Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.01.2007, Az.: 14 U 102/05
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.01.2007
- Aktenzeichen
- 14 U 102/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 59339
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0117.14U102.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 8 O 37/04
Fundstellen
- BauR 2007, 598 (amtl. Leitsatz)
- OLGReport Gerichtsort 2007, 173-175
In dem Rechtsstreit
Land Niedersachsen, vertreten durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
gegen
1. B. Volksbank, vertreten durch den Vorstand, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
2. Rechtsanwalt H. A. als Insolvenzverwalter über das Vermögen
der T. Schotterproduktion-Süd, ...,
Streithelfer,
Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte ...,
Prozessbevollmächtigte zu 2:
Rechtsanwälte ...,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 11. März 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des
Streithelfers der Beklagten hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 65.291,97 €.
Gründe
I.
Das klagende Land (im Folgenden: Kläger) erteilte 1995 einer ARGE aus den Firmen T. KG Schotterproduktion und K. A. GmbH Bauunternehmen den Auftrag für Erd- und Umbauarbeiten im Zuge der Beseitigung des Bahnübergangs der DB Strecke Hannover-Berlin. Die Beklagte verbürgte sich u. a. "für die Erstattung von Überzahlungen" (vgl. die Bürgschaftsurkunde vom 7. Juni 1995, Bl. 11 d. A.). Als die ARGE in Zahlungsschwierigkeiten geriet, trat die Fa. A. GmbH - ob insoweit für die ARGE handelnd, ist streitig - am 30. Oktober 1995 eine Forderung in Höhe von 130. 000 DM an einen Zulieferer, die I. Mischwerke GmbH (folgend: ISV) ab (Bl. 28 d. A.). Der Kläger stimmte der Abtretung am 31. Oktober 1995 zu (Bl. 30 d. A.). Als die Fa. A. insolvent wurde, beendete die Fa. T. das Bauvorhaben allein und erteilte am 24. Juni 1997 die Schlussrechnung. Der Kläger zahlte am 18. September 1997 an die Fa. T. 220.959,73 DM. Die Rechtsnachfolgerin der ISV verklagte darauf den Kläger erfolgreich auf Zahlung der abgetretenen 130. 000 DM (Urteil des LG Hannover vom 17. Juli 2001, Bl. 32 d. A.). Die Fa. T. wurde ebenfalls zahlungsunfähig. Der Kläger begehrt jetzt (Rück-)Zahlung der 130. 000 DM von der Bürgin, der Beklagten, allerdings begrenzt durch die Bürgschaftssumme von 127. 700 DM (= 65.291,97 €).
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 146 f. d. A.), mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, weil es der Ansicht ist, die Vertragserfüllungsbürgschaft (Bl. 11 d. A.), aus der der Kläger seinen Anspruch herleitet, beziehe sich nicht auf die Forderung, die der Kläger zurückerstattet verlangt. Dies folge aus einer Auslegung der Bürgschaftsurkunde. Der Klageanspruch setze eine ohne Rechtsgrund erbrachte Leistung - also einen bereicherungsrechtlichen Anspruch - voraus. Das sei jedoch keine "Verpflichtung aus dem Vertrag", zu deren Sicherung die Bürgschaft bestellt worden sei. Das Land habe nicht zuviel, sondern lediglich auf eine Schlussrechnung an den falschen Gläubiger gezahlt. Hierfür sei § 407 BGB maßgeblich. Damit liege keine Überzahlung vor, sondern nur die Zahlung einer grundsätzlich berechtigten Forderung an den "Nicht-mehr-Gläubiger" (vgl. im Einzelnen LGU 5 - 7).
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, in der er seinen ursprünglichen Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 65.291,97 € weiterverfolgt (vgl. Bl. 383, 189 f. d. A.).
Er ist der Auffassung, es liege eine Überzahlung des Auftragnehmers schon dann vor, wenn ihm an Zahlungen auf den Vergütungsanspruch mehr zugeflossen sei, als er nach dem Werkvertrag hätte beanspruchen dürfen. Hier seien an die ARGE bzw. die Firma T. 130. 000 € zuviel gezahlt worden. Deshalb bestehe ein Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses als vertraglicher Anspruch, und zwar auch dann, wenn der Unternehmer seinen Werklohnanspruch an einen Dritten abgetreten habe und der Auftraggeber daraufhin die Überzahlung an den Dritten geleistet habe. Denn die Überzahlung folge aus der Addition aller Zahlungen, gleichgültig, ob es sich um Direktzahlungen an die Auftragnehmer oder um Zahlungen in deren Interesse und auf deren Verlangen an Lieferanten gehandelt habe. Es könne demgegenüber nicht auf die Einordnung des Rückforderungsanspruchs als Vertrags- oder Bereicherungsanspruch ankommen, weil bei der Bürgschaft der Sicherungszweck vorrangig sei. Die Bürgschaft beziehe sich auf jede Erstattung von Überzahlungen, ganz unabhängig davon, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt diese zurückverlangt werden könnten.
Die Beklagte und deren Streithelfer verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen entsprechend, die Berufung zurückzuweisen (vgl. Bl. 384, 222, 247 d. A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Dem Kläger steht kein Rückforderungsanspruch zu. Die Abtretungserklärung vom 30. Oktober 1995 seitens der Firma A. GmbH an die ISV war unwirksam. Damit ist die Zahlung des Klägers an die Firma T. im Juni 1997 zu Recht erfolgt. Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob - wie das Landgericht gemeint hat die Klage deshalb unbegründet ist, weil die Bürgschaft eine Rückforderung der hier vorliegenden Art nicht umfasst (dazu unter 2.).
1. Die Abtretung der Teilforderung von 130. 000 DM seitens der Firma T. an die ISV war unwirksam.
a) Zum einen war die Abtretung nicht gedeckt durch die Vertretungsregeln im Rahmen des Arbeitsgemeinschaftsvertrags (Bl. 66 f. d. A.). Gemäß Ziff. 8.2.1 dieses Vertrags vom 7./18. April 1995 (Bl. 70 d. A.) oblag der Firma A. GmbH, die allein die Abtretungserklärung unterzeichnet hat (s. Anlage K 2, Bl. 28 d. A.) die Gesamtvertretung der ARGE "auch nach außen hin", allerdings vom Wortlaut her eindeutig nur "im technischen Bereich". Dass sich die Gesamtvertretungsberechtigung darüber hinaus auf alle Rechtsgeschäfte erstreckte, kann vom Vertragswortlaut her nicht angenommen werden. Dafür spricht auch Nr. 16.1 des Vertrags (Bl. 75 d. A.), wonach "die Abtretung irgendwelcher Ansprüche ... nur mit vorheriger Einwilligung des anderen Partners zulässig" sein sollte. Insoweit kann nicht von einer typischen Innenregelung, die die Außenvertretungsmacht nicht berührt, gesprochen werden. Denn die Abtretung betrifft auch den kaufmännischen Bereich. In diesem sollte aber die Firma T. vor allem für die Bankangelegenheiten zuständig sein gemäß Nr. 8.2.2 des Vertrags (Bl. 72 d. A.). Darüber hinaus sollten die Parteien der ARGE gemäß Nr. 9.1 des Vertrags (Bl. 72 d. A.) nur gemeinsam verfügungsberechtigt sein. Durch die Abtretung begab sich aber die ARGE eines Teils ihrer Forderungen.
b) Zum andern ist die Abtretung auch nicht in Kenntnis oder mit nachträglicher Genehmigung des Geschäftsführers der Firma T., des Zeugen L1, erfolgt, wie der Kläger behauptet. Der von dem Kläger benannte Zeuge L2 - seinerzeit Geschäftsführer der Firma A. - hat den Vortrag des Klägers vor dem Senat nicht bestätigt (vgl. Protokoll Bl. 384 f. d. A.). Insbesondere hat er bekundet, mit dem Geschäftsführer der Firma T. nicht über die Abtretung gesprochen zu haben. Es habe vor der Abtretung auch keine Abstimmung mit der Firma T. gegeben. Ihm sei auch nicht bekannt, dass etwa schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags der ARGE eine solche Abtretung im Raum gestanden habe. Darüber hinaus sei seiner Ansicht nach die Abtretung seitens der Firma A. zu Finanzierungszwecken erfolgt. Es habe sich allein um eine Abtretung der A. GmbH gehandelt (Bl. 385 d. A.).
Der Senat hat keine Veranlassung, an den Bekundungen des Zeugen L2 zu zweifeln. Dem Kläger ist es demnach nicht gelungen, die ihm obliegende Behauptung zu beweisen, dass die Abtretung namens der ARGE erfolgt ist. Damit war die Abtretung in jedem Fall unwirksam. Die Firma T. hat folglich im Ergebnis zu Recht die Zahlung des Klägers erhalten. Ein Rückforderungsanspruch scheidet aus. Entsprechend sind Klage und Berufung unbegründet.
2. Zu einem anderen Ergebnis käme man auch nicht, wenn man die Abtretung für wirksam hielte. Denn es ist zumindest fraglich, ob die streitbefangene Forderung durch die Bürgschaft vom 7. Juni 1995 gesichert werden sollte. Etwaig verbleibende Zweifel oder Unklarheiten über den Umfang der Bürgschaft oder deren Sicherungszweck gehen aber zu Lasten des Gläubigers (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 765, Rdn. 6 m. w. N.). Die in diesem Zusammenhang vom Landgericht vorgenommene - gebotene (Palandt/Sprau a. a. O.) - Auslegung erscheint jedenfalls vom Ergebnis her nicht unvertretbar:
a) Ihrem Wortlaut nach (vgl. Bl. 11 d. A.) diente die Bürgschaft "als Sicherheit für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag [zwischen dem Kläger und der ARGE], insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadensersatz, sowie für die Erstattung von Überzahlungen". Sie sollte also umfassend sichern. Dies könnte zunächst für einen Anspruch des Klägers sprechen, weil er aufgrund des Vertrags an die Firma T. im September 1997 zahlte.
Der Kläger hatte aber damals schon Kenntnis von der Abtretung vom 30. Oktober 1995; dieser hatte er sogar selbst zugestimmt (Anlage K 3, Bl. 30 d. A.). Gleichwohl zahlte er an die Fa. T. und damit quasi selbstverschuldet an den auch aus seiner Sicht - falschen Gläubiger. Dieser Fall wird durch § 407 Abs. 1 (2. Halbsatz) BGB geregelt. Danach musste die ISV die Zahlung des Klägers nicht gegen sich gelten lassen. Hierauf kann sich wiederum die Beklagte berufen. Die Verbürgung auf erstes Anfordern steht dem nicht entgegen, da die entsprechende Klausel in der Bürgschaftsurkunde unwirksam ist und die Beklagte deshalb nur eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schuldete ( BGH, Urteil vom 25. März 2004, VII ZR 435/02, NJW-RR 2004, 880).
Zweck der Bürgschaft war es aber nicht, Fehlleistungen des Bürgschaftsgläubigers wie die hier vorliegende abzusichern. Sie soll nicht den Auftraggeber vor Verstößen gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten schützen, sondern ihm vielmehr nur ein besonderes Sicherungsmittel geben, bei einem Ausfall des Auftragnehmers Rückgriff beim Bürgen nehmen zu können. Denn der Bürge haftet gemäß § 765 Abs. 1 BGB für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten. Nach Ansicht des Klägers soll die Beklagte aber einstehen für eine Fehlüberweisung des Auftraggebers, des Bürgschaftsgläubigers. Das ist nicht Sinn der Bürgschaft.
b) Anders als der Kläger meint, ist der vorliegende Fall auch nicht vergleichbar mit dem Urteil des OLG Jena ( BauR 2005, 767). In jenem Fall ging es um eine "echte" Überzahlung im Verhältnis der Vertragspartner, die nur an einen Dritten geleistet worden ist. Die Klägerin dort hatte demnach die falsche nämlich die Dritte, an die abgetreten worden war - verklagt, weshalb ihre Klage mangels Passivlegitimation abgewiesen worden ist.
Im vorliegenden Fall richtet sich die Klage jedoch nicht gegen den Zessionar, die ISV (bzw. deren Rechtsnachfolger), ebenso auch nicht gegen die ARGE bzw. die Firma T., sondern gegen den Bürgen für die Forderung des Klägers gegenüber dem Auftragnehmer, d. h. der ARGE aus den Firmen A. und T. Überträgt man den tragenden Gedanken der Entscheidung des OLG Jena auf die vorliegende Konstellation, könnte dem Kläger nur dann ein Anspruch gegen die in der ARGE verbundenen Firmen und damit evtl. letztlich auch gegen den Bürgen zustehen, wenn die (nachfolgende) Zahlung an die ISV zu einer Überzahlung gegenüber den Firmen der ARGE geführt hätte. Diese "Überzahlung" ist aber erst aufgrund des Urteils des Landgerichts Hannover vom 17. Juli 2001 (18 O 2856/00, Bl. 32 f. d. A.) eingetreten, also im Zuge der Vollstreckung einer gegen den Kläger gerichteten Klage. Die Überzahlung ist damit nicht im Vertragsverhältnis Auftraggeber - Unternehmer/Auftragnehmer entstanden, sondern im Verhältnis Zessionar - Auftraggeber, der nicht aufgrund eines Vertrags oder ohne Rechtsgrund, sondern aufgrund eines gegen ihn gerichteten rechtskräftigen Titels an den Zessionar geleistet hat - und das jetzt mit dem vorliegenden Prozess wieder ausgleichen möchte. Das aber ist weder ein vertraglicher Anspruch im Verhältnis der Vertragspartner - wie vom OLG Jena a. a. O. angenommen - noch ein Fall, dessen Eintritt durch die Bürgschaft abgesichert werden sollte. Zwischen dem Zessionar und der Beklagten bestehen keine Beziehungen. Für sie hat sich die Beklagte nicht verbürgt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 101 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere weicht der Senat nicht von der erwähnten Entscheidung des OLG Jena vom 18. November 2003 (Baurecht 2005, 767) ab. Die beiden Fälle unterscheiden sich - wie ausgeführt - in wesentlichen Punkten.