Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 12.07.2017, Az.: 6 A 1558/16
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 12.07.2017
- Aktenzeichen
- 6 A 1558/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 25692
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tatbestand
Der Kläger begehrt internationalen Schutz und macht Abschiebungshindernisse geltend.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben am A. in Rabwah, Pakistan geboren, wo er bis vor seiner Ausreise gelebt haben will. Er ist pakistanischer Staatsangehöriger und Mitglied der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya. Er behauptet, am 4. Juli 2014 mit dem Flugzeug von Lahore nach Frankfurt mit Aufenthalt in Dubai eingereist zu sein. Am 31. Juli 2014 beantragte er die Anerkennung als Asylberechtigter. An diesem Tag wurde er vorbereitend zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates und seiner Anhörung befragt.
In seiner Anhörung am 2. Juni 2015 machte er geltend, dass er in Rabwah in einem Krankenhaus der Ahmadiyya als Laborassistent gearbeitet habe. Er sei auf seinem Arbeitsweg beleidigt und bedroht worden, auch mit einem Drohbrief im Dezember 2013 oder Januar 2014. Ein Arzt, Dr. Mehdi, der das Krankenhaus besucht und seine Arbeit gewürdigt hatte, sei ermordet worden. Er habe als Ahmadi keinen Schutz erfahren. Er sei sehr sensibel und habe es nicht mehr ausgehalten, dass die allgemeine Lage dort so gefährlich sei. Die Ermordung des Doktors und die späteren Bedrohungen auf der Straße hätten ihn zur Ausreise veranlasst. Er habe der Gemeinde zugehört und dort auch am Empfang gestanden. Er habe sich für die sozialen Belange der Mitglieder eingesetzt in der Abteilung soziale Angelegenheiten. Er legte bei seiner Anhörung diverse Unterlagen vor.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie des subsidiären Schutzstatus ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Weiter forderte sie den Kläger zur Ausreise binnen 30 Tagen auf und drohte ihm die Abschiebung nach Pakistan an. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete die Beklagte auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 26. Juli 2016 Klage erhoben.
Er führt an, dass er als Mitglied der Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) in Pakistan bei einer Rückkehr Verfolgung zu erleiden habe, weil er dort seine Religion nicht gefahrlos ausüben könne. Die Religionsausübung sei für ihn von elementarer Bedeutung. In Pakistan habe er zwei Ehrenämter bekleidet, u. a. sei er von 2003 bis 2004 in der Jugendorganisation zuständig für das "Khidmate Khalaq" gewesen. In der Zeit von 2004 bis 2005 sei er Inhaber des Amtes "Naib Zaim Amoomi" gewesen. Dieses Amt habe er auch nach seiner Einreise nach Deutschland im Jahr 2014 bis 2015 innegehabt. Aktuell bekleide er das Amt des "Nazim Tarbiyyat" und sei für die Erziehung der Kinder und Jugendlichen in der Gemeinde Stade verantwortlich. Er nehme regelmäßig an regionalen und überregionalen Veranstaltungen der AMJ teil, u.a. auch an der Jahreshauptversammlung. Er sei vom Bundesvorsitzenden persönlich zur Teilnahme am Ijtema (Sport- und Wissenswettbewerb) eingeladen worden. Er leiste regelmäßig Spenden und habe beim A. klinikum B. eine Arbeit erhalten. Er habe einige Sprachkurse absolviert.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 18. Juli 2016 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, und weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt auf ihren Bescheid Bezug.
Am 12. Juli 2017 hat die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die trotz Ausbleibens der Beklagten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), bleibt ohne Erfolg, weil sie nicht begründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil er einen Anspruch i. S. des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf die hauptsächlich bzw. hilfsweise beantragten Amtshandlungen nicht hat.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz (v. 1.7.1992, neugefasst durch Bekanntmachung v. 2.9.2008, BGBl. I, S. 1798, zuletzt geändert durch Gesetz v. 13.4.2017, BGBl. I, S. 872).
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
Zu dem - vorliegend allein in Betracht kommenden - Verfolgungsgrund der Religion findet sich eine nähere Definition in § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG, der Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Neufassung der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG des Rates) umsetzt. Danach umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Zu den Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG darstellen können, gehören dabei nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Betroffenen, seinen Glauben im privaten Kreis zu praktizieren, sondern auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine an die Religion des Betroffenen anknüpfende Verfolgungshandlung vorliegt, kommt es darauf an, ob er wegen der Ausübung dieser Freiheit in seinem Herkunftsland tatsächlich Gefahr läuft, durch einen der in § 3c AsylG genannten Akteure verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Unerheblich ist dabei, ob der Betroffene die Gefahr einer Verfolgung möglicherweise dadurch vermeiden kann, dass er auf die religiöse Betätigung verzichtet (EuGH, Urt. v. 5.9.2012 - C 71/11 u.a. -, zitiert nach ).
Nicht erforderlich ist, dass der Ausländer seinen Glauben im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer ihn der Verfolgungsgefahr aussetzenden Weise ausüben würde. Vielmehr kann bereits der angesichts des Drucks der Verfolgungsgefahr zu erwartende Verzicht auf Glaubenshandlungen die Qualität einer Verfolgung erreichen. Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH hängt die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU zu erfüllen, von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab. Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z.B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit sieht der Gerichtshof den Umstand an, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, Urt. v. 5.9.2012 - C 71/11 u.a. -, zitiert nach ). Es reicht aber nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, zitiert nach ).
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Kann der Betroffene eine Vorverfolgung in diesem Sinne nicht glaubhaft machen, so ist zu beurteilen, ob die festgestellten Umstände eine solche Bedrohung darstellen, dass er in Anbetracht seiner individuellen Lage begründete Furcht haben kann, tatsächlich Verfolgungshandlungen zu erleiden. Entscheidend ist, ob aufgrund der Art und Weise, wie der Betroffene seinen Glauben lebt, davon auszugehen ist, dass für ihn zur Wahrung seiner religiösen Identität bestimmte Handlungen und Verhaltensweisen - z.B. Gebet, religiös begründete Bekleidung, Erziehung, Lehre, missionarische Aktivität oder Teilnahme an religiösen Riten, Festen, Prozessionen oder Gottesdiensten im privaten oder öffentlichen Bereich - wesentlich sind und er hierdurch in seinem Herkunftsland bei Aufrechterhaltung seiner konkreten Lebensführung der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre (VG Chemnitz, Urt. v. 7.4.2017 - 6 K 135/16.A -, zitiert nach ).
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen. Aus den in Art. 4 Richtlinie 2011/95/EU geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Hierzu gehört auch, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Weil es sich bei der religiösen Identität um eine innere Tatsache handelt, obliegt es dem Schutzsuchenden, von sich aus den Zusammenhang zwischen seinem Glauben und seinem Leben umfangreich, anschaulich und substantiiert darzulegen. Er muss es dem Gericht ermöglichen, sich von seinem religiösen Selbstverständnis, von seiner individuellen Glaubensausprägung, von seinen persönlichen Vorstellungen, Entscheidungen und Erfahrungen, von seiner Lebensführung und ihrer Bedeutung für ihn, von einer etwaigen Rolle und Aktivität innerhalb einer Religionsgemeinschaft sowie von wahrscheinlichen Auswirkungen von Einschränkungen auf ihn ein Bild machen zu können (vgl. VG Chemnitz, Urt. v. 7.4.2017 - 6 K 135/16.A -, zitiert nach ).
Die Gefahr eigener politischer Verfolgung eines Asylbewerbers kann sich auch aus gegen Dritte gerichtete Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmales verfolgt werden, das er mit ihnen teilt und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gruppenverfolgung). In Betracht kann auch eine Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kommen. Um eine Gruppenverfolgung mit der Regelvermutung individueller Betroffenheit annehmen zu können, muss insbesondere das Erfordernis der Verfolgungsdichte erfüllt sein (BVerwG, Urt. v. 18.7.2006 - 1 C 15.05 -; v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 -; v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - und v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, alle zitiert nach ).
Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). § 3e Abs. 2 AsylG bestimmt, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen sind. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
Gemessen an diesen Maßstäben droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan keine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft. Denn seine Heimatstadt Rabwah bietet ihm eine sichere inländische Fluchtalternative.
Der Kläger ist gebürtiger Ahmadi und damit Angehöriger einer Religion i. S. des § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Dies geht aus der Mitgliedsbescheinigung der Ahamdiyya Muslim Jamaat Deutschland vom 10. Dezember 2016 hervor, an deren Richtigkeit Zweifel nicht bestehen.
Eine religiös motivierte Vorverfolgung kann aufgrund der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht festgestellt werden. Vielmehr hat er Pakistan unverfolgt verlassen. Dass dies möglicherweise unter dem Eindruck der Ermordung des kanadischen Kardiologen Dr. Mehdi in Rabwah geschehen ist, begründet eine Verfolgung des Klägers nicht. Daraus, dass der Kläger im Rahmen von Versammlungen anlässlich des Geburtstags des Propheten von Nicht-Ahmadis auf seinem Arbeitsweg als Ahmadi erkannt und durch Zurufe belästigt worden ist, folgt ebenfalls keine relevante Verfolgung im Sinne des Asylrechts. Das gleiche gilt in Bezug auf den Drohbrief, den er ausweislich seiner Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt erhalten haben will.
Andere Umstände, aus denen sich die Gefahr der tatsächlichen Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach Pakistan ergeben, liegen ebenfalls nicht vor. In Übereinstimmung mit der mehrheitlich in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung geht das Gericht nicht davon aus, dass Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya in Pakistan allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Religion einer Verfolgung ausgesetzt sind (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, zitiert nach ; VGH Bad-Württ., Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, zitiert nach ; SächsOVG, Urt. v. 18.9.2014 - A 1 A 348/13 -, zitiert nach ). Anderes kann jedoch für solche Ahmadis gelten, die "ihren Glauben in verfolgungsrelevanter Weise praktizieren und das Bekenntnis aktiv in die Öffentlichkeit tragen" (VGH Bad-Württ., Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, zitiert nach Rn. 116). Grund hierfür sind neben der Gesetzeslage in Pakistan auch gesellschaftliche Diskriminierungen und Übergriffe aus der Bevölkerung auf Ahmadis.
Zur Gesetzeslage in Pakistan in Bezug auf Ahmadis führt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, zitiert nach ) folgendes aus:
"Der Islam wurde in Pakistan durch die Verfassung von 1973 zur Staatsreligion erklärt. Die Freiheit der Religionsausübung ist zwar von Verfassung wegen garantiert (U.S. Department of State, International Religious Freedom Report Pakistan for 2011, S. 2 f.). Durch eine Verfassungsänderung von 1974 wurden die Ahmadis allerdings ausdrücklich zu Nicht-Muslimen erklärt und in der Verfassung als religiöse Minderheit qualifiziert und geführt. Nach der Verfassung ist hiernach kein Muslim im Sinne der gesamten pakistanischen Rechtsordnung, wer nicht an die absolute und uneingeschränkte Finalität des Prophetenamtes Mohammeds glaubt bzw. wer auch andere Propheten als Mohammed anerkennt.
Dieses hat unmittelbare Konsequenzen für den Bereich des Wahlrechts insofern, als Ahmadis nur auf besonderen Minderheitenlisten kandidieren und nur solche Personen auf diesen Listen wählen können. Um hingegen ohne Einschränkungen als Muslim kandidieren bzw. wählen zu können, muss eine eidesähnliche Erklärung zur Finalität des Prophetenamtes Mohammeds abgegeben sowie ausdrücklich beteuert werden, dass der Gründer der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft ein falscher Prophet ist. Aufgrund dessen werden seitdem die Wahlen durch die Ahmadis regelmäßig und in erheblichem Umfang boykottiert (vgl. (U.S. Department of State, International Religious Freedom Report Pakistan for 2011, S. 4; U.S. State Department, Human Rights Report Pakistan for 2012, S. 38; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.12.2012, Ziff. 19.104 ff.; Rashid, Pakistan's failed Commitment: How Pakistan's institutionalised Persecution of the Ahmadiyya Muslim Community violates the international Convenant on civil and political Rights, S. 25). In den Pässen werden die Ahmadis ausdrücklich (wieder) als "non-muslim" geführt (vgl. AA, Lagebericht vom 02.11.2012, S. 13).
Seit 1984 bzw. 1986 gelten namentlich drei Vorschriften des pakistanischen Strafgesetzbuches, die sich speziell mit den Ahmadis befassen und die gewissermaßen der Absicherung und Unterfütterung ihrer verfassungsrechtlichen Behandlung dienen.
Sec. 298 B lautet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143):
"(1) Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung
a) eine Person, ausgenommen einen Kalifen oder Begleiter des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ameerui Mumineen', 'Khalifar-ul-Mimineem', 'Shaabi' oder 'Razi-Allah-Anho' bezeichnet oder anredet;
b) eine Person, ausgenommen eine Ehefrau des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ummul-Mumineen' bezeichnet oder anredet;
c) eine Person, ausgenommen ein Mitglied der Familie des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ahle-bait' bezeichnet oder anredet;
d) sein Gotteshaus als 'Masjid' bezeichnet, es so nennt oder benennt, wird mit Freiheitsstrafe einer der beiden Arten bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung die Art oder Form des von seiner Glaubensgemeinschaft befolgten Gebetsrufs als 'Azan' bezeichnet oder den 'Azan' so rezitiert wie die Muslime es tun, wird mit Freiheitsstrafe der beiden Arten und mit Geldstrafe bestraft."
Sec. 298 C lautet:
"Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung mittelbar oder unmittelbar den Anspruch erhebt, Muslim zu sein, oder seinen Glauben als Islam bezeichnet oder ihn so nennt oder seinen Glauben predigt oder propagiert oder andere auffordert, seinen Glauben anzunehmen, oder wer in irgendeiner anderen Weise die religiösen Gefühle der Muslime verletzt, wird mit Freiheitsstrafe einer der beiden Arten bis zu drei Jahren und Geldstrafe bestraft."
Sec. 295 C schließlich hat folgenden Wortlaut:
"Wer in Worten, schriftlich oder mündlich oder durch sichtbare Übung, oder durch Beschuldigungen, Andeutungen oder Beleidigungen jeder Art, unmittelbar oder mittelbar den geheiligten Namen des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) verunglimpft, wird mit dem Tode oder lebenslanger Freiheitsstrafe und Geldstrafe bestraft."
Der Vollständigkeit halber sollen in diesem Zusammenhang noch erwähnt werden (vgl. auch Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.12.2012, Ziff. 19.32):
- Sec. 298 A (Gebrauch abschätziger bzw. herabsetzender Bemerkungen in Bezug auf heilige Personen; Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, Geldstrafe oder beides);
- Sec. 295 (Beleidigung oder Schändung von Orten der Verehrung mit dem Zweck bzw. Ziel, eine Religion jeder Art herabzusetzen, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre, Geldstrafe oder beides);
- Sec. 295 A (Vorsätzliche und böswillige Handlungen mit dem Zweck die religiösen Gefühle jeden Standes zu verletzen durch Beleidigung der Religion oder des Glaubens, Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren, Geldstrafe oder beides) und
- Sec. 295 B (Beleidigung bzw. Verächtlichmachung des Heiligen Korans, lebenslange Freiheitsstrafe).
Alle genannten Vorschriften, die nach ihrem eindeutigen Wortlaut im Übrigen nicht nur die öffentliche Sphäre der Religionsausübung betreffen (in diesem Sinne auch schon ausführlich HessVGH, Urteil vom 31.08.1999 - 10 UE 864/98.A - , Rdn. 92 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2008 - A 10 S 3032/07 - ; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.12.1992 - 2 BvR 1263/92 - , m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 - NVwZ 1994, 500; vom 25.01.1995 - 9 C 279.94 - NVwZ 1996, 82, insbesondere dort auch noch zur mittlerweile irrelevanten Abgrenzung zwischen forum internum und zur Glaubensbetätigung mit Öffentlichkeitsbezug), stellen in weiten Teilen diskriminierende, nicht mit Art. 18 Abs. 3 IPbpR (vgl. auch Art. 52 Abs. 1 GRCh) zu vereinbarende Strafbestimmungen dar, die zugleich die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit. c) RL 2004/83/EG (identisch mit RL 2011/95/EU) erfüllen (vgl. auch etwa EGMR, Urteil vom 24.02.1998 - 140/1996/759/958-960, Larissis - http://www.echr.coe.int/echr/), wonach ein Verbot des Missionierens, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, eine unzulässige Beschränkung der Religionsfreiheit darstellt). Soweit man einzelne Bestimmungen im Ansatz noch als zulässige Begrenzung der Religionsfreiheit ansehen wollte (etwa Sec. 298 C letzte Variante), fehlt allerdings schon jede tatbestandliche Eingrenzung, vielmehr wird mit ihrer begrifflichen Weite ein Einfallstor für Willkür eröffnet (vgl. hierzu noch unten d). Es handelt sich nicht um staatliche Maßnahmen, die der Durchsetzung des öffentlichen Friedens und der verschiedenen, in ihrem Verhältnis zueinander möglicherweise aggressiv-intoleranten Glaubensrichtungen dienen, und weshalb zu diesem Zweck etwa einer religiösen Minderheit mit Rücksicht auf eine religiöse Mehrheit untersagt wird, gewisse Bezeichnungen, Merkmale, Symbole oder Bekenntnisformen in der Öffentlichkeit zu verwenden, obschon sie nicht nur für die Mehrheit, sondern auch für die Minderheit identitätsbestimmend sind (so noch BVerfG, Beschluss vom 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143 im Kontext des Asylgrundrechts), weshalb auch offen bleiben kann, ob unter dem Regime der Qualifikationsrichtlinie eine derart weitgehende Beschränkung der Religionsfreiheit für die Betroffenen, wie sie das Bundesverfassungsgericht für das Asylgrundrecht noch für richtig gehalten hat, hinzunehmen und unionsrechtskonform wäre. Dies gilt nicht nur mit Rücksicht auf die fehlende Beschränkung auf die öffentliche Sphäre, sondern auch deshalb, weil hier der pakistanische Staat, auch wenn er stark durch Glaubensüberzeugungen der Mehrheitsbevölkerung geprägt sein mag, nicht die Rolle eines um Neutralität bemühten vermittelnden Staatswesens einnimmt. Vielmehr werden einseitig die Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Haftung genommen und in ihren Freiheitsrechten und in ihrer religiösen Selbstbestimmung beeinträchtigt, obwohl von einem aggressiven Auftreten gegenüber anderen Religionen, namentlich auch anderen Strömungen des Islam nichts bekannt geworden ist und den inneren Frieden störende Handlungen gerade nicht von ihnen ausgehen (vgl. hierzu auch Rashid, Pakistan's Failed Commitment, S. 32), sondern weitgehend allein von zunehmend aggressiv agierenden orthodoxen Teilen der Mehrheitsbevölkerung sowie mittlerweile auch direkt und unmittelbar von staatlichen Behörden (vgl. hierzu schon AA, Lagebericht vom 18.05.2007, S. 14 ff.; U.S. Department of State, International Religious Freedom Report Pakistan vom 10.09.2007, S. 6 und 10 und nunmehr Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.12.2012, Ziff. 19.12, 19.27, 19.44, 19.121, 19.127 und 19.145). Von einer legitimen Begrenzung der religiösen Betätigung von Ahmadis kann auch deshalb keine Rede sein, weil der pakistanische Staat keine effektiven legislativen und exekutiven Maßnahmen ergreift, um dem aggressiven Wirken entgegenzutreten und den Minderheiten - als Kehrseite möglicher ihnen auferlegter maßvoller Beschränkungen - einen wirklich geschützten Freiraum für ihr Wirken bereitstellt."
Diesen Ausführungen, die auch durch aktuelle Erkenntnismittel gestützt werden (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Mai 2016, S. 13 ff.; UNHCR, Eligibility Guidelines, Januar 2017, S. 29 ff.; UK Home Office, Country Information and Guidance Pakistan: Ahmadis, Mai 2016, S. 17 ff.), folgt das Gericht.
Neben die geschilderte Gesetzeslage und durch diese begünstigt treten soziale Diskriminierungsakte und einzelne, aber durchaus regelmäßig vorkommende gewaltsame Übergriffe nichtstaatlicher Akteure, vor denen die Autoritäten keinen hinreichenden Schutz bieten (Immigration and Refugee Board of Canada, Pakistan: Situation of Ahmadis 2013-January 2016 unter 4.; UK Home Office, Country Information and Guidance Pakistan: Ahmadis, Mai 2016, S. 23 ff.; UNHCR, Eligibility Guidelines, Januar 2017, S. 35 ff.).
Auch wenn aufgrund dieser Verhältnisse für einzelne Mitglieder der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft eine asylrelevante Verfolgung angenommen werden kann, geht die Einzelrichterin nicht davon aus, dass es eine abgrenzbare Gruppe von "bekennenden Ahmadis" gibt. Daher ist auch der Versuch, eine Verfolgungswahrscheinlichkeit anhand einer gruppenbezogenen Relationsbetrachtung zu ermitteln, vorliegend wenig zielführend. Denn wenn die Verfolgungsgefahr von einem willensgesteuerten Verhalten abhängt - hier: der Praktizierung des Glaubens in der Öffentlichkeit -, ist für die Gefahrenprognose auf die Gruppe der ihren Glauben genau in dieser Weise praktizierenden Glaubensangehörigen abzustellen (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, zitiert nach ). Da aber unter den Ahmadis naturgemäß individuelle Unterschiede in Bezug auf religiöse Prägung sowie Intensität und Art der Glaubensausübung bestehen, darf bezweifelt werden, ob nach diesem Maßstab überhaupt eine sinnvolle Gruppenbildung möglich ist. Davon abgesehen existiert kaum belastbares und nachvollziehbares Zahlenmaterial, anhand dessen überhaupt eine bestimmte Anzahl sogenannter "bekennender Ahmadis" in Pakistan bestimmt werden könnte. Während das Verwaltungsgericht Oldenburg von einer Gruppengröße von 400.000 bzw. 500.000-600.000 ausgeht, legen andere Schätzungen eine erhebliche kleinere Anzahl nahe. Der vom Kläger vorgelegten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Juni 2015 (GZ 508-516.80/48361) ist zu entnehmen, dass pakistanische Behörden davon ausgehen, dass 80-90 % der dort ansässigen Ahmadis in Rabwah leben. Bei Rabwah handelt es sich um eine für pakistanische Verhältnisse eher kleinere Stadt; der Kläger hat die Einwohnerzahl auf etwa 50.000 geschätzt; andere Quellen gehen von 60.000-70.000 Einwohnern aus, von denen 90-95 % der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft angehören (Immigration and Refugee Board of Canada, Pakistan: Religious and ethnic groups in Rabwah 2015-2016 m. w. N.). Daran gemessen ergibt sich eine deutlich kleinere Gruppe von ca. 60.000 in Pakistan behördlich bekannten Ahmadis. Selbst wenn man wegen der Nachteile, die eine behördliche Registrierung als Zugehöriger der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft mit sich bringt (UNHCR, Eligibility Guidelines, Januar 2017, S. 31 f.) von einer höheren Dunkelziffer ausgeht, erscheint die Zahl von 400.000 bzw. 500.000-600.000 "bekennenden Ahmadis" zu hoch gegriffen. Die Annahme eines zwischen 60.000 und 400.000-600.000 liegenden Werts würde einer sachlichen Grundlage entbehren (vgl. auch VGH Bad-Württ., Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, zitiert nach Rn. 61 ff.).
Für einen Ahmadi kommt es für die Beurteilung der Frage, ob er bei einer Rückkehr nach Pakistan einer realen Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre, damit entscheidend auf seine individuelle religiöse Prägung an. Um hierüber Feststellungen treffen zu können, ist eine ausführliche Anhörung des Betroffenen im Rahmen der mündlichen Verhandlung in aller Regel unverzichtbar. Wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger seinen Glauben in Pakistan nicht in einer in die Öffentlichkeit wirkenden Weise praktiziert hat, sind die Gründe hierfür aufzuklären. Denn der Verzicht auf eine verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung im Herkunftsland kennzeichnet die religiöse Identität eines Gläubigen dann nicht, wenn er aus begründeter Furcht vor Verfolgung erfolgte. Ergibt die Prüfung, dass der Kläger seinen Glauben in Deutschland nicht in einer Weise praktiziert, die ihn in Pakistan der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde, spricht dies regelmäßig dagegen, dass eine solche Glaubensbetätigung für seine religiöse Identität prägend ist, es sei denn, der Betroffene kann gewichtige Gründe hierfür vorbringen. Praktiziert er seinen Glauben hingegen in entsprechender Weise, ist weiter zu prüfen, ob diese Form der Glaubensausübung für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist und nicht etwa nur deshalb erfolgt, um die Anerkennung als Flüchtling zu erreichen (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, zitiert nach Rn. 31).
Vorliegend stellt sich die religiöse Prägung des Klägers aufgrund seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung und der von ihm eingereichten Schreiben der "Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland" sowie Lichtbilder und Spendenbescheinigungen wie folgt dar: Der Kläger ist gebürtiger Ahmadi. Er praktiziert seinen Glauben, indem er regelmäßig privat betet, nach Möglichkeit - vor allem abends und am Wochenende außerhalb seiner Arbeitszeit - die Moschee besucht und am Gemeindeleben teilnimmt. Dazu gehört in Deutschland auch die Teilnahme am jährlichen Zusammentreffen der Jugendorganisation in Karlsruhe (Salana Ijtema) sowie an der jährlichen Hauptversammlung (Jalsa Salana) in Karlsruhe. Das in Deutschland bzw. E. von ihm geführte Gemeindeleben ist zudem von regelmäßigen gemeinsamen Unternehmungen und Feierlichkeiten wie dem Fastenbrechen sowie öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen wie dem Verteilen von Flyern geprägt. An ausgewählten Veranstaltungen beteiligen sich auch weitere Personen, die nicht zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft gehören. Der Kläger entrichtet - finanzielle Möglichkeiten vorausgesetzt - regelmäßig Spenden und Mitgliedsbeiträge. In seiner Gemeinde in Stade hat er auch ein Amt inne. Dieser Befund lässt den Schluss darauf zu, dass es sich bei dem Kläger um einen religiös geprägten Menschen handelt, für den die aktive Teilnahme am Gemeindeleben der jeweils in der Nachbarschaft befindlichen Ahmadiyya-Gemeinde eine Selbstverständlichkeit ist. Allerdings ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass gerade die öffentlichkeitswirksame Praktizierung seines Glaubens für den Kläger in einer Weise identitätsbestimmend ist, dass er bei einer Rückkehr nach Pakistan tatsächlich von Verfolgung bedroht werden würde. Darauf lässt vor allem der Vergleich zwischen der jetzt in Deutschland und zuvor in Pakistan ausgeübten Glaubensbetätigung schließen. Der Kläger hat geschildert, dass er in Pakistan ebenfalls regelmäßig an Gebeten in der Stadtteilmoschee teilgenommen und sich ins Gemeindeleben eingebracht habe. In diesem Zusammenhang habe er an monatlichen Versammlungen und alle drei Monate an der Stadtteilversammlung teilgenommen. An der jährlichen Versammlung habe er nicht teilgenommen, weil er kein Amt bekleidet habe. Dafür habe ihm aufgrund seiner Berufstätigkeit die Zeit gefehlt. Seine Schilderung hat nicht erkennen lassen, dass es ihm in Bezug auf seine Glaubensbetätigung in Pakistan an wesentlichen Elementen gefehlt hat. Vielmehr ist der Eindruck entstanden, dass der Kläger ein durchaus pragmatisches Verhältnis zu seiner Religion hat. Zwar gliedert die Durchführung religiöser Riten seinen Alltag. Auch die Teilnahme am Gemeindeleben ist für ihn von Bedeutung. Allerdings hat er die Bekleidung eines hervorgehobenen Ehrenamtes, welches mehr Engagement erfordert hätte, der beruflichen Organisation seines Alltags untergeordnet. Auch sonst waren seinen Ausführungen keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass er bestimmte religiöse Betätigungen in der Öffentlichkeit vermeiden musste, obwohl er diese für sich selbst und seine religiöse Identität als verpflichtend empfunden hätte. Die Angaben, die er in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf die besseren Möglichkeiten der öffentlichkeitswirksamen Glaubensbetätigung in Deutschland im Vergleich zu Pakistan gemacht hat, lassen nicht darauf schließen, dass es für ihn persönlich von zentraler Bedeutung ist, seinen
Glauben in dieser Weise zu leben. Denn der Kläger schilderte dies nur allgemein. Vielmehr hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass es für ihn vor allem von Bedeutung ist, einer Ahmadiyya-Gemeinde anzugehören und sich in das Gemeindeleben einzubringen, wie es seinem Zeit- und Finanzbudget entspricht. Der konkrete Öffentlichkeitsbezug seines Engagements ist demgegenüber nur von untergeordneter Bedeutung.
Diese individuelle religiöse Prägung des Klägers zugrunde gelegt, steht ihm interner Schutz in Form einer innerstaatlichen Fluchtalternative i. S. des § 3e AsylG in Rabwah zur Verfügung. Dazu hat das Verwaltungsgericht Oldenburg (Urt. v. 30.1.2017 - 5 A 513/14 -, zitiert nach ) festgestellt:
"Für Ahmadis besteht eine inländische Fluchtalternative in Rabwah/Chenab Nagar, wo der Anteil der Ahmadis an der Bevölkerung mehr als 95 % beträgt. Es gibt dort insgesamt 69 Ahmadi-Moscheen (Ahmadiyya Muslim Jamaat, Stellungnahme an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 18. Juli 2014). Aufgrund ihrer zahlenmäßigen Dominanz kann sich die Ahmadi-Bevölkerung in Rabwah relativ sicher fühlen. Es bestehen aber auch dort Bedrohungen, da die Gegner wissen, dass in Rabwah sehr viele Ahmadis leben, und sie die Stadt ins Visier nehmen. Alljährlich finden mehrere Anti - Ahmadiyya-Veranstaltungen in Rabwah statt, zu denen Gegner aus anderen Teilen des Landes in die Stadt transportiert werden. Über Lautsprecher verbreiten diese Gegner gegen die Ahmadiyya gerichtete Slogans, derweilen sich die Ahmadis in ihren Häusern verbarrikadieren (EASO, Pakistan Länderüberblick, August 2015). Verfolgungsrelevante Übergriffe auf Ahmadis in Rabwah lassen sich den vorliegenden Erkenntnismaterialien nicht entnehmen.
Der Umstand, dass 1989 und 2008 wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen § 298c PPC Strafverfahren gegen alle Ahmadis in Rabwah eingeleitet wurden, ist - soweit ersichtlich - für alle Betroffenen ohne Folgen geblieben. Alle Verfahren wurden eingestellt, ohne dass irgendwelche Sanktionen verhängt wurden. Bei strafbewehrten Verboten kommt es maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland an, denn ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, begründet keine erhebliche Verfolgungsgefahr. Auch wenn die Einleitung der Ermittlungsverfahren der Einschüchterung der großen Bevölkerungsmehrheit von Rabwah gedient haben sollte, war sie aufgrund ihrer Art oder Wiederholung bei weitem nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen würde. Auch in einer Kumulierung mit anderen Maßnahmen war sie nicht annähernd so gravierend, dass die in Rabwah lebenden Ahmadis davon in ähnlicher Weise wie bei einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung betroffen gewesen wären (vgl. § 3a Abs. 1 AsylG). Dementsprechend haben im November 2015 die Familien vieler Mitarbeiter einer einem Ahmadi gehörenden und von religiösen Extremisten aufgrund eines Gerüchts in Brand gesetzten Fabrik, die auf dem Fabrikgelände wohnten, in Rabwah Zuflucht gefunden. Dies zeigt, dass diejenigen Ahmadis, die Schutz in Rabwah suchen, dort aufgenommen werden (VG Augsburg, Urteil vom 10. März 2016 - Au 3 K 16.30051 -, )."
Die Schilderung des Klägers zur Situation der Ahmadis in Rabwah deckt sich im Wesentlichen mit diesen Ausführungen, so dass kein Anlass besteht, dieser Einschätzung nicht zu folgen. Sie wird im Übrigen auch durch die vom Kläger vorgelegte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Juni 2015 (GZ 508-516.80/48361) bestätigt. Denn dort wird festgestellt, dass es für Ahmadis vor allem gefährlich ist, sich außerhalb Rabwahs in der Provinz Punjab aufzuhalten, weil vor allem dort die Khatm-e-Nabuwwat-Bewegung, eine Anti-Ahmadi-Organisation, über ein gut aufgestelltes Netzwerk verfügt. Innerhalb von Rabwah zeichnet sich das Leben der Ahmadis trotz der religiösen Konflikte durch Wohlstand, Sicherheit und ein gut organisiertes Handelsnetzwerk aus. Eine begründete Furcht vor Verfolgung hat der Kläger somit in Rabwah aufgrund seiner religiösen Prägung nicht zu erwarten, weil er dort im selben Umfang wie vor seiner Ausreise nach Deutschland seinen Glauben ausüben könnte. Dies entspricht auch seiner in der mündlichen Verhandlung festgestellten religiösen Prägung, zu deren zentralen Bestandteilen eine öffentlichkeitswirksame Glaubensbetätigung nicht gehört. Eine reale Verfolgungsgefahr folgt auch nicht daraus, dass wegen der stets vorhandenen latenten Bedrohung von Ahmadis in Pakistan nicht alle Bewohner Rabwah als sicheren Ort empfinden (vgl. Immigration and Refugee Board of Canada, Pakistan: Religious and ethnic groups in Rabwah 2015-2016). Es liegen ferner keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger dorthin nicht sicher und legal reisen könnte. Weil seine Familie dort lebt, kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich dort niederlässt. Aufgrund seiner Ausbildung ist zu erwarten, dass er wie zuvor eine Beschäftigung findet.
Auf subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG und ein daraus folgendes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG kann sich der Kläger ebenfalls nicht erfolgreich berufen. Ein ernsthafter Schaden i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylVfG droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan nicht. Es wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und der Begründung des Bescheides der Beklagten vom 18. Juli 2016 gefolgt.
Dem Kläger steht weiter kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich seine Abschiebung in Anwendung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl 1952 II S. 685) als unzulässig erweist. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK drohen könnte, bestehen nicht. Es wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und der Begründung des Bescheides der Beklagten vom 18. Juli 2016 gefolgt.
Aus denselben Gründen steht der Abschiebung des Klägers auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO; 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.