Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 12.11.2007, Az.: 5 AR 41/07
Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts; Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 12.11.2007
- Aktenzeichen
- 5 AR 41/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 45457
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2007:1112.5AR41.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cloppenburg - 19.01.2007 - AZ: 9 IN 190/06
- AG Düsseldorf - 18.10.2007 - AZ: 503 IN 22/07
Rechtsgrundlagen
- § 3 InsO
- § 4 InsO
- § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO
- § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO
Fundstellen
- MDR 2008, 772 (Volltext mit red. LS)
- NZI 2008, 4
- NZI (Beilage) 2009, 4 (red. Leitsatz)
- OLGReport Gerichtsort 2008, 757-758
- ZInsO 2008, 333-334 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Das Vermögen des Herrn xxx
In dem Insolvenzeröffnungsverfahren,
...
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jannsen,
den Richter am Oberlandesgericht Kalscher und
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Herbst
beschlossen:
Gründe
I.)
Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 4 InsO i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben, weil sich die beteiligten Gerichte "rechtskräftig für unzuständig erklärt haben". Denn das Amtsgericht Cloppenburg hat sich mit Beschluss vom 19.1.2007 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Düsseldorf verwiesen (Bl. 51 d.A.). Das Amtsgericht Düsseldorf hat sich mit Beschluss vom 18.10.2007 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt (Bl. 223 d.A.). Beide Gerichte haben die kompetenzleugnenden Entscheidungen den Beteiligten auch bekannt gemacht (vgl. dazu Zöller-Vollkommer, ZPO, 26.A., § 36 Rdnr. 25).
II.)
Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Cloppenburg gemäß § 3 InsO.
1.)
Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 InsO knüpft die örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts vorrangig an den Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an (Eickmann u.a.-Kirchhof, InsO, 4.A., § 3 Rdnr. 6). Wird eine solche Tätigkeit wie hier nicht oder nicht mehr ausgeübt, ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 InsO der allgemeine Gerichtsstand des Schuldners maßgeblich, der gemäß den §§ 4 InsO, 13 ZPO durch den Wohnsitz bestimmt wird. Wohnsitz ist gemäß § 7 BGB der räumliche Schwerpunkt (Mittelpunkt) der gesamten Lebensverhältnisse einer Person (Palandt-Heinrichs, BGB, 66.A., § 7 Rdnr. 1). Nach den Feststellungen des vorläufigen Insolvenzverwalters - die durch Äußerungen des Schuldners selbst und die Ermittlungen der Gläubigerin bestätigt werden - wohnt der Schuldner weiterhin in Barßel und hat dort auch bereits bei Eingang des Eröffnungsantrags seinen Lebensmittelpunkt gehabt, so dass das für Barßel zuständige Amtsgericht Cloppenburg über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu befinden hat.
2.)
Der Verweisungsbeschluss des Insolvenzgerichts Cloppenburg vom 19.01.2007 entfaltet entgegen § 4 InsO i.V.m. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO ausnahmsweise keine Bindungswirkung, weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich angesehen werden muss.
a.)
Gemäß § 5 Abs. 1 InsO hat das Insolvenzgericht von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Im vorliegenden Fall hat die Gläubigerin bereits in dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens darauf hingewiesen, dass sich der Schuldner zwar Anfang Mai 2006 nach Düsseldorf umgemeldet habe. Dieser sei aber weiterhin in Barßel zu erreichen, so dass die Ummeldung möglicherweise deshalb vorgenommen worden sei, um den Gläubigern den Zugriff auf sein Vermögen zu entziehen (Bl. 2 d.A.). Unter dem 21.12.2006 hat das Amtsgericht Cloppenburg weiter einen Vermerk in den Akten niedergelegt, aus dem hervorgeht, dass der Schuldner im Juni 2006 unter seiner Düsseldorfer Anschrift nicht zu erreichen war, aber vom OGV Böttcher noch im November 2006 in Barßel angetroffen worden ist. Unter diesen Umständen durfte sich das Amtsgericht Cloppenburg nach dem vergeblichen Versuch, dem Schuldner den Insolvenzantrag in Barßel zuzustellen, nicht damit zufrieden geben, eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes Düsseldorf einzuholen: Denn dadurch konnte die Vermutung der Gläubigerin, bei der Adresse in Düsseldorf handele es sich um eine Scheinanschrift, ersichtlich nicht entkräftet werden. Dementsprechend ist dann auch bereits der erste Zustellversuch in Düsseldorf ohne Erfolg geblieben (Bl. 58 d.A.).
b.)
Zu weiteren Ermittlungen des Amtsgerichts hätte im Übrigen schon deshalb Veranlassung bestanden, weil nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 1.7.2004, Az. 5 AR 35/04), des Bayrischen Obersten Landesgerichts (NZI 2004, S. 147, 148) [BayObLG 08.09.2003 - 1 Z AR 86/03] und des Oberlandesgerichts Celle (NZI 2004, S. 260, 261) [OLG Celle 16.12.2003 - 2 W 117/03] für eine Verweisung kein Raum ist, wenn der Schuldner durch Täuschung der beteiligten Richter einen Gerichtsstand erschleichen will. Liegen wie hier dafür hinreichende Anhaltspunkte vor und verweist das Amtsgericht gleichwohl ohne hinreichende Überprüfung der zuständigkeitsbegründenden Voraussetzungen das Verfahren an ein anderes Insolvenzgericht, entbehrt der Verweisungsbeschluss jeder gesetzlichen Grundlage und kann dieser keine Bindungswirkung entfalten (vgl. Bundesgerichtshof ZlnsO 2006, S. 146, 146 f.).
Kalscher
Dr. Herbst