Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 18.02.2004, Az.: 8 A 394/02
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 18.02.2004
- Aktenzeichen
- 8 A 394/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 43000
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2004:0218.8A394.02.0A
In der Verwaltungsrechtssache
der A.
Klägerin,
gegen
die Stadt Braunschweig, vertreten durch den Oberbürgermeister,
Bohlweg 30, 38100 Braunschweig, B.
Beklagte,
Streitgegenstand: Straßenreinigungsgebühr
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 8. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2004 durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Büschen,
den Richter am Verwaltungsgericht von Krosigk, die Richterin Brüggeshemke sowie die ehrenamtlichen Richter A. und B.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens;
insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren durch die Beklagte.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausgrundstückes C. D.. Dieses Grundstück liegt - von der Straße E. aus gesehen - hinter dem Grundstück F. (Gemarkung G.). Zusammen mit ihrem Bruder, H., ist die Klägerin auch Eigentümerin des Grundstückes I.. Sie erreicht das von ihr bewohnte Grundstück J. nur über einen Weg, der mit einer Länge von 21 Metern über das davorliegende Grundstück F. führt, welches zugunsten der Klägerin insoweit mit einem Wegerecht belastet ist. Beide Grundstücke sind eigenständig im Grundbuch eingetragen.
Mit Abgabenbescheid vom 16.11.2001 zog die Beklagte die Klägerin für das Grundstück C. zu Straßenreinigungsgebühren für 21,75 Frontmeter in der Reinigungsklasse IV (26 Straßenreinigungen jährlich) für das Kalenderjahr 2001 heran. Die Beklagte erläuterte diesen Berechnungsmaßstab wie folgt: Es handele sich bei dem Grundstück der Klägerin um ein so genanntes Hinterliegergrundstück mit einer - im Sinne des § 3 Abs. 1 ihrer Straßenreinigungsgebührensatzung vom 15.12. 1998 (Amtsblatt der Beklagten vom 28.12.1998, S. 84) - ermittelten Grundstücksbegrenzungslinie von 29 Metern Länge. Aufgrund der Länge der Grundstückszuwegung von 21 Metern, die über das Grundstück I. führe, sei gemäß § 3 Abs. 3 ihrer Straßenreinigungsgebührensatzung vom 15.12.1998 eine Kürzung um 25 % auf 21,75 Meter vorzunehmen gewesen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2001 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 15.03.2002 hob die Beklagte den Bescheid vom 16.11.2001 auf, da die in der Straßenreinigungsgebührensatzung vom 15.12.1998 festgelegten Gebührensätze vom VG Braunschweig (Urt. v. 31.10.2001 - 8 A 522/00 -) für ungültig erklärt worden seien. Ergänzend wies die Beklagte noch darauf hin, dass sie eine neue rückwirkende Gebührensatzung beschließen und sodann die Klägerin - nach Vorliegen der Satzung - für das Jahr 2001 zu Straßenreinigungsgebühren heranziehen werde.
Mit Bescheid vom 09.01.2002 zog die Beklagte die Klägerin für das Jahr 2002 sodann zu Straßenreinigungsgebühren in Höhe von 83,52 Euro heran. Dabei legte sie für das Grundstück C. erneut 21,75 Frontmeter in der Reinigungsklasse IV zugrunde, die sie mit dem Gebührensatz für die Reinigungsklasse IV in Höhe von 3,84 Euro pro Meter pro Jahr multiplizierte (21,75 mal 3,84 Euro = 83,52 Euro Straßenreinigungsgebühren). Dabei legte die Beklagte als Bemessungsgrundlage die - neue - Straßenreinigungsgebührensatzung - SGS - vom 11. Dezember 2001 (Amtsblatt für die Stadt Braunschweig vom 20.12.2001, S. 172) in Verbindung mit der Straßenreinigungsverordnung der Beklagten vom 27.11.1985 in der Fassung der dritten Änderung vom 15.12.1998 (Amtsblatt für die Stadt Braunschweig vom 28.12.1998, S.86) zu Grunde. Aus der Anlage der Straßenreinigungsverordnung vom 27.11.1985 in der Fassung vom 15.12.1998 ergibt sich, dass die Straße K. der Reinigungsklasse V zugeordnet ist.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 29.01.2002 Widerspruch. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens korrigierte die Beklagte den angefochtenen Abgabenbescheid mit Bescheid vom 08.04.2002 dahingehend, dass sie statt der zugrunde gelegten Reinigungsklasse IV (einmal in zwei Wochen) nunmehr die Straße K. in die Reinigungsklasse V (einmal in vier Wochen) einstufte. Den Gebührensatz für die Reinigungsklasse V in Höhe von 1,92 Euro multiplizierte sie erneut mit den festgestellten 21,75 Frontmetern und kam somit auf einen neuen Betrag in Höhe von 41,76 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2002, der Klägerin am 11.07.2002 zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.08.2002 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass es sich bei dem Grundstück J. um ein so genanntes "Pfeifenstielgrundstück" handele, für das die Grundsätze über "Hinterlieger" keine Anwendung fänden und von diesen deutlich zu differenzieren seien. Zudem seien die beiden Grundstücke L. als wirtschaftliche Einheit anzusehen. Im Übrigen sei § 5 Abs. 4 S. 2 der SGS unberücksichtigt geblieben, da die Grundstücke als wirtschaftliche Einheit nur gemeinsam nutzbar seien. Es sei daher eine unbillige Härte, wenn sie als Miteigentümerin des vorderen Grundstückes insgesamt 175% der Straßenreinigungsgebühren zu tragen habe. Eine Längsteilung statt einer Querteilung des Grundstückes sei ebenso möglich gewesen und hätte lediglich zu einer 100%igen Gebühr geführt. Ferner bestehe ein Rückvergütungsanspruch gegen die Beklagte, da in früheren Straßenreinigungsgebührenbescheiden von einem Maßstab von 30 m ausgegangen und seit 2001 eine anzusetzende Frontseite von 29 m festgestellt worden sei.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.01.2002 in der Gestalt des Bescheides vom 08.04.2002 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 05.07.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend dazu aus, dass es sich bei dem Grundstück C. um ein Hinterliegergrundstück im Sinne des § 3 der SGS handele und nicht um ein Pfeifenstielgrundstück. Pfeifenstielgrundstücke seien Grundstücke, die zum größten Teil hinter einem anderen Grundstück lägen und nur über einen schmalen, zum Grundstück gehörenden, Wegestreifen an die Straße grenzten. Solche Grundstücke seien nicht Hinterlieger, sondern Anlieger, da sie mit einem kleinen Teil ihrer Grundstücksfläche unmittelbar an die Straße angrenzten. Das Grundstück C. sei jedoch kein solches Pfeifenstielgrundstück, da es mit keinem Teil an die Straße K. angrenze.
Zudem stellten die beiden Grundstücke L. keine wirtschaftliche Einheit dar, da die Grundstücke zum einen bereits im Grundbuch als eigenständig eingetragen seien und zum anderen keine Anhaltspunkte erkennbar seien, die darauf hindeuteten, dass es tatsächlich eine gemeinsame bauliche, gewerbliche oder sonstige wirtschaftliche Nutzung gebe. In ihrer jeweiligen verkehrsmäßigen Erschließung seien die Grundstücke in jeder Hinsicht selbständige und voneinander unabhängige Flächen und Nutzungseinheiten. Dass die Grundstücke als separat anzusehen seien, belege nicht nur das Grundbuch und eine Auskunft beim Einwohnermeldeamt, sondern auch die Tatsache, dass zugunsten der Klägerin auf dem Grundstück K. ein Wegerecht eingetragen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Bescheide der Beklagten vom 09.01.2002 und vom 08.04.2002 i. d. F. des Widerspruchbescheides vom 05.07.2002 sind bezüglich der darin festgesetzten Straßenreinigungsgebühren in Höhe von 41,76 Euro für das Haushaltsjahr 2002 rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs.1 S.1 VwGO).
Die Heranziehung der Klägerin zur Zahlung von Straßenreinigungsgebühren für ihr Grundstück C. erweist sich als rechtmäßig. Die Klägerin ist als so genannter "Hinterlieger" für die Reinigung der Straße Kralenriede straßenreinigungsgebührenpflichtig.
Rechtliche Grundlage für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren ist § 52 NStrG i. V. m. der Straßenreinigungsgebührensatzung (SGS) vom 1. Dezember 2001. Nach § 52 Abs. 1 S. 2 NStrG sind Art, Maß und räumliche Ausdehnung der ordnungsgemäßen Straßenreinigung von der Gemeinde durch Verordnung nach dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz zu regeln. Gemäß § 52 Abs. 3 S. 1 NStrG gelten, sofern die Gemeinden die Straßenreinigung durchführen, für die der Reinigung unterliegenden Straßen die Eigentümer der anliegenden Grundstücke als Benutzer einer öffentlichen Einrichtung im Sinne des kommunalen Abgabenrechts. Die Benutzer der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung sind Gebührenschuldner( § 5 Abs. 1 S. 1 SGS).
Nach § 52 Abs. 3 S. 2 NStrG können die Gemeinden in der Straßenreinigungsgebührensatzung den Eigentümern der anliegenden Grundstücke die Eigentümer der übrigen durch die Straße erschlossenen Grundstücke und die Inhaber besonders bezeichneter dinglicher Nutzungsrechte gleichstellen. Dieser Möglichkeit hat die Beklagte in § 5 Abs. 3 SGS Rechnung getragen.
Als Eigentümerin des Grundstückes C. ist die Klägerin zur Entrichtung der Straßenreinigungsgebühren verpflichtet.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung widerspricht es dem Gleichheitssatz nicht, wenn Eigentümer von Anliegergrundstücken und Eigentümer von Hinterliegergrundstücken aufgrund des Frontmetermaßstabes gebührenrechtlich gleich behandelt werden (vgl. dazu u.a. BVerwG, Beschl. vom 09.12.1993 - 8 NB 5.93 - in KStZ 1994, 152; BVerfG, Beschl. vom 17.02.1982 - 1 BvR 863/81 - ZKF 1982,213; OVG Lüneburg, Urt. vom 11.05.2000 - 9 L 2479/99 - , zit. nach juris; Wendrich, Niedersächsisches Straßengesetz, Kommentar, 3. Aufl. 1994, § 52 Rn. 9). Der kommunale Satzungsgeber ist danach befugt, das objektive Interesse der Eigentümer anliegender und der Eigentümer hinterliegender, aber erschlossener Grundstücke an der Reinigung der Straße sowie den ihnen durch die Reinigungsleistung vermittelten Vorteil grundsätzlich gleich zu bewerten. Ausgangspunkt war dabei die Erwägung, dass die Straßenreinigungsgebühr dabei nicht das Entgelt für die Durchführung der Reinigung einer bestimmten Straßenstrecke vor den jeweiligen Grundstücken darstellt, für die dann auch die Gebührenpflicht des einzelnen Grundstückseigentümers entsteht. Vielmehr wird durch die Gebühr der besondere Vorteil abgegolten, der dem Grundstückseigentümer dadurch entsteht, dass die an seinem Grundstück vorbeiführende Straße in ihrer gesamten Länge durch die Gemeinde in einen sauberen Zustand versetzt wird (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 11. Mai 2000 - a.a.O. -; Urt. vom 24.01.1990 - 9 L 43/98- dng 1990, 198). Dieser besondere Vorteil kommt nicht nur den Eigentümern der direkt an die zu reinigende Straße angrenzenden Grundstücke zu, sondern auch den Eigentümern der so genannten Hinterliegergrundstücke.
Die Klägerin ist von der Beklagten zu Recht straßenreinigungsgebührenrechtlich als Hinterlieger eingestuft worden. Das OVG hat sich ausführlich mit dem Begriff des Hinterliegers auseinandergesetzt und zunächst diejenigen Grundstücke als Hinterliegergrundstücke angesehen, die von der zu reinigenden Straße über andere Privatgrundstücke oder Privatwege zu erreichen sind ("Hinterlieger im engeren Sinne") ( Urt. vom 24.01.1990 - a.a.O.). Zusätzlich hat es dann den Kreis der Hinterliegergrundstücke um die an nicht befahrbare öffentliche Wohnwege angrenzenden Grundstücke erweitert und in diesen Kreis sodann auch die Anlieger privater unbefahrbarer Wohnwege einbezogen ("Hinterlieger im weiteren Sinne")( OVG Lüneburg, Urteil vom 11.05.2000 - a.a.O. -). Als maßgeblich für die Gleichstellung sei ferner, dass die betreffenden Grundstücke nicht direkt an einer zu reinigenden Straße liegen, sie aber auf eine Verbindung zu ihr durch eine weitere - untergeordnete - Verkehrsanlage angewiesen sind.
Die Klägerin hat sich ein Wegerecht auf dem Grundstück I. eintragen lassen. Es handelt sich mithin um keinen dem öffentlichen Straßenverkehr gewidmeten Weg, welcher auch im Grundbuch als solcher nicht verzeichnet ist. Auch insoweit ist die von der Klägerin behauptete Eigenschaft ihres Grundstückes als "Pfeifenstielgrundstück" auszuschließen. Denn das Grundstück C. grenzt mit keinem Teil direkt an die Straße K. an. Ob und inwieweit das eingerichtete Wegerecht auf dem Grundstück I. an die Straße "grenzt", ist ohne Belang. Denn für die Erhebung der Straßenreinigungsgebühren gilt nach § 5 Abs. 4 S. 1 der SGS allein das Grundstück im Sinne des Grundbuchrechts.
Das Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Schlechterstellung der Klägerin. Sie kann nicht besser gestellt werden, weil sie Eigentümerin bzw. Miteigentümerin von zwei hintereinanderliegenden Grundstücken ist. Für jedes Grundstück ist nämlich eine gesonderte Betrachtungsweise notwendig - unabhängig von der Tatsache, wer Eigentümer ist.
Die von der Klägerin zu zahlende Straßenreinigungsgebühr ist der Höhe nach ebenfalls nicht zu beanstanden. Der für die Berechnung von Straßenreinigungsgebühren in § 2 Abs. 1 der Straßenreinigungsgebührensatzung der Beklagten so genannte Frontmetermaßstab ist ein dafür anerkanntes taugliches Bemessungskriterium (vgl. BVerwG, Beschl. v . 9. Dezember 1993 - 8 NB 5.93 - KStZ 1994, 152 ff.; BVerwG, Beschl. v. 15.03.2002 - 9 B 16/02 - NVwZ-RR 2002, 599 ff.).
Nach § 3 SGS gilt die Länge der Grundstücksseite als die für die Berechnung der Straßenreinigungsgebühr maßgebliche Frontlänge, die der zu reinigenden Straße zugewandt ist. Reale Straßenfrontlänge des Grundstückes ist lediglich die Zuwegung, so dass es sich hier nach den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien bei dem Grundstück C. um einen so genannten Vollhinterlieger handelt (BVerwG, Beschl. v. 15.03.2002 - a.a.O. -). In diesen Fällen ist die Zulässigkeit fiktiver Frontmetermaßstäbe anerkannt, die darauf abzielen, bei der Grundstücksbemessung eine ungefähre Vergleichbarkeit der Hinterliegergrundstücke mit den Vorderliegergrundstücken herzustellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.03.2002 - a.a.O. - ; BVerwG, Beschl. v. vom 19.03.1981 - 8 B 10.81- zit. nach juris). Hierzu zählt auch das von der Beklagten gewählte Projektionsverfahren. Der Frontmetermaßstab des hinterliegenden Grundstückes wird als direkter Straßenanlieger projiziert - jedoch unter Abzug gemäß § 3 Abs. 3 der SGS, wonach die ermittelte Grundstücksseite je nach Länge der Zuwegung entsprechend gekürzt wird, wie im vorliegenden Fall um 25% geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.