Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.04.1996, Az.: XI 479/94

Höhe des Verpflegungsmehraufwands bei möglicher Teilnahme an einer verbilligten Gemeinschaftsverpflegung; Einstufung von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; Gewährung einer unentgeltlichen Verpflegung durch den Arbeitgeber

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.04.1996
Aktenzeichen
XI 479/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 16460
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0417.XI479.94.0A

Fundstelle

  • EFG 1997, 273 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1991 und 1992

Der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 17. April 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Verwaltungsangestellte ...
ehrenamtliche Richterin ... Übersetzerin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1991 vom 07. April 1992 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 08. Juni 1994 und des Einkommensteuerbescheids 1992 vom 18. Mai 1993 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 01. August 1994 sowie des Einspruchsbescheids vom 28. November 1994 wird die Einkommensteuer 1991 auf 10.734,00 DM und die Einkommensteuer 1992 auf 16.042,00 DM herabgesetzt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 40 v.H. und der Beklagte zu 60 v.H. zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Streitwert wird auf 1.840,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe von Verpflegungsmehraufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung.

2

Die Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre 1991 und 1992 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Ihr Familienhausstand befindet sich in O. Der Ehemann erzielt als Berufsoffizier (Oberstleutnant) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seit seiner Versetzung nach O. zum 01. Oktober 1990 führt er einen doppelten Haushalt. In den Streitjahren machte er Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Hierbei setzte er u.a. für jeden Tag des Aufenthaltes am Beschäftigungsort 16,00 DM als Verpflegungsmehraufwand an. Dies entsprach für 1991 einem Betrag von (230 × 16,00 DM =) 3.680,00 DM und für 1992 einem Betrag von (210 × 16,00 DM =) 3.360,00 DM. Mit seinen Einkommensteuerbescheiden vom 07. April 1992 (für 1991) und vom 18. Mai 1993 (für 1992) erkannte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) nur einen Pauschbetrag von 4,00 DM pro Tag an. Er vertrat die Ansicht, daß der Kläger den in Abschn. 43 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. b der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) 1990 vorgesehenen Pauschbetrag nur zu 25 v.H. beanspruchen könne, weil er die Möglichkeit zur Teilnahme an einer verbilligten Gemeinschaftsverpflegung gehabt habe.

3

Außerdem erhöhte das FA für 1992 den bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzusetzenden Mietwert der von den Klägern selbstgenutzten Wohnung auf der Grundlage eines Mietwerts von 9,30 DM pro Quadratmeter von 9.174,00 DM auf 12.276,00 DM.

4

Die dagegen eingelegten Einsprüche wurden von dem FA durch Einspruchsbescheid vom 28. November 1994 als unbegründet zurückgewiesen.

5

Mit der Klage begehren die Kläger den vollen Abzug der geltend gemachten Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand. Sie sind der Ansicht, daß die von dem FA unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 18. Mai 1990 VI R 67/88 (Bundessteuerblatt II 1990, 909) vorgenommene Kürzung der Pauschbeträge auf 25 v. H. der in den Lohnsteuerrichtlinien vorgesehenen Beträge zu Unrecht erfolgt sei. Im Unterschied zu dem Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrundegelegen habe, sei dem Kläger keine Gemeinschaftsverpflegung angeboten worden. Er habe daran lediglich aufgrund eines besonderen Antrages teilnehmen können. Von dieser Möglichkeit habe der Kläger aber so gut wie keinen Gebrauch gemacht, weil er aus dienstlichen Gründen häufig außerhalb von O. tätig gewesen sei und deshalb nicht habe absehen können, ob er zu den festgelegten Essenszeiten an der Gemeinschaftsverpflegung werde teilnehmen können. Hiernach stehe ihm der Pauschbetrag von 16,00 DM pro Tag in voller Höhe zu. Zumindest wären nach dem Urteil des BFH in Bundessteuerblatt II 1990, 909 dem gekürzten Pauschbetrag von 4,00 DM pro Tag Kosten von 5,85 DM pro Tag hinzuzurechnen, die der Kläger bei einer Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung aufzuwenden gehabt hätte.

6

Hinsichtlich des Mietwerts der eigengenutzten Wohnung begehren die Kläger den Ansatz eines Betrages von 8,15 DM pro Quadratmeter monatlich.

7

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1991 vom 07. April 1992 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08. Juni 1994 und des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 18. Mai 1993 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01. August 1994 sowie des Einspruchsbescheides vom 28. November 1994 die Einkommensteuer auf die Beträge herabzusetzen, die sich unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 2.760,00 DM (1991) bzw. 2.520,00 DM (1992) und einer Minderung des Mietwerts der selbstgenutzten Wohnung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 1992 auf 10.758,00 DM ergeben.

8

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen, soweit sie über die von den Klägern begehrte Minderung des Mietwerts der eigengenutzten Wohnung hinauszielt.

9

Er hält an der Auffassung fest, daß die in Abschn. 43 Abs. 8 LStR 1990 vorgesehenen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand nur in Höhe von 25 v.H. berücksichtigt werden könnten. Das Recht des Klägers, auf Antrag an der Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen, sei wie ein entsprechendes Angebot des Arbeitgebers zu werten. Soweit der Kläger aus dienstlichen Gründen außerhalb seines Dienstortes eingesetzt worden sei, sei davon auszugehen, daß ihm der Dienstherr ggfs. Reisekosten steuerfrei ersetzt habe oder er auch während dieser Dienstreisen die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung (z.B. in anderen Kasernen) gehabt habe.

10

Hinsichtlich des Mietwerts der eigengenutzten Wohnung stimmt das FA dem Ansatz des von den Klägern geltend gemachten Betrages von 8,15 DM pro Quadratmeter zu.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im übrigen ist sie nicht begründet,

12

1.

Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers sind für jeden Tag des Aufenthaltes am Beschäftigungsort über die von dem FA anerkannten Pauschbeträge von 4,00 DM hinaus 5,85 DM als Werbungskosten (Verpflegungsmehraufwendungen) abzuziehen. Der von den Klägern begehrte Abzug von 16,00 DM pro Tag kommt nicht in Betracht.

13

Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hinaus alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind (BFH, Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BStBl II 1981, 38). Hierzu gehören auch Verpflegungsmehraufwendungen, die durch eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung entstehen (BFH, Urteile vom 14. August 1981 VI R 115/78, BStBl II 1982, 2, und vom 23. April 1982 VI R 30/80, BStBl II 1982, 50). In den Streitjahren führte der Kläger aus dienstlichen Gründen einen doppelten Haushalt, weil er außerhalb des Ortes (O.), in dem er einen eigenen Hausstand unterhielt, beschäftigt war und auch am Beschäftigungsort (O.) wohnte. Nach Abschn. 43 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. b LStR 1990 können Steuerpflichtige im Fall einer doppelten Haushaltsführung ohne Einzelnachweis einen Pauschbetrag von 16,00 DM je Kalendertag als Verpflegungsmehraufwand abziehen. Diese Pauschbeträge sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch von den Steuergerichten als Tatsachengrundlage zu beachten, solange die Beträge nicht wegen der Eigenart des Einzelfalls zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen (BFH, Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 180/71, BStBl II 1972, 27, sowie in BStBl II 1982, 50). Der Streitfall stellt eine solche Ausnahme dar. Der Kläger hatte die Möglichkeit, aufgrund eines entsprechenden Antrages an der von seinem Arbeitgeber bereitgestellten Gemeinschaftsverpflegung für Frühstück, Mittag- und Abendessen teilzunehmen. Daß der Kläger dienstrechtlich nicht dazu verpflichtet war, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, und sie nach eigener Darstellung tatsächlich auch nur in sehr geringem Umfang wahrgenommen hat, ist für die Beurteilung des Streitfalles ohne Bedeutung. Wie der BFH in seinem Urteil in Bundessteuerblatt II 1990, 909 ausgeführt hat, ist der Ansatz der ungekürzten Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand bereits dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung angeboten, d.h. ihm die Möglichkeit hierzu eingeräumt hat. Davon ist auch dann auszugehen, wenn die tatsächliche Wahrnehmung dieses Angebots formal noch von der Stellung eines darauf gerichteten Antrages abhängig ist. Auch in diesem Fall spricht die Lebenserfahrung dafür, daß der Arbeitnehmer die ihm zur Verfügung gestellte Möglichkeit, sich am Beschäftigungsort unentgeltlich oder verbilligt zu verpflegen, tatsächlich wahrnimmt. Da es der Finanzverwaltung und den Steuergerichten in der Regel unmöglich ist, hinreichend zu klären, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Steuerpflichtige die Gemeinschaftsverpflegung tatsächlich genutzt hat, genügt es für die Inanspruchnahme der vollen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand auch nicht, daß er geltend macht, aus besonderen Gründen - z.B. dienstlich bedingter Abwesenheit vom Beschäftigungsort - an einer kostenlosen Gemeinschaftsverpflegung nicht teilgenommen zu haben (BFH-Urteil in BStBl II 1990, 909, 912).

14

Auch bei der Gewährung einer unentgeltlichen Verpflegung durch den Arbeitgeber stehen dem Arbeitnehmer nach Abschn. 43 Abs. 8 Satz 2 i.V.m. Abschn. 39 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 LStR 1990 jedoch zumindest 25 vom Hundert des in Betracht kommenden Pauschbetrages zu. Soweit der Steuerpflichtige eigene Aufwendungen für die ihm angebotene Gemeinschaftsverpflegung zu tragen hat, sind diese dem gekürzten Pauschbetrag aus Gründen der Gleichbehandlung hinzuzurechnen. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Richtliniengeber mit dem gekürzten Pauschbetrag auch die teilweise Entgeltlichkeit der dargebotenen Verpflegung mit abgegolten hat (BFH-Urteil in BStBl II 1990, 909, 912 f.),

15

Nach der glaubhaften und von dem FA nicht bestrittenden Darstellung des Klägers belief sich der von ihm für die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung aufzuwendende Betrag auf 5,85 DM pro Tag. Hiernach sind die von dem FA bereits berücksichtigten Verpflegungsmehraufwendungen um folgende Beträge zu erhöhen:

  1. 1991

    230 Tage × 5,85 DM/Tag = 1.345,50 DM

  2. 1992

    210 Tage × 5,85 DM/Tag = 1.228,50 DM.

16

2.

Der Mietwert der eigengenutzten Wohnung ist - wie zwischen den Beteiligten nunmehr unstreitig ist - für 1992 mit 8,15 DM pro Quadratmeter monatlich anzusetzen. Bei einer Wohnungsgröße von 110 qm errechnet sich hieraus ein Mietwert von:

17

110 qm × 8,15 DM/qm × 12 = 10.758,00 DM.

18

3.

Die Einkommensteuer für die Streitjahre berechnet sich danach wie folgt:

19

1991

Zu versteuerndes Einkommen (Z.v.E.) laut angefochtenem Bescheid61.437,00 DM
ab höhere Verpflegungsmehraufwendungen1.345,50 DM
Z.v.E. laut Urteil60.091,00 DM
Steuer laut Splittingtabelle10.734,00 DM
20

1992

Z.v.E. laut angefochtenem Bescheid82.371,00 DM
ab höhere Verpflegungsmehraufwendungen1.228,50 DM
niedrigerer Mietwert der selbstgenutzten Wohnung 12.276,00 DM ./. 10.758,00 DM1.518,00 DM
Z.v.E. laut Urteil79.624,00 DM
Steuer laut Splittingtabelle16.042,00 DM.
21

Auf diese Beträge war die Einkommensteuer herabzusetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im übrigen war die Klage abzuweisen.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 155 FGO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 1.840,00 DM festgesetzt.