Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.05.1996, Az.: XIV 470/93
Besteuerung des Nutzungswertes der Wohnung eines Land- und Forstwirts; Übergangsweise Fortführung der Nutzungswertbesteuerung bis zum Veranlagungszeitraum 1998; Unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Wohnungen an Dritte; Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers; Gesicherte Rechtsposition; Steuerliche Anerkennung vertraglicher Beziehungen zwischen nahen Angehörigen; Zurechnung zum notwendigen Privatvermögen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 06.05.1996
- Aktenzeichen
- XIV 470/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 18711
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0506.XIV470.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 52 Abs. 15 S. 2-5 u. 9 EStG
- § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG
Fundstelle
- EFG 1997, 290-291 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Entnahme der unentgeltlich überlassenen Wohnung aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung
Gewinnfeststellung 1987, 1988 und 1989
In dem Rechtsstreit
hat der XIV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 6. Mai 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin Hausfrau ...
ehrenamtlicher Richter Dipl.-Ing. ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger waren Gesellschafter der landwirtschaftlichen Betriebsgemeinschaft E. GbR, die durch Gesellschaftsvertrag vom 01.07.1978 von den Eheleuten F. und I. E. einerseits und ihrem Sohn Dr. J. E. andererseits gegründet wurde. Die Eheleute E. überließen der Gesellschaft sämtliche Grundstücke ihres landwirtschaftlichen Betriebes in D., einschließlich aufstehender Gebäude und baulicher Anlagen zur Nutzung. Hierzu gehörte auch das Wohnhaus in D., H. straße 10, das im Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafterin I. E. stand. Das Wohnhaus war dem Gesellschafter Dr. J. E. vor dem 01.01.1987 zur Nutzung überlassen worden. Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Kalenderjahre 1983 bis 1986 vertrat der Beklagte die Auffassung, daß das Wohnhaus einschließlich Grund und Boden zum 31.12.1986 gemäß § 52 Abs. 15 Satz 9 Einkommensteuergesetz (EStG) aus dem Betriebsvermögen auszuscheiden habe. Zur Begründung im einzelnen wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 11.10.1988 Tz. 15-17 Bezug genommen. Abweichend von den Feststellungen der Betriebsprüfung behandelte die GbR das Gebäude weiterhin als Betriebsvermögen. In den Wirtschaftsjahren 1987/88 und 1988/89 wurden größere Reparaturaufwendungen und Abschreibungen für das Gebäude als Betriebsausgaben geltend gemacht. Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Streitjahre wurden diese Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt. Zu den Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 09.10.1992 Tz. 13, 16, 17 und 20 Bezug genommen.
Gegen die entsprechend geänderten Feststellungsbescheide legten die Kläger erfolglos Einspruch ein.
Mit Ihrer Klage tragen die Kläger vor, die landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaft E. GbR sei zum 30.06.1989 aufgelöst und gleichzeitig der gesamte landwirtschaftliche Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Kläger Dr. J. E. übertragen worden. Im Gesellschaftsvertrag sei unter § 7 ausdrücklich vereinbart, daß die Gesellschaft sämtliche Aufwendungen für die zur Nutzung überlassenen Grundstücke und Gebäude trage, d.h. insbesondere die Unterhaltsaufwendungen, Steuern, Abgaben und Lasten. Zinsen und die AfA. Der Nutzungswert der Wohnung sei im Betrag von 5.400 DM als Betriebseinnahme angesetzt worden. Deshalb enthalte der Gewinnanteil der Gesellschafterin I. E. auch eine Vergütung für die Nutzungsüberlassung der Wohnung. Danach sei die Nutzungsüberlassung der Wohnung an den Gesellschafter Dr. J. E. nicht unentgeltlich, sondern entgeltlich erfolgt, so daß gemäß § 52 Abs. 15 Satz 2 EStG die Voraussetzungen für die weitere Nutzungswertbesteuerung auch nach dem 31.12.1986 gegeben seien und § 52 Abs. 15 Satz 9 EStG nicht anzuwenden sei. Die Wohnung bleibe danach auch nach dem 31.12.1986 im Rahmen der Übergangsregelung im Betriebsvermögen mit der Folge, daß die Aufwendungen einschließlich AfA als Betriebsausgaben anzusetzen seien.
Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage, die durch das Wohneigentumsförderungsgesetz vom 15.05.1986 entstanden sei, hätten sich die Gesellschafter veranlaßt gesehen, den Gesellschaftsvertrag durch den Nachtrag vom 10.05.1988 zu ergänzen. Danach nutze der Gesellschafter Dr. J. E. das Wohnhaus gegen ein Entgelt in Höhe des steuerlich anzusetzenden Nutzungswertes der Wohnung. Auf den Inhalt des Nachtrages wird Bezug genommen (Bl. 14 Gerichtsakte). Die von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 16. März 1988 (Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte. Anlage 24 b Ziff. 2) vertretene Auffassung, daß im Rahmen von Gesellschaftsverhältnissen die an einen Nichteigentümer-Gesellschafter überlassene Wohnung als unentgeltlich überlassen angesehen werden müsse, sei nicht haltbar. Vielmehr müßten alle Betriebsleiterwohnungen, unabhängig davon, ob sie durch den Eigentümer, Pächter oder Gesellschafter genutzt würden, unter die Grundregelung des § 52 Abs. 15 EStG fallen. Eine unterschiedliche Behandlung führe zu einer ungleichmäßigen Besteuerung. In Fällen von Pachtverträgen und auch Wirtschaftsüberlassungsverträgen nehme die Verwaltung nach einer Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster vom 02.11.1989 (Felsmann. Anlage 24 c Nr. 4) eine entgeltliche Nutzungsüberlassung der Wohnung an, weil sie diese Verträge offensichtlich als "besondere schuldrechtliche Verträge" ansehe. Es sei nicht einzusehen, aus welchen Gründen ein Gesellschaftsvertrag keine schuldrechtlichen Vereinbarungen hinsichtlich der Wohnung enthalten solle und eine unentgeltliche Überlassung der Wohnung wegen unmittelbarer Verknüpfung mit dem Gesellschaftsvertrag angenommen werden müsse. Bei Gesellschaftsverhältnissen sei grundsätzlich davon auszugehen, daß unterschiedliche Leistungen der einzelnen Gesellschafter für die Gesellschaft bei der Gewinnermittlung berücksichtigt würden. Im vorliegenden Fall müsse deshalb grundsätzlich auch ohne besonderen schuldrechtlichen Vertrag von einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung ausgegangen werden.
Die Kläger beantragen,
die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft wie folgt herabzusetzen:
1987 | 202.094 DM |
---|---|
1988 | 223.930 DM |
1989 | 128.790 DM. |
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Rechtsauffassung fest und verweist zur Begründung im einzelnen auf den Einspruchsbescheid vom 22.07.1993.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die streitige Wohnung ist mit Wirkung vom 31.12.1986 aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden.
Die geltend gemachten größeren Reparaturaufwendungen und Abschreibungen bleiben bei der Gewinnermittlung außer Ansatz.
1.
Nach § 52 Abs. 15 Satz 1 ist § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden. Die Besteuerung des Nutzungswertes der Wohnung des Land- und Forstwirts entfällt danach grundsätzlich mit Wirkung vom 31.12.1986. Die Wohnung und der dazugehörende Grund und Boden sind mit dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung dem notwendigen Privatvermögen zuzurechnen. Die Nutzungswertbesteuerung kann jedoch übergangsweise bis zum Veranlagungszeitraum 1998 unter bestimmten Voraussetzungen fortgeführt werden (§ 52 Abs. 15 Sätze 2-5 EStG). Wird das land- und forstwirtschaftliche Unternehmen in der Rechtsform einer Mitunternehmerschaft geführt, so gelten diese Grundsätze auch für die von den Mitunternehmern selbstbewohnten eigenen Wohnungen.
Die steuerliche Behandlung von Fällen unentgeltlicher Nutzungsüberlassung von Wohnungen an Dritte ist in § 52 Abs. 15 Satz 9 EStG geregelt. Diese Vorschrift unterscheidet danach, ob der Nutzungswert dem Steuerpflichtigen zuzurechnen oder beim Nutzenden zu erfassen war. Für den Fall, daß der Nutzungswert beim Nutzenden anzusetzen war, gilt die Wohnung und der dazugehörende Grund und Boden zum 31.12.1986 als aus dem Betriebsvermögen entnommen (§ 52 Abs. 15 Satz 9 2. Halbsatz EStG).
Gehört im Falle der Mitunternehmerschaft die Wohnung zum Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers, so gelten dieselben Grundsätze wie bei Wohnungen im Betriebsvermögen eines Einzelbetriebes, überläßt der Eigentümer diese Wohnung im Jahre 1986 unentgeltlich einem Dritten (z.B. einem anderen Mitunternehmer) und ist diesem Dritten der Nutzungswert der Wohnung zuzurechnen, so gilt sie nach § 52 Abs. 15 Satz 9 2. Halbsatz zum 31.12.1986 als steuerfrei entnommen (vgl. Märkle/Hiller. Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 6. Auflage, Rd.-Nr. 246; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A 179 n; Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 13 Rd.-Nr. 73, Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 13 Anm. VI 1 und 2).
2.
Danach ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, daß die Wohnung mit Wirkung vom 31.12.1986 aus dem Sonderbetriebsvermögen der Klägerin I. E. ausgeschieden war. Der Kläger Dr. J. E. nutzte die Wohnung im Jahre 1986 unentgeltlich aufgrund einer gesicherten Rechtsposition. Eine gesicherte Rechtsposition ist gegeben, wenn dem Nutzenden der Gebrauch für eine grundsätzlich festgelegte Zeit nicht entzogen werden kann. Hierfür genügt ein schuldrechtliches Nutzungsrecht, das auch durch einen Leihvertrag begründet werden kann. Einer Schriftform bedarf es nicht. Mündliche Vereinbarungen reichen aus (BFH-Uteile vom 20.12.1990 XI R 15/89, BFH/NV 1991, 450; vom 25.10.1988 IX R 132/85, BFH/NV 1989, 295). Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Kläger den landwirtschaftlichen Betrieb gemeinsam bewirtschafteten und der Kläger als zukünftiger Hoferbe an den Betrieb mitverantwortlich gebunden werden sollte, ist davon auszugehen, daß die Überlassung des Hauses einvernehmlich auf Dauer angelegt war und damit die für die Zurechnung des Nutzungswertes erforderliche gesicherte Rechtsposition begründet war.
Der Kläger Dr. J. E. ist auch zutreffend als Dritter im Sinne von § 52 Abs. 15 Satz 9 EStG anzusehen, denn die von ihm genutzte Wohnung gehörte nicht zu seinem, sondern zum Sonderbetriebsvermögen seiner Mutter, der Klägerin I. E. Nicht erforderlich ist, daß die Wohnung an betriebsfremde Personen überlassen sein muß.
Der Kläger Dr. J. E. hat die Wohnung auch unentgeltlich genutzt. Eine schuldrechtliche Vereinbarung im Sinne eines Mietvertrages zwischen der Klägerin I. E. und Dr. J. E. besteht nicht. Der Kläger Dr. J. E. hat auch keine Gegenleistung für die Überlassung der Wohnung erbracht. Eine solche Gegenleistung kann nicht in der Übernahme von Aufwendungen für das Gebäude gesehen werden. Denn nach § 7 des Gesellschaftsvertrages war nicht der Kläger Dr. J. E., sondern die Gesellschaft verpflichtet, sämtliche Aufwendungen für das Gebäude zu tragen. Unabhängig davon könnte die anteilige Übernahme der Grundstücksaufwendungen durch den nutzenden Gesellschafter keine entgeltliche Nutzungsüberlassung begründen, denn damit wäre ein ausgewogener Leistungsaustausch zwischen der Gesellschafterin I. E. und dem Gesellschafter Dr. J. E. nicht gewährleistet, da die Höhe der laufenden Grundstückskosten naturgemäß schwankend ist. Vertragliche Beziehungen zwischen nahen Angehörigen können mit steuerlicher Wirkung nur insoweit anerkannt werden, als sie dem unter Fremden üblichen entsprechen. Fremde Gesellschafter aber hätten die Wohnung nur gegen Zahlung der ortsüblichen Miete an den alleinnutzenden Gesellschafter überlassen.
Auch die steuerliche Erfassung des Nutzungswertes der Wohnung als Privatentnahme des Gesellschafters Dr. J. E. mit der Folge einer Erhöhung des betrieblichen Gewinns, kann die Entgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung der Wohnung nicht begründen. Die steuerliche Erfassung des Nutzungswertes war bereits nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG erforderlich und konnte nach § 52 Abs. 15 Satz 2 EStG bis auf weiteres fortgesetzt werden. Allerdings hat die damit verbundene Erhöhung des betrieblichen Gewinns auch eine Erhöhung des Gewinnanteils der Klägerin I. E. zur Folge. Diese steuerliche Konsequenz reicht für die Annahme einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung aber nicht aus. Denn auch die nur anteilige Gewinnerhöhung stellt sich nicht als ausgewogener Leistungsaustausch zwischen nutzendem und überlassendem Gesellschafter dar. Der Kläger Dr. J. E. hat darüber hinaus keine Zahlungen oder sonstige Leistungen für die Überlassung der Wohnung erbracht.
Danach liegen die Voraussetzungen des § 52 Abs. 15 Satz 9 EStG vor. Das Gebäude ist dem notwendigen Privatvermögen zuzurechnen.
3.
Entgegen der Auffassung der Kläger erfordert der Streitfall keine Gleichstellung mit Nutzungsüberlassungen im Rahmen von Pachtverträgen. Bei derartigen Gestaltungen handelt es sich um entgeltliche Vorgänge, denn der Nutzungsberechtigte hat Gegenleistungen für die Überlassung des landwirtschaftlichen Betriebes zu erbringen. Ein solcher Leistungsaustausch war zwischen den Klägern nicht vereinbart. Ob aus Billigkeitsgründen im Falle von Wirtschaftsüberlassungen eine andere Handhabung gerechtfertigt ist, kann der Senat dahingestellt lassen. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.