Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.02.2004, Az.: 5 B 3/04
Abschiebungsandrohung; Ausreisepflicht; Erklärungserwerb; Erklärungsfrist; Fristversäumnis; Staatsangehörigkeit von Kindern deutscher Mütter; vorläufiger Rechtsschutz
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 05.02.2004
- Aktenzeichen
- 5 B 3/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50478
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs 1 RuStAG
- § 4 Abs 1 RuStAG
- Art 3 RuStAÄndG
- § 80 Abs 5 VwGO
- § 123 Abs 5 VwGO
- § 50 AuslG
- § 42 AuslG
- § 72 Abs 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Frage des Erklärungserwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit eines in den USA aufgewachsenen Antragstellers, dessen Mutter deutsche Staatsangehörige ist und dessen Vater Staatsangehöriger der USA war.
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die vorläufige Sicherung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet bis zur Klärung der Frage, ob er die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.
Der Antragsteller wurde am 2. Juni 1967 als eheliches Kind einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Vaters in D. geboren. Nachdem die Familie seinen Angaben zufolge zunächst etwa ein Jahr in den USA lebte, kehrte sie nach Deutschland zurück, wo sich die Eltern bald darauf trennten und seine Mutter das alleinige Sorgerecht für ihn erhielt. Im Alter von etwa eineinhalb bis zwei Jahren sei er von seinem Vater gegen den Willen seiner Mutter in die USA gebracht worden. Seine Mutter habe ihn bei der Polizei als entführt gemeldet. In den USA habe er bei seinen Großeltern väterlicherseits in E., gelebt. Die Ehe der Eltern des Antragstellers wurde im Jahre 1971 geschieden. Im Jahre 1977 sei er mit seinen Großeltern nach F. gezogen, wo seine Mutter sie im Jahre 1978 besucht habe, um ihn nach Deutschland zurückzuholen, was sein Vater jedoch verhindert habe. 1979 sei er mit seinem Vater nach G. umgezogen. Mit Entscheidung eines amerikanischen Gerichts vom 29. August 1980 wurde das Sorgerecht für den Antragsteller auf seinen Vater übertragen. Nach dem vom Antragsteller verfassten Lebenslauf und einer ergänzenden handschriftlichen Stellungnahme kehrte er im Jahre 1982 zu seinen Großeltern zurück. Sein Großvater habe ihn nicht gut behandelt und ihm sei bewusst gewesen, dass seine Mutter Deutsche sei und er eigentlich aus Deutschland stamme. Im Anschluss an seine Schulausbildung habe er 1986 in H. ein Studium begonnen, das er 1990 in E., abgeschlossen habe. Zu dieser Zeit sei sein Vater an Krebs erkrankt gewesen und er sei deshalb bei ihm geblieben. Seine Großeltern seien 1990 und 1992 verstorben. Der Vater des Antragstellers verstarb im Dezember 1993. Besonders zu dieser Zeit, aber auch schon lange vorher, habe er versucht, einen Kontakt zu seiner Mutter herzustellen, deren Adresse in Deutschland er nicht gekannt habe. Auch seine Mutter habe ihn stets gesucht und ihn am 3. Mai 1998 über eine amerikanische Polizistin gefunden. Um seine Mutter kennen zu lernen, reiste der Antragsteller am 2. Juli 1998 nach Deutschland ein. Am 6. Juli 1998 beantragte er beim Landkreis Gifhorn eine Aufenthaltsgenehmigung, die ihm am 1. März 1999 als Aufenthaltserlaubnis mit Geltungsdauer bis zum 1. März 2001 erteilt wurde. Nach einem Schreiben des Landkreises Gifhorn an den Antragsteller vom 23. Juli 1998 stellte der Antragsteller am 6. Juli 1998 zugleich einen formlosen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit. Nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis beantragte der Antragsteller am 10. Juni 1999 bei der Antragsgegnerin außerdem seine Einbürgerung. Nach einem Vermerk des Landkreises Gifhorn vom 19. April 2001 hielt sich der Antragsteller in den Jahren 2000/2001 für 18 Monate in den USA auf. In Übereinstimmung damit findet sich in seinem Lebenslauf die Angabe, er habe von 2000 bis 2001 als „Kindergarten Assistent Lehrer“ für die „I.“ gearbeitet. Mitte März 2001 beantragte der Antragsteller erneut die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Der dem Antragsteller am 3. Juni 1998 ausgestellte amerikanische Pass, mit dem er in das Bundesgebiet eingereist war, wurde vom amerikanischen Generalkonsulat in Hamburg am 19. April 2001 ungültig gemacht, weil der Antragsteller seinen Unterhaltspflichten gegenüber seinem in den USA lebenden Sohn nicht nachkam. Im weiteren Verfahren legte der Antragsteller eine Bescheinigung über die Ausstellung einer Geburtsurkunde – „Certification of Report of Birth“ – des US-Department of State vom 6. September 2002 vor, nach der seine Geburt beim Konsulardienst der Vereinigten Staaten erfasst und dort am 16. Mai 1968 eine Geburtsurkunde ausgestellt wurde. Auf Rückfrage teilte das amerikanische Generalkonsulat der Antragsgegnerin am 6. Januar 2003 telefonisch mit, der Antragsteller habe mit seiner Geburt die amerikanische Staatsangehörigkeit erworben, derzeit würde ihm aber kein Pass, sondern lediglich ein Ersatzpapier für die Einreise in die USA erteilt werden. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28. März 2003 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und hilfsweise die Ausstellung eines Passersatzdokumentes.
Mit Bescheid vom 10. April 2003 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung und auf Ausstellung eines Ausweisersatzes ab. Zugleich forderte sie den Antragsteller unter Androhung der Abschiebung in die Vereinigten Staaten auf, das Bundesgebiet unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats, zu verlassen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Antragsteller habe nach dem zum Zeitpunkt seiner Geburt geltenden Recht nicht die deutsche, sondern die amerikanische Staatsangehörigkeit erworben. Ein nachträglicher Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit sei ebenfalls nicht eingetreten. Eine Aufenthaltsgenehmigung könne dem Antragsteller nicht erteilt werden, weil er keinen gültigen Pass besitze, einen solchen aber bei einer vorübergehenden Rückkehr in die USA in zumutbarer Weise erlangen könne. Aus diesem Grund könne ihm auch kein Ausweisersatz ausgestellt werden. Eine Entscheidung über den vom Antragsteller gegen diesen Bescheid mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 17. April 2003 erhobenen Widerspruch steht noch aus.
Mit Bescheid vom 11. April 2003 lehnte die Antragsgegnerin zudem den Einbürgerungsantrag des Antragstellers ab. Dieser Bescheid ist nach Zurückweisung des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 8. Oktober 2003 bestandskräftig geworden.
Schließlich lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3. November 2003 den Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit unter Hinweis auf die fehlende Beibringung von Nachweisen über den Erwerb derselben ab. Die nach Zurückweisung des gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 8. Januar 2004 am 30. Januar 2004 erhobene Klage ist bei Gericht unter dem Aktenzeichen 5 A 14/04 anhängig.
Nachdem die Antragsgegnerin für den 8. Januar 2004 die Abschiebung des Antragstellers in die USA plante, hat der Antragsteller am 6. Januar 2004 bei Gericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. An der zunächst vorgetragenen Begründung, er habe mit seiner Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, hält er zuletzt nicht mehr fest. Stattdessen ist er nunmehr der Auffassung, er sei zwar mit Geburt amerikanischer Staatsangehöriger geworden, habe aber zwischenzeitlich durch einen Erklärungserwerb nach Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAÄndG 1974) die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Eine entsprechende Erklärung habe er bereits kurz nach seiner Einreise im Juni 1998 gegenüber dem Landkreis Gifhorn abgegeben. Im Übrigen sei auch sein Einbürgerungsantrag vom 10. Juni 1999 als eine solche Erklärung zu werten. Auf Grund seiner Lebensgeschichte sei er zuvor ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Erklärungsfrist einzuhalten.
Der Antragsteller beantragt wörtlich,
der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, einstweilen von einer Durchsetzung seiner vermeintlichen Ausreisepflicht durch Abschiebung in die USA bis zur bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Entscheidung in dem Verfahren hinsichtlich der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit abzusehen,
hilfsweise, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. April 2003 enthaltene Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Erklärung sei nicht eingetreten, da weder die Mutter des Antragstellers bis zu dessen 18. Geburtstag noch in der Folgezeit der Antragsteller selbst die dafür erforderliche schriftliche Erklärung abgegeben habe. Im Übrigen sei die für eine solche Erklärung bis zum 31. Dezember 1977 laufende Erklärungsfrist auch nicht unverschuldet versäumt worden, denn dem Antragsteller sei die Abstammung von einer deutschen Mutter seit langem bekannt gewesen, sodass es ihm bereits während seines Aufenthaltes in den USA oblegen habe, sich über die deutsche Rechtslage zu informieren. Zudem habe auch seine Mutter die für sie nach Art. 3 Abs. 5 RuStAÄndG 1974 bestehende Möglichkeit, einen Erklärungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit herbeizuführen, nicht genutzt. Derzeit lebe der Antragsteller von Sozialhilfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren sowie zum Aktenzeichen 5 A 14/04 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II. Der vorläufige Rechtsschutzantrag hat keinen Erfolg. Der Hauptantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist unzulässig, der Hilfsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Hauptantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, mit der der Antragsgegnerin aufgegeben werden soll, bis zur Entscheidung über das Verfahren auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit einstweilen von der Abschiebung des Antragstellers in die USA abzusehen, ist unzulässig. Wie sich aus § 123 Abs. 5 VwGO ergibt, ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur statthaft, wenn Gegenstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht die Vollziehung eines belastenden Verwaltungsaktes ist, gegen den vorläufiger Rechtsschutz durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden kann. Der vorläufige Rechtsschutzantrag des Antragstellers ist entsprechend der sich aus seinem Vorbringen ergebenden Interessenlage und der Formulierung des zur Entscheidung gestellten Hauptantrages auf die Abwehr der Abschiebung in die USA und die vorläufige Sicherung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet bis zur Klärung der Frage, ob er die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, gerichtet. Die Abschiebung des Antragstellers kann nur auf der Grundlage des Bescheides der Antragsgegnerin vom 10. April 2003 erfolgen, in dem die Ausreisepflicht des Antragstellers festgestellt und ihm die Abschiebung angedroht wird, sofern er der Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommt. Der im Zusammenhang mit der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit des Antragstellers ergangene Bescheid vom 3. November 2003 enthält zu diesen Fragen keine Regelung und ist daher als Grundlage für eine Abschiebung in die USA nicht geeignet. Statthafte Antragsart für ein gegen den für den Antragsteller belastenden Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. April 2003 gerichtetes vorläufiges Rechtsschutzverfahren ist jedoch ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des vom Antragsteller mit Schreiben vom 17. April 2003 erhobenen Widerspruchs, über den die Bezirksregierung Braunschweig bisher noch nicht entschieden hat und der – soweit er sich auf die Abschiebungsandrohung bezieht – nach § 70 Abs. 1 Nds. VwVG i.V.m. § 64 Abs. 4 NGefAG bzw. jetzt Nds. SOG und im Übrigen nach § 72 Abs. 1 AuslG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Ein solches Verfahren ist auch geeignet, das vorläufige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers vollständig zu erfassen, denn die von der Antragsgegnerin erlassene Abschiebungsandrohung kann nur rechtmäßig sein, wenn der Antragsteller Ausländer ist, also nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sodass inzident auch die Frage des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit Gegenstand der rechtlichen Prüfung ist.
Der hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. April 2003 – im zur Entscheidung gestellten Antrag offenbar versehentlich als Bescheid vom 17. April 2003 bezeichnet – enthaltene Abschiebungsandrohung ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs hat hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides zurückzustehen, denn nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durchzuführenden Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Bescheid rechtmäßig.
Die von der Antragsgegnerin nach § 50 AuslG verfügte Abschiebungsandrohung ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger und damit kein Ausländer i.S.d. § 1 Abs. 2 AuslG ist.
Der Antragsteller hat die deutsche Staatsangehörigkeit zunächst nicht durch Geburt erworben. Er wurde im Jahre 1967 als eheliches Kind geboren. Nach der im Zeitpunkt seiner Geburt geltenden Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG vom 22.07.1913, RGBl S. 583, i.d.F. des RuStAÄndG vom 19.12.1963, BGBl. I S. 982) erwarb das eheliche Kind eines Deutschen durch Geburt die Staatsangehörigkeit des Vaters. Der Vater des Antragstellers war jedoch nicht deutscher Staatsangehöriger. Auch über seine Mutter hat der Antragsteller nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, denn nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes erwarb das eheliche Kind einer Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter nur, wenn es sonst staatenlos sein würde. Staatenlosigkeit trat beim Antragsteller nicht ein, denn er hat durch seine Geburt die amerikanische Staatsangehörigkeit erworben. Dafür spricht der ihm im Jahre 1998 ausgestellte amerikanische Reisepass, die vom US-Department of State für ihn ausgestellte Bescheinigung über die Ausstellung einer Geburtsurkunde – „Certification of Report of Birth“ – und die von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 19.01.2004, auf den insoweit Bezug genommen wird, dargestellte Rechtslage nach Title 8, Chapter 12, Sec. 1401, Buchstabe g) des US-Code. Auch der Antragsteller stellt den durch Geburt eingetretenen Erwerb der amerikanischen Staatsangehörigkeit inzwischen nicht mehr in Frage.
Die Regelung des § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. war zwar seit dem 01. April 1953 mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung unvereinbar (Art. 3 Abs. 2 i. V. m. Art. 117 Abs. 1 GG), dies führte jedoch nicht dazu, dass auch eheliche Kinder deutscher Mütter automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erwarben, sondern verpflichtete lediglich den Gesetzgeber, diesem Personenkreis einen Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu eröffnen (BVerfG, Urt. vom 21.05.1974 - 1 BvL 22/71 – BVerfGE 37, 217 ff.). Dementsprechend hat das Gesetz zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 20. Dezember 1974 (BGBl I S. 3714) – RuStAÄndG 1974 – mit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1975 (Art. 6 RuStAÄndG 1974) § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG dahin gehend geändert, dass die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben wird, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Für die in der Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. Dezember 1974 geborenen Kinder einer deutschen Mutter sieht Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch besondere Erklärung vor. Nach Art. 3 Abs. 6 RuStAÄndG 1974 kann das Erklärungsrecht grundsätzlich nur bis zum Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes, also bis zum 31. Dezember 1977 ausgeübt werden. Die Vollendung des 18. Lebensjahres durch den Erwerbsberechtigten verlängert die Erklärungsfrist nicht und setzt sie auch nicht neu in Gang (vgl. hierzu und zur Verfassungsmäßigkeit der Optionslösung: BVerwG, Urt. vom 24.10.1995 – 1 C 29/94 –, BVerwGE 99, 341 ff. und den nachfolgenden Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.01.1999 – 2 BvR 729/96 -, NVwZ-RR 1999, 403 f.).
Auch auf der Grundlage des Art. 3 RuStAÄndG 1974 hat der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit jedoch nicht erworben. Dahinstehen kann dabei, ob der Landkreis Gifhorn den Antragsteller auf die nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 RuStAÄndG 1974 erforderliche Schriftform der Erklärung, deutscher Staatsangehöriger werden zu wollen, hätte hinweisen müssen als der Antragsteller unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet im Jahre 1998 dort am 6. Juli 1998 einen formlosen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gestellt hat und welche Folgen sich aus einem möglicherweise pflichtwidrig unterlassenem Hinweis ergeben würden. Ebenso kann offen bleiben, ob der vom Antragsteller unterzeichnete Einbürgerungsantrag vom 10. Juni 1999 für eine Erklärung nach Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 hinreichend bestimmt ist (vgl. dazu BVerwG, Urt. vom 25.06.1998 – 1 C 6/96 – NVwZ-RR 1999, 70 ff.) bzw. der von seinem Bevollmächtigten mit Schreiben vom 28. März 2003 gestellte Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit trotz fehlender Unterzeichnung durch den Antragsteller den gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. insofern einerseits Makarov/von Mangold, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Stand: Dez. 2003, Art. 3 RuStAÄndG 1974, Rn 34, und andererseits VGH Bad.-Würt., Urt. vom 25.09.2000 – 13 S 1152/00 -, NVwZ-RR 2001, 344 ff.). Denn jedenfalls ist die Erklärung, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben zu wollen, nicht rechtzeitig abgegeben worden.
Die Erklärung ist unstreitig nicht innerhalb der nach Art. 3 Abs. 6 RuStAÄndG 1974 grundsätzlich einzuhaltenden Erklärungsfrist vom 1. Januar 1975 bis zum 31. Dezember 1977 erfolgt. Bei Versäumung der Erklärungsfrist eröffnet Art. 3 Abs. 7 Satz 1 RuStAÄndG 1974 unter bestimmten Voraussetzungen eine Nacherklärungsfrist. Wenn der Erklärungsberechtigte ohne Verschulden außerstande war, die Erklärungsfrist einzuhalten, kann die Erklärung noch bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Fortfall des Hindernisses abgegeben werden. Verschuldet ist die Fristversäumnis, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist. Rechtsirrtum und Unkenntnis des Gesetzes schließen das Verschulden grundsätzlich nicht aus. Wer mit den einschlägigen Rechtsvorschriften nicht vertraut ist, hat die Obliegenheit, sich bei gegebenem Anlass über die maßgebliche Rechtslage zu informieren und sich die erforderliche Rechtskenntnis zu verschaffen. Hinreichender Anlass für die Klärung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse besteht immer dann, wenn das Kind aus einer gemischt-nationalen Ehe mit einem deutschen Elternteil stammt. Bereits dieser Umstand legt es nahe, sich bei oder in angemessener Zeit nach der Geburt des Kindes über dessen deutsche Staatsangehörigkeit oder Möglichkeiten zu ihrem Erwerb Gedanken zu machen und – soweit erforderlich – Rechtsauskünfte einzuholen. Anlass dazu besteht also insbesondere nicht erst dann, wenn ein konkretes Interesse an Vorteilen aus dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit entsteht. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob und wie lange bei einer gemischt-nationalen Ehe das Familienleben an der Heimat des ausländischen Vaters orientiert ist. Ein Verschulden entfällt, wenn eine sachgerechte Auskunft nicht eingeholt werden kann, eine falsche Auskunft erteilt wird oder der Erklärungsberechtigte sich sonst in einem entschuldbaren Rechts- oder Tatsachenirrtum befindet, z.B. die Abstammung von einem deutschen Elternteil oder dessen Staatsangehörigkeit nicht bekannt ist. Weiterhin scheidet ein Verschulden aus, wenn die Beteiligten auf die Rechtslage berechtigt vertraut haben, insbesondere wenn sie weiter von der inzwischen überholten Rechtslage nach § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. ausgingen und ausgehen durften. Ein schutzwürdiges Vertrauen setzt allerdings voraus, dass sie sich in geeigneter Weise über die Rechtslage informiert haben (BVerwG, Urt. vom 24.10.1995 und vom 25.06.1998, aaO.).
Für einen noch nicht 18 Jahre alten Erwerbsberechtigten wird die Erwerbserklärung gemäß Art. 3 Abs. 5 RuStAÄndG 1974 durch den Inhaber des Personensorgerechts bzw. mit Genehmigung des deutschen Vormundschaftsgerichts durch den nicht vertretungsberechtigten Elternteil abgegeben. Der noch nicht volljährige Betroffene hat sich das Verschulden des für ihn Erklärungsberechtigten zurechnen zu lassen. Dabei kommt es nicht nur auf das Verschulden des personensorgeberechtigten Elternteils, sondern im Hinblick auf die dem nicht vertretungsberechtigten Elternteil eingeräumte selbständige Erklärungsbefugnis auch auf dessen Verschulden an. Allerdings führt nicht bereits das Verschulden eines Elternteils an der Firstversäumnis zum Verlust der Erwerbsmöglichkeit für den Betroffenen. Vielmehr kommt diesem umgekehrt das fehlende Verschulden nur eines Elternteils zugute, indem bereits dieses die Vergünstigung der Nacherklärungsfrist auslöst. Insbesondere dann, wenn ein Elternteil bewusst die Erklärungsfrist versäumt, etwa weil er den Staatsangehörigkeitserwerb seines Kindes nicht will, verbleibt dem anderen Elternteil nach dem Gesetz die Möglichkeit, die Erklärung gleichwohl abzugeben. Dann ist ihm aber bei Schuldlosigkeit auch die Nacherklärungsfrist einzuräumen (BVerwG, Urt. vom 24.10.1995, aaO.).
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Eltern des Antragstellers zumindest die Nacherklärungsfrist von sechs Monaten gemäß Art. 3 Abs. 7 Satz 1 RuStAÄndG 1974 schuldhaft versäumt haben. Selbst wenn zu Gunsten des Antragstellers davon ausgegangen wird, dass seine Mutter seinen Aufenthaltsort in den USA zunächst nicht kannte, nachdem sein Vater ihn im Alter von etwa eineinhalb bis zwei Jahren in die USA gebracht hatte, und eine Erklärung zur Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit deshalb von der zuständigen Einbürgerungsbehörde ggf. nicht akzeptiert worden wäre bzw. der Mutter des Antragstellers die Abgabe der Erklärung unter diesen Umständen ggf. aussichtslos erscheinen durfte und aus diesem Grund nicht von ihr zu erwarten war, hätte sie die Erklärung jedenfalls nach Wegfall dieses Hindernisses innerhalb von sechs Monaten abgeben können und müssen. Wie der Antragsteller selbst vorträgt, hat ihn seine Mutter im Jahre 1978 bei seinen Großeltern väterlicherseits in F. in den USA besucht. Zumindest zu diesem Zeitpunkt war ihr mithin der Aufenthaltsort des Antragstellers bekannt. Entsprechend des von ihm angefertigten Lebenslaufs hat der Antragsteller auch noch bis zum Jahre 1979 bei seinen Großeltern gelebt und in den Jahren von 1982 bis 1986 erneut bei diesen gewohnt. Sofern seine Mutter keine Kenntnis von der maßgeblichen staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage und insbesondere von der einzuhaltenden Frist gehabt haben sollte, hätte sie sich diese Kenntnis angesichts ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet ohne Weiteres beschaffen können (vgl. BVerwG, Urt. vom 24.10.1995, aaO.; Urt. vom 04.05.1999 – 1 C 1/98 – NVwZ-RR 1999, 687 ff.). Da das Sorgerecht für den Antragsteller erst im Jahre 1980 auf den Vater des Antragstellers übertragen wurde, hätte sie den Erklärungserwerb im Jahre 1978 sogar noch ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts herbeiführen können bzw. später zumindest mit dieser. Der Umstand, dass der Antragsteller in dieser Zeit nicht bei ihr in Deutschland, sondern in den USA lebte, und zu ihr – bis auf einen einmaligen Besuch im Jahre 1978 – keinen Kontakt hatte, entschuldigt die fehlende Einholung entsprechender Informationen und die unterlassene Abgabe der Erklärung zur Herbeiführung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nicht (siehe zu einer vergleichbaren Sachlage bei einem Kind aus einer Ehe zwischen einer deutschen Staatsangehörigen und einem Staatsangehörigen der USA wiederum BVerwG, Urt. vom 24.10.1995, aaO.).
Für ein fehlendes Verschulden des Vaters des Antragstellers ist nichts erkennbar und auch nichts vorgetragen worden. Auf der Grundlage des vom Antragsteller geschilderten Sachverhalts liegt es nahe, dass der Vater des Antragstellers kein Interesse am Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Antragsteller hatte und schon deshalb die Fristversäumnis verschuldet hat. Im Übrigen würde auch ihn fehlende Rechtskenntnis nicht entschuldigen, da es ihm möglich und zumutbar war, sich in den USA über die deutsche Auslandsvertretung über die Rechtslage zu informieren (vgl. BVerwG, aaO.; Hess. VGH, Urt. vom 11.11.1991 – 12 UE 2263/90 – InfAuslR 1992, 101 ff.).
Des Weiteren kommt ein Erklärungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aber auch dann nicht in Betracht, wenn das Verhalten der Eltern des Antragstellers nicht als Verschulden an der Versäumung der Erklärungs- bzw. Nacherklärungsfrist zu werten wäre, denn insofern hätte der Antragsteller selbst die dann geltende Nacherklärungsfrist von sechs Monaten versäumt. Die Nacherklärungsfrist beginnt mit dem Fortfall des Hindernisses, d.h. in dem Zeitpunkt, zu dem er selbst nicht mehr ohne Verschulden an der Abgabe der Erklärung gehindert war. Dieser Zeitpunkt trat mit der Vollendung seines 18. Lebensjahres am 2. Juni 1985 ein, da in diesem Moment das Erklärungsrecht nach Art. 3 Abs. 4 RuStAÄndG 1974 auf ihn übergegangen ist. Nachdem der Antragsteller selbst vorgetragen hat, dass er sich schon seit der Zeit des Aufwachsens bei seinen Großeltern darüber bewusst war, dass seine Mutter deutsche Staatsangehörige ist und er selbst aus Deutschland kommt, war für ihn im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, hinreichender Anlass gegeben, sich über seine Staatsangehörigkeit bzw. die Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit Gedanken zu machen und entsprechende Informationen einzuholen. Dass er zu dieser Zeit die Adresse seiner Mutter nicht kannte, steht der Möglichkeit des Erklärungserwerbs nicht entgegen, da es dieser Information für die Abgabe einer Erklärung nach Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 nicht bedurfte, sondern Angaben zur Ermittlung der deutschen Staatsangehörigkeit seiner Mutter ausgereicht hätten. Diese Angaben hätte der Antragsteller jedoch auch dann erhalten können, wenn er möglicherweise bis zum Tod seines Vaters keinen Zugang zu den persönlichen Daten seiner Mutter gehabt und sein Vater ihm die entsprechenden Dokumente ggf. vorenthalten haben sollte. Insofern hätte für ihn nämlich die – später auch tatsächlich genutzte – Möglichkeit bestanden, sich beim US-Department of State eine „Certification of Report of Birth“ ausstellen zu lassen, die neben Angaben zu seinem Vater auch den vollen Namen und das Geburtsdatum seiner Mutter sowie seinen eigenen Geburtsort Gifhorn ausweist, und damit der Einbürgerungsbehörde ggf. weitere Ermittlungen zur Klärung der deutschen Staatsangehörigkeit seiner Mutter ermöglicht hätte. Zumindest nach dem Tod seines Vaters im Dezember 1993 dürften ihm im Übrigen Dokumente zum Nachweis seiner Abstammung, wie der später vorgelegte Pass seines Vaters mit einer darin eingetragenen Aufenthaltserlaubnis des Landkreises Gifhorn und dem Kinderpass des Antragstellers sowie das ins Englische übersetzte Scheidungsurteil seiner Eltern, zugänglich gewesen sein. Auch auf der Grundlage dieses Zeitpunkts hat der Antragsteller die Nacherklärungsfrist von sechs Monaten aber nicht gewahrt. Dass er sich in dieser Zeit in den USA aufhielt, steht der Abgabe der Erklärung zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht entgegen, denn gemäß Art. 3 Abs. 8 RuStAÄndG 1974 i.V.m. § 20 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (StAngRegG) vom 22. Februar 1955 (BGBl. I S. 65) hätte er die Erklärung auch in den USA bei einer diplomatischen oder konsularischen oder einer sonstigen Verbindungsstelle der Bundesrepublik Deutschland abgeben können. Damit war die Nacherklärungsfrist des Art. 3 Abs. 7 RuStAÄndG 1974 in jedem Fall bereits versäumt, bevor der Antragsteller im Juli 1998 nach Deutschland eingereist ist.
Durch Einbürgerung hat der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit ebenfalls nicht erworben, denn sein Einbürgerungsantrag ist mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. April 2003 und Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 8. Oktober 2003 bestandskräftig abgelehnt worden.
Der Antragsteller, der demnach Ausländer i.S.d. § 1 Abs. 2 AuslG ist, hat aus den zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin im Bescheid vom 10. April 2003, auf den insoweit entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen wird, auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung und eines Ausweisersatzes. Durch vorübergehende Rückkehr in die USA zur Klärung der Unterhaltsangelegenheit seines Sohnes ist es ihm möglich, die Ausstellung eines gültigen amerikanischen Passes zu erreichen. Dies ist ihm auch zumutbar, zumal er sich in den Jahren 2000/2001 nochmals für 18 Monate in den USA aufgehalten und dort gearbeitet hat. Im Übrigen steht der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung auch der Regelversagungsgrund des § 7 Satz 2 Nr. 2 AuslG entgegen, da der Antragsteller gegenwärtig Sozialhilfe bezieht.
Mit Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ist der Antragsteller nach § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 1 AuslG vollziehbar ausreisepflichtig geworden. Die nach § 50 AuslG verfügte Abschiebungsandrohung begegnet dementsprechend keinen rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 GKG (vgl. Ziffer 41.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, bei § 164).