessen gehabt. Bereits mit Bescheid vom 31.03.2003 (an die Klägerin abgesandt am 22.04.2003) versagte das Studentenwerk F. für den Zeitraum von Februar bis September 2002 Ausbildungsförderung, hob frühere Bescheide insoweit auf, als in diesem Bescheid für gleiche Zeiträume Entscheidungen getroffen wurden, und forderte von der Klägerin (weitere) 1.013,00 € zurück; ferner wurde eine bestehende Rückforderung in Höhe von 2.520,00 € nachrichtlich erwähnt. Die Versagung von Ausbildungsförderung wird damit begründet, dass der Betrag des anzurechnenden Einkommens und/oder Vermögens den Gesamtbedarf der Auszubildenden übersteigt.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 24.05.2003 Widerspruch ein. Sie machte zunächst geltend, der Betrag von 2.520,00 € sei bereits zurückgezahlt worden, und das Guthaben auf ihrem Girokonto dürfe nicht als Vermögen berücksichtigt werden, weil es auf einer BAföG-Nachzahlung beruhe. Nach einer persönlichen Rücksprache der Klägerin im Studentenwerk, bei der ihr die Anrechnung von Vermögen und Schulden näher erläutert wurde, legte die Klägerin am 14.08.2003 eine auf den 17.08.2003 datierte schriftliche Erklärung ihrer in Russikon (Schweiz) lebenden Tante H. I. mit folgendem Wortlaut vor:
Frau A. B., G. Straße, D-xxxxx F., hat von mir im Zeitraum 2002/2003 ein zinsloses Darlehen in Höhe von CHF 5.000,- erhalten.
Mit Bescheid vom 06.10.2003 versagte das Studentenwerk F. der Klägerin gegenüber erneut die Leistung von Ausbildungsförderung für den Zeitraum September bis Juni 2003, wobei die einzige Änderung gegenüber dem (insoweit aufgehobenen) Bescheid vom 31.03.2003 darin bestand, dass der Gesamtbedarf der Klägerin von 530,00 € auf 377,00 € verringert wurde. In diesem Bescheid wurde die bestehende Rückforderung von 1.013,00 € wiederum nachrichtlich erwähnt. In dem beigezogenen Verwaltungsvorgang befindet sich eine Kopie des Bescheides, welche den handschriftlichen Vermerk trägt: „Orig. vernichtet“.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 23.05.2003 gegen den Bescheid des Studentenwerks F. vom 31.03.2003 als unbegründet zurück. In dem Widerspruchsbescheid wird u. a. ausgeführt: Das Studentenwerk habe mit Bescheid vom 06.10.2003 nur noch den sich nach Abzug der bereits erfolgten Erstattung ergebenden Betrag in Höhe von 1.013,00 € zurückgefordert und hinsichtlich der Rückforderung den zuvor ergangenen Bescheid vom 31.03.2003 im Übrigen aufgehoben und gleichzeitig noch einmal die Versagung der Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 2002 bis September 2003 bestätigt; der Widerspruch vom Mai 2003 werde auch als gegen den neuen Bescheid vom 06.10.2003 gerichtet behandelt; durch den (angefochtenen) Bescheid vom 31.03.2003 sei der Bewilligungsbescheid vom 28.02.2003 zurückgenommen worden; die Rücknahme sei nach § 45 SGB X zulässig; der Bewilligungsbescheid sei rechtswidrig gewesen, da das anzurechnende Gesamtvermögen (am Stichtag 28.02.2002: 8.255,41 € und am 31.10.2002 8.458,47 €) abzüglich des Freibetrages von 5.200,00 € den (um das Einkommen des Vaters reduzierten) Bedarf der Klägerin überstiegen habe; das von der Klägerin angeblich in Anspruch genommene Darlehen könne keine Berücksichtigung finden, denn es sei zeitlich nicht zurechenbar, der behaupteten Darlehensvereinbarung mangele es an darlehenstypischen Regelungen und der Zahlungsfluss sei nicht nachgewiesen; die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen; es bestehe der Eindruck, dass sie vorsätzlich Vermögen verschwiegen habe, denn in Zeile 102 des Antragsformulars befinde sich an der Stelle, wo Eintragungen über Spar- und Bausparverträge auftauchen müssten, lediglich Korrekturstift; deswegen werde der Vorgang auch im Anschluss an das Widerspruchsverfahren an die Staatsanwaltschaft F. abgegeben.
Die Klägerin hat am 03.09.2004 Klage erhoben. Sie trägt vor: Mit Bescheid vom 06.10.2003 fordere die Beklagte von der Klägerin 1.013,00 € zurück und versage ihr Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 2002 bis September 2003; der Widerspruch der Klägerin vom 25.04.2003 richte sich - wovon auch die Beklagte ausgehe - auch gegen diesen Bescheid; die Klägerin habe seinerzeit lediglich vergessen, dass Guthaben ihres Bausparvertrages anzugeben, zumal sie selbst niemals etwas eingezahlt habe. Ihr Sparguthaben von 3.258,47 € per 31.10.2002 sei allein durch eine BAföG-Nachzahlung entstanden; sie könne sich nicht daran erinnern, Angaben in dem ersten Förderungsantrag mit Korrekturstift unleserlich gemacht zu haben; bei dem Ausfüllen des 2. Förderungsantrags habe sie die Darlehensschulden gegenüber ihrer Tante nicht angegeben, weil sie davon ausgegangen sei, dort müssten nur Schulden angegeben werden, die sie hätte belegen können; ihre Tante habe ihr im Januar 2002 1500 Schweizer Franken, Ostern 2002 1000 Schweizer Franken, im August 2002 weitere 1000 Schweizer Franken und im März 2003 schließlich 1500 Schweizer Franken geliehen; die Klägerin habe dieses Geld für ihre Lebenshaltung ausgegeben, jedoch bereits 500 € zurückgezahlt; den Rest werde sie entsprechend der Vereinbarung mit der Tante zurückzahlen, wenn ihr dies möglich sei.
Während sich die Klägerin zunächst gegen den Bescheid vom 06.10.2003 gewandt hat, beantragt sie nunmehr,
den Bescheid des Studentenwerks F. vom 31.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 02.08.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 2002 bis September 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt ergänzend zu der Begründung des Widerspruchsbescheides vor: Als Vermögen sei auch der Nachzahlungsbetrag anzusehen; ein von der Tante der Klägerin ihr angeblich gewährtes Darlehen sei hingegen nicht zu berücksichtigen, weil die Rückzahlung nicht gewollt gewesen sei bzw. ein Scheingeschäft vorliege; in den Bescheiden vom 31.03. und 06.10.2003 sei Ermessen - welches im Übrigen intendiert sei - ausgeübt worden; die Klägerin habe seinerzeit nichts zu ihrer Entlastung vorgetragen, und es habe mithin keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung bedurft.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 14.07.2005, in der es zu einem Vergleich gekommen ist, den die Beklagte später widerrufen hat, haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf den Verwaltungsvorgang des Studentenwerks F. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist insgesamt zulässig, aber nur in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, der rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Dabei liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Nur wenn eine der in den vorgenannten Nummern 1 - 3 genannten Voraussetzungen erfüllt ist, wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Nach Satz 2 dieser Norm muss die Behörde dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Soweit danach ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind nach § 50 As. 1 Satz 1 SGB X bereits erbachte Leistungen zu erstatten.
Mit noch hinreichender Deutlichkeit wird in dem Bescheid vom 31.03.2003 der Bescheid vom 28.02.2003 aufgehoben; dort heißt es nämlich (vorgedruckt): Frühere Bescheide werden insoweit aufgehoben, als in diesem Bescheid für gleiche Zeiträume Entscheidungen getroffen werden. Die nach § 35 Abs. 1 SGB X notwendige Begründung für diesen Ausspruch (ein Fall von Absatz 2 liegt nicht vor) fehlt jedoch vollständig, kann andererseits aber nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGB X nachgeholt werden. Das ist weitgehend mit dem Widerspruchsbescheid vom 02.08.2004 geschehen, allerdings fehlt nach wie vor die (gem. § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X zwingende) Begründung in Bezug auf die Ausübung des in § 45 SGB X eröffneten Ermessens. Der Vortrag der Beklagten zu dieser Frage, dem die zu einem Widerruf einer landwirtschaftsrechtlichen Subvention ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.1997 - 3 C 22.96 - (BVerwGE Bd. 105, S. 55) zugrundeliegt, berücksichtigt die soeben erwähnten sozialrechtlichen Besonderheiten nicht. Im übrigen bestand hier schon deshalb Anlass, ernsthaft in eine Ermessensprüfung einzutreten, weil das Studentenwerk F. noch am 28. Februar 2003 (bereits in Kenntnis vom Vorhandensein von Vermögen bei der Klägerin, nicht jedoch von den genauen Beträgen am Stichtag 28.02.2002) der Klägerin endgültig Förderungsleistungen bewilligt und damit erst den Rechtsgrund für das Behaltendürfen dieser Leistungen gesetzt hat. Es hat damit selbst den Rechtsschein gesetzt, dass es auf die mittlerweile bekannt gewordenen Vermögensverhältnisse der Klägerin wohl doch nicht ankommen werde, oder dass diese ausreichend zu ihren Gunsten geklärt seien. Zwar hat es die Klägerin unter dem 18.03.2003 zu einer möglichen Rückforderung - und zugleich zu einer Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 58 BAföG - angehört, dabei jedoch mit keinem Wort erwähnt, warum der erst einige Tage zuvor erlassene Bewilligungsbescheid nun wieder aufgehoben werden soll. Dieses Verhalten des Studentenwerks hätte bei der Ermessensausübung angemessen berücksichtigt werden müssen.
Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 2002 bis September 2003 begehrt, denn sie hat ihr Vermögen einzusetzen, bevor ihre Ausbildung mit staatlicher Hilfe gefördert wird.
Bereits aus diesem formalen Grund ist der angefochtene Rücknahme- und Rückforderungsbescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Das Gericht kann mithin offen lassen, ob der Bescheid vom 28.02.2003 seinerseits rechtswidrig war, weil mit ihm bei der Klägerin vorhandenes Vermögen nicht angerechnet wurde, ob die Klägerin die ihr bewilligte Leistung bis zum Zugang des angefochtenen Bescheides verbraucht hat und ob ihr ggf. Vertrauensschutz zu gewähren ist.
Nach § 26 BAföG wird das Vermögen des Auszubildenden nach Maßgabe der §§ 27 bis 30 auf seinen Bedarf angerechnet. Als Vermögen gelten nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes u. a. Forderungen und Rechte. Der Wert eines Gegenstandes ist nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 bei sonstigen Gegenständen (außer Wertpapieren) auf die Höhe des Zeitwertes zu bestimmen, wobei nach Abs. 2 dieser Bestimmung maßgebend der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung ist. § 28 Abs. 3 bestimmt darüber hinaus, dass von dem nach den Absätzen 1 und 2 ermittelten Betrag die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen sind mit Ausnahme des nach diesem Gesetz erhaltenen Darlehens. Nach Absatz 4 sind Veränderungen zwischen Antragstellung und Ende des Bewilligungszeitraums nicht zu berücksichtigen. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes bleiben von dem Vermögen für den Auszubildenden selbst 5.200,00 € anrechnungsfrei, wobei wiederum die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich sind. Nach Absatz 3 kann zur Vermeidung unbilliger Härten ein weiterer Teil des Vermögens anrechnungsfrei bleiben. Nach § 30 schließlich ist auf den monatlichen Bedarf des Auszubildenden der Betrag anzurechnen, der sich ergibt, wenn der Betrag des anzurechnenden Vermögens durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird.
Zum Stichtag 31.10.2002 (Tag der Antragstellung) verfügte die Klägerin - soweit bekannt - über folgendes Vermögen:
Sparbuch bei der Commerzbank: | 4.708,00 € |
Bausparvertrag bei der LBS: | 2.018,52 € |
Girokonto-Nr. ...der Commerzbank: | 2.744,95 € |
9.471,47 €. |
Der Betrag auf dem Girokonto ist entgegen der Auffassung der Klägerin als Vermögen zu berücksichtigen, weil es auf den Grund des Vermögens nicht ankommt. Hätte die Klägerin Schulden machen müssen, um den Zeitraum bis zur rückwirkenden Leistung von Ausbildungsförderung zu überbrücken, hätten diese andererseits vermögensmindernd berücksichtigt werden müssen (vgl. dazu VGH Mannheim, Beschluss vom 24.03.2000 - 7 S 14/00 - DVBl. 1000, S. 1698). Das hat die Klägerin jedoch nicht dargetan.
Sie hat ferner nicht dargetan, dass sie überhaupt berücksichtigungsfähige Schulden (nämlich gegenüber ihrer Tante aus der Schweiz) hatte. Maßgeblich ist auch insoweit der Zeitpunkt 31.10.2002. Sie trägt vor, bis dahin 3500 Schweizer Franken von der Tante darlehensweise erhalten zu haben. Das ist aus folgenden Gründen wenig glaubhaft: Die Klägerin hat weder auf dem von ihr am 30.01.2003 eingereichten Antragsvordruck (auf dem erstmals ein Vermögen in Höhe von 6.842,80 € erwähnt wurde) noch in dem Schreiben vom 14.04.2003 noch im Widerspruchsschreiben erwähnt, dass sie ihrer Tante Geld schuldet. Erst nachdem der Klägerin nach einer Rücksprache am 30.06.2003 im Studentenwerk erläutert worden war, dass unter Umständen auch Schuldverpflichtungen berücksichtigt werden könnten, legte sie die Erklärung ihrer Tante vor. Ihr Einwand, sie sei bei dem Ausfüllen des Formblattes davon ausgegangen, es dürften nur belegbare Schuldverpflichtungen angegeben werden, verfängt nicht, denn - wie sich später herausgestellt hat - konnte sie eine entsprechende Bescheinigung der Tante vorweisen. Verblüffend ist allerdings, dass diese Erklärung auf den 17.08.2003 datiert ist, aber ausweislich des Eingangsstempels bereits am 15.08.2003 beim Studentenwerk eingegangen ist. Ferner liegt der Anlass für die Gewährung eines Darlehens in dieser Höhe (nach dem Vortrag im Klageverfahren sollte es sich wohl um vier verschiedene Darlehen handeln, denn zu unterschiedlichen Zeiten wurden unterschiedliche Beträge gezahlt), völlig im Dunkeln. Die Klägerin konnte zu jedem Zeitpunkt über Geld in ausreichendem Umfang verfügen, um ihren Lebensunterhalt sicher zu stellen; nach ihren Angaben hat sie sogar die Schulden gegenüber dem Studentenwerk in Höhe von 2.520,00 € aus eigenen Mitteln beglichen.
Selbst wenn der Vortrag der Klägerin in Bezug auf das von ihrer Tante erhaltene Darlehen zutrifft, handelt es sich insoweit nicht um nach § 28 Abs. 3 S. 1 BAföG von ihrem Vermögen abziehbare Schulden. Nach ihrem eigenen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 14.07.2005 hatte sie mit der Tante vereinbart, Rückzahlungen immer dann zu leisten, wenn ihr dies möglich sein würde; sie hatte mithin völlig freie Hand, wann und ob überhaupt sie Zahlungen erbringen würde, zumal die Tante nicht einen einzigen Beleg über den Zahlungsfluss in Händen hielt. Da sie offenbar Zahlungen aus ihrem Vermögen nicht erbringen sollte, wird dieses auch nicht durch Schulden geschmälert.
Abzüglich des gesetzlichen Freibetrages von 5.200,00 € (für das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne von § 29 Abs. 3 BAföG gibt es keine Anhaltspunkte) musste die Klägerin maximal 4.271,47 € als Vermögen einsetzen.
Da ihr monatlicher Gesamtbedarf 530,00 € betrug (Feld 28 des angefochtenen Bescheides) und Einkommen ihrer Eltern in Höhe von 337,54 € angerechnet wurde (Feld 96 des Bescheides), musste sie jedoch nur 192,46 €, auf 12 Monate hochgerechnet also 2.309,52 € einsetzen. Mithin ergibt sich ein Förderungsanspruch nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 S. 1, 188 S. 2 VwGO. Der von der Beklagten zurückgeforderte und der von der Klägerin begehrte Betrag stehen etwa im Verhältnis 3:7 zueinander.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.