Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.03.2014, Az.: 4 U 6/14

Streitwert einer Klage auf Erhöhung des Erbbauzinses und Bewilligung der Eintragung einer Reallast

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.03.2014
Aktenzeichen
4 U 6/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 23678
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0326.4U6.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 19.11.2013 - AZ: 4 O 88/13

Fundstelle

  • RVG prof 2014, 164

Amtlicher Leitsatz

Streitwert einer Klage auf Erhöhung des Erbbauzinses und Bewilligung der Eintragung einer Reallast; Kosten der Anschlussberufung bei Verwerfung der Berufung

  1. 1.

    Der Streitwert einer Klage auf Erhöhung des Erbbauzinses richtet sich nach § 9 ZPO.

  2. 2.

    Der gleichzeitig mit dem Antrag auf Erhöhung des Erbbauzinses gestellte Antrag auf Eintragung einer entsprechend erhöhten Reallast verfolgt dasselbe wirtschaftliche Interesse; ihm kommt kein gesonderter Wert zu (Bestätigung von Senat, NdsRpfl. 1983, 159).

  3. 3.

    Die durch die Einlegung der Berufung und der Anschlussberufung verursachten Kosten sind im Verhältnis der jeweiligen Werte zu quoteln, wenn die Anschlussberufung vor dem Erlass eines Hinweisbeschlusses eingelegt und die Berufung durch einen Beschluss nach § 522 Abs. 1 ZPO verworfen wird.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 19. November 2013 wird gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.

Die Anschlussberufung des Beklagten ist damit wirkungslos.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu 49 % und die Beklagte zu 51 % zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600 € abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert für das Berufungsverfahren wird bis zum 25. Februar 2014 auf 458,35 € und für den Zeitraum danach auf 938,87 € (Anschlussberufung: 137,29 € pro Jahr x 3,5 gem. § 9 ZPO = 480,52 €) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Erhöhung eines Erbbauzinses sowie Eintragung der Änderung des Erbbauzinses im Grundbuch und Feststellung eines Änderungsverlangens.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundbesitzes, der Beklagte eingetragener Erbbauberechtigter. Mit der Klage hat die Klägerin u.a. einen weiteren fälligen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 368,70 € sowie dessen Eintragung im Grundbuch verlangt. Wegen des weiteren Sachverhalts und der erstinstanzlichen Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin einen um 263,17 € erhöhten jährlichen Erbbauzins zu zahlen, dessen Eintragung im Grundbuch bewilligt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufungsbegründung und dem Argument, das Landgericht habe die Erhöhung unzutreffend berechnet.

3

Die Klägerin stellt die Anträge,

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unter Abänderung des am 19. November 2013 verkündeten und am 26. November 2013 zugestellten Urteils des Landgerichts Stade, Az: 4 O 88/13,

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  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, an sie für das im Erbbaugrundbuch von G. Blatt ...9 eingetragene Erbbaurecht einen weiteren, jeweils am 1. Juli eines jeden Jahres fälligen Erbbauzins in Höhe von 358,38 € für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2012 zu zahlen;

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  1. 2.

    den Beklagten weiter zu verurteilen, die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinses für den Zeitraum ab 1. Juli 2012 in Höhe von jährlich weiteren 358,38 € als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückseigentümer im Erbbaugrundbuch von G. Blatt ...9 zu bewilligen;

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  1. 3.

    festzustellen, dass jeder der Vertragsparteien verlangen kann, dass der Erbbauzins frühestens nach Ablauf von drei Vertragsjahren nach der letzten Anpassung auf seine Angemessenheit überprüft wird. Ergibt sich bei der Überprüfung, dass der vom Statistischen Bundesamt festgelegte Verbraucherindex, wie er für den Durchschnitt eines Kalenderjahres für die Bundesrepublik Deutschland amtlich festgestellt wird (Verbraucherpreisindex), sich gegenüber der letzten Erbbauzinssatzfestsetzung um mindestens 10 Punkte verändert hat, könne der Grundstückseigentümer und der Erbbauberechtigte jeder für sich eine Erbbauzinserhöhung und/oder Verringerung verlangen. Diese Erhöhung oder Verringerung soll der seit der letzten Erbbauzinsfestsetzung eingetretenen Änderung der allgemeinen Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, mindestens aber der Änderung des vorgenannten Verbraucherpreisindexes entsprechen, sofern dies nicht unbillig ist.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Im Wege der Anschlussberufung stellt er die Anträge,

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das Urteil des Landgerichts Stade vom 19. November 2013, Az. 4 O 88/13 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte lediglich verurteilt wird, an die Klägerin für das im Erbbaugrundbuch von G. Blatt ...9 eingetragene Erbbaurecht einen weiteren jeweils am 1. Juli eines jeden Jahres fälligen Erbbauzins in Höhe von 125,88 € für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2014 zu zahlen und

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die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinssatzes für den Zeitraum ab 1. Juli 2014 in Höhe von weiteren 125,88 € als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückseigentümer im Erbbaugrundbuch von G. Blatt ...9 zu bewilligen.

II

13

Die Berufung ist mangels Erreichen der erforderlichen Beschwer in Höhe von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) unzulässig. Ein Anlass für die - nachträgliche - Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO besteht nicht.

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1. Maßgeblich für die Bemessung des Streitwertes bei einer Klage auf Erhöhung des Erbbauzinses ist gemäß § 9 ZPO der 3 1/2-fache Jahresbetrag des geforderten Mehrbetrags (BGH NJW-RR 2012, 1041 [BGH 16.02.2012 - V ZB 271/11]). Dieser Grundsatz ist auch bei der Berechnung der erforderlichen Beschwer der unterlegenen Partei zugrunde zulegen. Der Wert für die Beschwer beträgt 458,35 €.

15

a) Die Klägerin hat ursprünglich die Erhöhung des Erbbauzinses um weitere 368,70 € verlangt (Antrag zu Ziffer 1). Das Landgericht hat der Klägerin einen Erhöhungsbetrag von 263,17 € zugesprochen. Mit der Berufung begehrt die Klägerin zwar die Erhöhung des ursprünglichen Erbbauzinses um weitere 358,38 €. Der Senat geht jedoch in den Fällen, in denen der in der Berufungsinstanz angekündigte Antrag die erstinstanzliche Verurteilung zu Gunsten des Berufungsführers nicht berücksichtigt, zu Gunsten des Berufungsführers davon aus, dass eine Erhöhung nur insoweit geltend gemacht wird, als es die bereits vom Landgericht zugesprochene Erhöhung übersteigt, weil maßgeblich für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung ist (z. B. BGH, Beschl. v. 17. Dez. 2012, Az. V ZR 73/12); anderenfalls wäre die Berufung schon insoweit mangels Beschwer unzulässig. Die Klägerin verkennt in ihrer insoweit nicht näher ausgeführten Stellungnahme vom 14. Februar 2014, dass sie die Erhöhung eines (Teil-) Betrags verfolgt, der ihr bereits rechtskräftig zugesprochen ist.

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Die Klägerin begehrt eine Erhöhung des jährlichen Erbbauzinses um 358,38 € abzüglich bereits zugesprochener 263,17 €, mithin noch 95,21 €. Gemäß § 9 ZPO ergibt sich ein Produkt in Höhe von 333,24 € (3,5 x 95,21 €). Zu addieren ist der bei Einreichung der Klage nach Auffassung der Klägerin bereits fällige Betrag von 95,21 €; es ergibt sich eine Summe in Höhe von 428,45 €.

17

b) Für die Bemessung der Beschwer ist der Antrag auf Eintragung des erhöhten Erbbauzinses (Antrag zu Ziffer 2), soweit er abgewiesen wurde, nicht zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Senats wird mit der Klage auf Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses und auf Bewilligung der Eintragung einer entsprechend erhöhten Reallast im Grundbuch dasselbe wirtschaftliche Interesse verfolgt; eine Zusammenrechnung findet nicht statt (Senat, Beschluss vom 21. April 1983, Niedersächsische Rechtspflege 1983, 159; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn. 2120). Hieran hält der Senat fest.

18

Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wollte, könnte aufgrund des Umstands, dass es sich nur um die dingliche Sicherung des zugesprochenen Erhöhungsbetrags handelt und die Vollstreckung erleichtert werden soll, nur ein Bruchteil von allenfalls 10 % des noch geltend gemachten Erhöhungsbetrags in Ansatz gebracht werden. Dies wären vorliegend 10 % x 95,21 € = 9,52 € oder 10 % x 428,45 € = 42,84 €, wenn man gem. § 9 ZPO den 3,5fachen Jahreswert zugrunde legte. Dies bedarf aber letztlich (s. lit. d) keiner Entscheidung.

19

Die Festsetzung eines gesonderten Wertes für die dingliche Eintragung des erhöhten Grundbauzinses hält der Senat anders als die Klägerin nicht für gerechtfertigt, schon gar nicht in einer Höhe von 50 % der auf einer Restdauer von noch 50 Jahren hochgerechneten weiteren Belastung. Eine Analogie zur Bemessung des Wertes für die Festlegung von Gegenstandswerten im Rahmen anderer Klagen, die Grundbucheintragungen betreffen, ist nicht veranlasst. Diese Argumentation der Klägerin verkennt, dass mit der vorliegenden Klage auch ein Zahlungsantrag verbunden war und die dingliche Eintragung des erhöhten Erbbauzinses der erleichterten Zwangsvollstreckung dient. Abgesehen davon erfolgt die Berechnung des Streitwerts nach § 9 ZPO und nicht nach § 41 GKG, weil der Erbbauzins auch die dingliche Rechtstellung abgilt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort Erbbauzins).

20

c) Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist das Interesse der Klägerin an der Eintragung der Preisanpassungsklausel gem. § 3 ZPO zu bewerten. In der Sache möchte die Klägerin erreichen, dass eine Anpassung (bzw. Erhöhung) des Erbbauzinses dann möglich ist, wenn sich der Verbraucherpreisindex gegenüber der letzten Erbbauzinsfestsetzung um mindestens 10 Punkte verändert hat. Der neue Erbbauzins würde sich wie folgt berechnen: Ausgehend von dem mit dem Urteil des Landgerichts festgesetzten neuen Erbbauzins in Höhe von (insgesamt) 389,05 € ergibt sich entsprechend der im landgerichtlichen Urteil angesprochenen Formel [(Geldbetrag alt x neuer Indexstand) ./. alter Indexstand = Geldbetrag neu] ein neuer Erbbauzins in Höhe von 426,42 €, mithin 37,37 € mehr als bislang zugesprochen. In Ansatz zu bringen ist hierbei unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20 %, da es sich um einen Feststellungsantrag handelt, ein Wert von 29,90 €. Entsprechend § 9 ZPO könnte sogar der 3,5fache Wert, also 104,65 €, in Ansatz zu bringen sein, ohne dass dies an der Unzulässigkeit der Berufung etwas ändern würde, so dass letztlich (s. lit d) eine Entscheidung entbehrlich ist.

21

Zur Festsetzung eines Gegenstandswerts in Höhe von 3.000 € für den Feststellungsantrag hat der Senat keine Veranlassung. Die Klägerin liefert hierfür auch keinen keinen tatsächlichen Vortrag, sondern hält diesen Gegenstandswert ohne Angabe von Gründen für angemessen.

22

d) Die notwendige Beschwer von mindestens 600,01 € ist nicht erreicht. In der Addition der o.a. Einzelbeträge ergibt sich folgende Summe: 333,24 € + 95,21 € + (42,84 €) + 29,90 € (oder 104,65 €) = 458,35 € (oder maximal 575,94 €).

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2. Der Senat hat keine Veranlassung, bei der gebotenen Überprüfung die - nachträgliche - Zulassung der Berufung gem. § 511 Abs. 4 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2012 - I ZB 2/12, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011, Az.: V ZB 250/10; BGH MDR 2011, 808; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2010, Az.: VI ZB 74/08) zu bejahen. Weder hat diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Oberlandesgerichts. Insoweit entsprechen sich die Voraussetzungen nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO und § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

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Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann (Musielak-Ball, ZPO, 10. Aufl., § 543 Rn. 5). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben. Es ist nicht ersichtlich, dass sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle die Frage stellen wird, ob die Berechnung des Landgerichts für 1962 geschlossene Erbbaupachtverträge, in denen die Parteien keine heute mehr anwendbare Preisanpassungsklausel vereinbart haben, zutreffend ist. Ein besonderes Interesse der Allgemeinheit an einer Entscheidung des Berufungsgerichts ist ebenfalls nicht ersichtlich.

25

Die Berufung ist auch weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Eine divergierende Rechtsprechung ist nicht ersichtlich. Die Zulassung der Berufung zur Fortbildung des Rechts erfordert, dass der einzelne Fall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (Musielak-Ball, a. a. O., § 543 Rn. 7 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sieht der Senat ebenfalls nicht als gegeben an. Weder sind Gesetzeslücken auszufüllen noch Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen.

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3. Die Anschlussberufung ist gem. § 524 Abs. 4 ZPO mit der Verwerfung der Berufung wirkungslos.

II.

27

1. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Nach Auffassung des Senats sind für den vorliegenden Fall die durch die Einlegung der Berufung und der Anschlussberufung verursachen Kosten im Verhältnis der jeweiligen Werte zu quoteln.

28

Es ist umstritten und nicht abschließend geklärt, ob in den Fällen, in denen die Berufung gem. § 522 Abs. 1 oder 2 ZPO verworfen bzw. zurückgewiesen wird, der Rechtsmittelführer auch die Kosten eines eingelegten Anschlussrechtsmittels zu tragen hat. Der 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 7. Februar 2006 (Az.: XI ZB 9/05 - aus juris) ausdrücklich offen gelassen, ob der Berufungskläger bei einer Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO auch die Kosten der Anschlussberufung zu tragen hat. Der Senat ist jedenfalls für den hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt, in dem die Anschlussberufung eingelegt wurde, bevor der Senat einen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 1 ZPO erlassen hatte und die Einlegung der Anschlussberufung zusätzliche Kosten auslöst, der Auffassung, dass der Anschlussberufungskläger den auf die Anschlussberufung entfallenden Teil der Kosten zu tragen hat.

29

a) Zwar soll nach der Meinung verschiedener Oberlandesgerichte der Berufungsführer auch die Kosten des Anschlussrechtsmittels tragen, wenn die Berufung gemäß gemäß § 522 Abs. 1 oder 2 ZPO zurückgewiesen wird. Ausschlaggebend hierfür soll die übereinstimmende Auffassung sein, dass der Berufungskläger auch die Kosten des Anschlussberufungsmittels bei Rücknahme der Berufung gemäß § 516 Abs. 3 ZPO zu tragen hat, um damit Widersprüche in der praktischen Handhabung zu vermeiden. Im Übrigen sei das Anschlussberufungsmittel kein eigenständiges Rechtsmittel, weswegen für eine Kostenentscheidung nach § 97 Abs. 1 ZPO kein Raum sei (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 3. Sept. 2012, 6 U 844/12 mit eingehender Darlegung des Streitstands; OLG München, Beschl. v. 19. Nov. 2013, 14 U 1510/13; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10. Juli 2013, 11 U 28/12 - alle aus juris).

30

b) Die Gegenauffassung vertritt die Ansicht, die Kosten des Berufungsverfahrens seien entsprechend dem Verhältnis des Wertes von Berufung und Anschlussberufung zu quoteln. Im Gegensatz zur Berufungsrücknahme sei der Bestand der Anschlussberufung nicht vom Willen des Berufungsklägers abhängig. Unter dem kostenrechtlichen Blickwinkel sei auch das unselbständige Anschlussrechtsmittel ein Angriffsmittel und unterfalle damit dem Gedanken des § 97 Abs. 1 ZPO. Der Anschlussberufungskläger wisse, dass die Anschlussberufung nur unter bestimmten Umständen zum Tragen kommen könne (vgl. eingehend zur Darstellung der Argumente OLG Nürnberg, Beschl. v. 23. Juli 2012, Az.: 5 U 256/11; Senat, Beschl. v. 10. Jan. 2005, Az.: 4 U 225/04; BGH, Beschl. v. 11. März 1981, Az.: GSZ 1/80 zur Anschlussrevision - alle aus juris).

31

c) Der Senat hält die letztgenannte Ansicht weiterhin für zutreffend. Es ist überzeugender weil konsequenter, dass der Anschlussberufungskläger die Kosten des Anschlussrechtsmittels im Fall einer Sachentscheidung des Berufungsgerichts selbst zu tragen hat. Denn die Erfolgsaussicht der Anschlussberufung hängt in diesem Fall nicht vom Willen des Berufungsklägers ab, der im Fall der Rücknahme der Berufung der Anschlussberufung den Boden entzieht, ohne dass der Anschlussberufungskläger hieran etwas ändern könnte. Dies ist der entscheidende Unterschied zur Begründung der übereinstimmenden Handhabung, dass im Fall der Berufungsrücknahme der Berufungskläger auch die Kosten der Anschlussberufung zu tragen hat. Soweit die Gegenauffassung darauf verweist, dass kostenrechtlich ein Widerspruch bestünde, weil sich der Berufungsführer besser stünde, wenn er die Kostenermäßigung für eine Berufungsrücknahme nicht in Anspruch nehme, da er im Fall der Berufungszurückweisung mit Beschluss nach § 522 ZPO die Kosten der Anschlussberufung nicht zu tragen habe, ist dies letztlich die Auswirkung einer im Gesetz nicht geregelten Folge, wer für diese Fallkonstellation die Kosten zu tragen hat. Ein überzeugendes Argument hierfür, die Kosten auch im Falle der Zurückweisung durch Beschluss dem Berufungsführer insgesamt aufzuerlegen, sieht der Senat hierin nicht. Dem Anschlussberufungskläger muss bewusst sein, dass er mit der Einlegung der Anschlussberufung ein eigenes Kostenrisiko eingeht. Denn es wäre dem Zivilprozessrecht fremd, wenn die Einlegung eines - unter kostenrechtlichen als solches zu betrachtenden - Rechtsmittels für den Fall einer Sachentscheidung durch das Gericht ohne die Gefahr der Kostentragung bliebe. Dass der Anschlussberufungsführer u. U. die Kosten seines Angriffsmittels auch dann zu tragen hat, wenn es materiell-rechtlich erfolgreich gewesen wäre, ist Folge der gesetzlichen Regelung des § 524 Abs. 4 ZPO, wonach in bestimmten Fällen eine Sachentscheidung über die Anschlussberufung nicht erfolgt.

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2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.