Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.04.1996, Az.: XI 164/94

Anspruch auf Abänderung eines Nachforderungsbescheides; Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; Lohnsteuerpflichtigkeit von an Zeitungsausträger gezahlten Prämien für die Anwerbung neuer Abonnenten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.04.1996
Aktenzeichen
XI 164/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 16459
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0417.XI164.94.0A

Fundstellen

  • DStRE 1997, 18-20 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 1996, 822-823 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Lohnsteuer-Pauschalierung 1985-1987

Der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 17. April 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht Wilcke
Richterin am Finanzgericht Dr. Sassenberg-Walter
Richter am Finanzgericht Dr. Horn
ehrenamtliche Richterin Verw.-Angestellte Rüthemann
ehrenamtliche Richterin Übersetzerin Siegmann
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung des Nachforderungsbescheides vom 5. April 1988 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom 10. März 1994 wird die Lohnsteuer auf 50.327,06 DM herabgesetzt.

Die Kosten hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der der Klägerin zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob an Zeitungsausträger gezahlte Prämien für die Anwerbung neuer Abonnenten als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Lohnsteuer unterliegen.

2

Die Klägerin betreibt in Osnabrück ein Verlagsunternehmen. Dieses vertreibt u.a. eine Tageszeitung. Für die Anwerbung neuer Abonnenten erhalten die Zeitungsausträger Barprämien, deren Höhe sich im Streitzeitraum 1985 bis 1987 zunächst auf 30,- DM, später auf 35,- DM pro Abonnement belief. Darüber hinaus nahm jeder erfolgreiche Werber an zweimal im Jahr stattfindenden Gewinnauslosungen teil. In ihrer Mitarbeiterzeitschrift rief die Klägerin die Zeitungsausträger im Streitzeitraum wiederholt dazu auf, sich um die Ausweitung des Abonnentenkreises zu bemühen. Insgesamt zahlte sie im Streitzeitraum Werbeprämien in Höhe von 121.068,- DM an ihre Zusteller aus. Dem Lohnsteuerabzug unterwarf sie diese Zahlungen nicht.

3

Im Anschluß an eine Lohnsteueraußenprüfung, die in der Zeit zwischen dem 29. Februar 1988 und dem 13. April 1988 stattfand und sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Dezember 1987 erstreckte, vertrat der Prüfer die Ansicht, daß es sich bei den ausgezahlten Werbeprämien um lohnsteuerpflichtige Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit handele. Die darauf entfallende Lohnsteuer wurde von ihm für kurzfristig Beschäftigte mit einem Pauschsteuersatz von 10 v.H. (§ 40a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), für die übrigen Arbeitnehmer an Hand eines durchschnittlichen (Netto-)Steuersatzes von 28,2 v.H. (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG) ermittelt. Insgesamt ergab sich hierdurch eine Lohnsteuernachforderung in Höhe von 19.564,79 DM. Wegen der Ermittlung dieses Betrages im einzelnen wird auf die Nummern 10 bis 13 der Anlage 2 zum Prüfungsbericht vom 13. April 1988 (Bl. 158 u. 159 der Lohnsteuerarbeitgeberakte zu Steuernummer 204/00209) Bezug genommen. Durch einen Pauschalierungsbescheid, der das Datum des 5. April 1988 trägt, offenbar aber erst am 5. Mai 1988 zur Post gegeben wurde, setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) diesen Betrag sowie weitere - hier nicht streitige Beträge - gegen die Klägerin fest.

4

Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, daß die von ihr gezahlten Werbeprämien nicht als Arbeitslohn anzusehen seien. Sie würden für eine Nebentätigkeit bezahlt, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der von den Arbeitnehmern ausgeübten Haupttätigkeit stehe. Die Zeitungsausträger seien weder rechtlich noch faktisch zu einer Werbetätigkeit verpflichtet. Nach einer von ihr - der Klägerin - im Jahre 1994 angestellten Erhebung hätten in diesem Zeitraum nur 32,75 % der Zusteller neue Abonnenten geworben. Außerdem sei die Nebentätigkeit ihrer Art nach von der Haupttätigkeit verschieden und werde auch unter andersartigen organisatorischen Bedingungen ausgeübt. Während das Austragen der Zeitung eine rein mechanische Tätigkeit darstelle, erfordere die Werbetätigkeit Verkaufstalent und Überzeugungsvermögen. Sie werde in der Regel auch nicht in den frühen Morgenstunden, sondern außerhalb der normalen Austragungszeiten und nicht unter Aufsicht und Weisungsbefugnis des Arbeitgebers ausgeübt.

5

Der Umstand, daß die Zusteller fast ausschließlich in ihrem eigenen Zustellbezirk werbend tätig seien und gezielt solche Haushalte ansprächen, die noch nicht regelmäßige Bezieher der Zeitung seien, sei für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Der für die Qualifikation als Arbeitslohn erforderliche unmittelbare Zusammenhang mit der Haupttätigkeit werde nicht bereits dadurch hergestellt, daß der Arbeitnehmer im Rahmen der Nebentätigkeit Fähigkeiten und Kenntnisse nutze, die er bei seiner unselbständigen Tätigkeit erworben habe. Ebenso unbeachtlich sei, daß den Werbebemühungen häufig die Verteilung kostenfreier Probeexemplare vorausgehe. Hierbei handele es sich um eine Werbemaßnahme des Verlages, die unabhängig davon erfolge, ob ein Werbegespräch vorbereitet werden solle oder nicht. Die Leistung, die dem Zusteller durch die Werbeprämie vergütet werde, sei die Vermittlung eines neuen Abonnements, die in aller Regel zusätzliche Tätigkeiten in Form eines Verkaufsgespräches mit den Kunden voraussetze.

6

Schließlich werde der unmittelbare Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebentätigkeit auch nicht dadurch hergestellt, daß erfolgreiche Werbebemühungen zugleich die laufende Vergütung für die Zustelltätigkeit erhöhten. Hierdurch werde nicht ein weiteres Mal die werbende Tätigkeit vergütet, sondern der zusätzliche Arbeitseinsatz, der sich durch das Austragen eines weiteren Exemplares ergebe. Diese zusätzliche Vergütung sei unabhängig davon, ob zuvor eine erfolgreiche Werbung seitens des Austrägers stattgefunden habe oder nicht.

7

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Nachforderungsbescheides vom 5.4.1988 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom 10.3.1994 die Lohnsteuer um 19.564,79 DM herabzusetzen.

8

hilfsweise:

Zulassung der Revision.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

10

hilfsweise:

Zulassung der Revision.

11

Er hält an der Auffassung fest, daß die Werbetätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zustelltätigkeit steht und die daraus erzielten Einnahmen daher als Arbeitslohn dem Lohnsteuerabzug unterliegen.

12

Zwar seien die Austräger aufgrund ihres Arbeitsvertrages nicht verpflichtet, Werbeanstrengungen zu unternehmen. Abgesehen davon, daß die Klägerin sie nachhaltig dazu anhalte, sich um eine Erweiterung des Abonnentenkreises zu bemühen, sei dieser Umstand für die rechtliche Beurteilung aber unerheblich. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) komme es entscheidend darauf an, ob die Nebentätigkeit in einem unmittelbaren funktionalen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit stehe. Dieser liege im Streitfall in geradezu idealtypischer Weise vor. Die Zusteller würden fast ausschließlich in ihrem eigenen Zustellbezirk werbend tätig. Sie könnten bereits beim morgendlichen Austragen der Zeitungen ohne nennenswerten zusätzlichen Arbeitsaufwand Nichtabonnenten kostenfreie Probeexemplare zustellen und so die Führung von Verkaufsgesprächen vorbereiten. Der Einwand der Klägerin, die Probeexemplare seien als Werbemaßnahme des Verlages auch dann zu verteilen, wenn keine Werbegespräche beabsichtigt seien, führe zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Zusteller Werbeanstrengungen unternähmen, sei nämlich offensichtlich, daß diese Tätigkeit durch die Verteilung der Probeexemplare gefördert werde. Daß ihre Verteilung Bestandteil der Haupttätigkeit sei, unterstreiche deshalb geradezu den Zusammenhang zwischen der Zustell- und der Werbetätigkeit.

13

Außerdem werde der Zusteller bei seinen Werbeanstrengungen die Rückwirkungen auf die Zustelltätigkeit berücksichtigen. Einerseits führe zwar jede erfolgreiche Werbung neuer Leser im Zustellungsbezirk zu höheren Einnahmen aus der Haupttätigkeit. Andererseits sei zu bedenken, daß die Verteilung der Zeitungen an die einzelnen Leser je nach den örtlichen Verhältnissen einen unterschiedlich hohen Arbeitsaufwand erfordere. Der Zusteller werde daher in jedem Einzelfall abwägen, ob die Werbung eines neuen Abonnenten im Hinblick auf seine Haupttätigkeit in seinem Interesse liege. Hierbei werde er auch berücksichtigen, ob er seine Haupttätigkeit überhaupt ausweiten bzw. einer Einschränkung entgegenwirken wolle und ob ggfs. eine zu starke Ausweitung des Abonnentenkreises den Arbeitgeber zu einer Verkleinerung des Zustellbezirkes veranlassen könnte, die nicht in seinem Interesse liege.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist begründet. Die Prämien, die die Klägerin an ihre Zusteller für die Anwerbung neuer Abonennten gezahlt hat, stellen keinen Arbeitslohn dar, so daß das FA darauf zu Unrecht gem. §§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 40 a Abs. 1 EStG Pauschallohnsteuer festgesetzt hat.

15

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Angestellte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet (§ 1 Abs. 2 Satz 1 LStDV). Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV). In einem solchen Abhängigkeitsverhältnis standen die Zusteller bei der Anwerbung neuer Abonnenten nicht. Es oblag allein ihrer Entscheidung, ob, in welchem Umfang, zu welcher Zeit und gegenüber wem sie derartige Aktivitäten entfalteten. Sie handelten dabei auch auf eigene Rechnung, weil es ausschließlich von dem Erfolg ihrer Werbeanstrengungen abhing, ob und inwieweit diese zu zusätzlichen Einnahmen führten.

16

Der Umstand, daß die Zusteller als solche eine nichtselbständige Tätigkeit für die Klägerin ausübten, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Übt ein Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit aus, so ist die Frage, zu welcher Einkunftsart die Einkünfte hieraus zu rechnen sind, grundsätzlich unabhängig von der Art der Haupteinkünfte zu beurteilen (ständige Rechtsprechung des BFH: Urteile vom 24. November 1961 VI 183/59 S, Bundessteuerblatt - BStBl. - III 1962, 37; vom 5. Februar 1965 VI 320/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 373; vom 25. November 1971 IV R 126/70, BStBl. II 1972, 212; vom 4. Dezember 1975 IV R 162/72, BStBl. II 1976, 291; vom 4. Oktober 1984 IV R 131/82, BStBl. II 1985, 51; und vom 29. Januar 1987 IV R 189/85, BStBl. II 1987, 783). Eine Ausnahme von dieser getrennten Betrachtungsweise ist nur für den Fall zu machen, daß die Einkünfte aus der Nebentätigkeit ebenfalls vom Arbeitgeber der Haupttätigkeit stammen und beide Tätigkeiten unmittelbar zusammenhängen. Dies ist der Fall, wenn beide Tätigkeiten gleichartig sind und die Nebentätigkeit unter ähnlichen organisatorischen Bedingungen ausgeübt wird wie die Haupttätigkeit (vgl. BFH, Urteile vom 8. Februar 1972 VI R 7/69, BStBl. II 1972, 460, und in BStBl. II 1976, 291) oder wenn der Steuerpflichtige mit der Nebentätigkeit ihm aus seinem Dienstverhältnis - faktisch oder rechtlich - obliegende Nebenpflichten erfüllt (BFH-Urteil in BStBl. II 1972, 212).

17

Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebentätigkeit besteht bei den Zeitungsausträgern der Klägerin nicht. Zustell- und Werbetätigkeit sind nach ihrer Art und nach den organisatorischen Bedingungen, unter denen sie ausgeübt werden, grundverschieden. Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es sich bei dem morgendlichen Austragen der Zeitungen um eine rein mechanische Tätigkeit handelt, die von den Zustellern zu den von der Klägerin festgelegten Zeiten und in den ihnen zugewiesenen Zustellbezirken ausgeübt wird. Demgegenüber erfordert die Anwerbung neuer Abonnenten in erster Linie Verkaufstalent und Überzeugungsvermögen, über das nur ein Teil der Zusteller verfügt, und findet in der Regel außerhalb der normalen Austragungszeiten statt.

18

Auch der Umstand, daß die Klägerin ihre Zusteller im Streitzeitraum durch Aufrufe in ihrer Mitarbeiterzeitschrift wiederholt dazu aufgefordert hat, sich um die Anwerbung neuer Abonnenten zu bemühen, und durch halbjährlich stattfindende Preisverlosungen unter erfolgreichen Werbern einen zusätzlichen Anreiz hierfür zu schaffen versucht hat, ist nicht geeignet, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Zustell- und Werbetätigkeit zu begründen. Anders hätte es sich nur verhalten, wenn sich die Zusteller den Aufrufen der Klägerin praktisch nicht hätten entziehen können und damit für sie eine zumindest faktische Verpflichtung zur Anwerbung zusätzlicher Abonnenten bestanden hätte. So lagen die Dinge im Streitfall aber nicht. Nach einer von der Klägerin für das Jahr 1994 angestellten Erhebung waren überhaupt nur 32,75 v.H. der Zusteller auch als Abonnentenwerber tätig. Dies und der Umstand, daß die erfolgreiche Führung von Werbegesprächen Gaben voraussetzt, über die nicht jeder Zusteller verfügt, lassen darauf schließen, daß es die Klägerin zwar begrüßte, wenn sich die Austräger um eine Erweiterung des Abonnentenkreises bemühten, dies jedoch nicht auf Grund einer sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Nebenpflicht von ihnen erwartete.

19

Ebensowenig läßt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebentätigkeit daraus herleiten, daß die Zusteller nahezu ausschließlich in ihrem jeweiligen Zustellbezirk als Werber tätig wurden und dabei gezielt diejenigen Haushalte ansprachen, von denen sie aus ihrer Zustelltätigkeit wußten, daß sie noch nicht regelmäßige Bezieher der Zeitung waren. Der Umstand, daß der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Nebentätigkeit Fähigkeiten und Kenntnisse verwertet, die er bei seiner nichtselbständigen Tätigkeit erworben hat, reicht nicht aus, um diese zu einem Bestandteil der Haupttätigkeit zu machen (BFH-Urteile in BStBl. II 1972, 212, und BStBl. II 1980, 321). Unerheblich ist auch, daß die Klägerin ihren Austrägern auf Anforderung kostenfreie Probeexemplare zur Verfügung stellte, die diese zur Vorbereitung und Förderung von Werbegesprächen an potentielle Interessenten verteilen konnten. Die Verteilung dieser Probeexemplare stand als solche zwar in unmittelbarem Zusammenhang mit der von den Zustellern ausgeübten Haupttätigkeit, hatte im Hinblick auf die Anwerbung des neuen Abonnenten aber nur vorbereitenden Charakter. Die Werbeprämie stand dem Zusteller nämlich nur dann zu, wenn er das Abonnement persönlich vermittelte, nicht hingegen, wenn der neue Abonnent - und sei es auch unter dem Eindruck der erfolgten Probelieferung - die Zeitung unmittelbar bei dem Verlag bestellte.

20

Schließlich ergibt sich - entgegen der Ansicht des FA - ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Zustell- und Werbetätigkeit auch nicht daraus, daß die erfolgreiche Werbung neuer Abonnenten zugleich Rückwirkungen auf die Haupttätigkeit des Zustellers hat. Soweit der neue Abonnent im Zustellbezirk des Werbers ansässig ist, trägt die erfolgreiche Werbung zwar auch zu einer Erhöhung des laufenden Zustellerlohns bei. Die Klägerin hat aber zu Recht darauf hingewiesen, daß es sich hierbei nicht um eine zusätzliche Vergütung für den Werbeerfolg, sondern um die Gegenleistung für den mit dem Austragen eines weiteren Exemplares verbundenen zusätzlichen Arbeitseinsatz handelt, die unabhängig davon erfolgt, ob eine Werbung seitens des Zustellers vorangegangen ist oder nicht. Ebenso unerheblich ist, daß - wie das FA erwogen hat einzelne Zusteller gerade mit Rücksicht auf die Haupttätigkeit von einer Anwerbung neuer Abonnenten absehen könnten, weil sie bei einer zu starken Erweiterung der Abonnentenzahl mit einer Teilung ihres Zustellbezirks und in der Folge mit einer Verminderung ihrer Einkünfte aus der Haupttätigkeit rechnen müßten. Abgesehen davon, daß diese Erwägung bereits der tatsächlichen Grundlage entbehrt, weil die absolute Zahl der von Zustellern angeworbenen Abonnenten - aus dem Gesamtbetrag der im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung ermittelten Prämien ergibt sich eine Zahl von etwa 1200 pro Jahr - nicht so groß ist, daß der erfolgreich werbende Zusteller ernsthaft mit den von dem FA beschriebenen Konsequenzen rechnen müßte, kann der unmittelbare Zusammenhang zwischen einer von dem Arbeitnehmer ausgeübten Nebentätigkeit und seiner Haupttätigkeit nicht mit Erwägungen begründet werden, die sich allein auf den Fall beziehen, daß der Arbeitnehmer mit Rücksicht auf die Haupttätigkeit von der Ausübung der Nebentätigkeit absieht.

21

Hiernach war die Pauschalierungsschuld wie folgt herabzusetzen:

Lohnsteuer lt. angefochtenem
Bescheid69.891,85 DM
Lohnsteuer auf Werbeprämien./.19.564,79 DM
verbleibende Lohnsteuer50.327,06 DM.
22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 u. 3 FGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, ob an Zeitungsausträger gezahlte Werbeprämien Arbeitslohn sind, hat grundsätzliche Bedeutung.