Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.01.2007, Az.: 8 U 123/06
Bestimmung des Wertes eines auf Rentenleistung und volle Beitragsfreiheit gerichteten Feststellungsinteresses; Wert eines auf die Feststellung des Fortbestehens eines Versicherungsvertrages trotz des vom Versicherer erklärten Rücktritts oder der von diesem erklärten Anfechtung gerichteten Antrages; Feststellungsinteresse eines Klägers in der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung unter Rückgriff auf die Bemessung des Werts einer auf Leistung gerichteten Klage
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.01.2007
- Aktenzeichen
- 8 U 123/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 10917
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0103.8U123.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - AZ: 3 O 172/05
Rechtsgrundlagen
- § 42 Abs. 2 S. 2 GKG
- § 42 Abs. 5 S. 1 GKG
- § 48 Abs. 1 S. 1 GKG
Fundstellen
- OLGReport Gerichtsort 2007, 239-240
- VK 2007, 44
- VersR 2008, 1515-1516 (Volltext mit amtl. LS)
- VuR 2007, 158 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
Der Streitwert eines Antrages auf Feststellung des Fortbestandes einer BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung bemisst sich, wenn er unabhängig vom Eintritt eines Versicherungsfalls oder kumulativ neben einer auf Leistung bzw. Feststellung der Leistungspflicht gerichteten Klage gestellt wird, nach dem 3,5fachen Jahresbetrag der monatlichen Rentenleistung und der monatlichen Prämie abzüglich eines Feststellungsabschlages von 80 %.
Tenor:
Der Gebührenstreitwert für beide Rechtszüge und den Prozessvergleich einheitlich wie folgt festgesetzt:
- 1.
Feststellung der Pflicht zu Rentenzahlung und voller Beitragsfreistellung:
- a)
80 % des 3,5fachen Jahresbetrages der monatlichen Rente einschließlich Bonusrente i. H. v. insg. 630,00 EUR = 21.168,00 EUR
- b)
80 % des 3,5fachen Jahresbetrages der monatlichen Prämie laut Nachtrag zum Versicherungsschein i. H. v. 59,04 EUR = 1.983,74 EUR
- 2.
Feststellung des Rentenrückstandes bei Klageeinreichung: 80 % der monatlichen Rente einschließlich Bonusrente (630,00 EUR) für 16 Monate = 8.064,00 EUR
- 3.
Feststellung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung
- a)
20 % des 3,5fachen Jahresbetrages der monatlichen Rente einschließlich Bonusrente (630,00 EUR) = 5.292,00 EUR
- b)
20 % des 3,5fachen Jahresbetrages der monatlichen Prämie (59,04 EUR) = 495,94 EUR
Summe 37.003,68 EUR
Gründe
Der mit der Berufung weiterverfolgte, durch den Prozessvergleich insgesamt erledigte Klageantrag der Klägerin setzt sich aus zwei Streitgegenständen zusammen, deren Werte gem. § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen sind, nämlich zum einen aus der Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der monatlichen Berufsunfähigkeitsrente einschließlich Bonusrente in Höhe von insgesamt 630,00 EUR seit dem 1. April 2004 bei gleichzeitiger voller Befreiung von der Beitragszahlungspflicht für die Hauptversicherung und die eingeschlossene Zusatzversicherung gem. § 1 Ziff. 1 a) und b) der Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (1.) und zum anderen aus der Feststellung des Fortbestandes der von der Beklagten mit Schreiben vom 25. Januar 2005 wegen arglistiger Täuschung angefochtenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (2.).
1.
a)
Der Wert des auf Rentenleistung und volle Beitragsfreiheit gerichteten Feststellungsinteresses, für dessen Bemessung nach §§ 42 Abs. 2 S. 2, 48 Abs. 1 S. 1 GKG die §§ 3, 9 ZPO maßgebend sind, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJWRR 2005, 259, 260; NJWRR 2001, 316, 317; NJWRR 2000, 1266; NJWRR 1990, 1361) nach dem 3,5fachen Jahresbetrag des monatlichen Rentenbezuges und der monatlichen Prämie, von dem ein Feststellungsabschlag vorzunehmen ist, den der Senat mit 20 % für angemessen erachtet.
b)
Hinzuzurechnen sind gem. § 42 Abs. 5 S. 1 GKG die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge, d. h. der geltend gemachte Rentenrückstand bis zum 22. Juni 2006, wiederum abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 %.
2.
Der Wert eines auf die Feststellung gerichteten Antrages, dass der Versicherungsvertrag trotz des vom Versicherer erklärten Rücktritts oder der von diesem erklärten Anfechtung fortbesteht, bemisst sich gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung. Dieses Interesse wird, auch wenn es unabhängig vom Eintritt eines Versicherungsfalles oder - wie vorliegend - kumulativ neben einer auf Leistung bzw. Feststellung der Zahlungspflicht gerichteten Klage verfolgt wird und sich damit nur auf etwaige künftige Leistungsfälle bezieht, durch die erstrebte Erhaltung der durch den Versicherungsvertrag von vornherein in Höhe und Dauer festgelegten - von einem konkreten Schaden oder Bedarf unabhängigen - Leistungspflicht des Versicherers geprägt, die wirtschaftlichen Auswirkungen also durch den Verlust oder die Sicherung dieses - wenngleich in seiner Entstehung ungewissen - Anspruchs bestimmt. Ebenso wie bei einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens einer Risikolebensversicherung, bei der der Eintritt des Versicherungsfalls zwar ungewiss, die ggf. vom Versicherer zu erbringende Leistung aber bestimmt ist, ist auch das Feststellungsinteresse eines Klägers in der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung unter Rückgriff auf die Bemessung des Werts einer auf Leistung gerichteten Klage, hier also unter Zugrundelegung des 3,5fachen Jahresbetrages der monatlichen Rentenleistung und der monatliche Prämie festzusetzen (vgl. BGH NJWRR 2001, 316, 317; OLGR Hamm 2001, 394). Die für die Wertfestsetzung einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines privaten Krankenversicherungsvertrages geltenden Grundsätze (vgl. BGH NVersZ 2002, 21: 3,5fache Jahresprämie ohne Feststellungsabschlag) sind hingegen auf die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht zu übertragen, weil die Krankenversicherung gerade nicht dadurch geprägt wird, dass die vom Versicherer im Versicherungsfall zu erbringenden Leistungen in ihrer Höhe und Dauer durch den Vertrag von vornherein festgelegt sind (vgl. BGH NJWRR 2001, 316, 317; OLGR Hamm 2001, 394).
Allerdings rechtfertigt es die Ungewissheit des Eintritts des etwaigen künftigen Versicherungsfalls, dieses Interesse geringer als mit 50 % des Wertes einer Leistungsklage zu bemessen (einen solchen Abschlag hält der BGH dann für angemessen, wenn der Eintritt des Versicherungsfalles, mithin der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, zwar behauptet, aber bislang ungeklärt geblieben ist, vgl. BGH NJWRR 2005, 259, 260; NJWRR 2001, 316, 317; NJWRR 1990, 1361). Entsprechend der Bemessung des Interesses einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens einer Risikolebensversicherung auf 20 % der versprochenen Versicherungssumme (vgl. BGH NJWRR 1997, 1562) liefert diese Einstufung auch für den Antrag auf Feststellung des Fortbestandes einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung den Maßstab für eine angemessene Wertfestsetzung (vgl. BGH NJWRR 2001, 316, 317; OLGR Hamm 2001, 394; bei kumulativer Feststellung neben Leistungsantrag auch: OLGR Köln 2006, 62). Der Feststellungsabschlag beläuft sich hier deshalb auf 80 %.