Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.03.2014, Az.: 4 W 51/14

Erforderlichkeit der Bewilligung der Erben des Berechtigten zur Löschung eines Dauerwohnrechts

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.03.2014
Aktenzeichen
4 W 51/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 13544
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0320.4W51.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hildesheim - 15.01.2014

Fundstellen

  • FGPrax 2014, 150-151
  • NJW 2014, 6
  • NZM 2014, 590-591
  • ZfIR 2014, 395

Amtlicher Leitsatz

Ein Dauerwohnrecht i. S. v. § 31 WEG kann wirksam auf Lebenszeit des Berechtigten bestellt werden.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 4. März 2014 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Hildesheim vom 15. Januar 2014 aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin in dem Schriftsatz vom 13. Januar 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Gründe

I.

Die Antragstellerin beantragt als Eigentümerin die Löschung einer im Grundbuch von S. Blatt ...4 in Abt. II lfd. Nr. ... eingetragenen Belastung. Diese hat folgenden Wortlaut:

"Dauerwohnrecht für die Witwe A. H., geb. U., in S. Die Dauerwohnberechtigte bedarf zur Veräußerung des Dauerwohnrechts der Zustimmung des Grundstückseigentümers. Unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 27. April 1956 eingetragen am 9. Mai 1957 und umgeschrieben am 23. Mai 1979."

Die diesbezügliche Eintragungsbewilligung (§ 11 des notariellen Vertrages des Notars K. vom 27. April 1956) hat folgenden Wortlaut:

"Die vertragsschließenden Parteien bewilligen und beantragen die Eintragung eines Dauerwohnrechts vom Tage der Eintragung an zugunsten der Witwe A. H. geb. U. in Abt. II des Grundbuches von S. Band ...7 Blatt ...4, und zwar auf dem Flurstück ...3 Flur ...4 entsprechend den obigen Vereinbarungen, und zwar im Range nach einer noch einzutragenden Grundschuld in Höhe von 7.500 DM nebst bis zu 9 % Zinsen jährlich. Zur Löschung des Dauerwohnrechts genügt die Vorlage der Sterbeurkunde der Dauerwohnberechtigten."

In der angefochtenen Zwischenverfügung vom 15. Januar 2014 hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der beantragten Grundbucheintragung entgegenstehe, dass es sich bei dem Recht ... um ein vererbliches und veräußerliches Dauerwohnrecht nach WEG handele, zu dessen Löschung die Bewilligung der Erben nebst formgerechtem Erbnachweis erforderlich sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der in Abt. II lfd. Nr. ... eingetragenen Belastung nicht um ein Dauerwohnrecht i. S. v. § 31 WEG, sondern um ein Wohnungsrecht i. S. v. § 1093 BGB handele; es sei insoweit von einer irrtümlichen Falschbezeichnung auszugehen. Selbst wenn man aber annehmen wolle, dass es sich bei der eingetragenen Belastung um ein Dauerwohnrecht i. S. v. § 31 WEG handelt, sei dieses lediglich befristet bestellt worden. Dass die Berechtigte inzwischen verstorben ist, ergebe sich aus der beigefügten (Original-)Sterbeurkunde vom 28. August 1985.

II.

Die nach § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die Begründung des Amtsgerichts in der angefochtenen Zwischenverfügung vom 15. Januar 2014 hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Der Antrag der Antragstellerin ist vorliegend auf die Löschung des in Abt. II Nr. ... des Grundbuches von S., Bl. ...4 eingetragenen Rechts gerichtet. Zwar liegt eine Bewilligung der (etwaigen) Erben der eingetragenen Berechtigten nach § 19 GBO nicht vor. Indes hat die Antragstellerin die Unrichtigkeit des Grundbuchs (§ 22 Abs. 1 GBO) infolge des Erlöschens des eingetragenen Rechts in der Form des § 29 GBO nachgewiesen, nämlich durch Vorlage der Sterbeurkunde der Berechtigten Frau A. H.

1. Zu Recht ist das Amtsgericht allerdings im Ausgangspunkt seiner angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass es sich bei dem in Abt. II lfd. Nr. ... eingetragenen Recht um ein Dauerwohnrecht i. S. v. § 31 WEG handelt.

a) Inhalt und Umfang einer Grunddienstbarkeit bestimmen sich nach der Eintragung im Grundbuch. Bei deren Auslegung ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn des Eintrags und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Außerhalb dieser Urkunde liegende Umstände dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Ein von der Eintragung im Grundbuch abweichender Wille der die Dienstbarkeit bestellenden Parteien muss dagegen bei der Auslegung des Inhalts des dinglichen Rechts unbeachtet bleiben, weil sonst der Eintragung ihre eigenständige Bedeutung als rechtsbegründender Akt entzogen würde (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2013 - V ZR 24/13, juris Rn. 6).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass es sich bei dem in Abt. II lfd. Nr. ... eingetragenen Recht um ein Dauerwohnrecht i. S. v. § 31 WEG handelt. Hierfür spricht schon eindeutig die Formulierung "Dauerwohnrecht" im Eintragungsvermerk. Dieser Begriff entspricht dem der Legaldefinition in § 31 Abs. 1 WEG. Bereits dies schließt es aus, das eingetragene Recht als - wie es die Antragstellerin in der Beschwerdeschrift meint - Wohnungsrecht i. S. v. § 1093 BGB zu deuten. Lediglich der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass - worauf bereits das Amtsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 11. März 2014 hingewiesen hat - sich in den Grundakten zu Bd. ..., Bl. ...4 des Grundbuchs von S. (dort S. 33 bis 35 d. A.) eine in Bezug auf das "Dauerwohnrecht für die Witwe A. H., S." ausgestellte Abgeschlossenheitsbescheinigung des Landkreises H. vom 18. Februar 1957 i. S. v. § 7 Abs. 4 Nr. 2 / § 32 Abs. 2 Nr. 2 WEG a. F. befindet, was ebenfalls dafür spricht, dass es sich bei dem eingetragenen Recht um ein Dauerwohnrecht i. S. v. § 31 WEG handelt.

2. Das Grundbuch ist unrichtig. Das in Abt. II lfd. Nr. ... eingetragene Dauerwohnrecht war in dem Sinne nach § 41 WEG befristet, dass es (lediglich) als auf Lebenszeit der Berechtigten bestellt war. Dass die Berechtigte verstorben ist, hat die Antragstellerin i. S. v. § 29 GBO durch Vorlage der Sterbeurkunde vom 28. August 1985 nachgewiesen.

a) Ein Dauerwohnrecht i. S. v. § 31 WEG kann zwar nicht unter eine Bedingung gestellt werden (§ 33 Abs. 1 Satz 2 WEG), es kann aber zeitlich begrenzt werden (§ 41 Abs. 1 WEG). Nach der ganz überwiegenden Auffassung, der sich der Senat anschließt, ist nach dieser Maßgabe eine Bestellung des Dauerwohnrechts auf Lebenszeit des Berechtigten möglich (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 3002; Meikel/Morvilius, GBO, 10. Aufl., Einleitung C Rn. 375; Hügel/Wilsch, GBO, 2. Aufl., § 35 Rn. 15; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 33 WEG Rn. 2; MünchKommBGB/Engelhardt, 6. Aufl., § 33 WEG Rn. 2; Weitnauer/Mansel, WEG, 9. Aufl., § 33 Rn. 3; Erman/Grziwotz, BGB, 13. Aufl., § 33 WEG Rn. 3; Jennißen/Grziwotz, WEG, 3. Aufl., § 33 Rn. 9; Bärmann/Pick, WEG, 12. Aufl., § 33 Rn. 64; Marshall, DNotZ 1962, 381, 382; anderer Auffassung: OLG Neustadt/Weinstr., Beschluss vom 27. Juli 1961 - 3 W 58/61, NJW 1961, 1974, 1975 [OLG Neustadt an der Weinstraße 27.07.1961 - 3 W 58/61]; Demharter, Grundbuchordnung, 28. Aufl., § 23 Rn. 5; Böttcher, MittRhNotK 1987, 219, 221). Für die herrschende Auffassung spricht, dass die Begrenzung eines Rechtes auf die Lebensdauer einer Person keine Bedingung, sondern eine Zeitbestimmung darstellt ("dies certus an incertus quando"). Dieser Auffassung steht entgegen der vorstehend zitierten Mindermeinung nicht entgegen, dass § 33 Abs. 1 WEG die Vererblichkeit zwingend vorschreibt. Denn andererseits ist vom Gesetzgeber auch eine Befristung zugelassen worden. Durch die Vorgabe der Vererblichkeit ist demgemäß lediglich eine Möglichkeit eröffnet, nicht aber ein Zwang ausgeübt worden, das Dauerwohnrecht von der Dauer des Lebens des Berechtigten unabhängig zu machen.

b) Dass die Befristung sich nicht unmittelbar dem Eintragungsvermerk entnehmen lässt, sondern lediglich der Eintragungsbewilligung (s. nachfolgend c), steht der Annahme eines lediglich befristeten Dauerwohnrechts nicht entgegen.

Zwar stellt eine Befristung, unter der ein Grundstücksrecht bestellt worden ist, keine nähere Bezeichnung des Inhalts des dinglichen Rechts i. S. d. § 874 BGB dar. Sie muss deshalb in den Eintragungsvermerk selbst aufgenommen werden; eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung ist insoweit nicht zulässig (vgl. z. B. Bauer/von Oefele-Knothe, GBO, 3. Aufl., § 44 Rn. 41 Palandt/Bassenge, aaO., § 874 Rn. 5; OLG Hamm, Beschluss vom 10. August 2011 - 15 W 557/10, juris Rn. 20). Wird aber - wie hier - nur ein befristetes Recht zur Eintragung bewilligt, dann aber - infolge fehlender Aufnahme der Befristung in den Eintragungsvermerk - ein unbefristetes Recht in das Grundbuch eingetragen (§ 873 BGB), entsteht materiell-rechtlich ein befristetes Recht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 11/10, juris Rn. 11; OLG Hamm, aaO.; Palandt/Bassenge, aaO.).

c) Die Eintragungsbewilligung in § 11 des notariellen Vertrages vom 27. April 1956 ist dahin auszulegen, dass mit der dortigen Regelung das in dem notariellen Vertrag geregelte Dauerwohnrecht auf die Lebensdauer der Berechtigten befristet worden ist.

aa) Inhalt und Umfang einer Grunddienstbarkeit bestimmen sich nach der Eintragung im Grundbuch. Bei deren Auslegung ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn des Eintrags und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2013 - V ZR 24/13, juris Rn. 6).

bb) Für einen unbefangenen Betrachter kann sich als nächstliegende Bedeutung der Regelung in § 11 des notariellen Vertrages vom 27. April 1956 nur ergeben, dass das in diesem Vertrag geregelte Dauerwohnrecht auf die Lebenszeit der Berechtigten befristet sein sollte. Dies ergibt sich aus der Formulierung "Zur Löschung des Dauerwohnrechts genügt die Vorlage der Sterbeurkunde der Dauerwohnberechtigten". Auch wenn damit nicht ausdrücklich erklärt worden ist, dass das Dauerwohnrecht für die Berechtigte lediglich für die Dauer ihres Lebens bestellt wird, ist dies die nächstliegende und darüber hinaus sogar einzig ernsthaft in Betracht kommende Auslegungsmöglichkeit. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass diese - sich in einem notariellen Vertrag befindliche - Formulierung ersichtlich auf die Regelung des § 23 Abs. 2 GBO zugeschnitten ist. Jene Vorschrift knüpft aber an § 23 Abs. 1 GBO an, der in seinem Anwendungsbereich ein auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränktes Recht behandelt. Zudem würde die genannte Formulierung in § 11 des notariellen Vertrages auch keinen Sinn ergeben, würde man sie anders deuten wollen: Würde das Dauerwohnrecht gerade nicht mit dem Tod des Berechtigten erlöschen und vielmehr automatisch auf dessen Erben übergehen, wäre nicht erklärbar, warum dann mittels Vorlage der Sterbeurkunde der ursprünglich Berechtigten eine Löschung des Dauerwohnrechts erfolgen können sollte.

d) Dem von der Antragstellerin verfolgten Anspruch auf Löschung steht schließlich auch nicht § 23 Abs. 1 GBO entgegen.

Insoweit kann dahinstehen, ob nicht vorliegend Rückstände von Leistungen i. S. d. Vorschrift ausgeschlossen sind (vgl. dazu Bauer/von Oefele-Kohler, aaO., §§ 23, 24 Rn. 39; Hügel/Wilsch, aaO., § 23 Rn. 35). Ferner kann dahinstehen, ob in der vorgenannten Regelung in der Eintragungsbewilligung (§ 11 des notariellen Vertrages vom 27. April 1956) eine hinreichende Eintragung im Grundbuch i. S. v. § 23 Abs. 2 GBO zu sehen ist (verneinend z. B. Demharter, aaO., § 23 Rn. 25). Denn in jedem Fall wird vorliegend die Löschung erst zu einem Zeitpunkt beantragt, der zeitlich (lange) nach Ablauf eines Jahres nach dem Tod der Berechtigten, die ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten Sterbeurkunde am 28. August 1985 verstorben ist, liegt; dass (der etwaige) Rechtsnachfolger der Berechtigten der Löschung beim Grundbuchamt widersprochen hat, ist nicht ersichtlich.

4. Eine Kostenentscheidung ist wegen des Erfolgs der Beschwerde nicht veranlasst.