Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.04.1989, Az.: 5 U 26/88
Anerkennung eines den gesetzlichen Zinssatz übersteigenden Zinssatzes als Verzugsschaden; Auswirkungen eines Abfindungsvergleichs in seiner Quotierung materieller Ansprüche; Übergang von Forderungen eines Geschädigten eines Verkehrsunfall auf den Haftpflichtversicherer
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.04.1989
- Aktenzeichen
- 5 U 26/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 13804
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1989:0420.5U26.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - AZ: 5 O 171/87
Rechtsgrundlagen
- § 653 RVO
- § 1542 RVO
Fundstellen
- DAR 1990, 179-181 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1990, 911-912 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatzes aus Verkehrsunfall
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 1989
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12. November 1987 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover im Zinsausspruch abgeändert und daher wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin 28.308,36 DM nebst folgenden Jahreszinsen auf folgende Beträge zu zahlen:
8 % Zinsen auf 46.670,92 DM vom 23. Juni 1984 bis 6. Januar 1985,
8 % Zinsen auf 48.243,47 DM vom 7. Januar bis 25. März 1985,
8 % Zinsen auf 50.740,88 DM vom 26. März bis 18. April 1985,
8 % Zinsen auf 40.740,88 DM vom 19. April bis 4. Mai 1985,
8 % Zinsen auf 45.300,46 DM vom 5. bis 31. Mai 1985, 7,75 % Zinsen auf 45.300,46 DM vom 1. Juni bis 2. August 1985,
7,75 % Zinsen auf 46.943,43 DM vom 3. August bis 16. August 1985,
7,75 % Zinsen auf 47.924,78 DM vom 17. bis 21. August 1985,
7,75 % Zinsen auf 7.424,78 DM vom 22. August bis 9. September 1985,
7,75 % Zinsen auf 7.872,78 DM vom 10. September bis 22. November 1985,
7,75 % Zinsen auf 8.773,29 DM vom 23. November 1985 bis 4. Januar 1986,
7,75 % Zinsen auf 11.344,23 DM vom 5. Januar bis 28. März 1986,
7,75 % Zinsen auf 13.295,27 DM vom 29. März bis 30. April 1986,
6,75 % Zinsen auf 13.295,27 DM vom 1. Mai bis 16. Juni 1986,
6,75 % Zinsen auf 17.906,61 DM vom 17. Juni bis 2. Juli 1986,
6,75 % Zinsen auf 7.906,61 DM vom 3. Juli bis 24. August 1986,
6,75 % Zinsen auf 17.744,86 DM vom 25. August bis 16. September 1986,
6,75 % Zinsen auf 14.744,86 DM vom 17. September bis 5. Oktober 1986,
6,75 % Zinsen auf 17.349,13 DM vom 6. Oktober bis 1. November 1986,
6,75 % Zinsen auf 22.786,47 DM vom 2. bis 24. November 1986,
6,75 % Zinsen auf 24.095,34 DM vom 25. November 1986 bis 3. März 1987,
6,75 % Zinsen auf 25.995,47 DM vom 4. März bis 6. April 1987
und 6,75 % Zinsen auf 28.308,36 DM seit dem 7. April 1987.
Im übrigen verbleibt es bei der Klageabweisung.
- 2.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
- 3.
Bezüglich der Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszuge verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 15/16 und die Beklagten 1/16.
- 4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; jedoch dürfen die Klägerin die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheit von 17.000,00 DM und die Beklagte die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheit von 10.000,00 DM abwenden, wenn nicht jeweils der Gegner vorher Sicherheiten in dieser Höhe leistet; als Sicherheiten sind unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaften einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zugelassen.
- 5.
Die Beschwer beträgt: für die Klägerin mehr als 40.000,00 DM, für die Beklagten weniger als 10.000,00 DM.
Tatbestand
Die Klägerin macht aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche geltend aus einem Verkehrsunfall, der sich am 2. Februar 1979 gegen 7 Uhr früh bei Dunkelheit und Nässe auf der Bundesstraße 1 im Bereich der Stadt ... ereignet hat und bei welchem der 1963 geborene ..., welcher seinerzeit als Postjungbote bei der ... ausgebildet wurde, schwer verletzt worden ist. ... befand sich auf dem Weg zur Arbeitsstelle und wurde als Fußgänger beim Überqueren der Bundesstraße 1 von einem VW-Transporter des Drittbeklagten, der von der Zweitbeklagten gesteuert wurde und der bei der Erstbeklagten haftpflichtversichert war, angefahren; ... erlitt u. a. schwere Kopf- und Hirnverletzungen. Die ... hat ihm bis zum 30. Juni 1985 die Bezüge als Postjungbote weiterbezahlt; ... ist der Unfallfolgen wegen nicht in das Beamtenverhältnis des einfachen Dienstes (als Posthauptschaffner) übernommen worden, sondern die ... beschäftigt ihn ab 1. Juli 1985 als Arbeiter der Lohngruppe IV für eine wöchentliche Teilzeit, ihn dabei für eine höhere Stundenzahl als tatsächlich geleistet im Hinblick auf die Folgen der Unfallverletzungen entlohnend.
...
hat mit der Erstbeklagten unter dem 16. März 1983 einen Vergleich geschlossen, laut dessen er sich hinsichtlich eines Schmerzensgeldes und materieller Schadensersatzansprüche bis zum 31. Dezember 1982 gegen Zahlung von 80.000,00 DM für abgefunden erklärt und sich hinsichtlich der materiellen Schadensersatzansprüche für die Zeit ab 1. Januar 1983 mit der Beklagten auf eine Haftungsquote von 50 % dem Grunde nach geeinigt hat (Ablichtung der Urkunde Bl. 119/120 GA). ... hat ferner unter dem 6. Januar 1984 seine Ersatzansprüche aus dem Unfall von 1979 an die ... - Ausführungsbehörde für Unfallversicherung bzw. an die ... im Umfange der erbrachten bzw. zu erbringenden Leistungen abgetreten (Ablichtung der Abtretungserklärung Bl. 15 GA).
Die Klägerin hat als Unfallversicherer ... beträchtliche Heilungskosten in Gestalt von Kosten der Heilbehandlung, Kosten der Belastungserprobung sowie eines Aufwandes für vermehrte Bedürfnisse im Gesamtbetrage von 402.706,94 DM erbracht. An Dienstbezügen sind im Zeitraum bis 30. Juni 1985 an ... 64.906,14 DM gezahlt worden; die Klägerin macht ferner für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1985 einen Verdienstausfallschaden ... geltend, welchen sie in der Berufung mit 13.187,68 DM beziffert.
Mit der Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten Erstattung des unfallbedingten Aufwandes im Umfange von 65 %. Die Drittbeklagte hat in Teilbeträgen vor Rechtshängigkeit insgesamt 133.000,00 DM gezahlt. Mit der Klage fordert die Klägerin die Zahlung weiterer 179.520,47 DM zuzüglich Verzugszinsen zwischen 8 und 6,75 % gemäß Zinsstaffel.
Die Parteien streiten über den Unfallhergang und das Ausmaß der Verantwortlichkeit der Beklagten bzw. der Mitverantwortlichkeit des Fußgängers. Während die Klägerin ein unfallursächliches Verschulden der Zweitbeklagten geltend macht, leugnen die Beklagten ein solches und sind nur bereit, aus dem Gesichtspunkt der Haftung für Betriebsgefahr den Unfallschaden im Umfange von 1/3 zu regulieren und ihre Verpflichtung in dieser Höhe anzuerkennen.
Das Landgericht hat die Beklagten bezüglich der kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche auf der Grundlage einer nur quotenmäßigen Haftung im Umfange von 1/3, bezüglich der von der Klägerin nur durch die Abtretung erworbenen Ansprüche dagegen wegen des von ... mit der Erstbeklagten geschlossenen Vergleichs auf der Grundlage von 50 % zur Zahlung von noch 28.308,36 DM nebst 4 % Zinsen laut Zinsstaffel verurteilt.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren im ursprünglichen Umfange, insbesondere auch zum Verzugsschaden, dabei ihren Vortrag zum Unfallgeschehen und zu den einzelnen Positionen ihrer Forderung ergänzend und vertiefend.
Sie beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner unter Einbeziehung des vom Landgericht bereits zuerkannten Teilbetrages zur Zahlung von insgesamt 179.520,47 DM zuzüglich der Zinsen laut Zinsstaffel der Klageschrift (Bl. 2/3 GA) zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils des Landgerichts sowie auf die im Berufungsrechtszuge gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die den Verkehrsunfall betreffenden Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hannover:
712/62 Js 389/79 haben dem Senat zur Information vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat im wesentlichen keinen Erfolg; sie ist nur begründet, soweit das Landgericht der Klägerin einen höheren als den gesetzlichen Zinssatz als Verzugsschaden aberkannt hat; deshalb ist die vom Landgericht ausgeurteilte Summe nebst den weiteren Teilbeträgen nach Zeitabschnitten der Zinsforderung in der Höhe gemäß dem Antrage der Klägerin ab dem geforderten Zeitpunkt zu verzinsen. Soweit das Landgericht der Klage nicht stattgegeben hat, verbleibt es im übrigen bei der Klageabweisung: Mehr als vom Landgericht zuerkannt hat (mit Ausnahme der Zinsen) die Klägerin nicht zu beanspruchen.
I.
Die Klägerin rügt, daß das Landgericht sein Urteil in einem vorgezogenen und den Parteien vorher nicht mitgeteilten Termin verkündet hat. Inwieweit dieser Umstand für das Verfahren Bedeutung erlangt und die Klägerin benachteiligt haben könnte, ist indessen nicht dargestellt worden, so daß der Senat hierauf nicht näher einzugehen hat; der Verkündungsakt und die Existenz der angefochtenen Entscheidung sind jedenfalls nicht berührt (vgl. dazu BGHz 14, 39 ff.).
II.
Für den Unfallschaden haben dem Grunde nach einzustehen: Die Klägerin (als Rechtsnachfolgerin des Fußgängers ...) zu 2/3, die Beklagten für den Rest, d. h. zu 1/3.
Dies hat zur Folge, daß die Klägerin 1/3 ihres unfallbedingten Aufwandes ersetzt verlangen kann, den sie als Unfallversicherer (§ 653 RVO) für ... erbracht hat und dem gemäß § 1542 RVO im Zeitpunkt des Unfalls auf sie übergegangene Ansprüche ... zugrundeliegen. Insofern bestätigt der Senat das angefochtene Urteil:
Die Klägerin irrt, wenn sie meint, der zwischen den Beklagten und ... geschlossene (Abfindungs-) Vergleich vom 16. März 1983, der hinsichtlich des zukünftigen materiellen Unfallschadens ... eine Quotierung im Verhältnis 50:50 festlegt, habe gestaltenden Einfluß auch auf die gem. § 1542 RVO übergegangenen Ansprüche insofern, als hiernach die Beklagten insgesamt mindestens die Hälfte des Aufwandes zu erstatten hätten. Mit diesem offensichtlichen Irrtum braucht sich der Senat nicht auseinanderzusetzen. Für die im Zeitpunkt des Unfalls übergegangenen Ansprüche ist maßgebend das vom Senat in Würdigung des Unfallgeschehens festzusetzende Verhältnis der beiderseitigen Verantwortlichkeiten.
Die Auswirkungen des Abfindungsvergleichs in seiner Quotierung materieller Ansprüche ... sind bereits vom Landgericht zutreffend dargestellt worden; sie betreffen lediglich diejenigen Forderungen ..., welche die Klägerin durch die Abtretung vom 6. Januar 1984 erworben haben kann, vornehmlich also den Verdienstausfall ... im Zeitraum ab 1. Januar 1983.
III.
Das Landgericht geht von einer beiderseitigen schuldhaften Verursachung der beteiligten Unfallgegner, der Zweitbeklagten und ... aus, läßt dann aber das Verschulden der Zweitbeklagten als das weitaus geringere gegenüber dem massiven Verschulden des Fußgängers zurücktreten und die Beklagten nur aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr haften. Dem kann der Senat nur auf das Ergebnis der Quote beipflichten, weil ein - wenn auch im Verhältnis geringes - Verschulden der Fahrzeugführerin die Mitverantwortlichkeit der Beklagten erhöhen müßte. Indessen haften die Beklagten zu nicht mehr als 1/3 auf den Unfallschaden nach Maßgabe des Straßenverkehrsgesetzes/Pflichtversicherungsgesetzes, d. h. lediglich aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr, weil ein Verschulden der Zweitbeklagten aufgrund der unstreitigen aktenkundigen Umstände nicht festgestellt werden kann und auf der Grundlage des Prozeßvortrags der Klägerin nicht erweisbar ist:
1.
Vom Unfallgeschehen ist nur soviel bekannt:
Unfallort und Unfallzeit,
die Witterungsverhältnisse - Dunkelheit und Nässe mit
schlechter Sicht,
die Anstoßstelle auf der Fahrbahn, nämlich etwa Fahrbahnmitte, daraus abzuleiten, daß unstreitig die Endstellung des Fahrzeugs nach dem Unfall im Bereich der linken Fahrspur der am Unfallort dreispurigen Bundesstraße festzulegen ist (linke Spur in der Fahrtrichtung der Zweitbeklagten), die Straßenbreite von rund 10 Metern.
Bereits zweifelhaft (weil im Ermittlungsverfahren nicht einwandfrei geklärt) ist, ob die aus den Lichtbildern des Fahrzeugs im Bereich der linken Frontseite zu ersehenden "Beulen" auf den Anstoß mit dem Fußgänger zurückzuführen sind. Streitig und ungeklärt sind ferner:
Die Gehrichtung ... (obwohl wahrscheinlicher ist, daß er für die Zweitbeklagte von rechts kam); da der Anstoß etwa auf der Fahrbahnmitte erfolgte, kann dieser Gesichtspunkt für die nachfolgende Betrachtung vernachlässigt werden.
Vor allem: Die Schrittgeschwindigkeit bzw. das Lauftempo ... und damit die Dauer seines Verweilens auf der Fahrbahn vor dem Unfall.
Spuren auf der Fahrbahn sind nicht gesichert worden bzw. waren nicht vorhanden.
a)
Die Zeugen ... und ..., welche sich mit ihren Fahrzeugen zur Unfallzeit aus der Gegenrichtung näherten, haben den Fußgänger vor dem Unfall nicht erblickt und können daher weder über seine Gehrichtung noch über die Geschwindigkeit, mit welcher ... die Fahrbahn überquerte, etwas sagen. Zu Recht hat daher das Landgericht von ihrer Vernehmung abgesehen (die Klägerin stellt insofern auch nichts weiter unter Beweis), und auch der Senat sieht hierzu keinen Anlaß.
Die Zweitbeklagte hat sich zum Unfallhergang in dem gegen sie eingeleiteten Ermittlungs- und Strafverfahren ausgeschwiegen. Der Fußgänger ... hat - als Folge der erlittenen schweren Hirnverletzungen begreiflicherweise- keine exakte Erinnerung mehr. Erstmalig in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens gegen die Zweitbeklagte (im April 1982, d. h. mehr als drei Jahre nach dem Unfall) hat er ausgesagt, daß es ihn "in der Mitte der drei Fahrspuren ... erwischt" habe (Protokoll der Hauptverhandlung Bl. 207 d.A. der StA Hannover). Die Klägerin stellt dessen ungeachtet nunmehr - insbesondere in der Berufungsverhandlung - durch das Zeugnis ... unter Beweis, daß ... im Unfallzeitpunkt auf der Fahrbahnmitte gestanden habe (um den Gegenverkehr passieren zu lassen). Gleichwohl bedarf es einer Vernehmung ... zu dieser Behauptung nicht:
Dieser Vortrag der Klägerin kann vielmehr unterstellt werden, weil aus ihm (in Verbindung mit den übrigen aktenkundigen Umständen) ein mitursächliches Verschulden der Zweitbeklagten nicht abgeleitet werden kann, sich hierdurch also in der Bewertung der Haftungsfrage nichts ändert. Die Klägerin stellt nämlich nicht unter Beweis - und kann es durch den Zeugen ... auch nicht - wie lange dieser vor dem Anstoß auf der Fahrbahnmitte verweilt hatte; im Gegenteil wäre es als ein Zeugnis des Fußgängers ... gegen sich selbst anzusehen, würde er die Behauptung der Klägerin bestätigen (wie noch auszuführen).
b)
Auf der Grundlage der bekannten unstreitigen Umstände in Verbindung mit dem unter Beweis gestellten weiteren Umstand, daß ... im Zeitpunkt des Anstoßes etwa auf der Fahrbahnmitte stand, läßt sich ein unfallursächliches Verschulden der Zweitbeklagten nicht feststellen:
Entscheidend hierfür ist die Überlegung, daß die Gehgeschwindigkeit bzw. das Lauftempo ... unbekannt sind. Bei dem noch jungen Fußgänger ist nicht ausgeschlossen, daß er schnellen Schrittes oder laufend über die Straße wollte, zumal sich von beiden Seiten Fahrzeugverkehr näherte, die Zweitbeklagte in ihrem Fahrzeug von der einen, die Zeugen ... und ... von der anderen Seite. Die Behauptung der Klägerin über das Stehenbleiben ... auf der Fahrbahnmitte unterstellt könnte dafür sprechen, daß ... erst während des Überquerens erkannte, daß es für ein Überschreiten der Straße in einem Zuge zu knapp geworden war. Zugunsten der Beklagten muß die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit des Geschehens unterstellt werden, daß ... "schnell" über die Straße "gelaufen" ist. Sei es nun, daß ... für die Beklagte von links oder rechts kam: In jedem Falle hat ... vom Straßenrand bis zur Anstoßstelle etwa 4- 5 Meter zurückgelegt, und hierzu benötigte er bei Lauftempo oder Schnellem ... deutlich weniger als drei Sekunden, woraus abzuleiten ist, daß er sich vor dem herannahenden Fahrzeug der Beklagten erst dann vom Fahrbahnrand mit Signalwirkung für die Beklagte gelöst haben kann, als es für eine gefahrverhütende Bremsung - oder Ausweichreaktion - bereits zu spät war.
Für die Feststellung einer unangemessen hohen oder gar unzulässigen, nicht auf die besonderen Sichtverhältnisse zugeschnittenen Ausgangsgeschwindigkeit der Beklagten schließlich fehlen die erforderlichen Anknüpfungstatsachen (z. B. Unfallspuren auf der Fahrbahn, usw.).
c)
Daß nach alledem die Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr für den Unfallschaden (mit-) einzustehen haben, bedarf keiner weiteren Darstellung und wird von ihnen auch hingenommen.
2.
Die Hauptursache des Unfalls hat der Geschädigte ... selbst gesetzt durch sein unbedachtes, ihm zum Vorwurf gereichendes Verhalten:
Zu seinen Gunsten, d. h. zum Vorteil der Klägerin, ist zwar angesichts der Vielzahl der unbekannten Unfallursachen von dem für ihn günstigsten Ablauf des Geschehens auszugehen, d. h. von einem Überqueren der Straße in gewöhnlichem Gehschritt zunächst bis zur Mitte bei "rechtzeitigem" Verlassen des Gehweges. Aber auch in diesem Falle ist ihm der Vorwurf eines massiven Fehlverhaltens nicht zu ersparen:
Es war dunkel, die Sicht war schlecht (Nässe), es war die Zeit des morgendlichen Berufsverkehrs, die zu überquerende Straße war dreispurig, es näherten sich aus beiden Richtungen Fahrzeuge; im näheren Bereich der Unfallstelle, nämlich unstreitig in einer Entfernung von 60 Metern, befand sich ein durch Ampel zusätzlich gesicherter Fußgängerüberweg.
In einem solchen Falle gereicht es dem Fußgänger zum - erheblichen - Verschulden, wenn er
a)
in Etappen die Straße zu überqueren versucht, dann auf der Fahrbahnmitte - wie hier voraussehbar - stehenbleiben muß, weil des Gegenverkehrs wegen das Überqueren in einem Zuge nicht möglich ist, statt
b)
den nahe gelegenen und sicheren Fußgängerüberweg zu benutzen.
Erst jüngst hat der Senat in einem ähnlichen Falle (Urteil vom 30. März 1989 - 5 U 14/88 -) ein solches Verhalten des Fußgängers als "leichtfertig" bewertet.
3.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge und Verantwortlichkeiten gelangt der Senat zu demselben Resultat wie das Landgericht. Der überwiegende Anteil liegt angesichts des massiven Fehlverhaltens des Fußgängers auf Seiten der Klägerin, weil die Beklagten nur für die Betriebsgefahr einzustehen haben. Der Senat pflichtet daher der vom Landgericht vorgenommenen Quotierung im Verhältnis von 2/3 zu 1/3 bei.
IV.
Für die Höhe des geltend gemachten Anspruchs folgt hieraus, daß die Klägerin (mit Ausnahme der Zinsen) nicht mehr verlangen kann, als die Beklagten vor Rechtshängigkeit gezahlt haben und das Landgericht ihr darüber hinaus zuerkannt hat:
1. Unstreitig ist der von der Klägerin als Unfallversicherer bestrittene Aufwand der Heilbehandlungskosten von | 325.559,03 DM |
---|---|
ebenso wie die Kosten der Belastungserprobung mit | 14.359,40 DM |
sowie nunmehr auch der Aufwand für vermehrte Bedürfnisse mit | 62.788,51 DM. |
Aus der Summe von | 402.706,94 DM |
sind zu erstatten 1/3, nämlich | 134.235,69 DM. |
(ebenso das Landgericht). | |
2. Die Klägerin verlangt ferner die - anteilige - Erstattung der bis zum 30. Juni 1985 an ... als Postjungbote weitergezahlten Vergütung im Betrage von | 64.906,14 DM. |
Das Landgericht hat ihr hierauf nach Maßgabe der Haftungsquote 1/3 zuerkannt, das sind | 21.635,38 DM. |
Dabei ist das Landgericht davon ausgegangen, daß insoweit ein Rechtsübergang auf die Klägerin nach Maßgabe von § 1542 RVO im Zeitpunkt des Unfalls stattgefunden hat.
Dies entspricht allerdings nicht dem Vortrag der Klägerin in der Berufung. Hier weist die Klägerin darauf hin (Seite 10 der Berufungsbegründung, Bl. 183 GA), daß bezüglich der an ... als Postjungbote im besonderen Dienstverhältnis fortgezahlten Vergütung kein gesetzlicher Forderungsübergang stattgefunden hat, weder nach dem Lohnfortzahlungsgesetz, noch nach der RVO; die Klägerin stützt vielmehr ihre Befugnis insofern ausschließlich auf die Abtretungsurkunde vom 6. Januar 1984. Hieraus würde indessen aber folgen:
a)
Daß die Klägerin für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1982 durch die Abtretung keine Schadensersatzansprüche ... hat erwerben können, weil dieser sich im Vergleich mit der Erstbeklagten vom 16. März 1983, also vorher, für die Zeit bis 31. Dezember 1982 für voll abgefunden erklärt hatte, so daß
b)
die Klägerin nach Maßgabe der im Vergleich festgestellten Quote von 50 % unter dem 6. Januar 1984 nur Ansprüche ... für den Zeitraum ab 1. Januar 1983 erwerben konnte. Ausweislich der von der Klägerin zum Gegenstand ihres Vertrags gemachten Auflistung der Leistungen (Hefter Anlage K 6 zur Klageschrift) ist ab Januar 1983 an ... insofern aber nicht mehr gezahlt worden als höchstens 27.000,00 DM, so daß sich hieraus eine anteilige Forderung der Klägerin von höchstens ... 13.500,00 DM ergeben würde, also weniger, als vom Landgericht zuerkannt.
3.
Nicht anders verhält es sich bei der letzten Position, dem Verdienstausfall für den Zeitraum von Juli bis Dezember 1985; auch hier kann die Klägerin nicht mehr verlangen, als das Landgericht bereits zuerkannt hat:
Für das Ergebnis kann dahinstehen, ob der zugrundeliegende Erwerbsschaden 10.874,68 DM betragen hat oder, wie nunmehr in der Berufung dargestellt, 13.187,68 DM. Auch im letzteren Falle beträgt die Erstattungsforderung der Klägerin nicht mehr als die vom Landgericht insofern zuerkannten 5.437,34 DM:
Die von der Klägerin mit 13.187,68 DM errechnete Summe setzt sich nach ihrem Vortrag erster Instanz (Seite 19 des Schriftsatzes vom 8. Oktober 1987, Bl. 80 GA) zusammen aus der an ... ab Juli 1985 mit monatlich 1.166,00 DM gezahlten Unfallrente, bezüglich derer Rechtsübergang gemäß § 1542 RVO geltend gemacht wird, sowie einem Differenzbetrag, bezüglich dessen die Klägerin sich auf die Abtretungsurkunde vom Januar 1984 stützt.
Nach Maßgabe der Haftungsquote sind somit auf die Klägerin übergegangen 1/3 von (6 × 1.166,00 DM =) 6.996,00 DM, nämlich | 2.332,00 DM |
---|---|
sowie nach Maßgabe der Haftungsquote im Abfindungsvergleich an die Klägerin abgetreten die Hälfte der Differenz (13.187,68 DM - 6.996,00 DM) von 6.191,68 DM, also | 3.095,84 DM. |
Dies sind | 5.427,84 DM, |
also weniger als die vom Landgericht zuerkannten | 5.437,34 DM. |
V.
Begründet ist das Rechtsmittel nur im Zinsausspruch, nämlich
a)
soweit eine Verzinsung schon vom 23. Juni 1984 an begehrt wird; der Verzug zu diesem Zeitpunkt ist nunmehr durch das Schreiben an die Erstbeklagte vom 4. Juni 1984 (Bl. 193 GA) nachgewiesen, ferner
b)
soweit höhere als die gesetzlichen Verzugszinsen verlangt werden; die begehrte Verzinsung entspricht der Zinshöhe
nachweisbar aufgenommenen Fremdkapitals (Bl. 199 ff. GA), und es bedarf daher keiner weiteren Darlegung, daß in dieser Höhe tatsächlich ein Verzugsschaden vorliegt (Senatsurteil vom 20.05.1976 - 5 U 66/75 - in VersR 78, 94; auch OLG Hamm in VersR 79, 191).
VI.
Die Nebenentscheidungen folgen den §§ 91, 92, 97, 708 Nr. 10, 711 und 546 Abs. 2 ZPO.