Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.04.1989, Az.: 4 U 57/88
Rechtsübergang bezüglich eines Grundpfandrechts; Ablösungsvorgang im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens; Rangordnung einzelner Teile des Grundpfandrechts
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.04.1989
- Aktenzeichen
- 4 U 57/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 19182
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1989:0407.4U57.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 12.01.1988 - AZ: 26 O 105/87
Rechtsgrundlagen
- § 268 Abs. 3 BGB
- § 873 BGB
- § 877 BGB
- § 1150 BGB
- § 1192 BGB
- § 1151 BGB
Fundstellen
- KTS 1990, 632
- Rpfleger 1990, 378-380 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- WM 1990, 860-862 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1990, 166
Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 1989
durch
den Vorsitzenden Richter ... sowie
die Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. Januar 1988 verkündete Urteil, der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.500 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet. Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank erfolgen.
Die Beschwer der Klägerin durch diese Entscheidung beträgt 45.000 DM.
Tatbestand
Die Beklagte war Gläubigerin der im Grundbuch von ... Blatt 4763 in Abt. III lfd. Nr. 4 eingetragenen Grundschuld von 162.000 DM nebst 14 % Zinsen seit dem 18. September 1981. Unter dem 15. Mai 1985 beantragte sie die Zwangsversteigerung des Grundstücks wegen eines Teilbetrages von 45.000 DM; auf Nachfrage des Versteigerungsgerichts erklärte sie, die Versteigerung solle aus einem "erstrangigen" Teilbetrag betrieben werden. Das Versteigerungsgericht erließ am 11. Juni 1985 einen entsprechenden Anordnungsbeschluß (Bl. 32 d.A.). Mit Schreiben vom 27. Februar 1987 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie mache als nachrangige Gläubigerin von ihrem Recht zur Ablösung des genannten Teilbetrages Gebrauch und bitte um Übersendung der erforderlichen Urkunden zur Berichtigung des Grundbuchs sowie um Einreichung des Grundschuldbriefs beim Amtsgericht zwecks Bildung eines Teilbriefs. Im Anschluß daran überwies die Klägerin der Beklagten 45.000 DM. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 27. Februar 1987, sie sei nicht bereit, einen erstrangigen Teilbetrag ihrer Grundschuld an die Beklagte abzutreten (Einzelheiten Bl. 113 d.A.), und zahlte der Klägerin - auch im Hinblick auf deren entsprechende fernschriftliche Aufforderung (Bl. 115 d.A.) - den überwiesenen Betrag von 45.000 DM zurück.
Im Versteigerungstermin vom 11. März 1987 erklärte der Vertreter der Klägerin, die Klägerin wolle die Beklagte ablösen und zahlte den Teilbetrag von 45.000 DM zuzüglich Kosten, insgesamt 49.141,98 DM, an das Versteigerungsgericht, worauf das Versteigerungsverfahren einstweilen und später endgültig eingestellt wurde. Im Anschluß daran erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abtretungserklärung bezüglich eines letztrangigen Teilbetrages der Grundschuld in Höhe von 45.000 DM. Demgegenüber hat die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit den Standpunkt vertreten, ihr stehe aufgrund der Ablösung ein erstrangiger Teilbetrag der Grundschuld zu.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie von der im Grundbuch von ... Bl. 4763 in Abt. III lfd. Nr. 4 eingetragenen Grundschuld einen erstrangigen Teilbetrag in Höhe von 45.000 DM nebst Zinsen ab dem 11. März 1987 abzutreten,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Klägerin Inhaberin eines erstrangigen Teilbetrages in Höhe von 45.000 DM nebst Zinsen ab dem 11. März 1987 der im Grundbuch von ... Bl. 4763 in Abt. III unter lfd. Nr. 4 eingetragenen Grundschuld ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist mit dem Klaganspruch mit Rechtsausführungen entgegengetreten; u.a. mit dem Hinweis, daß in einem erneuten Zwangsversteigerungsverfahren das Landgericht ... als Beschwerdegericht das Versteigerungsgericht angewiesen hat, die Zwangsversteigerung nicht lediglich wegen eines nachrangigen Teilbetrages, sondern wegen eines erstrangigen Teilbetrages (von 117.000 DM nebst Zinsen) anzuordnen (Bl. 69-71 d.A.).
Das Landgericht hat den Hauptantrag der Klägerin - wie sich zwar nicht aus dem Tenor, wohl aber aus den Entscheidungsgründen ergibt - als unzulässig abgewiesen, dagegen dem Hilfsantrag stattgegeben. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten im wesentlichen mit Rechtsausführungen und dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung ist begründet.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Ablösungsvorgang im Versteigerungstermin vom 11. März 1987 nicht dazu geführt, daß ein erstrangiger Teilbetrag der Grundschuld Abt. III lfd. Nr. 4 in Höhe von 45.000 DM auf die Klägerin übergegangen ist; aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt sich das Gegenteil, und die Berufung der Beklagten darauf kann auch nicht als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden.
1.
Keine Bedenken bestehen hinsichtlich der Zulässigkeit des von der Klägerin ursprünglich als Hilfsantrag angebrachten, im Berufungsverfahren allein noch anhängigen Feststellungsantrages der Klägerin (§ 256 ZPO); der Senat macht sich insoweit die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu eigen.
2.
Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet.
a)
Dies ergibt sich allerdings noch nicht - wie die Berufungsbegründung der Beklagten meint - aus der Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ... vom 10. November 1987 (Bl. 69 d.A.) in dem erneuten Zwangsversteigerungsverfahren. Es kann offenbleiben, ob und inwieweit dieser Entscheidung materielle Rechtskraft zukommt, denn eine solche erstreckt sich jedenfalls nicht auf das hier streitige Rechtsverhältnis der Parteien, zumal die Klägerin an dem erwähnten Beschwerdeverfahren nicht beteiligt war.
b)
Für die danach im vorliegenden Prozeß noch einmal voll zur Nachprüfung stehende Rechtsfrage ist Ausgangspunkt, daß der Rechtsübergang bezüglich eines Grundpfandrechts, das von einem Dritten berechtigterweise zum Teil abgelöst wird, an sich im Gesetz eindeutig geregelt ist: Die Ablösung darf nicht zum Nachteil des bisherigen Gläubigers geltend gemacht werden, d.h. der nicht abgelöste Teil des Grundpfandrechts erhält den Vorrang vor dem auf die ablösende Partei übergehenden Teil desselben (§§ 268 Abs. 3, 1150, 1192 BGB). Diese gesetzliche Regelung gilt eigentlich ohne weiteres - auch und gerade -, wenn ein derartiger Ablösungsvorgang im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens stattfindet. Davon gehen die Kommentatoren zum Zwangsversteigerungsgesetz auch grundsätzlich aus (Steiner/Hagemann, ZVG, 9. Auflage, § 10 Rdnr. 142; Stöber, Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, 5. Auflage Rdnr. 100; Zöller/Stöber, ZVG, 12. Auflage, § 15 Rdnr. 22.20, 22.27).
aa)
Unbeschadet dieses Ausgangspunkts meint nun Storz (Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 4. Auflage, B 4.4.2, Seite 120, Bl. 13 d.A.), etwas anderes gelte, wenn "sich aus der Bezeichnung" der abgelösten Teile etwas anderes eindeutig ergibt (z.B. weil der abgelöste Teil ausdrücklich aus dem "rangersten Teil der ... betrieben und der Ablösende den Teil ablöst, aus dem betrieben wird"). Hagemann greift (a.a.O.) diesen Satz auf und meint, für die Anwendung von § 268 Abs. 3 Satz 2 BGB sei dann kein Raum.
bb)
Der Senat tritt dieser - nicht näher begründeten - Ansicht nicht bei. Ihr kann (abgesehen von Billigkeitserwägungen, dazu noch unten zu cc)) letztlich nur die Vorstellung zugrunde liegen, durch das Betreiben des Zwangsversteigerungsverfahrens seitens des Gläubigers aus "dem rangersten Teil" seines Grundpfandrechts (jedenfalls spätestens mit der Ablösung "insoweit") werde eben dieser "erstrangige Teilbetrag" rechtlich irgendwie verselbständigt. Für eine solche Annahme ist jedoch keine rechtliche Grundläge ersichtlich. Das Grundpfandrecht ist in der Hand des Gläubigers ein einheitliches Recht; einen Rang von Teilbeträgen untereinander gibt es nicht, der Gläubiger kann einen solchen auch - für sich genommen - nicht bestimmen. Folgerichtig hat die Rechtsprechung angenommen, bei der erstmaligen Eintragung könne ein einheitliches Grundpfandrecht nur einen einheitlichen Rang haben; die Eintragung mit unterschiedlichem Rang einzelner Teilbeträge desselben Rechts sei unzulässig (OLG Zweibrücken, Rpfleger 1985, 54). Eine Aufteilung in Teilbeträge mit verschiedenem Rang ist vielmehr nur möglich, indem das einheitliche Grundpfandrecht in mehrere selbständige Rechte aufgespalten wird, etwa durch teilweise Abtretung. Indirekt ergibt sich dies insbesondere aus der Vorschrift des § 1151 BGB. Sie erleichtert zwar die Schaffung unterschiedlicher Rangverhältnisse von Teilgrundpfandrechten (indem die Zustimmung des Eigentümers in Ausnahme von § 880 Abs. 2 BGB für nicht erforderlich erklärt wird), läßt aber den Grundsatz unberührt, daß die Änderung des Rangverhältnisses eine Inhaltsänderung des Grundpfandrechts darstellt, die eine dingliche Einigung - oder zumindest eine einseitige Erklärung des Grundpfandrechtsgläubigers - sowie die Eintragung in das Grundbuch erfordert (§§ 873, 877 BGB; Palandt/Bassenge, BGB, 48. Auflage, § 877 Anm. 2 a; für die Teilabtretung einer Briefhypothek verbunden mit einer Rangvereinbarung siehe allerdings OLG Hamm WM 1988, 112 = Rpfleger 1988, 58; dazu Schmid, Rpfleger 1988, 136).
Von diesem Ausgangspunkt her hat jedenfalls die Erklärung eines Gläubigers, er betreibe die Zwangsvollstreckung aus einem "erstrangigen Teil" seines Grundpfandrechts, noch keine (materiellrechtlich) konstitutive Bedeutung. Offenbleiben mag, ob eine derartige Erklärung im Laufe des Versteigerungsverfahrens gewisse verfahrensrechtliche Folgen haben könnte, etwa in dem Sinne, daß darin das Einverständnis des Gläubigers mit vom Gesetz abweichenden Versteigerungsbedingungen bezüglich des geringsten Gebots usw. läge, oder etwa für die Verteilung des Versteigerungserlöses. Die Geltung des § 268 Abs. 3 Satz 2 BGB bleibt hiervon jedenfalls nach geltendem Recht unberührt. Es ist auch nicht aus rechtspolitischen Gründen unausweichlich, für eine Ablösung in einem solchen Fall eine Ausnahme von § 268 Abs. 3 Satz 2 BGB zu befürworten; dies braucht indessen angesichts der eindeutigen Formulierung des Gesetzes nicht weiter vertieft zu werden.
cc)
Gilt aber bei Fallgestaltungen dieser Art allgemein die Vorschrift des § 268 Abs. 3 Satz 2 BGB, so gibt es nach den hier vorliegenden konkreten Umständen auch keinen Anhaltspunkt für eine gegenteilige Lösung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB), wie das Landgericht gemeint hat; einer solchen Sicht ist spätestens durch die Hinweise der Berufungsbegründung der Beklagten auf den Schriftwechsel vor dem Ablösungsvorgang vom 11. März 1987 der Boden entzogen: Die Klägerin hat nicht etwa "im Vertrauen" auf ein bestimmtes Verhalten der Beklagten abgelöst, sondern sie ist sehenden Auges das Risiko eingegangen, daß den von ihr mit der Ablösung verfolgten Zielen die Vorschrift des § 268 Abs. 3 Satz 2 BGB entgegenstehen könnte. Damit erweist sich auch das von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gebrachte Argument als gegenstandslos, die Klägerin müsse sich widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) vorhalten lassen; denn ein solches Verhalten ist nur mißbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn sonstige Umstände die Rechtsausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Anm. 4 C e m.w.N.), wovon hier keine Rede sein kann.
dd)
An der Sache vorbei geht schließlich der Hinweis der Berufungserwiderung der Klägerin, bei § 268 Abs. 3 Satz 2 BGB handele es sich nur um eine "Auslegungsregel" für den Fall, daß keine anderweitige Bestimmung über den Rang des abgelösten Anspruchs getroffen worden sei: Natürlich könnte die "Ablösung" einer Teilforderung auch so abgewickelt werden, daß der Gläubiger und der Ablösende sich darüber einigen, daß sich die Ablösung gerade auf einen mit einem bestimmten "Rang" versehenen Teil der Forderung beziehen solle; dann würde es sich um eine rechtsgeschäftliche Ablösungsvereinbarung handeln, bei deren Abwicklung als Durchführungsakt die Teilabtretung des Grundpfandrechts eben bezogen auf den beiderseitig gewollten Rang erfolgte. Hierbei handelt es sich jedoch nur um ein denkbares Modell. Im hier vorliegenden konkreten Fall ist jedoch gerade keine Ablösung durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen den Parteien erfolgt, sondern die Klägerin hat einseitig abgelöst und dadurch die gesetzlichen Folgen ausgelöst.
3.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 546 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Die Beschwer der Klägerin durch diese Entscheidung beträgt 45.000 DM.