Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.04.1996, Az.: XV 42/93
Umfang der Besteuerung bar ausgezahlter Überschuss-Anteile aus einer Versicherung; Wahlrecht nach Beginn der Rentenauszahlung; Barauszahlung der Überschussanteile oder Verwendung des Geldbetrages zur Rentenerhöhung ; Überschussanteile als wiederkehrende Bezüge; Überschuss-Anteile als Rentenzahlungen, die auf dem einheitlichen Stammrecht beruhen; Unterscheidung zwischen der Zahlung eines Einmalbetrages an den Versicherer und laufenden Beitragszahlungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.04.1996
- Aktenzeichen
- XV 42/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 16457
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0416.XV42.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG
- § 22 Nr. 1 a EStG
Fundstelle
- EFG 1996, 978-979 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1989
Amtlicher Leitsatz
Im Rahmen eines Versicherungsvertrages gegen Einmalzahlung an den Versicherungsnehmer neben Rentenzahlungen zusätzlich, jährlich ausgekehrte Überschußanteile sind als wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG in voller Höhe und nicht nur mit dem Ertragsanteil steuerbar.
In dem Rechtsstreit
hat der XV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 16. April 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
- 2.
Der Streitwert für das Klageverfahren beträgt 2.324 DM.
Tatbestand
Streitig ist der Umfang der Besteuerung bar ausgezahlter Überschuß-Anteile aus einer Versicherung.
Die Klägerin schloß im Oktober 1988 mit der G. Lebensversicherung einen Versicherungsvertrag folgenden Inhalts:
Gegen Zahlung eines Einmalbetrages über 240.000 DM sollten zum einen - beginnend ab 1. Oktober 1989 - an die Klägerin vierteljährliche Rentenzahlungen in Höhe von 3.696,85 DM erfolgen. Zum anderen sollten die der Klägerin aus dieser Versicherung zustehenden Überschuß-Anteile bis zum Beginn der Rentenzahlung bar ausgezahlt werden. Nach Beginn der Rentenzahlung stand der Klägerin insoweit ein Wahlrecht zu, nach dem die Überschußanteile weiterhin bar ausgezahlt oder aber zur Rentenerhöhung verwandt werden konnten. Zu den Überschuß-Anteilen heißt es im Versicherungsschein:
"Die Überschuß-Anteile, die sich für den Anspruchsberechtigten aus der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehenen Überschußbeteiligung ergeben, hängen in ihrer Höhe vor allem von den Kapitalerträgen, aber auch vom Verlauf der Sterblichkeit und von der Entwicklung der Kosten ab. Die Höhe der Überschuß-Anteile, die von Jahr zu Jahr ermittelt und zugesagt werden, kann sich daher ändern. Verbindliche Angaben über die Höhe der künftigen Überschußbeteiligung sind nicht möglich."
Zur Versicherungsleistung enthält der Versicherungsschein u.a. folgende Angaben:
"Beim Tode des Versicherten erlischt die Versicherung. Dann wird der gezahlte Einmalbeitrag zurückgegeben. Von Ihm werden die Renten abgezogen, die wir bereits geleistet haben. Außerdem wird ein etwa vorhandenes Guthaben verzinslich angesammelter Überschuß-Anteile ausgezahlt."
Wegen des weitergehenden Inhalts des Versicherungsscheins der G. Lebensversicherung wird auf Bl. 14 und 30 f der Gerichtsakte Bezug genommen.
In 1989 leistete die G. Lebensversicherung an die Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember eine Rentenzahlung über 3.696,85 DM. Daneben gelangten Überschuß-Anteile für die Jahre 1988 und 1989 in Höhe von insgesamt 11.581,50 DM an die Klägerin zur Auszahlung.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1989 gab die Klägerin betreffend die Leistungen der G. Lebensversicherung lediglich die Rentenzahlung über 3.696,85 DM mit einem Ertragsanteil von 27 v.H. als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) an. Demgegenüber brachte das beklagte Finanzamt (FA) in dem nach einer Außenprüfung bei der Klägerin ergangenen Einkommensteuerbescheid 1989 vom 12. August 1991 neben der erklärten Rentenzahlung mit einem Ertragsanteil von 27 v.H. die bar ausgezahlten Überschuß-Anteile als andere wiederkehrende Bezüge in voller Höhe mit 11.581 DM in Ansatz.
Den hiergegen von der Klägerin mit Schreiben vom 2. September 1991 eingelegten Einspruch wies das beklagte FA unter Erweiterung des Vorläufigkeitsvermerks im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden bzw. andere gerichtliche Verfahren gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) mit Einspruchsbescheid vom 4. Januar 1993 als unbegründet zurück. Die an die Klägerin ausgezahlte Überschußbeteiligung sei in voller Höhe steuerpflichtig. Insoweit handele es sich nicht um eine Rückzahlung von Beiträgen, sondern um eine zusätzliche Leistung neben der Rente aus dem Versicherungsvertrag mit der Folge, daß beide Leistungen steuerlich unterschiedlich zu würdigen seien. Die neben der Rente einmal Jährlich ausbezahlten, in ihrer Höhe schwankenden Überschuß-Anteile stellten begrifflich wiederkehrende Bezüge dar, die in voller Höhe nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG der Besteuerung zu unterwerfen seien. Im Gegensatz zur Leibrente brauchten die sonstigen wiederkehrenden Bezüge nicht stets in derselben Höhe geleistet zu werden. Nur wenn im Versicherungsschein von vornherein eine Jährliche zahlen- und wertmäßig gleichbleibende Leistung vereinbart worden wäre, wäre lediglich eine Besteuerung der Überschuß-Anteile mit dem Ertragsanteil in Betracht gekommen. Da die Überschußbeteiligung Jedoch vom Gewinn als einer schwankenden Größe abhänge, erfülle sie nicht das für eine Leibrente wesentliche Erfordernis der Gleichmäßigkeit.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 5. Februar 1993 form- und fristgerecht gegen den vorerwähnten Einspruchsbescheid Klage erhoben.
Nach ihrer Ansicht handelt es sich bei den Zuschlägen aus Überschuß-Anteilen um Rentenzahlungen, die auf dem einheitlichen Stammrecht (Rentenrecht) beruhten und als dessen Früchte nach § 22 Nr. 1 a EStG zu besteuern seien.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 12. August 1991 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 4. Januar 1993 die Einkommensteuer 1989 soweit herabzusetzen, wie sie sich mindert, wenn die von ihr bezogenen Überschuß-Anteile in Höhe von 11.581 DM lediglich mit dem Ertragsanteil (27 v.H.) zur Einkommensteuer herangezogen werden;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das beklagte FA beantragt unter Hinweis auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen ihres weiteren Vorbringens wird auf die Gerichtsakte sowie die Einkommensteuerakte der Klägerin einschließlich der Bp.-Arbeitsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
I.
Das beklagte FA hat im Streitfall zu Recht die für die Jahre 1988 und 1989 an die Klägerin in 1989 von der G. Lebensversicherung ausgezahlten Überschuß-Anteile über 11.581,50 DM in voller Höhe - und nicht lediglich in Höhe des Ertragsanteils entsprechend der gleichfalls zur Auszahlung gelangten Rentenbeträge - der Einkommensteuer unterworfen. Denn die im Rahmen eines gegen Einmal Zahlung abgeschlossenen Versicherungsvertrages an den Versicherungsnehmer - hier die Klägerin - vom Versicherer neben den zugesagten Rentenzahlungen vertragsgemäß bar ausgekehrten Überschuß-Anteile sind als wiederkehrende Bezüge nach Maßgabe des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG einkommensteuerbar.
Sonstige Einkünfte sind nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkünften gehören.
1.
Die Überschuß-Anteile unterfallen im Streitfall insbesondere nicht den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG). Denn es handelt sich hierbei weder um außer rechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) noch um Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. So fehlt es im Streitfall zum einen an laufenden Beitragszahlungen der Klägerin, da diese an den Versicherer eine Einmal zahlung in Höhe von 240.000 DM erbracht hat. Zum anderen ist Insoweit kein bestimmtes Entgelt als Jährlich zu zahlender Überschuß-Anteil bzw. die Rückzahlung des hingegebenen Kapitals (in ungekürzter Höhe) zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbart worden (vgl. Blümich-Stuhrmann, Kommentar zum EStG, Rz. 293 zu § 20 EStG). Sowohl die Höhe der Überschuß-Anteile als auch die Höhe des ggf. an die Klägerin zurückzuzahlenden Kapitals sowie der Zeitpunkt waren im Streitfall nach den vertraglichen Bestimmungen ungewiß.
2.
Wiederkehrende Bezüge liegen vor, wenn Einnahmen in Geld oder Geldeswert aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen Rechtsgrundes wiederholt mit einer gewissen Regelmäßigkeit erbracht werden (vgl. Schmidt-Heinrich, Kommentar zum EStG, 14. Aufl. (1995), Rz. 6 ff zu § 22; Blümich-Stuhrmann, a.a.O., Rz. 24 zu § 22 EStG). Dies trifft auf die vom Versicherer im Streitfall bar ausgezahlten Überschuß-Anteile zu.
a)
Das Versicherungsunternehmen verpflichtete sich in dem mit der Klägerin geschlossenen Versicherungsvertrag neben vierteljährlichen Rentenzahlungen zur Jährlichen Auszahlung von Überschuß-Anteilen, die der Höhe nach allerdings Schwankungen unterworfen sein konnten, in bar bzw. nach Wahl des Versicherungsnehmers zur Verwendung dieser Überschuß-Anteile für eine Rentenerhöhung ("Zusatzrente, Bonus"; vgl. Bl. 30 f der Gerichtsakte). Als Ausgangswert für die Ermittlung der Überschuß-Anteile diente, hierbei der von der Klägerin hingegebene einmalige "Einlösungsbeitrag" in Höhe von 240.000 DM.
Daß insoweit wiederholte und damit wiederkehrende Zahlungen erfolgten, ist zwischen den Beteiligten unstreitig, so daß sich hierzu weitere Ausführungen erübrigen.
b)
Bei den bar ausgezahlten Überschuß-Anteilen handelt es sich im Streitfall nicht um Renten, sondern um sonstige wiederkehrende Bezüge. Der Annahme von Rentenzahlungen steht bereits entgegen, daß die bar ausgezahlten Überschuß-Anteile - im Gegensatz zu einer Rente - gerade nicht in gleichbleibender Höhe, sondern - worauf im Versicherungsvertrag ausdrücklich hingewiesen wird - in Abhängigkeit Ungewisser und schwankender Größen wie Kapitalerträge, Verlauf der Sterblichkeit, Entwicklung der Kosten etc. festgesetzt werden und zur Auszahlung gelangten bzw. gelangen sollten.
Es kann unentschieden bleiben, ob etwas anderes - Vorliegen der Voraussetzungen einer Rente - in den Fällen zu gelten hat, in denen der Versicherungsnehmer von seinem Wahlrecht hinsichtlich der Verwendung der Überschuß-Anteile in der Weise Gebrauch macht, daß er sich gegen die Barauszahlung und für eine Rentenerhöhung im Sinne einer Zusatzrente bzw. eines Bonus entscheidet. Denn diese Fallkonstellation ist im Streitfall nicht gegeben.
Im übrigen erscheint es wegen der insoweit unterschiedlichen Ausgangslagen - einerseits sofortige Barauszahlung der Überschuß-Anteile an den Versicherungsnehmer in voller Höhe sowie andererseits Einbehaltung der Überschuß-Anteile, um sie für eine sukzessive Rentenerhöhung zu verwenden - auch nicht zwingend, die sich aus der Ausübung der beiden Wahlrechte ergebenden Folgen einkommensteuerlich gleich zu behandeln.
3.
Mit der Anwendung der Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG auf die an die Klägerin bar ausgezahlten Überschuß-Anteile der von Ihr gegen Zahlung eines Einmalbetrages abgeschlossenen Versicherung bewegt sich das Gericht auch im Rahmen der normativen Grundaussagen des § 2 Abs. 1 EStG. Diese Vorschrift gestaltet das Objekt "Einkommen" in der Weise aus, daß die Erwerbsgrundlage unvermindert erhalten bleibt; erfaßt wird von der Einkommensteuer grundsätzlich nur ein "erzielter" Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 X R 106/92, BFH/NV 1995, 1050 (1051) m.w.N.).
Denn bei den hier streitigen Zahlungen handelt es sich nicht um die ganz oder teilweise Rückgewähr des von der Klägerin der Versicherungsgesellschaft in einer Summe hingegebenen Betrags von 240.000 DM, sondern letztlich - wirtschaftlich betrachtet - um eine Gegenleistung für das dem Versicherer zur Nutzung überlassene Kapital. Dies zeigt sich auch daran, daß von dem im Falle des Todes des Versicherungsnehmers zurückzuzahlenden Einmalbetrag nur die bereits geleisteten Rentenzahlungen, nicht aber die ausgezahlten Überschuß-Anteile in Abzug gebracht werden (vgl. Abs. 2 der Klausel "Versicherungsleistung", Bl. 31 der Gerichtsakte).
II.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Zu 1.) Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.
Zu 2.) Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 FGO).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für das Klageverfahren beträgt 2.324 DM.